[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft hochfeste Polyacrylnitrilfasern (im folgenden
PAN-Fasern genannt) hohen Moduls, sowie ein besonders angepaßtes Verfahren zu deren
Herstellung und deren Verwendung, insbesondere als Verstärkungsmaterialien oder zur
Herstellung von Filtern oder Reibbelägen.
[0002] PAN-Fasern hoher Festigkeit sind an sich bekannt. So werden beispielsweise von Dobrecov
et al. in Sowjet. Beiträge zur Faserforschung und Textiltechnik,
9, S. 407-411 (1972) PAN-Fasern hoher Festigkeit und hohen Moduls beschrieben, die
sich von PAN-Typen hohen Molekulargewichts ableiten; Beispiele dafür sind Molekulargewichte
von 3*10⁶.
[0003] Aus den EP-A-165,372 und -255,109 sind Fasern von Festigkeiten mit mehr als 8,83
cN/dtex und Verfahren zu deren Herstellung bekannt, bei denen ebenfalls PAN-Typen
hohen Molekulargewichts zum Einsatz kommen. Nach EP-A-255,109 werden PAN-Typen mit
einem Molekulargewicht von mehr als 500,000 (Gewichtsmittel) eingesetzt, während nach
EP-A-165,372 PAN-Typen mit einer Grenzviskosität von mehr als 2,5 eingesetzt werden,
welches einem Molekulargewicht von mehr als 210,000 (Gewichtsmittel) entspricht.
[0004] In den obenerwähnten Schriften werden ausnahmslos PAN-Typen ungewöhnlich hohen Molekulargewichts
eingesetzt. Übliche Werte des Molekulargewichts für PAN-Fasern bewegen sich etwa im
Bereich von 80,000 bis 180,000 (vergl. dazu die Ausführungen von Falkai et al. in
"Synthesefasern", S. 200, Verlag Chemie (1981) oder von Masson et al. in "Fiber Producer",
June 1984, S. 34-37).
[0005] Der Einsatz der in diesen Schriften angegebenen hochmolekularen PAN-Typen bringt
auch Probleme bei der Herstellung dieser Fasern mit sich. So muß aufgrund der geringeren
Löslichkeit der hochmolekulargewichtigen PAN-Typen die Spinnmassekonzentration für
die Herstellung einer Spinnmasse reduziert werden. So ist es beispielsweise bei der
Verarbeitung von PAN-Typen niedrigeren Molekulargewichts möglich, mit Spinnmassekonzentrationen
von 19 - 21 % zu arbeiten. In den obigen Schriften wird dagegen mit reduzierten Spinnmassekonzentrationen
von höchstens 10 - 15 % gearbeitet. Das bedeutet einen erheblichen Produktivitätsverlust
von 25 - 70 % für eine Produktionsanlage. So wird beispielsweise gemäß EP-A-165,372
mit einer Spinnmassekonzentration zwischen 6 - 12 % gearbeitet (Beispiele 5 - 7).
Das bedeutet einen Produktivitätsverlust zwischen 45 - 70 %.
[0006] Desweiteren verlängert sich die Verweilzeit für das Lösen des PAN im Lösungsmittel
beträchtlich mit steigendem Molekulargewicht des Polymers. Hier müssen neue Anlagen
zum Lösen angeschafft werden, um die Effektivität beim Löseprozeß beizubehalten. So
müssen üblicherweise zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um mit einer höheren
Spinnmassenkonzentration arbeiten zu können. In der EP-A-255,109 wird versucht, mit
der Zugabe von 1 - 10 % Wasser zur Spinnmasse die Viskosität zu verringern, um mit
einer höheren Spinnmassenkonzentration arbeiten zu können. Dies ist jedoch mit einer
Korrosionsgefahr für die Anlagen verbunden; außerdem sind mit dieser Maßnahme nur
begrenzte Viskositätsverringerungen möglich.
[0007] Es sind auch bereits PAN-Fasern hoher Festigkeit bekannt geworden, die mit PAN-Typen
üblichen Molekulargewichts hergestellt worden sind. So werden beispielsweise in der
GB-A-1,193,170 PAN-Fasern beschrieben, die Festigkeiten bis zu 17,5 g/denier aufweisen.
