[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bleiche von Textilartikeln,
insbesondere Denim-Artikeln bzw. Kettkörpern bestehend aus Indigo-gefärbter Kette
und weißem Schuß, mit Reduktionsmitteln.
[0002] Inspiriert von moderner Verfahrenstechnik und angetrieben vom Willen zu modegerechter
Textilgestaltung durch Waschen, Bleichen und Färben hat es nie an Versuchen zur Variation
der Denim-Artikel gefehlt. Denim ist eine Webtechnik, bei der die Kette aus einem
mit Indigo-Kontinue-gefärbten Garn und der Schuß aus einem weißen Garn besteht. Blue
Denim, ein häufig eingesetztes Gewebe für die Erzeugung von Blue Jeans, ist zum Beispiel
ein dreibindiger Kettkörper (K

), der an der Gewebeoberseite überwiegend die mit Indigo blau gefärbte Kette zeigt.
Im Gegensatz ist auf der Gewebeunterseite der überwiegend weiß gefärbte Schuß sichtbar.
[0003] Es wurde deshalb von Industriewäschern immer wieder versucht, durch ausgefallene
Technologien eine Ätzung in mechanischer (stone wash-) oder in chemischer (snow wash-)
Form vorzunehmen. Ein typisches Verfahren von Industriewäschereien zur Herstellung
modischer Jeans-Artikel im Stone wash-Verfahren läuft wie folgt ab:
[0004] Die fertig konfektionierten Teile werden auf die linke Seite gedreht und vorgewaschen
bzw. entschlichtet. Die Teile werden dann aus der Waschmaschine genommen, auf die
rechte Seite gedreht und mit Kalksandsteinen (Bimssteinen) im Verhältnis 1:3 (1 kg
Ware:3 kg Steine) gewaschen. Die Ware wird dann aus der Maschine genommen, entsteint
und mit Natriumhypochlorit (je nach gewünschter Nuance) gebleicht (Peter, M.; Ruette,
H.K., Grundlagen der Textilveredlung, 13. Aufl., Deutscher rachverlag 1989, Seiten
80-81).
[0005] Im Sprachgebrauch der Textilveredlung fällt diese Art der Fertigwarenaufbereitung
unter den Begriff "Fully fashioned"-Ausrüstung.
[0006] Gemäß DE-A1-38 33 194 wird beim Färben von textilen Materialien, die aus Cellulosefasern
bestehen oder Cellulosefasern in Mischung mit Synthesefasern enthalten, mit Küpenfarbstoffen
in alkalisch-wäßrigem Medium in Anwesenheit von Reduktionsmitteln und gegebenenfalls
weiterer üblicher Hilfsstoffe bei Temperaturen von beispielsweise 45-60°C gearbeitet.
Anschließend stellt man die Färbungen dadurch fertig, daß man das textile Material
spült, oxidiert und seift.
[0007] Das Bauprinzip der indigoiden Farbstoffe läßt sich mehrheitlich nach folgender Formel
beschreiben.

D₁=D₂=NH = indigoider Farbstoff im engeren Sinn
D₁=D₂=S = thioindigoider Farbstoff
R₁ bis R₄ = Strukturelemente
[0008] Der Einbau dieser Strukturelemente R, D und CO in heterocyclische Ringe führt zu
stabilen, technisch nutzbaren Farbstoffen, wie dem klassischen Indigo, das im Colour
Index unter der Bezeichnung C.I. Vat Blue 1 oder C.I. Pigment Blue 66 registriert
und im Handel erhältlich ist.
[0009] Die zahlreichen Vertreter indigoider Farbstoffe sind als sogenannte Küpenfarbstoffe,
seltener als Pigmente, im Handel. Besonders bewährt haben sich auch die durch direkte
Halogenierung von Indigo erhältlichen Farbstoffe, wie C.I. Vat Blue 41, C.I. Vat Blue
5, C.I. Vat Blue 37, C.I. Vat Blue 35, C.I. Vat Blue 48 oder C.I. Acid Blue 74. Grünstichige
Blautöne entstehen, wenn zum Beispiel Indigo chloriert wird oder wenn Hypochlorit
zur Bleiche verwendet wird.
[0010] Küpenfarbstoffe sind praktisch unlöslich in Wasser und müssen vor dem Färben durch
Reduktion in alkalischer Lösung wasserlöslich gemacht werden. Das entstandene Reaktionsprodukt,
auch Leukobase oder Küpensalz genannt, zieht auf das Substrat auf und kann nun zum
Farbstoff rückoxidiert werden. Küpenfarbstoffe enthalten also Strukturelemente, die
das Molekül in oxidierter Form wasserunlöslich und in reduzierter Form, die reversibel
erhalten werden kann, wasserlöslich machen.
[0011] Üblich war bisher die Entfernung dieser Küpenfarbstoffe von Denim-Artikeln durch
Verwendung von Hypochlorit oder Bleichlauge. Aufgrund der Verordnung des Bundesministers
für Land- und Forstwirtschaft über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Textilveredelungs-
und -behandlungsbetrieben, Bundesgesetzblatt Nr. 612 vom 24. September 1992, muß z.B.
gemäß § 33a Wasserrechtsgesetz (WRG) Hypochlorit vermieden werden. Der Gehalt an freiem
Chlor, berechnet als Cl₂, im Abwasser dieser Betriebe darf 0,2 mg/l, und absorbierbare
organisch gebundene Halogene (AOX), berechnet als Cl, dürfen 0,5 mg/l nicht überschreiten.
Bei der konventionellen Erzeugung von stone-washed Denim werden beträchtliche Mengen
an Aktivchlor in der Bleichflotte zurückgelassen. Durch Chlorierung der Küpenfarbstoffe
entstehen organische Moleküle, die mit den Waschflotten ausgetragen und im Abwasser
als AOX bestimmt werden.
[0012] Die Verwendung von Hypochloritlauge hat weiters den Nachteil, daß einige Küpenfarbstoffe
ein grünstichiges Blau ergeben, wenn das Farbstoffmolekül chloriert wird.
[0013] Übliche, in der Textilfärbung gebräuchliche Methoden können bei der Bleiche von Denim-Artikeln
nicht angewendet werden. Bei der Färbung liegt das Ziel darin, eine möglichst gleichmäßige
Färbung und ein egales Aufziehen des Farbstoffes auf die Faser zu erhalten. Bisher
konnte mit Reduktionsmitteln und auch Reduktionsmittelmischungen wohl der Küpenfarbstoff
als Leukobase wasserlöslich gemacht werden. Der Farbstoff zieht aber gleichzeitig
auf die Faser auf. Als gebräuchliche Reduktionsmittel werden Natriumdithionit, Hydroxymethansulfinsäure,
Thioharnstoffdioxid (Formamidinsulfinsäure) oder auch Mischungen dieser Verbindungen
beschrieben. Zu starke Reduktionsmittel können nicht eingesetzt werden, weil der Farbstoff
überreduziert und zerstört werden kann (DE-A1-20 11 387). Gemäß DE-A1-38 33 194 werden
weiters alpha-Hydroxycarbonylverbindungen in Betracht gezogen, um eine Überreduktion
zu vermeiden.
[0014] Beim Bleichen von Denim-Artikeln liegt hingegen das Ziel darin, den Farbstoff von
der Indigo-gefärbten Kette abzuziehen und ein Aufziehen auf den weißen Schußfaden
(Färben) zu verhindern. Der Farbton soll heller werden, aber in der Farbtiefe nicht
verändert werden. AOX und Aktivchlor im Abwasser müssen verhindert werden.
[0015] Aufgabe der Erfindung ist es daher, die vorab angeführten Nachteile zu vermeiden,
gleichmäßig aufgehellte Denim-Artikel herzustellen, ohne den weißen Schußfaden anzufärben
und die Farbtiefe zu verändern. Chlor und chlororganische Verbindungen im Abwasser
sollen verhindert werden.
[0016] Das erfindungsgemäße Verfahren besteht darin, das Gewebe bei erhöhten Temperaturen
einem wäßrigen Bad auszusetzen, das eine Reduktionsmittelmischung, ein Alkalihydroxid
und vorzugsweise einen oberflächenaktiven Stoff enthält. Die vorab angeführten Nachteile,
wie die Bildung von Aktivchlor und absorbierbaren organischen Halogenen, eine Überreduktion
der Farbstoffe und zu hohe CSB-Lasten im Abwasser, werden solcherart vermieden.
[0017] Die bekanntesten Reduktionsmittel, die bei der Küpenfärbung von Cellulosefasern eingesetzt
werden, sind Natriumdithionit, Formamidinsulfinsäure (Thioharnstoffdioxid) und Hydroxyaceton.
[0018] So ist beispielsweise aus der DE-A1-20 11 387 bekannt, bei der Küpenfärbung von Cellulosefasern
enthaltenden Textilien Formamidinsulfinsäure als Reduktionsmittel zu verwenden. Wie
aus dieser Patentschrift außerdem bekannt ist, kann die Reduktion der Küpenfarbstoffe
zusätzlich in Gegenwart von Glucose vorgenommen werden, um zu verhindern, daß empfindliche
Farbstoffe "überreduziert" werden. Die Egalität der Küpenfärbungen wird als verbesserungswürdig
beschrieben.
[0019] In der DE-A1 38 33 194 wird die Aufgabe, textile Materialien aus Cellulosefasern
mit Küpenfarbstoffen zu färben, dadurch gelöst, daß man als Reduktionsmittelmischungen
Kombinationen aus den Komponenten
A) Natriumdithionit und/oder Formamidinsulfinsäure und
B) alpha-Hydroxycarbonylverbindungen im Gewichtsverhältnis 1:1 bis 1:15 einsetzt und
die Färbung bei pH-Werten von mindestens 13 sowie bei Temperaturen oberhalb von 75°C
durchführt.
[0020] Überraschend wurde nun gefunden, daß die Bleiche von Denim-Artikeln mit Reduktionsmitteln
durchgeführt werden kann. Die Bleiche der Denim-Artikel kann beispielsweise bei Flottenverhältnissen
von 1:1 bis 1:40, vorzugsweise 1:5 bis 1:7, erfolgen.
[0021] Erfindungsgemäß erfolgt die Entfernung der Farbstoffe im wäßrigen Medium bei pH-Werten
von 10-13, vorzugsweise bei etwa 12,5, unter Verwendung von Reduktionsmittelmischungen
und bei Temperaturen über 50°C. Als Reduktionsmittelmischungen kommen Mischungen von
Formamidinsulfinsäure (Thioharnstoffdioxid) mit Kohlenhydraten mit der allgemeinen
Bruttoformel C
nH
2nO
n in Betracht. Geeignete Kohlenhydrate sind z.B. Monosaccharide, Disaccharide, Oligosaccharide
und Polysaccharide, beispielsweise Glucose, Saccharose, Stärke, Melasse oder Pektin.
Aus der Gruppe dieser Reduktionsmittel kommt vorzugsweise Saccharose in Betracht.
Es ist selbstverständlich auch möglich, Mischungen mehrerer Kohlenhydrate als zweite
Komponente der erfindungsgemäß einzusetzenden Kombination zu verwenden, z.B. Mischungen
aus Saccharose und Glucose.
[0022] Das Gewichtsverhältnis Formamidinsulfinsäure zur zweiten Komponente kann vorteilhaft
80:20 bis 99:1 betragen. Der pH-Wert wird vorzugsweise durch Zugabe von NaOH eingestellt.
Auch andere Basen wie z.B. KOH können eingesetzt werden.
[0023] Die Denim-Artikel werden nach dem Entsteinen in frisches Wasser gegeben und die Temperatur
wird auf über 50°C erhöht. Ab 75°C wird eine vorbereitete Lösung, bestehend aus Formamidinsulfinsäure
und zweiter Komponente, Natronlauge und Textilhilfsmittel (Dispergator, Netzmittel),
in die Waschmaschine dosiert. Unter Bewegung der Flotte und der Artikel werden die
Küpenfarbstoffe löslich gemacht und von der Faser (Indigo-gefärbte Kette) abgelöst.
Die Bleichzeit beträgt 1 bis 30 Minuten, vorzugsweise 15 Minuten. Die Reduktionsmittel-Mischungen
werden in Mengen von 0,5 bis 10%, vorzugsweise 2 bzw. 4%, je nach gewünschter Helligkeit
angewendet. Die Flotte wird nach dieser Behandlung abgelassen und die Denim-Artikel
werden mit Wasser bei 40°C gespült. Dem zweiten Spülbad werden 2 g/l Essigsäure konz.
und 1 g/l Wasserstoffperoxid zugefügt. Anschließend werden die Denim-Artikel geschleudert
und getrocknet.
[0024] Das erfindungsgemäße Verfahren kann selbstverständlich auch in Anwesenheit üblicher
Textilhilfsmittel wie Netzer, Dispergiermittel, Tenside usw. durchgeführt werden.
[0025] Die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens liegen darin, daß die Denim-Artikel
sehr reproduzierbar gebleicht werden können. Der Farbstoff wird von der Indigo-gefärbten
Kette reduktiv abgelöst. Die Konzentration des Reduktionsmittels Formamidinsulfinsäure
kann derart gewählt werden, daß ein Anfärben des weißen Schußfadens verhindert wird.
Entgegen einer üblichen Färbung wird erfindungsgemäß ein Gewebeteil (Kette) kontrolliert
entfärbt, ohne daß gleichzeitig der andere Gewebeteil (Schuß) angefärbt wird. Das
Abwasser ist frei von Chlor und AOX. Die Abwasserbelastung ist deutlich geringer als
bei Verwendung von Natriumhypochlorit. Mit geringen Mitteln läßt sich der Küpenfarbstoff
aus dem Abwasser wiedergewinnen.
[0026] Folgende Beispiele sollen die Erfindung erläutern, ohne dieselbe einzuschränken:
Beispiel 1:
[0027] Ansatz der Bleichlösung:
[0028] In einen Behälter mit Rührwerk werden 5 l Wasser, 25°C, zugegeben, in dem unter Rühren
60 g Ätznatron, 38 g Formamidinsulfinsäure und 2 g Saccharose gelöst werden.
Durchführung der Bleiche:
[0029] 4 kg stone-washed Denim-Artikel (Blue Jeans) und 20 l Wasser werden auf 75°C erwärmt.
Nach Erreichen der Temperatur wird die Bleichlösung zugegeben. Nach 15 Minuten Bewegung
in der Waschmaschine wird die Flotte abgelassen und bei ca. 40°C werden die Denim-Artikel
gespült. Dem zweiten Spülbad werden 2 g/l Essigsäure und 1 g/l Wasserstoffperoxid
35%ig hinzugefügt. Anschließend werden die Artikel geschleudert und getrocknet. Der
pH-Wert der Flotte ist von 13 auf 12,3 abgesunken. Am Rohstoff wurde ein Weißgehalt
(Filter R 457) von 8,8 und ein Gelbwert von -98,5 gemessen. Die gebleichten Denim-Artikel
hatten einen durchschnittlichen Weißgrad von 19,4 (Filter R 457) und einen Gelbwert
von -66,5. Die Kette ist deutlich aufgehellt und der Schuß ist rein weiß. Die Bleichflotte
hat einen CSB-Wert von 7280 mg O₂/l und ist frei von absorbierbaren organischen Halogenen
(AOX).
Beispiel 2:
[0030] Ansatz der Bleichlösung:
[0031] In ca. 7 l Wasser werden 720 g Natronlauge 50%ig unter Rühren und 228 g Formamidinsulfinsäure
und 12 g Saccharose aufgelöst.
Durchführung der Bleiche:
[0032] 6 kg stone-washed Denim-Artikel und 30 l Wasser werden auf 80°C erwärmt. Nach Zugabe
der Bleichlösung und 15 Minuten Bewegung in der Waschmaschine wird die Flotte abgelassen.
Aus der Flotte wird durch Zugabe von Säure und Wasserstoffperoxid der Küpenfarbstoff
in die wasserunlösliche Form gebracht und durch Filtration wiedergewonnen. Die Flotte
hat eine hellgelbe Farbe und einen CSB-Wert von 5000 mg O₂/l. AOX ist nicht nachweisbar.
Die Denim-Artikel werden wie im Beispiel 1 gewaschen, gespült und getrocknet.
[0033] Die gebleichten Denim-Artikel hatten einen Weißgrad von 43,7 (Rohstoff 8,8), gemessen
mit einem Weißgrad-Meßgerät (Filter R 457), und einen Gelbwert von -24,0 (Rohstoff
-98,5).
[0034] Diese Helligkeit ist vergleichbar mit einem aebleichten Denim-Artikel, der mit Natriumhypochlorit
behandelt wurde. Vergleichend ergab die Analyse des Abwassers nach einer Bleiche mit
Natriumhypochlorit einen CSB-Wert von 18600 mg O₂/l.
1. Verfahren zum Bleichen von textilen Materialien, die ganz oder teilweise aus cellulosischen
Materialien bestehen, insbesondere in Denim-gewebter Form, durch Behandlung in alkalisch-wäßrigem
Medium bei erhöhter Temperatur, dadurch gekennzeichnet, daß als Bleichmittel eine
Kombination aus Formamidinsulfinsäure und Kohlenhydraten mit der allgemeinen Bruttoformel
CnH2nOn im Gewichtsverhältnis 80:20 bis 99:1 eingesetzt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Kohlenhydrat mit der allgemeinen
Bruttoformel CnH2nOn reduzierend wirkende Monosaccharide eingesetzt werden.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als reduzierend wirkendes Monosaccharid
Glucose eingesetzt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Kohlenhydrat Oligosaccharide
eingesetzt werden.
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß als Oligosaccharid Saccharose
eingesetzt wird.
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Bleiche bei Flottenverhältnissen
von 1:1 bis 1:40 vorgenommen wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Bleiche bei einem Flottenverhältnis
von 1:5 bis 1:7 vorgenommen wird.