[0001] Die Erfindung betrifft ein Ring-/Läufersystem für Spinn- und Zwirnmaschinen.
[0002] In der Ringspinnerei werden Läufer eingesetzt, die mit hoher Relativgeschwindigkeit
auf Ringen umlaufen. Unter industriellen Bedingungen erreichen die Läufer heute dabei
ohne aktive Schmierung eine Relativgeschwindigkeit von bis zu 40 m/s.
[0003] Es ist Stand der Technik (DE-A1-32 10 133), den Ring und den Läufer aus gehärteten
Stahl bzw. Stahldraht zu fertigen.
[0004] Weltweit laufen derzeit ca. 150 Mio. Ringspindeln , die alle mit Metallringen bestückt
sind. In den Ringspinnereien der hochindustrialisierten Länder werden heute maschinenbezogene
Nutzeffekte von über 90 % erreicht. Der Jahresnutzeffekt liegt jedoch aufgrund der
notwendigen Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten bedeutend geringer. Ein großer Teil
der Brachzeiten einer Ringspinnmaschine geht auf Kosten der im regelmäßigen Turnus
erforderlichen Läuferwechsel. Je nach den Spinnbedingungen sind die auf den Läufer
wirkenden Verschleißbelastungen so hoch, daß der Läufer täglich, wöchentlich oder
maximal jede zweite Woche gewechselt werden muß. Mit zunehmendem Läuferverschleiß
bekommen die Garne mehr Nissen und Faseraufschieber und werden haariger. Besonders
letzteres führt in der Weiterverarbeitung zu Problemen.
[0005] Der Läuferwechsel und der anschließende Wiederanlauf der Ringspinnmaschine erfolgt
manuell und benötigt einen erheblichen Personalbedarf, weil alle (600 bis 1.100) Spinnstellen
der Ringspinnmaschine mit neuen Läufern ersetzt werden müssen, wobei zwangsläufig
alle Fäden reißen. Die gebrauchten Läufer fallen teils in den Maschinenzwischenraum
und können nur schwer entsorgt werden.
[0006] Der Ring als Gegenpartner hat eine belastungsabhängige Standzeit von einem Jahr bis
zu vier Jahren. Ein Leistungsabfall der Ringe geht mit einer Erhöhung der Fadenbruchzahlen,
erhöhtem Läuferverschleiß und verschlechterten Garneigenschaften einher. Müssen diese
Ringe ersetzt werden, sind lange Maschinenstillstandszeiten aufgrund der Ringwechsel
und eine aufwendige Zentrierung der neuen Ringe notwendig. Danach sind tagelange Ringeinlaufprogramme
erforderlich, wobei es durch häufigen Läuferwechsel und verminderte Spindeldrehzahl
zu zusätzlichen Produktionseinbußen kommt.
[0007] Wird diese Ringeinlaufphase nicht nach den Herstellerspezifikationen durchgeführt,
können die Ringe Schaden erleiden. Bei hohen Qualitätsanforderungen an das Ringgarn
bedeutet diese Einlaufphase auch, daß Garnabfall produziert wird.
[0008] Umfangreiche Entwicklungsarbeiten ergaben, daß das Kernproblem im Materialabtrag
in Form von harten Mikroverschweißungen des Läufermaterials auf der Ringbahn liegt.
Dadurch verwandelt sich ein ursprünglich optimal polierte Ringoberfläche in ein Mikrogebirge.
Der Läufer, der darüber gleitet, zeigt als Folge eine zunehmende Freßneigung. Seine
Laufbedingungen auf dem Ring werden kontinuierlich schlechter, und die Leistung der
Maschine nimmt ab. Außerdem hat die Paarung Stahlring und Stahlläufer als galvanisches
Element die Eigenschaft bei Maschinenstillstand (Betriebsurlaub usw.) oder aggressiver
Umgebung zu korrodieren. Der Wiederanlauf ist dann mit erheblichen Betriebsstörungen
in Form hoher Fadenbruchzahlen verbunden. Die Folge ist ein erheblicher wirtschaftlicher
Verlust durch Maschinenstillstand.
