[0001] Die Erfindung betrifft eine nur in einer Richtung fluiddurchlässige Mikro-Fluiddiode
zur gerichteten Einkopplung von Submikrolitermengen eines Fluidmediums in ein anderes
stehendes oder strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid. Entsprechende
Anforderungen bestehen beim Dosieren, Mischen und Injizieren von Fluiden im Submikroliter-Bereich
für Anwendungen insbesondere im Bereich der Biomedizintechnik und der chemischen Mikrosensorik.
[0002] Die Einkopplung einer Flüssigkeit in eine andere, in einem geschlossenen System befindliche
Flüssigkeit ist eine weit verbreitete Prozedur im Bereich der Medizintechnik und der
Fließinjektionsanalyse. Sie wird bekannterweise durch Injizieren durch ein Gummiseptum
[P. W. Alexander et al., Analyst 107 (1982) 1335] oder mit Hilfe von Rotationsinjektionsventilen
[M. D. Luque de Castro et al., Analyst 109 (1984) 413] oder auf der Basis der hydrodynamischen
Injektion [J. Ruzicka et al., Anal. Chim. Acta, 145 (1983) 1] realisiert. Die diese
Techniken nutzenden, und derzeit kommerziell verfügbaren Geräte basieren ausschließlich
auf kostenaufwendigen feinmechanischen Fertigungstechnologien. Bekannt sind weiterhin
Entwicklungsarbeiten, die sich mit piezoelektrisch angetriebenen mikromechanischen
Ventilen auf der Basis der Silizium-Technologie, insbesondere für den Einsatz in chemischen
Mikroanalysatoren befassen [Van der Schoot et al., A Silicon Integrated Miniature
Chemical Analysis System, Sensors and Actuators B6 (1992) 57-60]. Der Problemkreis
diesbezüglich ist gegenwärtig noch nicht vollständig erfaßbar, da die Entwicklung
noch ganz am Anfang steht. Momentan erkennbar sind folgende Probleme. Mechanische
Ventile können nicht absolut schließen. Die Dosiergenauigkeit ist dadurch eingeschränkt.
Das zweite Problem ist der große Platzbedarf von solchen mikromechanischen Elementen.
Das dritte Problem ist die aufwendige Herstellungstechnologie, da Ventilstrukturen
kompliziert sind.
[0003] Mit der Erfindung soll unter Vermeidung der den mikromechanischen Ventilen anhaftenden
Probleme eine technische Lösung zur Einkopplung eines Dosierfluides in ein stehendes
oder strömendes Zielfluid gefunden werden, welches eine hohe Dosiergenauigkeit im
Submikroliterbereich aufweist und höchste Sicherheit gegen ein Eindringen des Zielfluids
in das Dosierfluid bietet.
[0004] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine nur in einer Richtung fluiddurchlässige
Mikro-Fluiddiode gelöst, welche aus einer, oder einem System von mehreren beidseitig
offenen Mikrokapillaren besteht, welche ausgangsseitig mit dem Zielfluid in direktem
Kontakt stehen, und deren dem Dosierfluid zugewandte Eingangsseite durch ein Luft-
bzw. Gaspolster vom Dosierfluid so getrennt ist, daß das in den Kapillaren emporspreitende
Zielfluid infolge der Oberflächenspannung unter Ausbildung eines Meniskus am Weiterdringen
gehindert wird. Das Dosierfluid wird diskontinuierlich, vorzugsweise als freitragender
Fluidstrahl auf diesen Meniskus aufgebracht und infolge Diffusions- bzw. Konvektionsvorgängen
in das Zielfluid eingekoppelt.
Die erfindungsgemäße Mikro-Fluiddiode wird vorzugsweise in einen mikrotechnischen
Strömungskanal integriert, wobei sie den Austritt der im Strömungskanal stehenden
oder strömenden Flüssigkeit ( Zielfluid ) sicher verhindert und gleichzeitig den Eintritt
einer von außen auf die Mikro-Fluiddiode aufzubringenden zweiten Flüssigkeit ( Dosierfluid
) gewährleistet. Bei der erfindungsgemäßen Anordnung einer siebartigen Struktur von
Mikrokapillaren an einen Strömungskanal wird durch die große Anzahl der nach außen
gerichteten offenen Kapillaren eine Einkopplungsfläche für den Eintrag von Mikrotropfen
eines Dosierfluides gebildet. Die Gas-Flüssigkeits-Grenzfläche an jedem Ende der Mikrokapillaren
ist dabei für die Aufrechterhaltung der Mikro-Fluiddiodenfunktion zu jedem Moment
zwingende Voraussetzung für die Bauelementefunktionen und somit Teil des Bauelementes.
Die Mikrokapillaren haben dreidimensionale Abmessungen im µm-Bereich und werden aufgrund
der hohen Präzisionsanforderungen an deren Geometrie vorzugsweise durch anisotropes
Ätzen an 〈100〉- oder 〈110〉-Siliciumsubstraten gefertigt. Die Länge jeder einzelnen
Mlkrokapillare ist so zu bemessen, daß das Zielfluid bis zu den Kapillarenden emporspreitet,
und dort unter dem Einfluß der Oberflächenspannung und den einwirkenden fluidischen
Schweredrücken an jedem Mikrokapillarende eine definierte Flüssigkeits-Gas-Grenzfläche
in Form eines Meniskus ausbildet. Mit der Ausbildung jedes Meniskus wird der Vorgang
des Spreitens der Flüssigkeit in der entsprechenden Mikrokapillare abgeschlossen und
so die Einkopplungsfläche in einen reproduzierbaren Zustand versetzt. Dieser Zustand
repräsentiert das herrschende Gleichgewicht zwischen den statischen Schweredrücken
und für den Fall das sich das Zielfluid im Strömungskanal bewegt, der dynamischen
hydrostatischen Drücke. Solange die Gleichgewichtsbedingungen der Drücke erfüllt sind,
existiert die gewünschte Richtungsabhänigkeit an allen Menisken der gesamten Einkopplungsfläche.
Dies bedeutet, daß das im Strömungskanal bewegte oder stehende Zielfluid die Mikrokapillaren
in Richtung Tröpfchenkammer nicht verlassen, sehr wohl aber ein durch den Gasraum
der Tröpfchenkammer auf einen beliebigen Meniskus gespritztes Dosierfluid in das Innere
der Mikrokapillare und somit des Strömungskanales gelangen kann. Der ungehinderte
Eintritt der zweiten Flüssigkeit über den Meniskus der ersten Flüssigkeit in den Strömungskanal
erfolgt über Diffusions- und/oder Konvektionsmechanismen. Für den Fall, daß die Strömungsgeschwindigkeit
im Strömungskanal genau Null ist oder die Mikrokapillaren der Mikro-Fluiddiode lang
genug gewählt werden, kommt allein die Diffusionskomponente bei der Vermischung von
Dosier- und Zielfluid zum Tragen. Alle von Null verschiedenen Strömungsgeschwindigkeiten
im Kanal führen direkt zur Ausprägung von Konvektionskomponenten in der Mikrokapillare,
die ebenfalls von Diffusionskomponenten überlagert werden. Die Einströmgeschwindigkeit
des Dosierfluides über die Mikrokapillaren der Einkopplungsfläche in den Strömungskanal
läßt sich durch Wahl deren geometrischer Abmessungen einstellen.
[0005] Der besondere Vorteil dieser Anordnung besteht darin, daß fluidische Einströmungs-
oder Mischstellen realisiert werden können, die auf den Einsatz konventioneller Ventile-Pumpe-Anordnungen
verzichten können, welche bislang durch mechanisch aufeinanderliegende Lippendichtungen
mit plastischen oder elastischen Dichtungsmaterialien hergestellt wurden. Solche Anordnungen
sind in makrotechnischen Konstruktionen aufwendig und in mikrotechischen Bauelementen
nur unter Inkaufnahme wesentlicher Nachteile nutzbar. So sind die aus der Literatur
bekannten Anordnungen, die sich an den makrotechischen Konstruktionsprinzipien orientieren,
generell mit Leckraten behaftet. Gerade für den Einsatz in Mikrosystemen der Umwelt-
und biomedizinischen Technik ist aber durch die notwendige Applizierung von hochkonzentrierten
Wirkstoffen im Pikoliter- bis Nanoliterbereich das Auftreten von Leckraten nicht mehr
tolerierbar.
[0006] Die Herstellung definierter und gegenüber Schweredruckschwankungen im Strömungskanal
relativ unempfindlicher Gas-Flüssigkeits-Grenzflächen im Bereich der Tröpfchenkammer,
hier in Form des Meniskus an der Mikro-Fluiddiode zum Einsatz kommend, sind eine ebenso
einfache wie wirkungsvolle Konstruktionsform, die auch zum Aufbau von Anordnungen
geeignet sind, welche hinsichtlich ihrer Wirkungen mit konventionellen Ventil-Pumpe-Anordnungen
vergleichbar sind, dabei ideal keine Leckraten aufweisen.
[0007] Nachfolgend wird die Erfindung anhand des in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispieles
näher erläutert.
[0008] Die Figur zeigt die Schnittarstellung der planaren Konstruktion eines die eigentliche
erfindungsgemäße Mikro-Fluiddiode (im weiteren MFD) enthaltenden kompletten MFD-Bauelementes.
Die MFD ist ein vollständig aus 〈100〉- oder 〈110〉-Silicium hergestelltes chipförmiges
Bauelement 1. Sie wird einseitig als Gitterstruktur 6 und anderseitig als fortgesetzter
Strömungskanal 9 geätzt. Das MFD-Chip 1 wird mit dem ebenfalls aus Silicium bestehenden
Spacerchip 2 so in die Glas-Silicium-Durchflußzelle 3 montiert, daß sich ein Zielfluid
7 ungehindert an der MFD vorbei bewegen kann und dabei in der Gitterstruktur 6 kleine
Mikromenisken ausbildet. Die Gitterstruktur bildet in Richtung des Spacerchips 2 die
Einkopplungsfläche der Mikrofluiddiode. Die Herstellung des MFD-Chips 1 erfolgt durch
zweiseitiges anisotropes Ätzen in KOH-Lösung. Dabei entstehen ein Strömungskanal 9
im MFD-Chip 1 der Geometrie L:B:H= 1000 µm : 500 µm : 250 µm, sowie die Mikrokapillaren
der Geometrie L:B:H= 50 µm : 50 µm : 150 µm. Die Geometrie des Strömungskanales in
der durch anodisches Bonden hergestellten Glas-Silicium-Durchflußzelle 3,4 beträgt
B:H = 500 µm : 250 µm.
Das gesamte Bauelement der MFD umfaßt die durch Waferbonden oder Kleben miteinander
verbundene Stapelanordnung aus fluidischer Durchflußzelle 3, 4 mit Strömungskanal
7, 9 und Kanalstopper 8, dem MFD-Chip 1 mit seinem Mikrokapillarenarray 6 und dem
Spacerchip 2, der das angrenzende Gas- oder Luftpolster über dem Mikrokapillarenarray
bildet. Auch der Spacerchip 2, welcher die Tröpfchenkammer bildet, wird durch anisotropes
Ätzen in 〈100〉-Silicium hergestellt.
Wird nun der Strömungskanal 7 vom Zielfluid durchströmt, benetzt dieses die Mikrokapillaren
und spreitet zu deren gegenüberliegender Öffnung empor, wo es unabhänig von der Strömungsgeschwindigkeit
in Abhänigkeit von seiner Oberflächensspannung und den systeminneren Schweredrücken
einen Zielfluidmeniskus 6 ausbildet, wobei das Gesamtfeld der Kapillaröffnungen eine
Einkopplungsfläche für ein Dosierfluid bildet. Wird nun das Dosierfluid 5 mittels
einer mikrotechnischen Pumpe auf diese Einkopplungsfläche 6 gespritzt, kann es die
MFD-Anordnung 1 durchlaufen und direkt den Strömungskanal des Zielfluides erreichen.
[0009] Mit der erfindungsgemäßen Mikro-Fluiddiode wird ein neues Element zum Mikrofluidhandling
ohne mechanische Ventile bereitgestellt. Die Konstruktion der erfindungsgemäßen Mikro-Fluiddiode
ist wesentlich einfacher als die der mikromechanischen Ventile, so daß neben dem Kleineren
Platzbedarf die Herstellung kostengünstiger ist.
Im besonderen läßt sich mit deren Hilfe ein neues Konzept zur Einkopplung von freitragenden
Fluidstrahlen in ein strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid
realisieren.
1. Mikro-Fluiddiode zur gerichteten Einkopplung eines Dosierfluides in ein anderes stehendes
oder strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid, insbesondere
im Submikroliter-Bereich, gekennzeichnet durch eine planare Anordnung einer beidseitig
offenen Mikrokapillare oder einem System von dicht nebeneinander angeordneten beidseitig
offenen Mikrokapillaren, welche ausgangsseitig mit dem Zielfluid in direktem Kontakt
stehen, und eingangsseitig durch ein Luft- bzw. Gaspolster vom diskontinuierlich zuzuführenden
Dosierfluid unter Ausbildung eines entsprechend der Oberflächenspannung gekrümmten
Meniskus getrennt sind.
2. Mikro-Fluiddiode nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß deren Komponenten aus
Silizium, Glas, Keramik, Metall oder aus einer Kombination von diesen Materialien
aufgebaut und durch mikrotechnische Verfahren und mikrosystemtechnische Aufbau- und
Verbindungstechniken hergestellt sind.
3. Mikro-Fluiddiode nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus Silizium mit
〈100〉 - oder 〈110〉 - Orientierung hergestellt ist.