(19)
(11) EP 0 674 149 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
27.09.1995  Patentblatt  1995/39

(21) Anmeldenummer: 95103700.1

(22) Anmeldetag:  15.03.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6F41H 11/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
FR GB IT SE

(30) Priorität: 18.03.1994 DE 4409424

(71) Anmelder: Daimler-Benz Aerospace Aktiengesellschaft
D-81663 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Rieger, Ulrich
    D-83620 Feldkirchen-Westerham (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Abfangvorrichtung für Flugobjekte


    (57) Abfangvorrichtung für Flugobjekte, bestehend aus einer leichtgewichtigen, volumetrisch klein packbaren Struktur aus reißfestem, biegeweichem Material, das durch eine Entfaltungsvorrichtung auf eine große, flächige oder räumliche Ausdehnung spannbar ist.
    Zur Reduzierung der Geschwindigkeit der abgefangenen Flugobjekte sind in die Struktur aktivierbare, aerodynamische Widerstandskörper eingearbeitet.
    Zur Beendigung des Abfangvorganges sind in die Struktur Elemente integriert, welche aus von außen durch energiereiche Strahlen und/oder chemische Reagenzien zerstörbarem oder selbstzerstörendem Material bestehen, oder die Struktur als Ganzes besteht aus solchem Material.




    Beschreibung


    [0001] Die Erfindung betrifft eine Abfangvorrichtung für Flugobjekte, gemaß dem Oberbegriff des Patentanspruches 1.

    [0002] Es ist bekannt, in Bodennähe fliegende, feindliche Flugzeuge und Hubschrauber mit Hilfe von Seilen, Seilfächern, Netzen usw. abzufangen, wobei die Abfangmittel vom Boden aus in die voraussichtliche Flugbahn gebracht werden, z.B. mit Hilfe kleiner Feststoffraketen. Bevorzugt werden Stahlseile oder aus diesen hergestellte, flächige Gebilde verwendet, da diese aufgrund ihrer hohen Festigkeit, Härte und ihres hohen spezifischen Gewichtes nur schwer zu durchtrennen sind und eine starke zerstörende Wirkung ausüben. Bei dieser Abfangmethode werden die Fluggeräte in aller Regel zerstört, und die Besatzungen getötet, was im Kriegsfall bewußt in Kauf genommen wird bzw. sogar beabsichtigt ist.

    [0003] So beschreibt die dem Anmeldungsgegenstand am nächsten kommende FR-PS 859 282 Abfangvorrichtungen in Form netzartiger Strukturen, welche mittels Trägergeschoß in die Flugbahn des zu bekämpfenden Objektes gebracht und dort vorzugsweise mittels Fliehkraft entfaltet werden. Zu diesem Zweck sind Kleine, gleichmäßig verteilte Fliehgewichte am Netz angeordnet. Die vertikale Fallgeschwindigkeit der Abfangvorrichtung kann beispielsweise durch mehrere, kleine Fallschirme, d.h. durch aerodynamische Widerstandskörper, gebremst werden, wodurch eine längere Verweilzeit in der Luft und somit eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit erreicht werden. Die Anwendungsmöglich keiten sollen sich dabei auch auf Land- und Wasserfahrzeuge erstrecken.

    [0004] Vergleichbare Abfangvorrichtungen beschreibt die EP-OS 0 175 914, bei welchen mindestens ein Geschoß in Richtung eines zu bekampfenden Objektes bewegt wird, und in der Nähe des Objektes aus dem Geschoß ein fallschirm-, tennisnetz-, ziehharmonika- oder oktaederartiges Element ausgestoßen und großflächig entfaltet wird. Dabei wird der größen- und formbedingte Luft bzw. . Wasserwiderstand des Elementes zur Unterstützung der Entfaltung benutzt. Zwischen dem Geschoß/den Geschoßen und dem Element sind stoßdämpfende Einrichtungen vorgesehen, um beim Entfalten eine Beschädigung des Elementes bzw. eine Trennung vom Geschoß zu vermeiden.

    [0005] Die DE-OS 24 15 288 beschreibt Luft- und Wassersperren in Form von mit Raketen ausgebrachten Fangseilen. Im Falle von Luftsperren werden die Seile durch Fallschirme, Ballone, Flügel etc. am zu schnellen Niedergehen gehindert.

    [0006] Die DE-PS 37 22 420 behandelt Abfangvorrichtungen zur Bekämpfung von Hubschraubern in Form von Strängen bzw. Seilen. welche bündel- oder netzartig entfaltet werden und mit dem Haupt- oder Steuertotor des Hubschraubers kollidieren sollen. Das Ziel dabei ist eindeutig, den Hubschrauber durch Absturz zu vernichten.

    [0007] Nun gibt es aber auch militärische bzw. politische Krisen- und Spannungssituationen, in denen man zwar gegnerische Flugobjekte an der Durchführung von Missionen hindern oder sie zumindest stören möchte, in denen aber die bewußte Zerstörung oder der Abschuß die Situation unnötig verschärfen oder sogar zu einer Eskalation bis hin zum Kriegsausbruch führen könnte. Ein typisches Beispiel hierfür sind Flugverbote in Krisenregionen, deren Einhaltung, z.B. durch UN-Friedenstruppen, ohne den Einsatz tödlicher Waffen praktisch kaum durchsetzbar ist, wenn sich gegnerische Flugzeuge bereits in der Luft befinden.

    [0008] Angesichts dieser Problematik besteht die Aufgabe der vorliegenden Erfindung darin, eine Abfangvorrichtung für Flugobjekte, insbesondere bemannte Luftfahrzeuge, zu schaffen, welche in der Lage ist, gegnerische Flugmissionen wirkungsvoll zu behindern bzw. zu unterbinden, unter Verzicht auf zerstörende bzw. todbringende Mittel.

    [0009] Diese Aufgabe wird - in Verbindung mit den gattungsbildenden Merkmalen im Oberbegriff - durch die im kennzeichnenden Teil des Patentanspruches 1 genannten Merkmale gelöst.

    [0010] Das Wesen der Erfindung liegt darin, daß die Abfangvorrichtung das betroffene Flugobjekt weder ernsthaft beschädigt noch zerstört aber seine Flugeigenschaften, insbesondere seine Geschwindigkeit und seine Manövrierbarkeit, mittels aerodynamischer Wirkkörper negativ beeinflußt, so daß es seine Mission nicht in geplanter Weise fortsetzen kann. Diese Behinderung bzw. Störung wird zeitlich dadurch begrenzt, daß die Abfangvorrichtung zu einem wählbaren Zeitpunkt selbst zerstört wird, so daß das Flugobjekt ungehindert wieder zu seinem Flugplatz zurückkehren und sicher landen kann. Die Abfangvorrichtung ist spätestens dann zu zerstören, wenn gefährliche Flugzustande, wie zu geringer Bodenabstand oder Trudeln, auftreten.

    [0011] Zugegebenermaßen ist die Erfindung für das Abfangen von Hubschraubern (Drehflügelflugzeugen) und Propellerflugzeugen weniger bis nicht geeignet, da die Gefahr eines Stillstandes oder einer Zerstörung der Rotoren bzw. Propeller zu groß wäre, was eine sofortige Notlandung oder einen Absturz zur Folge hätte.

    [0012] Die Unteransprüche 2 bis 7 enthalten bevorzugte Ausgestaltungen der Abfangvorrichtung nach Anspruch 1.

    [0013] Die Erfindung wird anschließend anhand der Zeichnungen noch näher erläutert. Dabei zeigen in vereinfachter Darstellung:
    Fig. 1
    ein Flugzeug im Anflug auf eine sich entfaltende Abfangvorrichtung, welche von einer Rakete in Position gebracht wurde,
    Fig. 2
    den Moment, in welchem sich das Flugzeug in der Abfangvorrichtung verfängt,
    Fig. 3
    das Flugzeug im behinderten Zustand mit entfalteten Widerstandskörpern,
    Fig. 4
    den Moment des Freikommens des Flugzeuges von der zerstörten Abfangvorrichtung.