Die Reißdehnung der beschriebenen Fasern ist allerdings mit mehr als 15 % für viele
Anwendungen zu hoch.
[0008] Aus der EP-A-44,534 sind hochfeste PAN-Fasern hohen Moduls bekannt, welche ebenfalls
mit PAN-Typen üblichen Molekulargewichts hergestellt worden sind. Beschrieben werden
Fasern mit Festigkeiten von bis zu 81 cN/tex oder mit Anfangsmoduli von bis zu 1989
cN/tex. PAN-Fasern, welche Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex und gleichzeitig Anfangsmoduli
von mehr als 1800 cN/tex aufweisen, werden in dieser Schrift nicht beschrieben.
[0009] PAN-Fasern sind aufgrund ihrer hohen Beständigkeit in agressiven Umgebungen, beispielsweise
in stark alkalischen Umgebungen, oder gegenüber Bestrahlung gefragte Verstärkungsmaterialien.
Für technische Anwendungen sind insbesondere hohe Festigkeiten und hohe Anfangsmoduli
bei geringen Reißdehnungen gefragt. Es besteht ein Bedarf an PAN-Fasern, mit einem
derartigen Eigenschaftsprofil, insbesondere nach PAN-Fasern, die nach Verfahren hoher
Produktivität erhältlich sind.
[0010] Die vorliegende Erfindung betrifft Fasern enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder
-copolymer mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von weniger als 210,000
als faserbildende Substanz, wobei die Fasern Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex,
Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von mehr als 1800 cN/tex und Reißdehnungen
von weniger als 10 % aufweisen.
[0011] Als Polymerrohstoffe können die nach den üblichen Verfahren hergestellten Fällungs-
oder Lösungspolymerisate eingesetzt werden. Je nach den Anforderungen für die Einsatzgebiete
können sowohl Homo- als auch Copolymerisate des Acrylnitrils Verwendung finden. Bei
den eingesetzten Monmeren sollte auf eine möglichst hohe Reinheit geachtet werden.
Als Comonomere eignen sich alle mit Acrylnitril copolymerisierbaren ungesättigten
Verbindungen, vorzugsweise ungesättigte Carbonsäuren, wie Acrylsäure, Methacrylsäure
oder Itaconsäure; ungesättigte Sulfonsäuren, wie Ally-, Methallyl- oder Styrolsulfonsäure;
ungesättigte Carbonsäureamide, wie Acrylamid oder Methacrylamid; Ester ungesättigter
Carbonsäuren, wie die Methyl-, Ethyl-, Propyl- oder Butylester der Acryl- oder der
Methacrylsäure oder mehrfunktionelle Hydroxyethyl- oder Aminoethylester bzw. deren
Derivate der Acryl- oder Methacrylsäure; Ester von Carbonsäuren mit ungesättigte Alkoholen
bzw. Ether auf der Basis ungesättigter Alkohole, wie Vinylester und-ether, beispielsweise
Vinylacetat, Vinylstearat, Vinylbutyrat, Bromessigsäurevinylester, Dichloressigsäurevinylester
oder Trichloressigsäurevinylester; ungesättigte Aldehyde oder Ketone, wie Acrolein
oder Crotonaldehyd; Säurehalogenide ungesättigter Carbonsäuren, wie Acryl- oder Methacrylsäurechloride;
oder weitere mit Acrylnitril copolymerisierbare Monmere, wie Styrol, Butadien, Propylen
oder Vinylhalogenide, beispielsweise Vinylchlorid, Vinylidenchlorid oder Vinylbromid.
[0012] Vorzugsweise weisen die eingesetzten Polymeren einen Gehalt von mindestens 90 Gew.
%, insbesondere mindestens 99 Gew. % Acrylnitrileinheiten auf.
[0013] Ganz besonders werden Polyacrylnitrilhomopolymere oder -copolymere eingesetzt, deren
Molekulargewicht (Gewichtsmittel) 175,000 bis 210,000 beträgt.