[0009] Versuche einer aktiven Schmierung des Ring-/Läufersystems in der Baumwollspinnerei
führten zu keiner Verbesserung der Situation, da nur mit geringsten Schmiermengen
gearbeitet werden kann, deren exakte Dosierung bei Tausenden von Spindeln jedoch nur
schwer möglich ist. Eine Überdosierung führt zur Copsverschmutzung.
[0010] Langjährige Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Optimierung der Oberflächengüte,
Härtegrade, Metallegierungen, Beschichtungen, sowohl beim Läufer als auch am Ring,
konnten diese Problematik bisher nicht lösen.
[0011] Da der Läufer wesentlich billiger als der Ring ist, wurde die Härte des Läufers bisher
immer etwas unterhalb der Härte des Ringes gewählt, so daß der Läufer eher verschleißt.
[0012] Seit längerem wird versucht, den Ring mit einer Keramikbeschichtung zu versehen (DE-A1
38 39 920). Der sehr harte Keramikring bewirkt jedoch einen überproportionalen Läuferverschleiß.
Der Läufer überlebte nicht einmal einen Abzug, d.h. eine Spinndauer von 4 bis 8 Stunden.
[0013] Auch wurde schon versucht, den Läufer mit einer keramischen Überzugsschicht zu versehen
(DE-A1-35 45 484). Das Ring-/Läufersystem erfüllte jedoch ebenfalls nicht die gestellten
Forderungen an eine verlängerte Standzeit.
[0014] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Ring-/Läufersystem für Spinn-
und Zwirnmaschinen zu entwickeln, welches eine wesentlich verbesserte Standzeit aufweist
und eine höhere Produktionsgeschwindigkeit zuläßt, bei gleichen oder verbesserten
Garneigenschaften, und somit einen wesentlichen Beitrag zu mehr Wirtschaftlichkeit
leistet.
[0015] Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs
1 gelöst.
[0016] Durch die Kombination der Merkmale,
- daß zumindest die mit dem Läufer in Berührung kommende Oberfläche des Ringes aus einer
polykristallinen Keramik besteht,
- daß die Keramikoberfläche des Ringes eine Oberflächenstruktur mit abgerundeten Korngrenzen
aufweist, die ein Speichervolumen für einen sich selbstbildenden Faserschmierfilm
bildet, und
- daß der Läufer aus einem elastischen Trägermaterial, insbesondere Metall, besteht
und eine metallische und/oder keramische Oberfläche aufweist, deren Härte größer oder
gleich ist als die Härte der Keramikoberfläche des Ringes,
ist der Verschleiß des Ringes und des Läufers minimiert. Außerdem wird durch die
spezielle Oberflächenstruktur des Ringes eine Selbstschmierung erreicht. Die Ausbildung
zumindest der mit dem Läufer in Berührung kommenden Oberfläche des Ringes aus einer
polykristallinen Keramik erhöht die Standzeit des Ringes beträchtlich. Erfindungswesentlich
ist die Ausbildung der Oberflächenstruktur, damit die Selbstschmierung gewährleistet
ist.
[0017] Die Selbstschmierung geschieht durch Faseranteile, die zwischen Ring und Läufer geraten
und vom Faden abgeschert werden. Diese abgescherten bzw. abgerissenen Fadenteile werden
vom umlaufenden Läufer in das Speichervolumen der Ringoberfläche gepreßt und bilden
dadurch einen sich selbstbildenden Schmierfilm für den Läufer.
[0018] Dieser Schmierfilm in Verbindung mit der Keramikoberfläche ermöglicht es, daß die
metallische und/oder keramische Oberfläche des Läufers erfindungsgemäß eine gleiche
oder größere Härte aufweist, als die Härte der Keramikoberfläche des Ringes. Hierdurch
ist ebenfalls der Verschleiß des Läufers wesentlich herabgesetzt.
[0019] Die Erfindung liegt in der Kombination der genannten Merkmale, mit denen in Bezug
auf die Standzeit überraschende Ergebnisse erzielt werden konnten. Die Qualität des
Fadens erleidet auch bei einem sich schon lange in Betrieb befindlichen Ring-/Läufersystem
keine Einbußen, da kaum eine Abnutzung des Ringes und des Läufers stattfindet, welche
den Faden beschädigen könnte.
[0020] In bevorzugter Ausführungsform besteht der Ring vollständig aus Keramik. Dies erleichtert
den Produktionsprozeß erheblich. Selbstverständlich kann auch nur die Lauffläche des
Ringes mit einer Keramikschicht versehen werden.
[0021] Vorteilhafterweise wird die Oberflächenstruktur der Keramikoberfläche des Ringes
mittels eines nachträglichen mechanischen, chemischen oder thermischen Behandlungsverfahrens
erreicht. Vorteilhaft ist auch eine Kombination dieser Behandlungsverfahren.
[0022] Als mechanische Behandlungsverfahren eignen sich z.B.:
- Bestrahlen mit Hartstoffen wie Al₂O₃, Kaolin, SiO₂, Borcarbid oder Diamant,
- Wasserstrahlbehandlung mit 1 000 bis 4 000 bar Druck und Zusätzen von Hartstoffen,
- Behandlung mit weichen Trägern dotiert mit Hartstoffen wie z.B. Filze/Bürsten und
Diamant,
- Eintauchen in Hartstoffsuspensionen bei Relativgeschwindigkeiten.
[0023] Als chemische Behandlungsverfahren eignen sich z.B.:
- Ätzung mittels konzentrierter Phosphorsäure, 5 bis 10 %-iger Flußsäure oder konzentrierter
Schwefelsäure,
- Ätzung während einer Zeit von 1 bis 15 Minuten bei Temperaturen von 20 bis 250°C mit
z.B. K₂S₂O₄, V₂O₅, oder Borax.
[0024] Als thermische Behandlungsverfahren eignen sich z.B.:
- Das Bauteil wird nach dem Sintern und der mechanisch und/oder chemischen Nachbehandlung
bei einer Temperatur von mehr als 1 000°C während einer Dauer von mindestens 4 Stunden
thermisch geätzt,
- Behandlung mittels Ionenstrahl und Plasmaätzen.
[0025] Die besten Versuchsergebnisse wurden durch eine Kombination der Behandlungsverfahren
erzielt. Zuerst wurde eine thermische Behandlung vorgenommen und anschließend noch
eine mechanische.
[0026] Es hat sich gezeigt, daß eine Härte der Keramikoberfläche des Ringes von ungefähr
80 Rockwell C besonders vorteilhaft ist. Wie schon erwähnt, ist die Härte der metallischen
und/oder keramischen Läuferoberfläche größer oder gleich der Härte der Keramikoberfläche
des Ringes.
[0027] Die Kernrauhtiefe der Keramikoberfläche des Ringes liegt erfindungsgemäß zwischen
0,2 und 2 um. Mit Kernrauhtiefe ist der Rauheitskennwert R
K gemeint, der in der deutschen Norm DIN 4776, incl. Beiblatt zu dieser DIN-Norm, definiert
ist.
[0028] Wichtig ist, daß die metallische und/oder keramische Oberfläche des Läufers keine
Löslichkeit und keine Diffusionsneigung zur Keramikoberfläche des Ringes aufweist.
[0029] Vorteilhafterweise weisen die einander zugewandten Flächen des Ringes und des Läufers
einen unterschiedlichen Krümmungsradius auf, wobei der Krümmungsradius des Ringes
kleiner als der des Läufers ist, so daß näherungsweise eine punktförmige Berührung
stattfindet.
[0030] Als Material für die Keramikoberfläche des Ringes bzw. des Ringes aus Vollkeramik
haben sich folgende Keramiken als besonders zweckmäßig erwiesen:
- Oxide von Al, Si, Zr sowie deren Mischungen;
SiC, Si₃N₄, BN, B₄C, Diamant;
Karbide, Nitride, Boride und Silizide der Elemente der IV, V, und VI Nebengruppe der
Elemente sowie deren Mischungen.
[0031] Die metallische und/oder keramische Oberfläche des Läufers ist vorteilhafterweise
aus folgenden Stoffen ausgewählt:
- Chrom, Vanadium sowie deren Mischungen;
Karbide, Nitride, Boride und Silizide der Elemente der IV, V und VI Nebengruppe der
Elemente sowie deren Mischungen;
Titanaluminiumnitrid;
SiC, Si₃N₄, BN, B₄C, Diamant;
Oxide von Aluminium, Silizium oder Zirkon sowie deren Mischungen.
[0032] Nachfolgend wird anhand einer Figur die erfindungsgemäße Ausbildung des Ringes und
des Läufers gezeigt. Erfindungswesentlich sind jedoch die verwendeten Materialien
und die Oberflächenbeschaffenheit, die jedoch zeichnerisch nicht dargestellt werden
können.
[0033] Die einzige Figur zeigt im Schnitt einen Ring 1 mit aufgelegtem Läufer 2. Es ist
die Betriebsstellung gezeigt, d.h. eine Momentaufnahme eines rotierenden Läufers 2.
Ein Faden 3 (nur auszugsweise gezeichnet) befindet sich zwischen Läufer 2 und Ring
1. Die einander zugewandten Flächen des Ringes 1 und des Läufers 2 weisen einen unterschiedlichen
Krümmungsradius r auf, wobei der Krümmungsradius r₂ des Ringes 1 kleiner als der Krümmungsradius
r₁ des Läufers 2 ist. Dadurch ergibt sich näherungsweise eine punktförmige Berührung
zwischen Läufer 2 und Ring 1.
1. Ring-/Läufersystem für Spinn- und Zwirnmaschinen,
dadurch gekennzeichnet,
- daß zumindest die mit dem Läufer (2) in Berührung kommende Oberfläche des Ringes
(1) aus einer polykristallinen Keramik besteht,
- daß die Keramikoberfläche des Ringes (1) eine Oberflächenstruktur mit abgerundeten
Korngrenzen aufweist, die ein Speichervolumen für einen sich selbstbildenden Faserschmierfilm
bildet, und
- daß der Läufer (2) aus einem elastischen Trägermaterial, insbesondere Metall, besteht
und eine metallische und/oder keramische Oberfläche aufweist, deren Härte größer oder
gleich ist als die Härte der Keramikoberfläche des Ringes (1).
2. Ring-/Läufersystem nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Ring (1) vollständig aus Keramik besteht.
3. Ring-/Läufersystem nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Oberflächenstruktur der Keramikoberfläche des Ringes (1) durch ein nachträgliches
mechanisches, chemisches oder thermisches Behandlungsverfahren bzw. durch eine Kombination
dieser geschaffen wird.
4. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Härte der Keramikoberfläche des Ringes (1) ungefähr 80 Rockwell C beträgt.
5. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Kernrauhtiefe der Keramikoberfläche des Ringes (1) zwischen 0,2 und 2 um
liegt.
6. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die metallische Oberfläche des Läufers (2) keine Löslichkeit und keine Diffusionsneigung
zur Keramikoberfläche des Ringes (1) aufweist.
7. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die einander zugewandten Flächen des Ringes (1) und des Läufers (2) einen unterschiedlichen
Krümmungsradius aufweisen, wobei der Krümmungsradius (r₂) des Ringes (1) kleiner als
der Krümmungsradius (r₁) des Läufers (2) ist, so daß näherungsweise eine punktförmige
Berührung stattfindet.
8. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 7,
dadurch gekennzeichnet, daß die Keramikoberfläche des Ringes (1) bzw. der Ring (1) aus einer der folgenden
Keramiken ausgewählt ist:
- Oxide von Al, Si, Zr sowie deren Mischungen;
SiC, Si₃N₄, BN, B₄C, Diamant;
Karbide, Nitride, Boride und Silizide der Elemente der IV, V, und VI Nebengruppe der
Elemente sowie deren Mischungen.
9. Ring-/Läufersystem nach einem der Ansprüche 1 bis 8,
dadurch gekennzeichnet, daß die metallische und/oder keramische Oberfläche des Läufers (2) aus einem der
folgenden Stoffe besteht:
- Chrom, Vanadium sowie deren Mischungen;
Karbide, Nitride, Boride und Silizide der Elemente der IV, V und VI Nebengruppe der
Elemente sowie deren Mischungen;
Titanaluminiumnitrid;
SiC, Si₃N₄, BN, B₄C, Diamant;
Oxide von Aluminium, Silizium oder Zirkon sowie deren Mischungen.