    [0014] Die zu erwartende Flugbann des Flugzeuges 2 in Fig. 1 ist mit einem horizontalen Pfeil sowie - in dessen Verlängerung - mit einer gestrichelten Linie markiert. Diese Flugbahn kreuzt die Flugbahn einer von rechts unten kommenden Rakete 3, welche die Abfangvorrichtung 1 als Nutzlast mit sich führt. Im Kreuzungspunkt der Flugbahnen wird die Abfangvorrichtung 1 freigesetzt, z.B. durch explosionsartige Selbstzerlegung der Rakete 3, und entfaltet. Das Entfalten kann beispielsweise auch durch zusätzliche kleine Feststoffraketen bzw. durch federelastische Elemente, wie Drähte, Federn etc., erfolgen bzw. unterstützt werden. Die Abfangvorrichtung kann sowohl eine flächige als auch eine räumliche Erstreckung annehmen, z.B. in Form eines Netzes, eines perforierten Ballons oder eines "Igels" bzw. "Löwenzahnsamens", wobei die Erstreckung quer zur Flugbahn in alle Richtungen so groß sein muß, daß sich das Flugzeug mit Sicherheit verfängt. Als Grundmaterial für die Struktur der Abfangvorrichtung bieten sich hochfeste Kunststoffasern an, da diese leicht, reißfest, elastisch und biegeweich sind und dadurch die Gefahr einer Beschädigung des Flugzeuges auf ein Minimum reduzieren. Weiterhin sind sie im Bedarfsfall relativ leicht und schnell thermisch oder chemisch zu zerstören.

    [0015] Fig. 2 zeigt den Moment des Verfangens der netzartigen Abfangvorrichtung 1 am Flugzeug 2, wobei Behälter 4 angedeutet sind, in welchen sich aerodynamische Widerstandskörper befinden, hier in Form von kleinen Fallschirmen 5.

    [0016] Das Entfalten dieser Widerstandskörper erfolgt automatisch oder ferngesteuert, in ihrer Gesamtheit oder selektiv. Eine selektive, das heißt örtlich und zeitlich gestaffelte Betätigung ist günstiger im Hinblick auf eine Begrenzung der Verzögerungswerte des Flugzeuges sowie auf eine gezielte Beeinflussung seiner Aerodynamik. Dabei sind auch asymmetrische Konfigurationen denkbar, welche das Flugzeug in eine Kurve bzw. einen Sinkflug zwingen. Hinsichtlich Art und Betätigung der Widerstandskörper gibt es unzählige Möglichkeiten, z.B. Ballons, Luftsäcke, Fallschirme, Bänder, Schaumkörper etc., wobei die Betätigung am einfachsten durch die Luftströmung erfolgt. Es können aber auch Druckgase, Flüssigschäume etc. mitgeführt werden.

    [0017] Fig. 3 zeigt den aerodynamisch gestörten Zustand des Flugzeuges 2 mit entfalteten Fallschirmen 5. In diesem Zustand kann mit der Besatzung bzw. ihrer Kommandostelle verhandelt werden, und erst dann, wenn ein Abbruch der Mission zugesichert worden ist, bzw. eine Fortsetzung nicht mehr sinnvoll ist, wird die Abfangvorrichtung 1 zerstört, und das Flugzeug 2 freigegeben. Eine Zerstörung kann auch dadurch erforderlich werden, daß gefährliche Flugzustände auftreten, wie Bodennähe, Sturzflug, Trudeln etc..

    [0018] Für die Zerstörung der Abfangvorrichtung gibt es zunächst zwei unterschiedliche Verfahren.

    [0019] Einerseits kann in die Abfangvorrichtung eine Selbstzerstörungsvorrichtung integriert sein, welche über Fernsteuerung aktiviert wird. Diese kann z.B. chemischer, elektromechanischer, elektromagnetischer, elektrothermischer bzw. pyrotechnischer Art sein. Hierbei wird das Strukturmaterial der Abfangvorrichtung bevorzugt örtlich selektiv durch Auflösen, Schmelzen, Zerreißen, Zerschneiden etc. zerstört.

    [0020] Andererseits kann die Abfangvorrichtung durch Einwirkung von außen zerstört werden, bevorzugt mittels chemischer Reagenzien oder energiereicher Strahlen. Erstere werden beispielsweise in Nebel- bzw. Wolkenform mittels eines Flugzeuges, Flugkörpers, einer Granate oder eines anderen Trägers vor dem betroffenen Flugzeug ausgebracht und müssen so beschaffen sein, daß sie zwar die Abfangvorrichtung aber nicht die Flugzeugstruktur angreifen. Energiereiche Strahlen sind beispielsweise Laserstrahlen, welche von einem geeigneten Träger aus oder vom Boden aus auf die Abfangvorrichtung gerichtet werden.

    [0021] Die Verfahren der Selbstzerstörung und der äußeren Zerstörung können auch kombiniert werden. Bei der Zerstörung kann selektiv unterschieden werden zwischen der Freigabe und Zerstörung der Widerstandskörper und der Zerstörung der tragenden Struktur, z.B. des Netzes.

    [0022] Fig. 4 schließlich zeigt den Moment des Freikommens des Flugzeuges 2 von der zerstörten Abfangvorrichtung 1, wobei das Kommandosignal zum Zerstören in Form eines gezackten Pfeiles angedeutet ist.


    Ansprüche

    1. Abfangvorrichtung für Flugobjekte, insbesondere bemannte Luftfahrzeuge, bestehend aus einer leichtgewichtigen, volumetrisch klein packbaren Struktur aus reißfestem, biegeweichem Material, das durch eine Entfaltungsvorrichtung auf eine große, flächige oder räumliche Ausdehnung spannbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß zur Reduzierung der Geschwindigkeit der abgefangenen Flugobjekte (Flugzeuge 2) in die Struktur aktivierbare, aerodynamische Widerstandskörper (Fallschirme 5) eingearbeitet sind, und daß zur Beendigung des Abfangvorganges in die Struktur aus von außen durch energiereiche Strahlen und/oder chemische Reagenzien zerstörbarem oder selbstzerstörendem Material bestehende Elemente integriert sind, oder die Struktur als Ganzes aus solchem Material besteht.
     
    2. Abfangvorrichtung nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch eine netzartige, z.B. spinnwebenartige, Struktur, durch eine ballonartige Struktur mit einer Vielzahl von Durchbrüchen oder durch eine igelartige bzw. löwenzahnsamenartige Struktur mit einer Vielzahl von strahlenförmig von einem Zentrum ausgehenden Bändern, Schläuchen, Seilen etc..
     
    3. Abfangvorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, gekennzeichnet durch Widerstandskörper in Form von durch die Luftströmung aufblasbaren Ballons, Luftsäcken, entfaltbaren Fallschirmen (5) und sich querstellenden Bändern, sowie in Form von durch zusätzliche Treibmittel aufblähbaren bzw. aufschäumbaren Gebilden.
     
    4. Abfangvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine Selbstzerstörungsvorrichtung mit in der Struktur gespeicherten, gezielt freisetzbaren, das Strukturmaterial zumindest stellenweise auflösenden, chemischen Reagenzien.
     
    5. Abfangvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine Selbstzerstörungsvorrichtung mit pyrotechnischen, die Struktur örtlich zerstörenden Elementen.
     
    6. Abfangvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine Selbstzerstörungsvorrichtung mit die Struktur örtlich unterbrechenden Schmelzdrahtelementen.
     
    7. Abfangvorrichtung nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, gekennzeichnet durch eine Selbstzerstörungsvorrichtung mit elektromechanischen, die Struktur örtlich unterbrechenden Elementen.
     




    Zeichnung







    Recherchenbericht