[0014] Die Festigkeiten der erfindungsgemäßen Fasern betragen vorzugsweise 89 bis 100 cN/tex.
[0015] Die Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, der erfindungsgemäßen Fasern betragen
vorzugsweise 1850 bis 2150 cN/tex, ganz besonders bevorzugt 1900 bis 2150 cN/tex.
[0016] Die Reißdehnungen der erfindungsgemäßen Fasern betragen vorzugsweise 7 bis 9 %.
[0017] Bevorzugt sind ferner Fasern, wie oben definiert, die Knotenfestigkeiten von mehr
als 15 cN/tex aufweisen, insbesondere von 17 bis 20 cN/tex.
[0018] Die Titer der erfindungsgemäßen Fasern bewegen sich üblicherweise im Bereich textiler
Titer, beispielsweise im Bereich von kleiner gleich 3,5 dtex. Bevorzugt werden Fasern
mit Titern von 1,5 bis 2,5 dtex.
[0019] Es hat sich im Laufe der Entwicklung herausgestellt, daß hochfeste PAN-Fasern mit
einer hohen Produktivität hergestellt werden können, wenn bestimmte Verfahrensbedingungen
eingehalten werden.
[0020] Die Erfindung betrifft daher auch ein Verfahren zur Herstellung hochfester Polyacrylnitrilfasern
umfassend folgende Maßnahmen:
a) Herstellung einer Spinnlösung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel
oder eine Mischung derartiger Lösungsmittel und mindestens 15 Gew.%, bezogen auf die
Spinnlösung, eines Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren mit einem Gewichtsmittel
des Molekulargewichtes von weniger als 500,000 oder einer Mischung aus solchen Polymeren,
b) Verspinnen dieser Spinnlösung nach einem Nassspinnverfahren oder einem Trockendüsen-Nassspinnverfahren
in ein Koagulationsbad, wobei eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mindestens
5 m/min gewählt wird,
c) Koagulation der ersponnenen Fäden im Koagulationsbad und Abziehen dieser Fäden
aus dem Koagulationsbad, und
d) Nachbehandeln der ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen,
wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtungen der ersponnenen Fäden aus dem
Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1 : 12 beträgt.
[0021] Als Spinnlösungsmittel lassen sich beliebige organische aprotische Lösungsmittel
oder eine Mischung solcher Lösungsmittel einsetzen. Beispiele für solche Lösungsmittel
sind Dimethylsulfoxid (DMSO), Dimethylacetamid (DMAC) und insbesondere Dimethylformamid
(DMF).
[0022] Im erfindungsgemäßen Verfahren werden Polymere eingesetzt, die Gewichtsmittel des
Molekulargewichtes von kleiner gleich 500,000 aufweisen, vorzugsweise 74,000 bis 500,000.
Besonders bevorzugt werden Polymere eingesetzt, deren Gewichtsmittel des Molekulargewichtes
75,000 bis 400,000, insbesondere 175,000 bis 250,000 betragen.
[0023] Um eine möglichst hohe Produktivität des Verfahrens zu gewährleisten ist es notwendig,
daß ein PAN-Polymer mit den oben definierten Molekulargewichten eingesetzt wird. Mit
diesen PAN-Polymeren relativ niedrigen Molekulargewichtes ist es möglich, Spinnlösungen
mit ausreichend hoher Konzentration des Polymeren herzustellen, ohne dabei Hilfmittel
einsetzen zu müssen, welche gegebenenfalls das Verfahren stören.
[0024] Beim Einsatz von PAN-Polymeren höherer Molekulargewichte ist direkt mit Produktivitätsverlusten
zu rechnen.
[0025] Für die Herstellung der Spinnlösung können klassischen Verfahren und Maschinen eingesetzt
werden. Beim erfindungsgemäßen Verfahren beträgt die Spinnmassekonzentration mindestens
15 %, vorzugsweise 17 bis 22 %, insbesondere 18 bis 22 %. Bei Einsatz von Spinnmassekonzentrationen
von weniger als 15 % treten in der Regel Probleme mit dem Düsenlauf auf; d.h. es kommt
beim Verspinnen zu Unregelmäßigkeiten an den Düsen und in der Folge können Verklebungen
auftreten. Ferner nimmt die Produktivität der Nachbehandlungsstraße direkt mit der
Abnahme der Spinnmassekonzentration ab.
[0026] Die Spinnmasse wird vor dem Verspinnen üblicherweise filtriert. Dabei werden Gelteilchen
und gegebenenfalls vorhandene Verunreinigungen entfernt. Der Filtration kommt beim
erfindungsgemäßen Verfahren eine große Bedeutung zu, da mit dieser Maßnahme die Fehlerrate
beim Verspinnen und bei der Nachbehandlung beträchtlich gesenkt werden kann. So können
Spinnfehler nachträglich bei der Kontakt- und Naßverstreckung der Faser zu Wicklungen
an den Streckwalzen führen.
[0027] Die Filtration kann mit den dafür bekannten Vorrichtungen durchgeführt werden, beispielsweise
mit Filterpressen, in denen die Spinnmasse durch mehrere kompakte Gewebelagen hindurchgepresst
werden. Ein Maß für die Filterwirkung stellt die sogenannte Durchgängigkeit dar; diese
stellt eine Obergrenze für diejenigen Teilchendurchmesser dar, welche den Filter noch
passieren.
[0028] Im Falle von Spinnlösungen mit DMF als Lösungsmittel werden vorzugsweise Filter mit
einer Durchgängigkeit von 5 bis 15 µm eingesetzt. Dies bedeutet, daß Teilchen mit
einem Durchmesser von weniger als 5 bis 15 µm den Filter noch passieren können. Wenn
die Filtration der Spinnmasse nicht ordnungsgemäß, d.h. im Falle von Spinnlösungen
mit DMF als Lösungsmittel mit einem gröberen Filter als 15 µm durchgeführt wird, ist
mit späteren Produktionsstörungen zu rechnen.
[0029] Die Filtrationstemperatur liegt im Falle von DMF-Spinnlösungen vorzugsweise zwischen
80 und 90°C.
[0030] Die Geschwindigkeit beim Austritt der Fäden aus der Spinndüse muß so gewählt werden,
daß die Fasern beim Eintauchen in die Flüssigkeit sich praktisch nicht verbiegen und
ihre bisherige Bewegungsrichtung beibehalten. Dies ist gewährleistet, wenn eine Spritzgeschwindigkeit
der Spinnlösung von mind. 5 m/min, vorzugsweise 5 bis 7 m/min gegeben ist.
[0031] Die Spritzgeschwindigkeit S errechnet sich gemäß der folgenden Gleichung:

Dabei bedeuten:
- S =
- Spritzgeschwindigkeit (m/min)
- F =
- Fördermenge (cm³/min)
- Z =
- Anzahl der Düsenlöcher
- d =
- Düsenlochdurchmesser (mm)
Infolge der hohen Spritzgeschwindigkeit treten die ersponnen Fäden ohne merkliche
Änderung der Richtung in das Koagulationsbad bzw. durch die Oberfläche des Koagulationsbades
ein. Ändert sich die Richtung der Fäden beim Eintauchen in das Koagulationsbad wesentlich,
so ist mit Verklebungen der Fasern miteinander und an der Oberfläche der Düse zu rechnen.
Im Koagulationsbad kann sich die Bewegungsrichtung der Fäden ändern.
[0032] Infolge der hohen Spritzgeschwindigkeit und der relativ hohen Viskosität der hochkonzentrierten
Spinnlösung kann sich in der Spinndüse ein hoher Druck aufbauen. Dieser Druck kann
zu Problemen beim Verspinnen und zu einem Verkleckern der Spinndüse, also einem Kleben
von Tropfen der Spinnmasse an den Düsen führen. Es empfiehlt sich daher, die Temperatur
der Spinnlösung beim Auftreten solcher Probleme vor dem Durchtritt durch die Spinndüse
zu erhöhen, um auf diese Weise die Viskosität der Spinnlösung abzusenken. Im Falle
von DMF als Spinnlösungsmittel empfiehlt es sich, die Spinnmasse kurz vor dem Einlaufen
in die Düse auf mindestens 100°C aufzuheizen.
