(19)
(11) EP 0 645 479 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.03.1995  Patentblatt  1995/13

(21) Anmeldenummer: 94113886.9

(22) Anmeldetag:  05.09.1994
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6D01F 6/18
(84) Benannte Vertragsstaaten:
DE ES GB IE IT PT

(30) Priorität: 24.09.1993 DE 4332511

(71) Anmelder: HOECHST AKTIENGESELLSCHAFT
D-65929 Frankfurt am Main (DE)

(72) Erfinder:
  • Kashani-Shirazi, Rahim
    D-93077 Bad Abbach (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Hochfeste Polyacrylnitrilfasern hohen Moduls, Verfahren zu deren Herstellung und deren Verwendung


    (57) Beschrieben werden Fasern enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder - copolymer mit einem Molekulargewicht (Gewichtsmittel) von weniger als 210,000 als faserbildende Substanz, wobei die Fasern Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex, Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von mehr als 1800 cN/tex und Reißdehnungen von weniger als 10 % aufweisen.
    Ferner wird Verfahren zur Herstellung hochfester Polyacrylnitrilfasern beschrieben, das folgende Maßnahmen umfaßt:

    a) Herstellung einer Spinnlösung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel oder eine Mischung derartiger Lösungsmittel und mindestens 15 Gew.%, bezogen auf die Spinnlösung, eines Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren mit einem Molekulargewicht (Gewichtsmittel) von weniger als 500,000 oder einer Mischung aus solchen Polymeren,

    b) Verspinnen dieser Spinnlösung nach einem Naßspinnverfahren- oder Trockendüsen-Nassspinnverfahren in ein Koagulationsbad, wobei eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mindestens 5 m/min gewählt wird,

    c) Koagulation der ersponnenen Fäden im Koagulationsbad und Abziehen dieser Fäden aus dem Koagulatonsbad, und

    d) Nachbehandeln der ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen, wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtung der ersponnenen Fäden aus dem Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1 : 12 beträgt.




    Beschreibung


    [0001] Die vorliegende Erfindung betrifft hochfeste Polyacrylnitrilfasern (im folgenden PAN-Fasern genannt) hohen Moduls, sowie ein besonders angepaßtes Verfahren zu deren Herstellung und deren Verwendung, insbesondere als Verstärkungsmaterialien oder zur Herstellung von Filtern oder Reibbelägen.

    [0002] PAN-Fasern hoher Festigkeit sind an sich bekannt. So werden beispielsweise von Dobrecov et al. in Sowjet. Beiträge zur Faserforschung und Textiltechnik, 9, S. 407-411 (1972) PAN-Fasern hoher Festigkeit und hohen Moduls beschrieben, die sich von PAN-Typen hohen Molekulargewichts ableiten; Beispiele dafür sind Molekulargewichte von 3*10⁶.

    [0003] Aus den EP-A-165,372 und -255,109 sind Fasern von Festigkeiten mit mehr als 8,83 cN/dtex und Verfahren zu deren Herstellung bekannt, bei denen ebenfalls PAN-Typen hohen Molekulargewichts zum Einsatz kommen. Nach EP-A-255,109 werden PAN-Typen mit einem Molekulargewicht von mehr als 500,000 (Gewichtsmittel) eingesetzt, während nach EP-A-165,372 PAN-Typen mit einer Grenzviskosität von mehr als 2,5 eingesetzt werden, welches einem Molekulargewicht von mehr als 210,000 (Gewichtsmittel) entspricht.

    [0004] In den obenerwähnten Schriften werden ausnahmslos PAN-Typen ungewöhnlich hohen Molekulargewichts eingesetzt. Übliche Werte des Molekulargewichts für PAN-Fasern bewegen sich etwa im Bereich von 80,000 bis 180,000 (vergl. dazu die Ausführungen von Falkai et al. in "Synthesefasern", S. 200, Verlag Chemie (1981) oder von Masson et al. in "Fiber Producer", June 1984, S. 34-37).

    [0005] Der Einsatz der in diesen Schriften angegebenen hochmolekularen PAN-Typen bringt auch Probleme bei der Herstellung dieser Fasern mit sich. So muß aufgrund der geringeren Löslichkeit der hochmolekulargewichtigen PAN-Typen die Spinnmassekonzentration für die Herstellung einer Spinnmasse reduziert werden. So ist es beispielsweise bei der Verarbeitung von PAN-Typen niedrigeren Molekulargewichts möglich, mit Spinnmassekonzentrationen von 19 - 21 % zu arbeiten. In den obigen Schriften wird dagegen mit reduzierten Spinnmassekonzentrationen von höchstens 10 - 15 % gearbeitet. Das bedeutet einen erheblichen Produktivitätsverlust von 25 - 70 % für eine Produktionsanlage. So wird beispielsweise gemäß EP-A-165,372 mit einer Spinnmassekonzentration zwischen 6 - 12 % gearbeitet (Beispiele 5 - 7). Das bedeutet einen Produktivitätsverlust zwischen 45 - 70 %.

    [0006] Desweiteren verlängert sich die Verweilzeit für das Lösen des PAN im Lösungsmittel beträchtlich mit steigendem Molekulargewicht des Polymers. Hier müssen neue Anlagen zum Lösen angeschafft werden, um die Effektivität beim Löseprozeß beizubehalten. So müssen üblicherweise zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, um mit einer höheren Spinnmassenkonzentration arbeiten zu können. In der EP-A-255,109 wird versucht, mit der Zugabe von 1 - 10 % Wasser zur Spinnmasse die Viskosität zu verringern, um mit einer höheren Spinnmassenkonzentration arbeiten zu können. Dies ist jedoch mit einer Korrosionsgefahr für die Anlagen verbunden; außerdem sind mit dieser Maßnahme nur begrenzte Viskositätsverringerungen möglich.

    [0007] Es sind auch bereits PAN-Fasern hoher Festigkeit bekannt geworden, die mit PAN-Typen üblichen Molekulargewichts hergestellt worden sind. So werden beispielsweise in der GB-A-1,193,170 PAN-Fasern beschrieben, die Festigkeiten bis zu 17,5 g/denier aufweisen. Die Reißdehnung der beschriebenen Fasern ist allerdings mit mehr als 15 % für viele Anwendungen zu hoch.

    [0008] Aus der EP-A-44,534 sind hochfeste PAN-Fasern hohen Moduls bekannt, welche ebenfalls mit PAN-Typen üblichen Molekulargewichts hergestellt worden sind. Beschrieben werden Fasern mit Festigkeiten von bis zu 81 cN/tex oder mit Anfangsmoduli von bis zu 1989 cN/tex. PAN-Fasern, welche Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex und gleichzeitig Anfangsmoduli von mehr als 1800 cN/tex aufweisen, werden in dieser Schrift nicht beschrieben.

    [0009] PAN-Fasern sind aufgrund ihrer hohen Beständigkeit in agressiven Umgebungen, beispielsweise in stark alkalischen Umgebungen, oder gegenüber Bestrahlung gefragte Verstärkungsmaterialien. Für technische Anwendungen sind insbesondere hohe Festigkeiten und hohe Anfangsmoduli bei geringen Reißdehnungen gefragt. Es besteht ein Bedarf an PAN-Fasern, mit einem derartigen Eigenschaftsprofil, insbesondere nach PAN-Fasern, die nach Verfahren hoher Produktivität erhältlich sind.

    [0010] Die vorliegende Erfindung betrifft Fasern enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von weniger als 210,000 als faserbildende Substanz, wobei die Fasern Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex, Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von mehr als 1800 cN/tex und Reißdehnungen von weniger als 10 % aufweisen.

    [0011] Als Polymerrohstoffe können die nach den üblichen Verfahren hergestellten Fällungs- oder Lösungspolymerisate eingesetzt werden. Je nach den Anforderungen für die Einsatzgebiete können sowohl Homo- als auch Copolymerisate des Acrylnitrils Verwendung finden. Bei den eingesetzten Monmeren sollte auf eine möglichst hohe Reinheit geachtet werden. Als Comonomere eignen sich alle mit Acrylnitril copolymerisierbaren ungesättigten Verbindungen, vorzugsweise ungesättigte Carbonsäuren, wie Acrylsäure, Methacrylsäure oder Itaconsäure; ungesättigte Sulfonsäuren, wie Ally-, Methallyl- oder Styrolsulfonsäure; ungesättigte Carbonsäureamide, wie Acrylamid oder Methacrylamid; Ester ungesättigter Carbonsäuren, wie die Methyl-, Ethyl-, Propyl- oder Butylester der Acryl- oder der Methacrylsäure oder mehrfunktionelle Hydroxyethyl- oder Aminoethylester bzw. deren Derivate der Acryl- oder Methacrylsäure; Ester von Carbonsäuren mit ungesättigte Alkoholen bzw. Ether auf der Basis ungesättigter Alkohole, wie Vinylester und-ether, beispielsweise Vinylacetat, Vinylstearat, Vinylbutyrat, Bromessigsäurevinylester, Dichloressigsäurevinylester oder Trichloressigsäurevinylester; ungesättigte Aldehyde oder Ketone, wie Acrolein oder Crotonaldehyd; Säurehalogenide ungesättigter Carbonsäuren, wie Acryl- oder Methacrylsäurechloride; oder weitere mit Acrylnitril copolymerisierbare Monmere, wie Styrol, Butadien, Propylen oder Vinylhalogenide, beispielsweise Vinylchlorid, Vinylidenchlorid oder Vinylbromid.

    [0012] Vorzugsweise weisen die eingesetzten Polymeren einen Gehalt von mindestens 90 Gew. %, insbesondere mindestens 99 Gew. % Acrylnitrileinheiten auf.

    [0013] Ganz besonders werden Polyacrylnitrilhomopolymere oder -copolymere eingesetzt, deren Molekulargewicht (Gewichtsmittel) 175,000 bis 210,000 beträgt.

    [0014] Die Festigkeiten der erfindungsgemäßen Fasern betragen vorzugsweise 89 bis 100 cN/tex.

    [0015] Die Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, der erfindungsgemäßen Fasern betragen vorzugsweise 1850 bis 2150 cN/tex, ganz besonders bevorzugt 1900 bis 2150 cN/tex.

    [0016] Die Reißdehnungen der erfindungsgemäßen Fasern betragen vorzugsweise 7 bis 9 %.

    [0017] Bevorzugt sind ferner Fasern, wie oben definiert, die Knotenfestigkeiten von mehr als 15 cN/tex aufweisen, insbesondere von 17 bis 20 cN/tex.

    [0018] Die Titer der erfindungsgemäßen Fasern bewegen sich üblicherweise im Bereich textiler Titer, beispielsweise im Bereich von kleiner gleich 3,5 dtex. Bevorzugt werden Fasern mit Titern von 1,5 bis 2,5 dtex.

    [0019] Es hat sich im Laufe der Entwicklung herausgestellt, daß hochfeste PAN-Fasern mit einer hohen Produktivität hergestellt werden können, wenn bestimmte Verfahrensbedingungen eingehalten werden.

    [0020] Die Erfindung betrifft daher auch ein Verfahren zur Herstellung hochfester Polyacrylnitrilfasern umfassend folgende Maßnahmen:

    a) Herstellung einer Spinnlösung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel oder eine Mischung derartiger Lösungsmittel und mindestens 15 Gew.%, bezogen auf die Spinnlösung, eines Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von weniger als 500,000 oder einer Mischung aus solchen Polymeren,

    b) Verspinnen dieser Spinnlösung nach einem Nassspinnverfahren oder einem Trockendüsen-Nassspinnverfahren in ein Koagulationsbad, wobei eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mindestens 5 m/min gewählt wird,

    c) Koagulation der ersponnenen Fäden im Koagulationsbad und Abziehen dieser Fäden aus dem Koagulationsbad, und

    d) Nachbehandeln der ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen, wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtungen der ersponnenen Fäden aus dem Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1 : 12 beträgt.



    [0021] Als Spinnlösungsmittel lassen sich beliebige organische aprotische Lösungsmittel oder eine Mischung solcher Lösungsmittel einsetzen. Beispiele für solche Lösungsmittel sind Dimethylsulfoxid (DMSO), Dimethylacetamid (DMAC) und insbesondere Dimethylformamid (DMF).

    [0022] Im erfindungsgemäßen Verfahren werden Polymere eingesetzt, die Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von kleiner gleich 500,000 aufweisen, vorzugsweise 74,000 bis 500,000. Besonders bevorzugt werden Polymere eingesetzt, deren Gewichtsmittel des Molekulargewichtes 75,000 bis 400,000, insbesondere 175,000 bis 250,000 betragen.

    [0023] Um eine möglichst hohe Produktivität des Verfahrens zu gewährleisten ist es notwendig, daß ein PAN-Polymer mit den oben definierten Molekulargewichten eingesetzt wird. Mit diesen PAN-Polymeren relativ niedrigen Molekulargewichtes ist es möglich, Spinnlösungen mit ausreichend hoher Konzentration des Polymeren herzustellen, ohne dabei Hilfmittel einsetzen zu müssen, welche gegebenenfalls das Verfahren stören.

    [0024] Beim Einsatz von PAN-Polymeren höherer Molekulargewichte ist direkt mit Produktivitätsverlusten zu rechnen.

    [0025] Für die Herstellung der Spinnlösung können klassischen Verfahren und Maschinen eingesetzt werden. Beim erfindungsgemäßen Verfahren beträgt die Spinnmassekonzentration mindestens 15 %, vorzugsweise 17 bis 22 %, insbesondere 18 bis 22 %. Bei Einsatz von Spinnmassekonzentrationen von weniger als 15 % treten in der Regel Probleme mit dem Düsenlauf auf; d.h. es kommt beim Verspinnen zu Unregelmäßigkeiten an den Düsen und in der Folge können Verklebungen auftreten. Ferner nimmt die Produktivität der Nachbehandlungsstraße direkt mit der Abnahme der Spinnmassekonzentration ab.

    [0026] Die Spinnmasse wird vor dem Verspinnen üblicherweise filtriert. Dabei werden Gelteilchen und gegebenenfalls vorhandene Verunreinigungen entfernt. Der Filtration kommt beim erfindungsgemäßen Verfahren eine große Bedeutung zu, da mit dieser Maßnahme die Fehlerrate beim Verspinnen und bei der Nachbehandlung beträchtlich gesenkt werden kann. So können Spinnfehler nachträglich bei der Kontakt- und Naßverstreckung der Faser zu Wicklungen an den Streckwalzen führen.

    [0027] Die Filtration kann mit den dafür bekannten Vorrichtungen durchgeführt werden, beispielsweise mit Filterpressen, in denen die Spinnmasse durch mehrere kompakte Gewebelagen hindurchgepresst werden. Ein Maß für die Filterwirkung stellt die sogenannte Durchgängigkeit dar; diese stellt eine Obergrenze für diejenigen Teilchendurchmesser dar, welche den Filter noch passieren.

    [0028] Im Falle von Spinnlösungen mit DMF als Lösungsmittel werden vorzugsweise Filter mit einer Durchgängigkeit von 5 bis 15 µm eingesetzt. Dies bedeutet, daß Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als 5 bis 15 µm den Filter noch passieren können. Wenn die Filtration der Spinnmasse nicht ordnungsgemäß, d.h. im Falle von Spinnlösungen mit DMF als Lösungsmittel mit einem gröberen Filter als 15 µm durchgeführt wird, ist mit späteren Produktionsstörungen zu rechnen.

    [0029] Die Filtrationstemperatur liegt im Falle von DMF-Spinnlösungen vorzugsweise zwischen 80 und 90°C.

    [0030] Die Geschwindigkeit beim Austritt der Fäden aus der Spinndüse muß so gewählt werden, daß die Fasern beim Eintauchen in die Flüssigkeit sich praktisch nicht verbiegen und ihre bisherige Bewegungsrichtung beibehalten. Dies ist gewährleistet, wenn eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mind. 5 m/min, vorzugsweise 5 bis 7 m/min gegeben ist.

    [0031] Die Spritzgeschwindigkeit S errechnet sich gemäß der folgenden Gleichung:


    Dabei bedeuten:
    S =
    Spritzgeschwindigkeit (m/min)
    F =
    Fördermenge (cm³/min)
    Z =
    Anzahl der Düsenlöcher
    d =
    Düsenlochdurchmesser (mm)
    Infolge der hohen Spritzgeschwindigkeit treten die ersponnen Fäden ohne merkliche Änderung der Richtung in das Koagulationsbad bzw. durch die Oberfläche des Koagulationsbades ein. Ändert sich die Richtung der Fäden beim Eintauchen in das Koagulationsbad wesentlich, so ist mit Verklebungen der Fasern miteinander und an der Oberfläche der Düse zu rechnen. Im Koagulationsbad kann sich die Bewegungsrichtung der Fäden ändern.

    [0032] Infolge der hohen Spritzgeschwindigkeit und der relativ hohen Viskosität der hochkonzentrierten Spinnlösung kann sich in der Spinndüse ein hoher Druck aufbauen. Dieser Druck kann zu Problemen beim Verspinnen und zu einem Verkleckern der Spinndüse, also einem Kleben von Tropfen der Spinnmasse an den Düsen führen. Es empfiehlt sich daher, die Temperatur der Spinnlösung beim Auftreten solcher Probleme vor dem Durchtritt durch die Spinndüse zu erhöhen, um auf diese Weise die Viskosität der Spinnlösung abzusenken. Im Falle von DMF als Spinnlösungsmittel empfiehlt es sich, die Spinnmasse kurz vor dem Einlaufen in die Düse auf mindestens 100°C aufzuheizen.

    [0033] Spinnmassetemperaturen dieser Spinnlösungen unterhalb von 100°C bewirken in der Regel die oben geschilderten Probleme. Bei Spinnmassetemperaturen oberhalb von 130°C ist mit dem Verdampfen des DMF und mit Vergilbung der Spinnmasse zu rechnen. Im Falle von DMF arbeitet man also vorzugsweise mit Temperaturen der Spinnlösung vor der Spinndüse von 100 bis 130°C.

    [0034] Die richtige Wahl des Düsenlochdurchmessers beeinflußt wesentlich den sauberen und einwandfreien Einlauf der Fäden ins Koagulationsbad. Die erforderlichen hohen Spritzgeschwindigkeiten des erfindungsgemäßen Verfahrens sind insbesondere bei der Wahl großer Düsenlochdurchmesser schwierig zu realisieren. In diesen Fällen ist mit Problemen beim Verspinnen und einem Verkleckern der Spinndüse zu rechnen. Treten solche Probleme auf, so empfiehlt es sich im Einzelfall, die Düsendurchmesser zu verkleinern.

    [0035] Daneben kann durch die Wahl der Dicke des Fadens dessen Verhalten beim Einpressen in die Flüssigkeit des Koagulationsbades beeinflußt werden. Wie bereits erwähnt müssen die Fäden unter solchen Bedingungen in das Koagulationsbad eingepreßt werden, daß die Fasern sich beim Eintauchen in die Flüssigkeit nicht verbiegen und ihre bisherige Geschwindigkeitsrichtung verlieren. Dies kann auch durch die Wahl des Durchmessers der Düsenlöcher beeinflußt werden.

    [0036] Typischerweise betragen die Düsenlochdurchmesser weniger als 120 µm; bevorzugt werden Düsenlochdurchmesser von 60 bis 120 µm.

    [0037] Das Verspinnen kann nach dem an sich bekannten Nassspinnverfahren oder Trockendüsen-Nassspinnverfahren erfolgen. Dazu kann die Spinndüse im Koagulationsbad untergetaucht werden oder die Spinndüse ist zur Koagulationsbadoberfläche in einem vorgegebenen Abstand angebracht, woduch das Verspinnen durch einen Luftspalt erfolgt. Der Abstand zwischen der Spinndüse und der Koagulationsbadoberfläche kann in weiten Bereichen variiert werden, vorzugsweise beträgt der Abstand weniger als 10 Millimeter, insbesondere 1 bis 10 mm.

    [0038] Das Koagulationsbad ist in der Regel eine wässrige Mischung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel - beispielsweise eine Lösung, Dispersion oder Suspension dieses organischen aprotischen Lösungsmittels in Wasser. Vorzugsweise ist das organische aprotische Lösungsmittel im Koagulationsbad das jeweils gewählte Spinnlösungsmittel.

    [0039] Die Konzentration des organischen aprotischen Lösungsmittels ist dabei im Einzelfall so zu wählen, daß sich eine ausreichend schnelle und vollständige Koagulation ergibt. Beim Arbeiten mit relativ hoch konzentrierten Spinnlösungen ist darauf zu achten, daß die Konzentration des organisch aprotischen Lösungsmittels im Koagulationsbad nicht zu hoch ist bzw. wird. Wird die Konzentration des organisch aprotischen Lösungsmittels im Koagulationsbad zu hoch gewählt, so kann Faserverklebung an der Abzugsgalette erfolgen, da keine vollständige Koagulation der Faser gewährleistet ist.

    [0040] Typischerweise arbeitet man mit Konzentrationen des organisch aprotischen Lösungsmittels von weniger als 75 Gew.%, bezogen auf die Lösung im Koagulationsbad. Bevorzugt werden 60 bis 75 Gew. %.

    [0041] Im Anschluß an die Koagulation wird die Faser nachbehandelt; dies kann auf einer an sich bekannten Nachbehandlungsanlage geschehen.

    [0042] Überraschenderweise wurde gefunden, daß durch das erfindungsgemäße Verspinnen PAN-Fasern erhältlich sind, die sehr hoch verstreckt werden können. Zur Herstellung von hochfesten PAN-Fasern werden die ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen nachbehandelt, wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtungen der ersponnenen Fäden aus dem Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1: 12, vorzugsweise 1 : 14 bis 1: 18 beträgt.

    [0043] In der Nachbehandlung kann die Faser nach dem Verlassen des Koagulationsbades beispielsweise ein- oder mehrfach gewaschen werden, wobei in diesen Schritten noch eine zusätzliche Koagulation erfolgen kann. Üblicherweise wird die Faser während mindestens eines Waschschrittes naßverstreckt und/oder aviviert. Im Anschluß an die Wäsche wird üblicherweise getrocknet. Alsdann werden die Fasern in einem weiteren Verstreckschritt nachverstreckt; dies kann durch Verstrecken im Heißluftbad und/oder durch Kontaktverstreckung, beispielsweise über beheizte Galetten, erfolgen. Anschließend werden die Fasern vorzugsweise unter Spannung abgezogen. Ferner ist es möglich und bevorzugt, die verstreckten Fasern im Anschluß an die Nachverstreckung zu fixieren. Danach können die Fasern einer Schneidevorrichtung zugeführt werden oder die Fasern werden als Filamente weiterverarbeitet, beispielsweise aufgespult.

    [0044] Solche Nachbehandlungsverfahren der PAN-Fasern sind an sich bekannt und beispielsweise in den EP-A-44,534, -165,372 und -255,109 beschrieben.

    [0045] Die erfindungsgemäßen PAN-Fasern können für unterschiedlichste Anwendungen eingesetzt werden. Typischerweise setzt man diese Fasern für technische Zwecke ein. Beispiele dafür sind der Einsatz als Verstärkungsmaterial für die Herstellung von Verbundwerkstoffen, beispielsweise für die Herstellung faserverstärkter thermoplastischer oder duroplastischer Kunststoffe oder insbesondere für die Herstellung von faserverstärkten hydraulisch abbindenen Materialien, beispielsweise in Beton.

    [0046] Desweiteren können die erfindungsgemäßen PAN-Fasern zur Herstellung von Vliesstoffen eingesetzt werden, die z.B. als Filter oder als Geotextilien Verwendung finden.

    [0047] Ein weiteres bevorzugtes Einsatzgebiet der erfindungsgemäßen PAN-Fasern ist die Herstellung von Reibbelägen, insbesondere von Bremsbelägen.

    [0048] Die folgenden Beispiele erläutern die Erfindung ohne diese zu begrenzen

    Beispiel 1



    [0049] Ein PAN-Polymer mit einem Molekulargewicht von 200 000 (Beispiel 1a) und ein PAN-Polymer mit einem Molekulargewicht von 550 000 (Beispiel 1b) werden in kaltem DMF dispergiert und bei 80 - 90°C in einem Dissolver aufgelöst.

    [0050] Die Konzentration der Lösung wird so gewählt, daß sich eine Kugelfallzeit von 700±50 sec ergibt. Die Kugelfallzeit wird nach der Methode von K. Jost (Rheologica Acta, Bd. 1, Seite 303) bei 60°C gemessen. In der folgenden Tabelle werden die Herstellungsbedingungen und die Eigenschaften der Spinnlösung angegeben:
      Verweilzeit (min) Kugelfallzeit Spinnmassekonz. (%)
    Beispiel 1a 30 690 19
    Beispiel 1b 60 685 12

    Beispiel 2



    [0051] Die Spinnmasse gemäß Beispiel 1a wurde einmal durch einen 10 µ Filter (Beispiel 2a) und einmal durch einen 25 µm Filter (Beispiel 2b) filtriert. Anschließend wurden die Spinnmassen einer 100 Loch/120 µm Düse zugeführt. In der folgenden Tabelle wird die Abhängigkeit des Düsendruckes von der Verweilzeit der Spinnmasse nach der Filtration dargestellt:
    Zeit (min) Beispiel 2a Düsendruck (bar) Beispiel 2b Düsendruck (bar)
    1 7.0 7.0
    10 7.0 8.2
    60 7.0 10.1
    120 7.1 12.2
    180 7.0 abgesponnen

    Beispiel 3



    [0052] Ein PAN Polymer mit einem Molekulargewicht von 200 000 wurde wie in Beispiel 1a geschildert mit einer Konzentration von 16, 18 und 22 % in DMF gelöst, durch einen 10 µm Filter filtriert und einer 100 Loch/120 µ Düse zugeführt. Die Fällbadkonzentration betrug 70 % DMF im Wasser, die Fällbadtemperatur 0°C. Die Resultate finden sich in der folgenden Tabelle:
    Beispiel Spinnmassekonz.(%) Düsenlauf
    3a 16 unzufriedenstellend weil Faserabriß an der Düse
    3b 18 sehr gut
    3c 22 unzufriedenstellend weil starker Anstieg des Düsendrucks

    Beispiel 4



    [0053] Es wurde eine Spinnmasse, wie in Beispiel 3b beschrieben, hergestellt. Die Spinnmassentemperatur wurde zwischen 85 - 120°C variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
    Beispiel Spinnmassetemp.°C Düsenlauf
    4a 85 schlecht - Lauf nicht möglich
    4b 90 schlecht - Lauf nicht möglich
    4c 95 schlecht - Lauf mit Unterbrechungen
    4d 100 schlecht - läuft ca. 30 min.
    4e 105 Düse läuft - einzelne Unterbrechungen
    4f 110 guter Düsenlauf
    4g 120 sehr gut - Düsenlauf sehr gut

    Beispiel 5



    [0054] Die Spinnmasse aus Beispiel 4g wurde genommen und durch Düsen mit verschiedenem Durchmesser gedrückt. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
    Beispiel Düse Düsenlauf
    5a 100/60 µm zufriedenstellend
    5b 100/80 µm gut
    5c 100/120 µm gut
    5d 100/150 µm schlecht

    Beispiel 6



    [0055] Die Spinnmasse wurde wie in Beispiel 5c vorbereitet und die Spritzgeschwindigkeit variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
    Beispiel Spritzgeschwindigkeit (m/min) Düsenlauf
    6a 3 nicht möglich
    6b 5 guter Düsenlauf
    6c 7 guter Düsenlauf

    Beispiel 7



    [0056] Eine Spinnmasse und Spinnanordnung wurde, wie in Beispiel 6b beschrieben, vorbereitet und die Fällbadkonzentration variiert. Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
    Beispiel Fällbadkonzentration (%) Verklebungen
    7a 90 sehr viel
    7b 80 viel
    7c 70 verklebungsfrei
    7d 60 verklebungsfrei

    Beispiel 8



    [0057] Die Faser aus Beispiel 7c wurde mit einer Abzugsgalette abgezogen und auf einer klassischen Nachbehandlungsstraße naßverstreckt, gewaschen, aviviert, getrocknet, kontaktverstreckt und unter Spannung abgezogen. Die Gesamtverstreckung betrug 1:12 (Beispiel 8a) bzw. 1:10 (Beispiel 8b). Die Ergebnisse sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
    Die Faserwerte sind wie folgt:
    Messung 8a 8b
    Titer (dtex) 2.0 2.0
    Festigkeit (cN/tex) 90 80
    Knotenfestigkeit (cN/tex) 20 14
    Dehnung (%) 8 10
    Modul (cN/tex) 2000 1400


    [0058] Die Ermittlung der Faserfestigkeit, der Faserdehnung und der Knotenfestigkeit erfolgte nach DIN 53816.


    Ansprüche

    1. Fasern enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von weniger als 210,000 als faserbildende Substanz, wobei die Fasern Festigkeiten von mehr als 80 cN/tex, Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von mehr als 1800 cN/tex und Reißdehnungen von weniger als 10 % aufweisen.
     
    2. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer ein Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von 175,000 bis 210,000 aufweist.
     
    3. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Festigkeiten von 89 bis 100 cN/tex aufweisen.
     
    4. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von 1850 bis 2150 cN/tex aufweisen.
     
    5. Fasern nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß diese Anfangsmoduli, bezogen auf 100 % Dehnung, von 1900 bis 2150 cN/tex aufweisen.
     
    6. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Reißdehnungen von 7 bis 9 % aufweisen.
     
    7. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Knotenfestigkeiten von mehr als 15 cN/tex aufweisen.
     
    8. Fasern nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet, daß diese Knotenfestigkeiten von 17 bis 20 cN/tex aufweisen.
     
    9. Fasern nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß diese Titer von 1,5 bis 2,5 dtex aufweisen.
     
    10. Verfahren zur Herstellung hochfester Polyacrylnitrilfasern umfassend folgende Maßnahmen:

    a) Herstellung einer Spinnlösung enthaltend ein organisches aprotisches Lösungsmittel oder eine Mischung derartiger Lösungsmittel und mindestens 15 Gew.%, bezogen auf die Spinnlösung, eines Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von weniger als 500,000 oder einer Mischung aus solchen Polymeren,

    b) Verspinnen dieser Spinnlösung nach einem Naßspinnverfahren- oder Trockendüsen-Nassspinnverfahren in ein Koagulationsbad, wobei eine Spritzgeschwindigkeit der Spinnlösung von mindestens 5 m/min gewählt wird,

    c) Koagulation der ersponnenen Fäden im Koagulationsbad und Abziehen dieser Fäden aus dem Koagulationsbad, und

    d) Nachbehandeln der ersponnenen Fäden unter Durchführung einer oder mehrerer Verstreckungen, wobei der Verstreckgrad zwischen Abzugsvorrichtung der ersponnenen Fäden aus dem Koagulationsbad und Ausgang der Nachbehandlungsstrecke mindestens 1 : 12 beträgt.


     
    11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß als Spinnlösungsmittel Dimethylformamid eingesetzt wird.
     
    12. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß ein Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer mit einem Gewichtsmittel des Molekulargewichtes von 175,000 bis 250,000 eingesetzt wird.
     
    13. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Spinnmasse enthaltend Polyacrylnitrilhomopolymer oder -copolymer und Dimethylformamid vor dem Verspinnen durch einen Filter von 5 - 15 µm Durchgängigkeit filtriert wird.
     
    14. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß in der Spinnlösung 18 bis 22 Gew.%, bezogen auf die Spinnlösung, des Polyacrylnitrilhomopolymeren oder -copolymeren vorliegen.
     
    15. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß die Temperatur der Spinnlösung vor der Spinndüse 100 bis 130°C beträgt.
     
    16. Verfahren nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß der Düsenlochdurchmesser 60 bis 120 µm beträgt.
     
    17. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß die Spritzgeschwindigkeit 5 bis 7 m/min betragt.
     
    18. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß das Verspinnen durch ein Trockendüsen-Nassspinnverfahren erfolgt, wobei die Breite des Luftspaltes zwischen Spinndüse und Oberfläche des Koagulationsbades 1 bis 10 mm beträgt.
     
    19. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß das Koagulationsbad eine wässrige Mischung des Spinnlösungsmittels ist, wobei die Konzentration des Spinnlösungsmittels weniger als 70 Gew. %, bezogen auf das Koagulationsbad, beträgt.
     
    20. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 als Verstärkungsmaterialien für die Herstellung von Verbundwerkstoffen.
     
    21. Verwendung nach Anspruch 20, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbundwerkstoffe faserverstärkte hydraulisch abbindende Materialien sind.
     
    22. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 zur Herstellung von Vliesstoffen, insbesondere zur Herstellung von Filtern oder von Geotextilien.
     
    23. Verwendung der Fasern nach Anspruch 1 zur Herstellung von Reibbelägen.
     





    Recherchenbericht