(19)
(11) EP 0 672 835 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
20.09.1995  Patentblatt  1995/38

(21) Anmeldenummer: 95101737.5

(22) Anmeldetag:  09.02.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6F15C 4/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 17.02.1994 DE 4405005

(71) Anmelder: Forschungszentrum Rossendorf e.V.
D-01474 Rossendorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Pham, Minh Tan, Dr.
    D-01324 Dresden (DE)
  • Howitz, Steffen, Dr.
    D-01309 Dresden (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Mikro-Fluiddiode


    (57) Die Erfindung betrifft eine Mikro-Fluiddiode zur gerichteten Einkopplung eines Dosierfluides in ein anderes stehendes oder strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid, insbesondere im Submikroliter-Bereich. Sie ist gekennzeichnet durch eine planare Anordnung einer beidseitig offenen Mikrokapillare oder einem System von dicht nebeneinander angeordneten beidseitig offenen Mikrokapillaren, welche ausgangsseitig mit dem Zielfluid in direktem Kontakt stehen, und eingangsseitig durch ein Luft- bzw. Gaspolster vom diskontinuierlich zuzuführenden Dosierfluid unter Ausbildung eines entsprechend der Oberflächenspannung gekrümmten (6) Meniskus getrennt sind.
    Als Bauelement (1) besteht die Mikro-Fluiddiode aus einer Stapelanordnung eines Strömumgskanals (9), der eigentlichen Diode in Form einer durch Kapillaren gebildeten Gitterstruktur und einem Spacerchip (2), welcher das gasförmige Medium im Bereich der Einkopplungsfläche sichert. Diese drei Stapelelemente werden als Module mit Technologien der Mikrostrukturtechnik hergestellt und können mittels mikrosystemtechnischer Aufbau- und Verbindungstechniken in Mikrosysteme integriert werden.
    Die Mikro-Fluiddiode zeichnet sich durch eine einfache Konstruktion und eine flexible Koppelfähigkeit an unterschiedliche Mikro-Strömungssysteme aus, in denen ein hydrostatischer Druck im Bereich des jeweils herrschenden Umgebungsdruckes besteht.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft eine nur in einer Richtung fluiddurchlässige Mikro-Fluiddiode zur gerichteten Einkopplung von Submikrolitermengen eines Fluidmediums in ein anderes stehendes oder strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid. Entsprechende Anforderungen bestehen beim Dosieren, Mischen und Injizieren von Fluiden im Submikroliter-Bereich für Anwendungen insbesondere im Bereich der Biomedizintechnik und der chemischen Mikrosensorik.

    [0002] Die Einkopplung einer Flüssigkeit in eine andere, in einem geschlossenen System befindliche Flüssigkeit ist eine weit verbreitete Prozedur im Bereich der Medizintechnik und der Fließinjektionsanalyse. Sie wird bekannterweise durch Injizieren durch ein Gummiseptum [P. W. Alexander et al., Analyst 107 (1982) 1335] oder mit Hilfe von Rotationsinjektionsventilen [M. D. Luque de Castro et al., Analyst 109 (1984) 413] oder auf der Basis der hydrodynamischen Injektion [J. Ruzicka et al., Anal. Chim. Acta, 145 (1983) 1] realisiert. Die diese Techniken nutzenden, und derzeit kommerziell verfügbaren Geräte basieren ausschließlich auf kostenaufwendigen feinmechanischen Fertigungstechnologien. Bekannt sind weiterhin Entwicklungsarbeiten, die sich mit piezoelektrisch angetriebenen mikromechanischen Ventilen auf der Basis der Silizium-Technologie, insbesondere für den Einsatz in chemischen Mikroanalysatoren befassen [Van der Schoot et al., A Silicon Integrated Miniature Chemical Analysis System, Sensors and Actuators B6 (1992) 57-60]. Der Problemkreis diesbezüglich ist gegenwärtig noch nicht vollständig erfaßbar, da die Entwicklung noch ganz am Anfang steht. Momentan erkennbar sind folgende Probleme. Mechanische Ventile können nicht absolut schließen. Die Dosiergenauigkeit ist dadurch eingeschränkt. Das zweite Problem ist der große Platzbedarf von solchen mikromechanischen Elementen. Das dritte Problem ist die aufwendige Herstellungstechnologie, da Ventilstrukturen kompliziert sind.