[0033] Spinnmassetemperaturen dieser Spinnlösungen unterhalb von 100°C bewirken in der Regel
die oben geschilderten Probleme. Bei Spinnmassetemperaturen oberhalb von 130°C ist
mit dem Verdampfen des DMF und mit Vergilbung der Spinnmasse zu rechnen. Im Falle
von DMF arbeitet man also vorzugsweise mit Temperaturen der Spinnlösung vor der Spinndüse
von 100 bis 130°C.
[0034] Die richtige Wahl des Düsenlochdurchmessers beeinflußt wesentlich den sauberen und
einwandfreien Einlauf der Fäden ins Koagulationsbad. Die erforderlichen hohen Spritzgeschwindigkeiten
des erfindungsgemäßen Verfahrens sind insbesondere bei der Wahl großer Düsenlochdurchmesser
schwierig zu realisieren. In diesen Fällen ist mit Problemen beim Verspinnen und einem
Verkleckern der Spinndüse zu rechnen. Treten solche Probleme auf, so empfiehlt es
sich im Einzelfall, die Düsendurchmesser zu verkleinern.
[0035] Daneben kann durch die Wahl der Dicke des Fadens dessen Verhalten beim Einpressen
in die Flüssigkeit des Koagulationsbades beeinflußt werden. Wie bereits erwähnt müssen
die Fäden unter solchen Bedingungen in das Koagulationsbad eingepreßt werden, daß
die Fasern sich beim Eintauchen in die Flüssigkeit nicht verbiegen und ihre bisherige
Geschwindigkeitsrichtung verlieren. Dies kann auch durch die Wahl des Durchmessers
der Düsenlöcher beeinflußt werden.
[0036] Typischerweise betragen die Düsenlochdurchmesser weniger als 120 µm; bevorzugt werden
Düsenlochdurchmesser von 60 bis 120 µm.
[0037] Das Verspinnen kann nach dem an sich bekannten Nassspinnverfahren oder Trockendüsen-Nassspinnverfahren
erfolgen. Dazu kann die Spinndüse im Koagulationsbad untergetaucht werden oder die
Spinndüse ist zur Koagulationsbadoberfläche in einem vorgegebenen Abstand angebracht,
woduch das Verspinnen durch einen Luftspalt erfolgt. Der Abstand zwischen der Spinndüse
und der Koagulationsbadoberfläche kann in weiten Bereichen variiert werden, vorzugsweise
beträgt der Abstand weniger als 10 Millimeter, insbesondere 1 bis 10 mm.
[0038] Das Koagulationsbad ist in der Regel eine wässrige Mischung enthaltend ein organisches
aprotisches Lösungsmittel - beispielsweise eine Lösung, Dispersion oder Suspension
dieses organischen aprotischen Lösungsmittels in Wasser. Vorzugsweise ist das organische
aprotische Lösungsmittel im Koagulationsbad das jeweils gewählte Spinnlösungsmittel.
[0039] Die Konzentration des organischen aprotischen Lösungsmittels ist dabei im Einzelfall
so zu wählen, daß sich eine ausreichend schnelle und vollständige Koagulation ergibt.
Beim Arbeiten mit relativ hoch konzentrierten Spinnlösungen ist darauf zu achten,
daß die Konzentration des organisch aprotischen Lösungsmittels im Koagulationsbad
nicht zu hoch ist bzw. wird. Wird die Konzentration des organisch aprotischen Lösungsmittels
im Koagulationsbad zu hoch gewählt, so kann Faserverklebung an der Abzugsgalette erfolgen,
da keine vollständige Koagulation der Faser gewährleistet ist.
[0040] Typischerweise arbeitet man mit Konzentrationen des organisch aprotischen Lösungsmittels
von weniger als 75 Gew.%, bezogen auf die Lösung im Koagulationsbad. Bevorzugt werden
60 bis 75 Gew. %.
[0041] Im Anschluß an die Koagulation wird die Faser nachbehandelt; dies kann auf einer
an sich bekannten Nachbehandlungsanlage geschehen.
[0042] Überraschenderweise wurde gefunden, daß durch das erfindungsgemäße Verspinnen PAN-Fasern
erhältlich sind, die sehr hoch verstreckt werden können. Zur Herstellung von hochfesten
PAN-Fasern werden die ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen
nachbehandelt, wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtungen der ersponnenen
Fäden aus dem Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1:
12, vorzugsweise 1 : 14 bis 1: 18 beträgt.
[0043] In der Nachbehandlung kann die Faser nach dem Verlassen des Koagulationsbades beispielsweise
ein- oder mehrfach gewaschen werden, wobei in diesen Schritten noch eine zusätzliche
Koagulation erfolgen kann. Üblicherweise wird die Faser während mindestens eines Waschschrittes
naßverstreckt und/oder aviviert. Im Anschluß an die Wäsche wird üblicherweise getrocknet.
Alsdann werden die Fasern in einem weiteren Verstreckschritt nachverstreckt; dies
kann durch Verstrecken im Heißluftbad und/oder durch Kontaktverstreckung, beispielsweise
über beheizte Galetten, erfolgen. Anschließend werden die Fasern vorzugsweise unter
Spannung abgezogen. Ferner ist es möglich und bevorzugt, die verstreckten Fasern im
Anschluß an die Nachverstreckung zu fixieren. Danach können die Fasern einer Schneidevorrichtung
zugeführt werden oder die Fasern werden als Filamente weiterverarbeitet, beispielsweise
aufgespult.
[0044] Solche Nachbehandlungsverfahren der PAN-Fasern sind an sich bekannt und beispielsweise
in den EP-A-44,534, -165,372 und -255,109 beschrieben.
[0045] Die erfindungsgemäßen PAN-Fasern können für unterschiedlichste Anwendungen eingesetzt
werden. Typischerweise setzt man diese Fasern für technische Zwecke ein. Beispiele
dafür sind der Einsatz als Verstärkungsmaterial für die Herstellung von Verbundwerkstoffen,
beispielsweise für die Herstellung faserverstärkter thermoplastischer oder duroplastischer
Kunststoffe oder insbesondere für die Herstellung von faserverstärkten hydraulisch
abbindenen Materialien, beispielsweise in Beton.
[0046] Desweiteren können die erfindungsgemäßen PAN-Fasern zur Herstellung von Vliesstoffen
eingesetzt werden, die z.B. als Filter oder als Geotextilien Verwendung finden.
[0047] Ein weiteres bevorzugtes Einsatzgebiet der erfindungsgemäßen PAN-Fasern ist die Herstellung
von Reibbelägen, insbesondere von Bremsbelägen.
[0048] Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung ohne diese zu begrenzen
Beispiel 1
[0049] Ein PAN-Polymer mit einem Molekulargewicht von 200 000 (Beispiel 1a) und ein PAN-Polymer
mit einem Molekulargewicht von 550 000 (Beispiel 1b) werden in kaltem DMF dispergiert
und bei 80 - 90°C in einem Dissolver aufgelöst.
