(19)
(11) EP 0 635 282 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.01.1995  Patentblatt  1995/04

(21) Anmeldenummer: 94108750.4

(22) Anmeldetag:  08.06.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6A62D 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR LI NL

(30) Priorität: 23.07.1993 DE 4324796

(71) Anmelder: ABB RESEARCH LTD.
CH-8050 Zürich 11 (CH)

(72) Erfinder:
  • Balg, Jürgen, Dr.
    CH-5415 Nussbaumen (CH)
  • Selinger, Adrian, Dr.
    CH-5442 Fislisbach (CH)
  • Simon, Franz-Georg, Dr.
    CH-5430 Wettingen (CH)

(74) Vertreter: Hetzer, Hans Jürgen et al
ABB Management AG, Abt. TEI - Immaterialgüterrecht, Wiesenstrasse 26
CH-5401 Baden
CH-5401 Baden (CH)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Verfahren zur Reststoffbehandlung in Müllverbrennungsanlagen


    (57) Bei dem Verfahren zur Reststoffbehandlung in Müllverbrennungsanlagen, in welchen neben Schlacke Chlorwasserstoff aus der Rauchgaswäsche anfällt, wird die Schlacke nach vorgängiger mechanischer Zerkleinerung mit der rohen Salzsäure aus dem Nasswäscher der Rauchgasreinigungsanlage gewaschen. Der Chloridgehalt in der so behandelten Schlacke wird danach durch Waschen mit Wasser reduziert, und die Schwermetallchloride in beiden Waschwassern werden durch Zugabe von Soda ausgefällt.
    Endprodukte dieser Behandlung sind Schlacke in Baustoffqualität und verwertbares Kochsalz.




    Beschreibung

    TECHNISCHES GEBIET



    [0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Reststoffbehandlung in Müllverbrennungsanlagen, in welchen neben Schlacke unter anderem auch Chlorwasserstoff aus der Rauchgaswäsche anfällt.

    TECHNOLOGISCHER HINTERGRUND UND STAND DER TECHNIK



    [0002] Bei der Verbrennung von Siedlungsabfällen fallen im Prozess verschiedene Reststofffraktionen an: Schlacke (250 kg/Tonne Müll), Filterstaub (20 - 30 kg/Tonne Müll), Chlorwasserstoff (7 kg/Tonne Müll) aus dem Nasswäscher der Rauchgasreinigungsanlage und Schwefeldioxid (2 kg/Tonne Müll). Eine Verwendung dieser Reststoffe ist ohne vorgängige Aufarbeitung nicht möglich.

    [0003] Filterstaub ist wegen des hohen Gehalts an Schwermetallen und organischen Materialien als Sondermüll einzustufen. Eine Verwertung, z.B. im Gehwegebau, ist jedoch durch Verglasung des Staubs möglich. Aus Schwefeldioxid kann durch geschickte Prozessführung Gips als Werkstoff erzeugt werden. Problematisch ist die Aufarbeitung des Chlorwasserstoffs, da zur Herstellung von verwertbarer Salzsäure in technischer Qualität extrem aufwendige Verfahren mit mehrstufiger Rektifikation notwendig sind. Die Schlacke schliesslich ist mit Schwermetallen belastst und wird daher heute oftmals geordnet deponiert.

    KURZE DARSTELLUNG DER ERFINDUNG



    [0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Reststoffbehandlung in Müllverbrennungsanlagen anzugeben, das zu einem praktisch schwermetallfreien Endprodukt mit guten hydraulischen Eigenschaften führt.

    [0005] Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren der eingangs genannten Gattung erfindungsgemäss dadurch gelöst, dass die Schlacke nach vorgängiger mechanischer Zerkleinerung mit der rohen Salzsäure aus dem Nasswäscher der Rauchgasreinigungsanlage gewaschen wird, der Chloridgehalt in der so behandelten Schlacke durch Waschen mit Wasser reduziert wird. Die Schwermetallchloride in beiden Waschwassern werden durch Zugabe eines Fällungsmittels, vorzugsweise Soda, ausgefällt.

    [0006] Der Erfindung liegen dabei die folgenden, durch praxisnahe Versuche bestätigte Ueberlegungen zugrunde:

    [0007] Die Reduzierung des Schwermetallgehalts in Schlacken aus Müllverbrennungsanlagen ist durch Waschen mit Wasser allein nicht möglich. Schlacke reagiert wegen ihres Gehalts an Calciumoxid (CaO) alkalisch.