    [0003] Mit der Erfindung soll unter Vermeidung der den mikromechanischen Ventilen anhaftenden Probleme eine technische Lösung zur Einkopplung eines Dosierfluides in ein stehendes oder strömendes Zielfluid gefunden werden, welches eine hohe Dosiergenauigkeit im Submikroliterbereich aufweist und höchste Sicherheit gegen ein Eindringen des Zielfluids in das Dosierfluid bietet.

    [0004] Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine nur in einer Richtung fluiddurchlässige Mikro-Fluiddiode gelöst, welche aus einer, oder einem System von mehreren beidseitig offenen Mikrokapillaren besteht, welche ausgangsseitig mit dem Zielfluid in direktem Kontakt stehen, und deren dem Dosierfluid zugewandte Eingangsseite durch ein Luft- bzw. Gaspolster vom Dosierfluid so getrennt ist, daß das in den Kapillaren emporspreitende Zielfluid infolge der Oberflächenspannung unter Ausbildung eines Meniskus am Weiterdringen gehindert wird. Das Dosierfluid wird diskontinuierlich, vorzugsweise als freitragender Fluidstrahl auf diesen Meniskus aufgebracht und infolge Diffusions- bzw. Konvektionsvorgängen in das Zielfluid eingekoppelt.
    Die erfindungsgemäße Mikro-Fluiddiode wird vorzugsweise in einen mikrotechnischen Strömungskanal integriert, wobei sie den Austritt der im Strömungskanal stehenden oder strömenden Flüssigkeit ( Zielfluid ) sicher verhindert und gleichzeitig den Eintritt einer von außen auf die Mikro-Fluiddiode aufzubringenden zweiten Flüssigkeit ( Dosierfluid ) gewährleistet. Bei der erfindungsgemäßen Anordnung einer siebartigen Struktur von Mikrokapillaren an einen Strömungskanal wird durch die große Anzahl der nach außen gerichteten offenen Kapillaren eine Einkopplungsfläche für den Eintrag von Mikrotropfen eines Dosierfluides gebildet. Die Gas-Flüssigkeits-Grenzfläche an jedem Ende der Mikrokapillaren ist dabei für die Aufrechterhaltung der Mikro-Fluiddiodenfunktion zu jedem Moment zwingende Voraussetzung für die Bauelementefunktionen und somit Teil des Bauelementes.
    Die Mikrokapillaren haben dreidimensionale Abmessungen im µm-Bereich und werden aufgrund der hohen Präzisionsanforderungen an deren Geometrie vorzugsweise durch anisotropes Ätzen an 〈100〉- oder 〈110〉-Siliciumsubstraten gefertigt. Die Länge jeder einzelnen Mlkrokapillare ist so zu bemessen, daß das Zielfluid bis zu den Kapillarenden emporspreitet, und dort unter dem Einfluß der Oberflächenspannung und den einwirkenden fluidischen Schweredrücken an jedem Mikrokapillarende eine definierte Flüssigkeits-Gas-Grenzfläche in Form eines Meniskus ausbildet. Mit der Ausbildung jedes Meniskus wird der Vorgang des Spreitens der Flüssigkeit in der entsprechenden Mikrokapillare abgeschlossen und so die Einkopplungsfläche in einen reproduzierbaren Zustand versetzt. Dieser Zustand repräsentiert das herrschende Gleichgewicht zwischen den statischen Schweredrücken und für den Fall das sich das Zielfluid im Strömungskanal bewegt, der dynamischen hydrostatischen Drücke. Solange die Gleichgewichtsbedingungen der Drücke erfüllt sind, existiert die gewünschte Richtungsabhänigkeit an allen Menisken der gesamten Einkopplungsfläche. Dies bedeutet, daß das im Strömungskanal bewegte oder stehende Zielfluid die Mikrokapillaren in Richtung Tröpfchenkammer nicht verlassen, sehr wohl aber ein durch den Gasraum der Tröpfchenkammer auf einen beliebigen Meniskus gespritztes Dosierfluid in das Innere der Mikrokapillare und somit des Strömungskanales gelangen kann. Der ungehinderte Eintritt der zweiten Flüssigkeit über den Meniskus der ersten Flüssigkeit in den Strömungskanal erfolgt über Diffusions- und/oder Konvektionsmechanismen. Für den Fall, daß die Strömungsgeschwindigkeit im Strömungskanal genau Null ist oder die Mikrokapillaren der Mikro-Fluiddiode lang genug gewählt werden, kommt allein die Diffusionskomponente bei der Vermischung von Dosier- und Zielfluid zum Tragen. Alle von Null verschiedenen Strömungsgeschwindigkeiten im Kanal führen direkt zur Ausprägung von Konvektionskomponenten in der Mikrokapillare, die ebenfalls von Diffusionskomponenten überlagert werden. Die Einströmgeschwindigkeit des Dosierfluides über die Mikrokapillaren der Einkopplungsfläche in den Strömungskanal läßt sich durch Wahl deren geometrischer Abmessungen einstellen.