[0050] Die Konzentration der Lösung wird so gewählt, daß sich eine Kugelfallzeit von 700±50
sec ergibt. Die Kugelfallzeit wird nach der Methode von K. Jost (Rheologica Acta,
Bd. 1, Seite 303) bei 60°C gemessen. In der folgenden Tabelle werden die Herstellungsbedingungen
und die Eigenschaften der Spinnlösung angegeben:
| |
Verweilzeit (min) |
Kugelfallzeit |
Spinnmassekonz. (%) |
| Beispiel 1a |
30 |
690 |
19 |
| Beispiel 1b |
60 |
685 |
12 |
Beispiel 2
[0051] Die Spinnmasse gemäß Beispiel 1a wurde einmal durch einen 10 µ Filter (Beispiel 2a)
und einmal durch einen 25 µm Filter (Beispiel 2b) filtriert. Anschließend wurden die
Spinnmassen einer 100 Loch/120 µm Düse zugeführt. In der folgenden Tabelle wird die
Abhängigkeit des Düsendruckes von der Verweilzeit der Spinnmasse nach der Filtration
dargestellt:
| Zeit (min) |
Beispiel 2a Düsendruck (bar) |
Beispiel 2b Düsendruck (bar) |
| 1 |
7.0 |
7.0 |
| 10 |
7.0 |
8.2 |
| 60 |
7.0 |
10.1 |
| 120 |
7.1 |
12.2 |
| 180 |
7.0 |
abgesponnen |
Beispiel 3
[0052] Ein PAN Polymer mit einem Molekulargewicht von 200 000 wurde wie in Beispiel 1a geschildert
mit einer Konzentration von 16, 18 und 22 % in DMF gelöst, durch einen 10 µm Filter
filtriert und einer 100 Loch/120 µ Düse zugeführt. Die Fällbadkonzentration betrug
70 % DMF im Wasser, die Fällbadtemperatur 0°C. Die Resultate finden sich in der folgenden
Tabelle:
| Beispiel |
Spinnmassekonz.(%) |
Düsenlauf |
| 3a |
16 |
unzufriedenstellend weil Faserabriß an der Düse |
| 3b |
18 |
sehr gut |
| 3c |
22 |
unzufriedenstellend weil starker Anstieg des Düsendrucks |
Beispiel 4
[0053] Es wurde eine Spinnmasse, wie in Beispiel 3b beschrieben, hergestellt. Die Spinnmassentemperatur
wurde zwischen 85 - 120°C variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
| Beispiel |
Spinnmassetemp.°C |
Düsenlauf |
| 4a |
85 |
schlecht - Lauf nicht möglich |
| 4b |
90 |
schlecht - Lauf nicht möglich |
| 4c |
95 |
schlecht - Lauf mit Unterbrechungen |
| 4d |
100 |
schlecht - läuft ca. 30 min. |
| 4e |
105 |
Düse läuft - einzelne Unterbrechungen |
| 4f |
110 |
guter Düsenlauf |
| 4g |
120 |
sehr gut - Düsenlauf sehr gut |
Beispiel 5
[0054] Die Spinnmasse aus Beispiel 4g wurde genommen und durch Düsen mit verschiedenem Durchmesser
gedrückt. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
| Beispiel |
Düse |
Düsenlauf |
| 5a |
100/60 µm |
zufriedenstellend |
| 5b |
100/80 µm |
gut |
| 5c |
100/120 µm |
gut |
| 5d |
100/150 µm |
schlecht |
Beispiel 6
[0055] Die Spinnmasse wurde wie in Beispiel 5c vorbereitet und die Spritzgeschwindigkeit
variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
| Beispiel |
Spritzgeschwindigkeit (m/min) |
Düsenlauf |
| 6a |
3 |
nicht möglich |
| 6b |
5 |
guter Düsenlauf |
| 6c |
7 |
guter Düsenlauf |
Beispiel 7
[0056] Eine Spinnmasse und Spinnanordnung wurde, wie in Beispiel 6b beschrieben, vorbereitet
und die Fällbadkonzentration variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle
dargestellt:
| Beispiel |
Fällbadkonzentration (%) |
Verklebungen |
| 7a |
90 |
sehr viel |
| 7b |
80 |
viel |
| 7c |
70 |
verklebungsfrei |
| 7d |
60 |
verklebungsfrei |
Beispiel 8
[0057] Die Faser aus Beispiel 7c wurde mit einer Abzugsgalette abgezogen und auf einer klassischen
Nachbehandlungsstraße naßverstreckt, gewaschen, aviviert, getrocknet, kontaktverstreckt
und unter Spannung abgezogen. Die Gesamtverstreckung betrug 1:12 (Beispiel 8a) bzw.
1:10 (Beispiel 8b). Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Die Faserwerte sind wie folgt:
| Messung |
8a |
8b |
| Titer (dtex) |
2.0 |
2.0 |
| Festigkeit (cN/tex) |
90 |
80 |
| Knotenfestigkeit (cN/tex) |
20 |
14 |
| Dehnung (%) |
8 |
10 |
| Modul (cN/tex) |
2000 |
1400 |
[0058] Die Ermittlung der Faserfestigkeit, der Faserdehnung und der Knotenfestigkeit erfolgte
nach DIN 53816.
1. Fasern enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer mit einem Gewichtsmittel
des Molekulargewichtes von weniger als 210,000 als faserbildende Substanz, wobei die
Fasern Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex, Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung,
von mehr als 1800 cN/tex und Reißdehnungen von weniger als 10 % aufweisen.
2. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyacrylnitrilhomopolymer
oder -copolymer ein Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von 175,000 bis 210,000
aufweist.
3. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Festigkeiten von 89 bis
100 cN/tex aufweisen.
4. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Anfangsmoduli, bezogen auf
100 % Dehnung, von 1850 bis 2150 cN/tex aufweisen.
5. Fasern nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß diese Anfangsmoduli, bezogen auf
100 % Dehnung, von 1900 bis 2150 cN/tex aufweisen.
6. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Reißdehnungen von 7 bis
9 % aufweisen.
7. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Knotenfestigkeiten von mehr
als 15 cN/tex aufweisen.
8. Fasern nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß diese Knotenfestigkeiten von 17
bis 20 cN/tex aufweisen.
9. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Titer von 1,5 bis 2,5 dtex
aufweisen.
10. Verfahren zur Herstellung hochfester Polyacrylnitrilfasern umfassend folgende Maßnahmen:
a) Herstellung einer Spinnlösung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel
oder eine Mischung derartiger Lösungsmittel und mindestens 15 Gew.%, bezogen auf die
Spinnlösung, eines Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren mit einem Gewichtsmittel
des Molekulargewichtes von weniger als 500,000 oder einer Mischung aus solchen Polymeren,
b) Verspinnen dieser Spinnlösung nach einem Naßspinnverfahren- oder Trockendüsen-Nassspinnverfahren
in ein Koagulationsbad, wobei eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mindestens
5 m/min gewählt wird,
c) Koagulation der ersponnenen Fäden im Koagulationsbad und Abziehen dieser Fäden
aus dem Koagulationsbad, und
d) Nachbehandeln der ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen,
wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtung der ersponnenen Fäden aus dem Koagulationsbad
und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1 : 12 beträgt.
11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß als Spinnlösungsmittel Dimethylformamid
eingesetzt wird.
12. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß ein Polyacrylnitrilhomopolymer
oder -copolymer mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von 175,000 bis 250,000
eingesetzt wird.
13. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Spinnmasse enthaltend
Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer und Dimethylformamid vor dem Verspinnen
durch einen Filter von 5 - 15 µm Durchgängigkeit filtriert wird.
14. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß in der Spinnlösung 18 bis
22 Gew.%, bezogen auf die Spinnlösung, des Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren
vorliegen.
15. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur der Spinnlösung
vor der Spinndüse 100 bis 130°C beträgt.
16. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß der Düsenlochdurchmesser 60
bis 120 µm beträgt.
17. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Spritzgeschwindigkeit
5 bis 7 m/min betragt.
18. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß das Verspinnen durch ein Trockendüsen-Nassspinnverfahren
erfolgt, wobei die Breite des Luftspaltes zwischen Spinndüse und Oberfläche des Koagulationsbades
1 bis 10 mm beträgt.
19. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß das Koagulationsbad eine wässrige
Mischung des Spinnlösungsmittels ist, wobei die Konzentration des Spinnlösungsmittels
weniger als 70 Gew. %, bezogen auf das Koagulationsbad, beträgt.
20. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 als Verstärkungsmaterialien für die Herstellung
von Verbundwerkstoffen.
21. Verwendung nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbundwerkstoffe faserverstärkte
hydraulisch abbindende Materialien sind.
22. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 zur Herstellung von Vliesstoffen, insbesondere
zur Herstellung von Filtern oder von Geotextilien.
23. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 zur Herstellung von Reibbelägen.