            CaO + H₂O --> Ca²⁺ + 2 OH⁻



    Aus diesem Grunde werden beim Eluieren mit Wasser unlösliche Schwermetallverbindungen gebildet



            Me²⁺ + 2 OH⁻ --> Me(OH)₂



       [Me: zweiwertiges Schwermetall]
    Ein ausreichend hoher Gehalt an alkalisch wirkenden Substanzen ist erwünscht, da auf diese Weise Schwermetall-Ionen immobilisiert werden. Ausserdem verleiht CaO der Schlacke gute Baustoffeigenschaften. Für die Alkalinität sind in den einschlägigen Verordnungen Mindestwerte festgelegt. So ist beispielsweise in der "Schweizerischen technischen Verordnung über Abfälle" (TVA) ein Mindestwert von 1 mol/kg vorgeschrieben, was umgerechnet auf CaO 2,8% sind.

    [0008] Bei einem sauren Waschprozess bilden sich überwiegend lösliche Verbindungen, die durch eine Fest-Flüssig-Separation von der Schlacke abgetrennt werden können. Für einen solchen Waschprozess bietet sich nun erfindungsgemäss Salzsäure an, da diese Säure ohnehin in der Rauchgasreinigung der Anlage anfällt.

    [0009] Schwermetalle, die als Oxide vorliegen, werden so in eine lösliche Form überführt.



            MeO + 2 HCl --> MeCl₂ + H₂O



    Alkalisches Material, wie CaO, wird durch eine saure Wäsche zum Teil neutralisiert.



            CaO + 2 HCl --> CaCl₂ + H₂O



    Wie Laboruntersuchungen ergeben haben, kann die gesamte Alkalinität nur dann zerstört werden, wenn das Material sehr klein gemahlen vorliegt. In diesem Fall müsste der Anteil CaO, der beim Waschprozess neutralisiert wird, anschliessend zur Stabilisierung des Reststoffes wieder zugefügt werden. Wird also das Ausgangsprodukt nur vergleichsweise grob zerkleinert, z.B. auf Korngrössen zwischen 5 und 30 mm in einer Hammermühle, entfällt die Notwendigkeit, den Reststoff zu stabilisieren. Dies bedeutet, dass eine saure Wäsche auch mit einer kleineren als der theoretisch aus der Gesamtalkalinität berechneten Menge an Salzsäure möglich ist.

    [0010] Ein wesentlicher Vorteil der Erfindung besteht darin, dass in einem einzigen Verfahren auf wirtschaftliche Weise zwei kritische Reststoffe, schwermetallhaltige Schlacke und rohe Salzsäure, beseitigt bzw. in wiederverwendbares Material umgewandelt werden können. Endprodukte dieser Behandlung sind Schlacke in Baustoffgualität und verwertbares Kochsalz.

    [0011] Ein Ausführungsbeispiel der Erfindung sowie die damit erzielbaren Vorteile werden nachfolgend anhand der Zeichnung näher erläutert.

    KURZE BESCHREIBUNG DER ZEICHNUNG



    [0012] In der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel der Erfindung schematisch in Form eines Flussdiagramms schematisch dargestellt.

    WEGE ZUR AUSFÜHRUNG DER ERFINDUNG



    [0013] Gemäss der Figur wird Schlacke aus dem Verbrennungsofen 1 einer Müllverbrennungsanlage durch Stösselentschlacker 2 durch ein Wasserbad hindurch aus dem Ofen 1 ausgetragen. In einem ersten Verfahrensschritt wird in einer mechanischen Trennvorrichtung 3 das sogenannte Grob- oder Ueberkorn abgetrennt. Grob- oder Ueberkorn sind nicht oder unvollständig verbrannte Bestandteile des Mülls mit Durchmessern von etwa 250 mm oder grösser. Danach schliesst sich in einem Magnetabscheider 4 die Abtrennung der Eisenfraktion an, was z.B. durch Ueberbandmagnete erfolgen kann. Die den Magnetscheider verlassende Kornfraktion zwischen etwa 30 bis 250 mm wird mechanisch in einer Mühle 5, z.B. einer Hammermühle, zerkleinert, und zwar auf Korngrössen von 32 mm und weniger. Die derart aufbereitete Kornfraktion gelangt dann in einen ersten Wäscher, dem Säurewäscher 6, wo sie mit roher Salzsäure gewaschen wird. Ein für diesen Zweck geeigneter Säurewäscher umfasst beispielsweise einen Edelstahltank mit integriertem Rührwerk. Die rohe Salzsäure kommt vom Nasswäscher 7 der bei Müllverbrennungsanlagen ohnehin vorhandenen Rauchgasreinigungsanlage 8. Bei diesem Waschprozess bilden sich überwiegend lösliche Verbindungen, die durch eine an sich bekannte Fest-Flüssig-Separation von der Schlacke abgetrennt werden können.

    [0014] Der so erhaltene Rückstand weist einen nicht unerheblichen Rückstand an Chloriden auf, welcher durch Waschen mit Wasser in einem zweiten Wäscher 9, dem Wasserwäscher, reduziert wird. Die Separation von Schlacke und mit Chloriden beladenem Waschwasser erfolgt wie beim ersten Waschvorgang durch eine an sich bekannte Fest-Flüssig-Separation.

    [0015] Die im vorangegangenem Verfahrensschritt separierte Schlacke kann nun optional in einer Kalkstufe 10 mit Kalk, z.B. in Form von Kalkmilch, weiterbehandelt werden. Diese Massnahme dient zur Stabilisierung der Schlacke. In der Schlacke verbliebene Schwermetallspuren werden auf diese Weise immobilisiert und nicht weiter ausgelaugt.

    [0016] Die Waschwässer aus dem Säurewäscher 6 und dem Wasserwäscher 9 - sie enthalten als wesentliche Verunreinigungen Schwermetallchloride (MeCl₂) und Calciumchlorid (CaCl₂) - werden einer Abwasserreinigungsanlage 11 zugeführt und dort weiterbehandelt. Vorzugsweise wird dabei Soda (Na₂(CO₃)) als Fällungsmittel verwendet, mit welcher eine Neutralisierung und gleichzeitige Ausfällung möglich ist:



            2 HCl + Na₂(CO₃) --> 2 NaCl + H₂O + CO₂




            CaCl₂ + Na₂(CO₃) --> CaCO₃ + 2 NaCl




            MeCl₂ + Na₂(CO₃) --> MeCO₃ + 2 NaCl



       [Me: zweiwertiges Schwermetall]
    Die Schwermetallkonzentration kann durch Zugabe sulfidischer Reagenzien, z.B. Trimercaptotriazin (Handelsname TMT15) sehr tief herabgesetzt werden.

    [0017] Aus der verbleibenden Lösung kann verwertbares Kochsalz, z.B. NaCl für die Chloralkali-Elektrolyse, kristallisiert werden.

    [0018] In einer typischen Müllverbrennungsanlage fallen pro Tonne Müll 250 bis 300 kg Schlacke an. Messungen haben gezeigt, dass die Alkalinität - berechnet als CaO - zwischen 10 und 13% beträgt. Dies sind umgerechnet auf die Stoffmenge zwischen 800 und 1000 mol alkalische Aequivalente pro Tonne Müll. In der Rauchgasreinigungsanlage fallen ca. 7 kg HCl entsprechend etwa 200 mol Säure an.

    [0019] Eingehende Laborversuche haben gezeigt, dass auch mit diesen Stoffmengen-Verhältnissen der pH-Wert beim Waschen (in der Säurestufe) im sauren liegt. Schwermetalle, die an den Oberflächen der Schlackekörner sitzen, werden durch den Waschprozess wirkungsvoll herausgelöst.

    Bezeichnungsliste



    [0020] 
    1
    Verbrennungsofen
    2
    Stösselentschlacker
    3
    Trennvorrichtung
    4
    Magnetscheider
    5
    Hammermühle
    6
    Säurewäscher
    7
    Nasswäscher von 8
    8
    Rauchgasreinigungsanlage
    9
    Wasserwäscher
    10
    Kalkstufe
    11
    Abwasserreinigungsanlage



    Ansprüche

    1. Verfahren zur Reststoffbehandlung in Müllverbrennungsanlagen, in welchen neben Schlacke Chlorwasserstoff aus der Rauchgaswäsche anfällt, dadurch gekennzeichnet, dass die Schlacke nach vorgängiger mechanischer Zerkleinerung mit der rohen Salzsäure aus dem Nasswäscher der Rauchgasreinigungsanlage gewaschen wird, der Chloridgehalt in der so behandelten Schlacke durch Waschen mit Wasser reduziert wird.
     
    2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Separation von Schlacke und Waschwasser die Metallchloride in beiden Waschwassern durch Zugabe von Soda ausgefällt werden.
     
    3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass zur weiteren Reduktion der Schwermetallkonzentration im Waschwasser sulfidische Reagenzien, vorzugsweise Trimercaptotriazin, dem Waschwasser zugesetzt wird.
     
    4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass nach der Separation von Schlacke und Waschwasser die Schlacke mit Kalk, vorzugsweise in Form von Kalkmilch, behandelt wird zweck Immobilisierung der in der Schlacke verbliebenen Schwermetallspuren.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht