[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Bestimmung der Sichtliniendrehraten
Flugkörper/Ziel mit einem mit dem Flugkörper starr verbundenen Suchkopf.
[0002] Ein derartiges Verfahren ist bekannt (DE 34 42 598 A1). Dabei ist im Flugkörper ein
inertial-stabilisierter Suchkopf kardanisch aufgehängt, der die Komponenten der Drehraten
der Sichtlinie Flugkörper/Ziel mißt. Die Meßwerte werden als Eingangswerte benutzt,
um den Flugkörper nach dem Lenkgesetz der Proportionalnavigation zu steuern.
[0003] Die kardanische Aufhängung von Suchköpfen erfordert eine aufwendige Präzisionsmechanik.
Ein mit dem Flugkörper starr verbundener Suchkopf hätte demgegenüber wegen seiner
Einfachheit erhebliche Vorteile. Er weist jedoch den Nachteil auf, daß der damit festgestellte
Ablagewinkel zu einem Ausgangssignal führt, das nicht nur von der Drehrate der Sichtlinie
Flugkörper/Ziel, sondern auch von der Drehrate des Flugkörpers abhängig ist.
[0004] Aus DE 42 38 521 C2 ist eine Einrichtung zur Erfassung von Zielen am Boden durch
Sensoren verschiedener Spektralbereiche für tieffliegende Flugzeuge bekannt, wobei
ein Sensor an einem vom Flugzeug geschleppten, auftriebserzeugenden Flugkörper montiert
ist und die Sensorsignale von den Eigenbewegungen des Flugkörpers ohne Verwendung
von Kreiseln durch ständige Vermessung seiner Lagewinkel zum Flugzeug entkoppelt werden.
[0005] Aus DE 40 34 419 A1 und DE 40 07 999 C2 sind Flugkörper mit einer kardanisch aufgehängten,
inertial-stabilisierten Fernsehkamera bekannt, deren Signale zu einem Monitor geleitet
werden, um von dort aus den Flugkörper zu lenken.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren bereitzustellen, mit dessen Hilfe zusammen
mit einem mit dem Flugkörper starr verbundenen Suchkopf eine Proportionalnavigation
auf einfache Weise durchgeführt werden kann.
[0007] Dies wird erfindungsgemäß mit dem im Anspruch 1 gekennzeichneten Verfahren erreicht.
In den Unteransprüchen sind vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung wiedergegeben.
[0008] Erfindungsgemäß werden also die Ausgangssignale des mit dem Flugkörper starr verbundenen
Suchkopfes benutzt, um einen kardanisch aufgehängten und kreiselstabilisierten virtuellen
Suchkopf der Sichtlinie nachzuführen.
[0009] Der virtuelle Suchkopf stellt bei dem erfindungsgemäßen Verfahren das mathematische
Modell eines kardanisch gelagerten und kreiselstabilisierten Suchkopfes im Rechner
dar. Die zeitgleich mit der Bewegung des Flugkörpers ablaufende Bewegungssimulation
des virtuellen Suchkopfes ermöglicht die Bestimmung der Drehrate der Sichtlinie Flugkörper/Ziel.
[0010] Die Rahmenanordnung sowie die Kreiselstabilisierung des virtuellen Suchkopfes, also
ob er z. B. durch eine rotierende Masse oder externe Wendekreisel stabilisiert ist,
spielen für das erfindungsgemäße Verfahren keine wesentliche Rolle. Die Art der Rahmenausführung
und der Kreiselstabilisierung schlagen sich in der Software des virtuellen Suchkopfes
nieder.
[0011] Läßt man Einzelheiten wie notwendige Koordinatentransformationen und diverse Umrechnungen
beiseite, so erfolgt die Bestimmung der Sichtliniendrehrate erfindungsgemäß wie folgt:
Azimut- und Elevationsablagewinkel des Ziels, gemessen im starren Suchkopf, werden
in die Azimut- und Elevationsablagewinkel des virtuellen Suchkopfes umgerechnet.
[0012] Der virtuelle Suchkopf wird mit einem Zeitverhalten 1. Ordnung (oder höher) der Sichtlinie
nachgeführt.
[0013] Aus den per Software berechneten Bewegungen des virtuellen Suchkopfes ergeben sich
die Drehraten des virtuellen Suchkopfes im Inertialsystem bzw. bei erdfester Anwendung
im geodätischen System, welche in den Lenkalgorithmus einfließen. Aus den Drehraten
des virtuellen Suchkopfes ermitteln sich auch die jeweiligen Lagewinkel des virtuellen
Suchkopfes, d.h. seine Winkellage im Inertialsystem. Diese werden zur Umrechnung der
Lagewinkel vom starren zum virtuellen Suchkopf benötigt.
[0014] Der Flugkörper folgt den Lenkkommandos, ändert seine Lage und Position, und dadurch
ändern sich die Ablagewinkel im starren Suchkopf. Diese werden wiederum in den virtuellen
Suchkopf umgerechnet. Damit hat sich die Schleife geschlossen.
[0015] Nachstehend ist die Erfindung anhand der Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:
Fig. 1 eine schematische ebene Darstellung des Elevationsablagewinkels für den starren
und den virtuellen Suchkopf;
Fig. 2 eine der Fig. 1 entsprechende dreidimensionale Darstellung, wobei der Flugkörper
sowie der starre und der virtuelle Suchkopf nicht dargestellt sind;
Fig. 3 schematisch das Prinzip des erfindungsgemäßen Verfahrens; und
Fig. 4 schematisch das Blockschaltbild der Software zur Durchführung des Verfahrens.
[0016] Gemäß Fig. 1 weist ein Flugkörper 1 einen darin starr angeordneten Suchkopf 2 auf.
Mit s₁ ist die Flugkörper-Längsachse bezeichnet, die zugleich die Achse des starren
Suchkopfes 2 ist, und mit SL die Sichtlinie Flugkörper 1 - Ziel Z.
[0017] Θ
s stellt den Elevationsablagewinkel des starren Suchkopfes 2, also den Winkel zwischen
der Flugkörper-Längsachse s₁ bzw. der Achse des starren Suchkopfes 2 und der Sichtlinie
SL dar.
[0018] Mit 2v ist der virtuelle Suchkopf bezeichnet, mit v₁ dessen Achse und mit Θ
v der Ablagewinkel zwischen der Achse v₁ des virtuellen Suchkopfes 2v und der Sichtlinie
SL.
[0019] Aus dem Ablagewinkel Θ
s ergeben sich für den Sichtlinien-Einheitsvektor [r₁] die Komponenten x
s und z
s im System des starren Suchkopfes, wie folgt:

Die Umrechnung der Komponenten des Einheitsvektors [r₁] im starren System, also x
s und z
s, in die Komponenten des virtuellen Systems x
v und z
v erfolgt nach folgender Gleichung:

worin
[T
]VS die Transformationsmatrix zur Umrechnung vom starren in das virtuelle System darstellt.
[0020] Der gesuchte virtuelle Ablagewinkel Θ
v ist nach Fig. 1

Die Drehrate q
v des virtuellen Suchkopfes 2v ist unter der Annahme eines Folgeverhaltens 1. Ordnung
Das Folgeverhalten 1. Ordnung steht nur beispielhaft und kann auch durch ein Folgeverhalten
höherer Ordnung ersetzt werden.
[0021] In Fig. 2 ist das dreidimensionale Koordinatensystem des starren und des virtuellen
Suchkopfes mit den jeweiligen Ablagewinkeln Θ
s und Θ
v (Elevation) und Ψ
s und Ψ
v (Azimut) dargestellt.
[0022] Nach der funktionalen Prinzipskizze der Fig. 3 hat der starre Suchkopf 2 die tatsächlichen
Azimut- und Elevationsablagewinkel Ψ
s und Θ
s als Eingangsgrößen. Die Ablagewinkel Ψ
s und Θ
s werden mit einem Meßwerk gemessen und die gemessenen Ablagewinkel Ψ
sm und Θ
sm im virtuellen Suchkopf 2v durch die Transformations-Software 3 in die Azimut- und
Elevationsablagewinkel Ψ
v und Θ
v des virtuellen Suchkopfs 2v transformiert.
[0023] Die virtuellen Ablagewinkel Ψ
v und Θ
v werden dem dynamischen mathematischen Modell 4 des virtuellen Suchkopfes 2 zugeführt
und daraus die Drehraten q
v, r
v des virtuellen Suchkopfes 2v berechnet, mit denen der virtuelle Suchkopf 2v der Sichtlinie
SL nachgeführt wird.
[0024] Die Werte der Drehraten q
v und r
v fließen zugleich in den Lenkregler 5 ein, um die Kommandos für den Flugkörper 6 zu
bilden, so daß der Flugkörpergeschwindigkeitsvektor proportional zur Sichtlinie SL
gedreht wird. Die Schleife wird über die Rückführung 7 geschlossen.
[0025] Die Transformation vom starren Suchkopf 2 in den virtuellen Suchkopf 2v mit der Transformationsmatrix
[T]
VS erfolgt nach folgender Gleichung:
Darin stellen [T]
VI die Transformationsmatrix vom inertialen (geodätischen) System in das virtuelle System
und [T]
IS die Transformationsmatrix vom flugkörperfesten oder starren System in das inertiale
(geodätische) System dar, wobei gilt:

worin [T]

die transponierte Transformationsmatrix vom inertialen (geodätischen) System zum
flugkörperfesten System ist.
[0026] Die Umrechnung mit der Transformations-Software 3 vom starren in das virtuelle System
anhand der Gleichungen (5) und (6) erfolgt über die Schleifen 8 und 9. Dazu werden
über die Schleife 8 durch die Software 10 die Drehraten p
v, q
v und r
v des virtuellen Suchkopfes 2v ermittelt, die zur Bildung der Transformationsmatrix
[T]
VI herangezogen werden. Über die Schleife 9 werden die Drehgeschwindigkeiten p, q und
r des starren Suchkopfes 2 gemessen, die zur Bildung der Transformationsmatrix [T]
IS herangezogen werden.
[0027] Die Drehraten p, q, r des starren Suchkopfes 2 können mit Wendekreiseln 11, beispielsweise
aus drei einachsigen oder einem einachsigen und einem zweiachsigen Wendekreisel, erhalten
werden.
[0028] In Fig. 4 ist die Software zur Realisierung des virtuellen Suchkopfes 2v näher erläutert.
[0029] Danach weist der starr mit dem Flugkörper 1 verbundene Suchkopf 2 die Ablagewinkel
Ψ
s und Θ
s auf, während die Wendekreisel 11 die Drehraten p
m, q
m, r
m messen.
[0030] Damit ergeben sich folgende Eingangsgrößen des virtuellen Suchkopfes 2v:
a) die Ablagewinkel Ψsm und Θsm, die der mit dem Flugkörper 1 starr verbundene Suchkopf 2 als Meßwerte ausgibt, und
b) die von den Wendekreiseln 11 gemessenen Werte pm, qm, rm für die Drehraten des Flugkörpers 1, bezogen auf die drei Achsen des körperfesten
(starren) Koordinatensystems.
[0031] Aus den Drehraten p
m, q
m, r
m wird die zeitliche Ableitung Q̇ der Quarternion Q gebildet. Durch Integration erhält
man die Quarternion Q und damit die Transformationsmatrix [T]
SI für die Transformation vom inertialen (geodätischen) in das flugkörperfeste (starre)
System.
[0032] Mit Hilfe der Transformationsmatrix [T]
VI für die Transformation vom inertialen System in das virtuelle Suchkopfsystem und
der Transformationsmatrix
[T
]IS für die Transformation vom starren in das inertiale geodätische System erhält man
nach der vorstehenden Gleichung (5) die Transformationsmatrix [T]
VS für die Transformation vom körperfesten (starren) Suchkopfsystem in das virtuelle
Suchkopfsystem.
[0033] Aus den gemessenen Ablagewinkeln Ψ
sm,Θ
sm des starren Suchkopfes 2 werden die Komponenten des Einheitsvektors [r₁] in Zielrichtung
Z im flugkörperfesten (starren) System gebildet, wie vorstehend im Zusammenhang in
Fig. 1 anhand der Komponenten x
s, z
s erläutert. Diese Komponenten werden mit der Transformationsmatrix [T]
VS in das virtuelle Suchkopfsystem umgerechnet (vergleiche Gleichung (2)).
[0034] Mit den transformierten Komponenten (x
v, z
v) des Einheitsvektors [r₁
] werden die Ablagewinkel Ψ
v und Θ
v im virtuellen Suchkopf 2v ermittelt.
[0035] Die gesuchten Drehraten des virtuellen Suchkopfes 2v sind unter der Annahme eines
Folgeverhaltens 1. Ordnung den Ablagewinkeln proportional (Gleichungen 4 und 7).
Die Drehraten q
v und r
v des virtuellen Suchkopfes 2v werden durch die Drehrate p
v vervollständigt, welche gesondert über eine Zwangskopplung (ZK) ermittelt wird, da
sich der virtuelle Suchkopf 2v nicht frei um seine Längsachse drehen kann.
[0036] Aus p
v, q
v, r
v erhält man die zeitliche Ableitung Q̇
v und durch Integration die Quarternion Q
v, aus der die Transformationsmatrix [T]
VI gebildet wird und mit deren Hilfe zusammen mit der Transformationsmatrix [T]
IS die Transformationsmatrix [T]
VS gemäß der Gleichung (5) ermittelt wird.
[0037] Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren werden also die mit dem starr verbundenen Suchkopf
gemessenen Azimut- und Elevationsablagewinkel ψ
sm und Θ
sm in die Azimut- und Elevationsablagewinkel ψ
v und Θ
v eines kardanisch gelagerten und kreiselstabilisierten virtuellen Suchkopfes 2v transformiert,
der durch Drehung p
v, q
v und r
v um seine Achsen v₁, v₂, v₃ der Sichtlinie SL nachgeführt wird.
[0038] Die Transformation der mit dem starr verbundenen Suchkopf 2 gemessenen Azimut- und
Elevationsablagewinkel ψ
sm und Θ
sm in die Azimut- und Elevationsablagewinkel ψ
v und Θ
v des virtuellen Suchkopfes 2v erfolgt einerseits aufgrund der Drehraten p
v, q
v, r
v des virtuellen Suchkopfes 2v um seine Achsen v₁, v₂, v₃, die sich aus den kontinuierlich
ermittelten Azimut- und Elevationsablagewinkeln ψ
v, Θ
v des virtuellen Suchkopfes und der Zwangskopplung ZK ergeben, und andererseits aufgrund
der Drehraten p
m, q
m, r
m des starr verbundenen Suchkopfes um die körperfesten Achsen s₁, s₂, s₃.
[0039] Unter der Zwangskopplung ZK ist dabei eine mathematische Bedingung zu verstehen,
welche berücksichtigt, daß der virtuelle Suchkopf in der Längsachse nicht frei drehbar
gegenüber dem Flugkörper ist. Vielmehr ergibt sich die Drehrate p
v um die Achse v₁ des virtuellen Koordinatensystems aus:
- den Drehraten qv um die Achse v₂ und rv um die Achse v₃ des virtuellen Koordinatensystems
- den Drehraten des Flugkörpers pm, qm, rm um die flugkörperfesten Achsen s₁, s₂ und s₃
sowie
- der Transformationsmatrix [T]VS,
wobei die Transformationsmatrix
[T
]VS sich aus den Gleichungen (5) und (6) auf Seite 6 der Beschreibung ergibt.
1. Verfahren zur Bestimmung der Sichtliniendrehraten Flugkörper/Ziel mit einem mit dem
Flugkörper starr verbundenen Suchkopf, dadurch gekennzeichnet, daß die mit dem starr
verbundenen Suchkopf (2) im flugkörperfesten Koordinatensystem (s₁, s₂, s₃) gemessenen
Azimut- und Elevationsablagewinkel (Ψsm und Θsm) des Zieles in die Azimut- und Elevationsablagewinkel (Ψv und Θv) des Zieles bezogen auf das Koordinatensystem (v₁, v₂, v₃) eines virtuellen kardanisch
gelagerten und kreiselstabilisierten Suchkopfes (2v) transformiert werden, der durch
Drehung mit den Drehraten (pv, qv, rv) um seine drei Achsen (v₁, v₂, v₃) der Sichtlinie (SL) Flugkörper/Ziel nachgeführt
wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Transformation der mit
dem starr verbundenen Suchkopf (2) gemessenen Azimut- und Elevationsablagewinkel (Ψsm und Θsm) in die Azimut- und Elevationsablagewinkel (Ψv und Θv) des virtuellen Suchkopfes (2v) um seine drei Achsen (v₁, v₂, v₃) und andererseits
über die Drehraten (pm, qm, rm) des starr verbundenen Suchkopfes (2) um die drei flugkörperfesten Achsen (s₁, s₂,
s₃) erfolgt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der virtuelle Suchkopf
(2v) der Sichtlinie (SL) Flugkörper/Ziel mit einem Zeitverhalten erster oder höherer
Ordnung nachgeführt wird.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei der Transformation
die Quaternionen-Methode angewendet wird.
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß bei der Transformation
die Eulerwinkel-Methode angewendet wird.
6. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Drehraten
(qv, rv) des virtuellen Suchkopfes (2v) um dessen beide zu seiner Längsachse (v₁) senkrechten
Achsen (v₂, v₃) zur Lenkung des Flugkörpers (1) nach der Proportionalnavigation verwendet
werden.
7. Verfahren nach einem der vorstehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß eine
beliebige Rahmenanordnung des virtuellen Suchkopfes (2v) angewendet wird.