    [0005] Der besondere Vorteil dieser Anordnung besteht darin, daß fluidische Einströmungs- oder Mischstellen realisiert werden können, die auf den Einsatz konventioneller Ventile-Pumpe-Anordnungen verzichten können, welche bislang durch mechanisch aufeinanderliegende Lippendichtungen mit plastischen oder elastischen Dichtungsmaterialien hergestellt wurden. Solche Anordnungen sind in makrotechnischen Konstruktionen aufwendig und in mikrotechischen Bauelementen nur unter Inkaufnahme wesentlicher Nachteile nutzbar. So sind die aus der Literatur bekannten Anordnungen, die sich an den makrotechischen Konstruktionsprinzipien orientieren, generell mit Leckraten behaftet. Gerade für den Einsatz in Mikrosystemen der Umwelt- und biomedizinischen Technik ist aber durch die notwendige Applizierung von hochkonzentrierten Wirkstoffen im Pikoliter- bis Nanoliterbereich das Auftreten von Leckraten nicht mehr tolerierbar.

    [0006] Die Herstellung definierter und gegenüber Schweredruckschwankungen im Strömungskanal relativ unempfindlicher Gas-Flüssigkeits-Grenzflächen im Bereich der Tröpfchenkammer, hier in Form des Meniskus an der Mikro-Fluiddiode zum Einsatz kommend, sind eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Konstruktionsform, die auch zum Aufbau von Anordnungen geeignet sind, welche hinsichtlich ihrer Wirkungen mit konventionellen Ventil-Pumpe-Anordnungen vergleichbar sind, dabei ideal keine Leckraten aufweisen.

    [0007] Nachfolgend wird die Erfindung anhand des in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispieles näher erläutert.

