[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Dechlorierung von chlorierten
aromatischen Verbindungen unter Bildung von chlorärmeren und/oder chlorfreien aromatischen
Verbindungen.
[0002] Höherchlorierte aromatische Verbindungen, wie sie beispielsweise als Nebenprodukte
bei der Herstellung niederchlorierter aromatischer Verbindungen, als gebrauchte funktionelle
Flüssigkeiten (z.B. Transformatorenöle) oder als Nebenprodukte bei der Verbrennung
der verschiedensten chlorierten organischen Verbindungen anfallen, sind häufig umweltbelastend.
Sie können nach bekannten Verfahren nur in aufwendiger Weise in wiederverwertbare
Materialien überführt oder verbrannt werden.
[0003] So sind Verfahren bekannt, bei denen die Dechlorierung mit Wasserstoff oder sonstigen
Reduktionsmitteln in Gegenwart von Katalysatoren erfolgt (siehe Helv. Chim. Acta
51, 8290-8297 (1968); Tetrahedron Letters 1969, 1223-1226; Environ. Sci. Technol.
21, 1085-1088; J. Chem. Soc. Chem. Comm. 1992, 806-807; JP-OS 12 694/65; JP-OS 24 776/65),
bei denen Umsetzungen mit elementarem Natrium nötig sind (siehe z.B. US-PS 4 601 817),
bei denen elektrochemisch reduziert wird (Z. Naturforsch., B: Chem. Sci.
45, 1105-1107 (1990)) und bei denen eine Photolyse durchgeführt wird (siehe Tetrahedron
Letters
22, 2059-2062 (1979)). Nachteilig hierbei sind die Bereithaltung und Handhabung von
Wasserstoff und anderen Reduktionsmitteln, Katalysatoren, elementarem Natrium und
Spezialgeräten.
[0004] Weiterhin sind Transchlorierungsverfahren bekannt, bei denen in einer Art Komproportionierungsreaktion
aus höherchlorierten und niedriger chlorierten oder chlorfreien Aromaten Chloraromaten
mit mittleren Chlorierungsgraden erhalten werden (siehe z.B. Chem. Lett. 1987, 2051-2052).
Nachteilig ist der Einsatz von zusätzlichen (niedriger chlorierten oder chlorfreien)
Aromaten, um aus höherchlorierten Aromaten Chlor zu entfernen.
[0005] Bei den bekannten Verbrennungen von chlorierten Aromaten entstehen entweder brauchbare,
leicht siedende Verbindungen und undefinierte Massen, z.B. chlorhaltige Teere, oder,
bei höheren Temperaturen, praktisch nur Chlorwasserstoff und Ruß. Chlorhaltige Teere
sind ebenfalls umweltbelastend und bei der Bildung von Ruß geht der aromatische Grundkörper
verloren.
[0006] Es besteht daher immer noch das Bedürfnis nach einem einfachen und kostengünstigen
Verfahren zur Dechlorierung von chlorierten aromatischen Verbindungen, bei dem deren
Chlorgehalt erniedrigt oder ganz beseitigt wird und der aromatische Grundkörper für
weitere chemische Weiterverwendungen erhalten bleibt.
[0007] Es wurde nun ein Verfahren zur Dechlorierung von chlorierten aromatischen Verbindungen
gefunden, das dadurch gekennzeichnet ist, daß man chlorierte aromatische Verbindungen
in einer Salzschmelze in Gegenwart von Wasser und/oder Wasserdampf und Kohle auf 300
bis 450°C erhitzt.
[0008] Als chlorierte aromatische Verbindungen zum Einsatz in das erfindungsgemäße Verfahren
kommen beispielsweise solche in Betracht, die sich von Benzol, Pyridin, Naphthalin,
Chinolin, Isochinolin, Diphenylether oder Dioxin als Grundkörper ableiten. Sie enthalten
pro Molekül mindestens ein an den Grundkörper gebundenes Chloratom. Vorzugsweise enthalten
sie von zwei bis zur maximal möglichen Anzahl Chloratome, also beispielsweise bei
einem Benzol-Grundkörper 2 bis 6 Chloratome, bei einem Pyridin-Grundkörper 2 bis 5
Chloratome, bei einem Naphthalin-Grundkörper 2 bis 8 Chloratome, bei einem Chinolin-
oder Isochinolin-Grundkörper 2 bis 7 Chloratome, bei einem Diphenylether-Grundkörper
2 bis 10 Chloratome und bei einem Dioxin-Grundkörper 2 bis 8 Chloratome.
[0009] In das erfindungsgemäße Verfahren einsetzbare chlorierte aromatische Verbindungen
können außer Chloratomen gegebenenfalls weitere Substituenten enthalten. Bei solchen
weiteren Substituenten kann es sich beispielsweise um C₁-C₄-Alkyl, C₆-C₁₀-Aryl, C₁-C₄-Alkyl-C₆-C₁₀-aryl,
Mono- bis Trichlor-C₁-C₄-alkyl oder Mono- bis Pentachlor-C₆-C₁₀-aryl handeln.
[0010] Bevorzugt werden in das erfindungsgemäße Verfahren eingesetzt: Chlorbenzol, 1,2-,
1,3- oder 1,4-Dichlorbenzol, 1,2,3-, 1,2,4- oder 1,3,5-Trichlorbenzol, Tetra-, Penta-
oder Hexachlorbenzol, Mono- oder Polychlortoluole, Mono- oder Polychlorxylole oder
chlorierte Biphenyle.
[0011] Selbstverständlich kann man in das erfindungsgemäße Verfahren auch beliebige Gemische
verschiedener chlorierter aromatischer Verbindungen einsetzen.
[0012] Als Salze zur Bildung der Salzschmelze kommen z.B. anorganische, ionische Salze und
diese enthaltende Gemische in Frage, soweit sie einen Schmelzpunkt unter 450°C aufweisen.
Vorzugsweise liegt der Schmelzpunkt des eingesetzten Salzes oder Salzgemisches unter
360°C, besonders bevorzugt unter 300°C.
[0013] Die Salzschmelze kann z.B. Chloride enthalten, wie Lithiumchlorid, Natriumchlorid,
Kaliumchlorid, Zinkchlorid, Kupfer(I)-chlorid, Kupfer(II)-chlorid, Silberchlorid,
Thalliumchlorid, Zinn(II)-chlorid, Aluminiumchlorid und/oder Eisen(III)-chlorid. Bevorzugt
sind Gemische, die Zinkchlorid, Kupfer(I)-chlorid, Kupfer(II)-chlorid und/oder Kaliumchlorid
enthalten. Besonders bevorzugt sind Gemische aus Kupfer(I)-chlorid und Kaliumchlorid,
insbesondere solche, die 50 bis 90 Gew.-% Kupfer(I)-chlorid und ergänzend zu 100 Gew.-%
Kaliumchlorid enthalten.
[0014] Bezogen auf 100 g in das erfindungsgemäße Verfahren eingesetzte chlorierte aromatische
Verbindungen kann man beispielsweise 1 bis 20 kg der jeweiligen Salzschmelze einsetzen.
[0015] Bevorzugte Temperaturen für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens sind
solche im Bereich 350 bis 400°C, besonders bevorzugt solche im Bereich 360 bis 385°C.
[0016] Der Druck beim erfindungsgemäßen Verfahren kann in weiten Grenzen variiert werden.
Im einfachsten Fall führt man das erfindungsgemäße Verfahren in einem geschlossenen
Gefäß unter dem sich von selbst einstellenden oder unter dem durch ein Druckhalteventil
vorgegebenen Druck durch. Geeignete Drucke liegen z.B. im Bereich 1 bis 50 bar. Bevorzugte
Drucke liegen im Bereich 5 bis 20 bar.
[0017] Wasser und Kohle, letztere vorzugsweise in pulvriger Form, können dem erfindungsgemäßen
Verfahren als solche zugeführt werden oder in Form eines sogenannten Kohleslurries,
d.h. in Form eines pumpfähigen Gemisches, das gemahlene Kohle und Wasser enthält.
Man kann die Kohle und/oder das Wasser unter Reaktionsbedingungen auch in situ entstehen
lassen, z.B. aus zugegebenen, bei erhöhter Temperatur zur Verkohlung und/oder Wasserabspaltung
neigenden Substanzen. Solche Substanzen sind z.B. Zucker wie Saccharose, Melasse und
abgewandelte Zucker wie propoxylierte Saccharose. Solche Substanzen kann man auch
in Form einer wäßrigen Lösung einsetzen. Vorzugsweise kommt gemahlene, schwefelfreie
Kohle und z.B. aus Zucker oder Melasse zugängliche Aktivkohle zum Einsatz.
[0018] Bezogen auf 1 g-Atom aus den chlorierten aromatischen Verbindungen abzuspaltendem
Chlor setzt man im allgemeinen mindestens 1/2 Mol Wasser und 1/4 g-Atom Kohle zu,
wobei jedoch auch größere Überschüsse in Frage kommen, beispielsweise bis zu 1 Mol
Wasser und bis zu 0,5 g-Atome Kohle pro g Atom aus den chlorierten aromatischen Verbindungen
abzuspaltendem Chlor.
[0019] Das erfindungsgemäße Verfahren kann diskontinuierlich oder kontinuierlich durchgeführt
werden. Bei kontinuierlicher Fahrweise kann man beispielsweise in einem Reaktor von
1 l Inhalt mit 0,5 l Salzschmelze pro Stunde 0,1 bis 1 Mol chlorierte aromatische
Verbindungen umsetzen. Es ist vorteilhaft, bei der Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens zu rühren.
[0020] Da sowohl die Salzschmelze, als auch der entstehende Chlorwasserstoff korrosiv sind,
ist es vorteilhaft Reaktionsgefäße zu verwenden, die antikorrosiv ausgerüstet sind,
beispielsweise durch Auskleidung mit Tantal. Bei Abwesenheit von Wasser bzw. Wasserdampf
oder Kohle kommt die Dechlorierungsreaktion zum Erliegen.
[0021] Das erfindungsgemäße Verfahren liefert aromatische Verbindungen, die weniger Chlor
als die Ausgangsverbindung(en) und/oder kein Chlor mehr enthalten. Daneben entstehen
Chlorwasserstoff, Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Undefinierte Nebenprodukte wie Teer
oder Ruß werden aus den eingesetzten chlorierten aromtischen Verbindungen praktisch
nicht gebildet.
[0022] Aus dem Reaktionsgemisch kann man die gasförmigen Reaktionsprodukte durch Entspannung
oder über ein Druckhalteventil abtrennen. Durch fraktionierte Destillation kann man
die erhaltenen chlorarmen und chlorfreien aromatischen Verbindungen abtrennen und
isolieren und auf vielfältige Weise weiterverwenden, beispielsweise als Zwischenprodukte
zur Herstellung von Wirkstoffen. Unumgesetzte Ausgangsverbindungen und noch immer
relativ hochchlorierte Reaktionsprodukte kann man gegebenenfalls erneut dem erfindungsgemäßen
Verfahren zuführen. Die Salzschmelze kann, gegebenenfalls nach erneuter Zudosierung
von Wasser und/oder Kohle, wiederverwendet werden.
[0023] Das erfindungsgemäße Verfahren gestattet es auf einfache und kostengünstige Weise
höherchlorierte aromatische Verbindungen zu wiederverwertbaren niederchlorierten oder
chlorfreien aromatischen Verbindungen umzusetzen.
Beispiele
Beispiel 1
[0024] In einem mit Tantal ausgekleideten Druckreaktor von 1 l Inhalt wurden 720 g Kupfer(I)-chlorid,
280 g Kaliumchlorid, 6 g Saccharose und 18,15 g 1,2,4-Trichlorbenzol vorgelegt. Dann
wurde der Druckreaktor verschlossen und unter kräftigem Rühren auf 375°C erhitzt.
Nach 1 Stunde wurde der Reaktor abgekühlt, entspannt und die organischen Bestandteile
des Reaktionsgemisches quantitativ analysiert. Es hatten sich über 95 Gew.-% des eingesetzten
1,2,4-Trichlorbenzols umgesetzt zu einem Gemisch, das 8 Gew.-% 1,2-Dichlorbenzol,
35 Gew.-% 1,3-Dichlorbenzol, 44,6 Gew.-% 1,4-Dichlorbenzol, 10,8 Gew.-% Monochlorbenzol
und 1,4 Gew.-% Benzol enthielt.
Beispiel 2
[0025] Es wurde verfahren wie in Beispiel 1, jedoch wurde statt Saccharose 1 g Wasser und
6 g Aktivkohle eingesetzt. Nach 1 Stunde hatten sich über 95 Gew.-% des eingesetzten
1,2,4-Trichlorbenzols umgesetzt zu einem Gemisch, das 6,8 Gew.-% 1,2-Dichlorbenzol,
35,7 Gew.-% 1,3-Dichlorbenzol, 44,1 Gew.-% 1,4-Dichlorbenzol, 11,7 Gew.-% Monochlorbenzol
und 1,3 Gew.-% Benzol enthielt.
Beispiel 3 (zum Vergleich)
[0026] Es wurde verfahren wie in Beispiel 1, jedoch wurde statt Saccharose 3 g Aktivkohle
eingesetzt. Nach 1 Stunde waren lediglich 2 Gew.-% des eingesetzten 1,2,4-Trichlorbenzols
umgesetzt worden.
[0027] Dieses Beispiel zeigt die erfindungswesentliche Gegenwart von Wasser bzw. Wasserdampf.
Beispiel 4 (zum Vergleich)
[0028] Es wurde verfahren wie in Beispiel 1, jedoch wurde statt Saccharose 1 g Wasser zugesetzt.
Nach 1 Stunde waren lediglich 1,5 Gew.-% des eingesetzten 1,2,4-Trichlorbenzols umgesetzt
worden.
[0029] Dieses Beispiel zeigt die erfindungswesentliche Gegenwart von Kohle.
1. Verfahren zur Dechlorierung von chlorierten aromatischen Verbindungen, dadurch gekennzeichnet,
daß man chlorierte aromatische Verbindungen in einer Salzschmelze in Gegenwart von
Wasser und/oder Wasserdampf und Kohle auf 300 bis 450°C erhitzt.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man chlorierte aromatische
Verbindungen einsetzt, die sich von Benzol, Pyridin, Naphthalin, Chinolin, Isochinolin,
Diphenylether oder Dioxin als Grundkörper ableiten und die zwischen 2 und der maximal
möglichen Anzahl Chloratome enthalten.
3. Verfahren nach Ansprüchen 1 und 2, dadurch gekennzeichnet, daß die eingesetzten chlorierten
aromatischen Verbindungen außer Chloratomen Substituenten aus der Gruppe C₁-C₄-Alkyl,
C₆-C₁₀-Aryl, C₁-C₄-Alkyl-C₆-C₁₀-aryl, Mono- bis Trichlor-C₁-C₄-alkyl oder Mono- bis
Pentachlor-C₆-C₁₀-aryl enthalten.
4. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Salzschmelze anorganische
ionische Salze oder diese enthaltende Gemische enthält, die einen Schmelzpunkt unter
450°C aufweisen.
5. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Salzschmelze Lithiumchlorid,
Natriumchlorid, Kaliumchlorid, Zinkchlorid, Kupfer(I)-chlorid, Kupfer(II)-chlorid,
Silberchlorid, Thalliumchlorid, Zinn(II)-chlorid, Aluminiumchlorid und/oder Eisen(III)-chlorid
enthält.
6. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß man es bei Temperaturen
im Bereich 350 bis 400°C durchführt.
7. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß man es bei Drucken
im Bereich 1 bis 50 bar durchführt.
8. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß man als Kohle gemahlene,
schwefelfreie Kohle oder aus Zucker oder Melasse zugängliche Aktivkohle einsetzt.
9. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß man Wasser und Kohle
in situ aus Zucker oder Melasse entstehen laßt.
10. Verfahren nach Ansprüchen 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß man pro g-Atom aus
den chlorierten aromatischen Verbindungen abzuspaltendem Chlor mindestens 1/2 Mol
Wasser und mindestens 1/4 g-Atom Kohle einsetzt oder sich in situ bilden läßt.