    [0008] Die Figur zeigt die Schnittarstellung der planaren Konstruktion eines die eigentliche erfindungsgemäße Mikro-Fluiddiode (im weiteren MFD) enthaltenden kompletten MFD-Bauelementes. Die MFD ist ein vollständig aus 〈100〉- oder 〈110〉-Silicium hergestelltes chipförmiges Bauelement 1. Sie wird einseitig als Gitterstruktur 6 und anderseitig als fortgesetzter Strömungskanal 9 geätzt. Das MFD-Chip 1 wird mit dem ebenfalls aus Silicium bestehenden Spacerchip 2 so in die Glas-Silicium-Durchflußzelle 3 montiert, daß sich ein Zielfluid 7 ungehindert an der MFD vorbei bewegen kann und dabei in der Gitterstruktur 6 kleine Mikromenisken ausbildet. Die Gitterstruktur bildet in Richtung des Spacerchips 2 die Einkopplungsfläche der Mikrofluiddiode. Die Herstellung des MFD-Chips 1 erfolgt durch zweiseitiges anisotropes Ätzen in KOH-Lösung. Dabei entstehen ein Strömungskanal 9 im MFD-Chip 1 der Geometrie L:B:H= 1000 µm : 500 µm : 250 µm, sowie die Mikrokapillaren der Geometrie L:B:H= 50 µm : 50 µm : 150 µm. Die Geometrie des Strömungskanales in der durch anodisches Bonden hergestellten Glas-Silicium-Durchflußzelle 3,4 beträgt B:H = 500 µm : 250 µm.
    Das gesamte Bauelement der MFD umfaßt die durch Waferbonden oder Kleben miteinander verbundene Stapelanordnung aus fluidischer Durchflußzelle 3, 4 mit Strömungskanal 7, 9 und Kanalstopper 8, dem MFD-Chip 1 mit seinem Mikrokapillarenarray 6 und dem Spacerchip 2, der das angrenzende Gas- oder Luftpolster über dem Mikrokapillarenarray bildet. Auch der Spacerchip 2, welcher die Tröpfchenkammer bildet, wird durch anisotropes Ätzen in 〈100〉-Silicium hergestellt.
    Wird nun der Strömungskanal 7 vom Zielfluid durchströmt, benetzt dieses die Mikrokapillaren und spreitet zu deren gegenüberliegender Öffnung empor, wo es unabhänig von der Strömungsgeschwindigkeit in Abhänigkeit von seiner Oberflächensspannung und den systeminneren Schweredrücken einen Zielfluidmeniskus 6 ausbildet, wobei das Gesamtfeld der Kapillaröffnungen eine Einkopplungsfläche für ein Dosierfluid bildet. Wird nun das Dosierfluid 5 mittels einer mikrotechnischen Pumpe auf diese Einkopplungsfläche 6 gespritzt, kann es die MFD-Anordnung 1 durchlaufen und direkt den Strömungskanal des Zielfluides erreichen.

    [0009] Mit der erfindungsgemäßen Mikro-Fluiddiode wird ein neues Element zum Mikrofluidhandling ohne mechanische Ventile bereitgestellt. Die Konstruktion der erfindungsgemäßen Mikro-Fluiddiode ist wesentlich einfacher als die der mikromechanischen Ventile, so daß neben dem Kleineren Platzbedarf die Herstellung kostengünstiger ist.
    Im besonderen läßt sich mit deren Hilfe ein neues Konzept zur Einkopplung von freitragenden Fluidstrahlen in ein strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid realisieren.


    Ansprüche

    1. Mikro-Fluiddiode zur gerichteten Einkopplung eines Dosierfluides in ein anderes stehendes oder strömendes, in einem geschlossenen System befindliches Zielfluid, insbesondere im Submikroliter-Bereich, gekennzeichnet durch eine planare Anordnung einer beidseitig offenen Mikrokapillare oder einem System von dicht nebeneinander angeordneten beidseitig offenen Mikrokapillaren, welche ausgangsseitig mit dem Zielfluid in direktem Kontakt stehen, und eingangsseitig durch ein Luft- bzw. Gaspolster vom diskontinuierlich zuzuführenden Dosierfluid unter Ausbildung eines entsprechend der Oberflächenspannung gekrümmten Meniskus getrennt sind.
     
    2. Mikro-Fluiddiode nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß deren Komponenten aus Silizium, Glas, Keramik, Metall oder aus einer Kombination von diesen Materialien aufgebaut und durch mikrotechnische Verfahren und mikrosystemtechnische Aufbau- und Verbindungstechniken hergestellt sind.
     
    3. Mikro-Fluiddiode nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß sie aus Silizium mit 〈100〉 - oder 〈110〉 - Orientierung hergestellt ist.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht