(19)
(11) EP 0 694 622 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
31.01.1996  Patentblatt  1996/05

(21) Anmeldenummer: 95890122.5

(22) Anmeldetag:  28.06.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C21D 9/18, C22C 38/22
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
LT SI

(30) Priorität: 29.06.1994 AT 1283/94

(71) Anmelder:
  • BÖHLER YBBSTALWERKE Ges.m.b.H.
    A-3333 Böhlerwerk (AT)
  • BÖHLER Edelstahl GmbH
    A-8605 Kapfenberg (AT)

(72) Erfinder:
  • Gstettner, Manfred, Ing.
    A-3333 Böhlerwerk (AT)
  • Leban, Karl, Dipl.-Ing.
    A-2700 Wr. Neustadt (AT)
  • Hackl, Gerhard, Dipl.-Ing. Dr.
    A-8605 Kapfenberg (AT)

(74) Vertreter: Brauneiss, Leo, Dipl.Ing. 
Patentanwälte Dipl.-Ing. Leo Brauneiss Dipl.-Ing. Dr. Helmut Wildhack Dipl.Ing. Dr. Gerhard Jellinek Landstrasser Hauptstrasse 50
A-1030 Wien
A-1030 Wien (AT)

   


(54) Korrosionbeständige Legierung und Verfahren zur Herstellung korrosionsbeständiger Schneidwaren


(57) Die Erfindung betrifft eine korrosionsbeständige Legierung und befaßt sich mit einem Verfahren zur Herstellung von Schneidwaren.
Dazu ist eine Legierung mit Anteilen von in Gew.-%
C
= 0,4 bis 0,84
Si
=   bis 1,0
Mn
=   bis 1,4
Cr
= 16,0 bis 18,0
Mo
= 0,8 bis 1,5
V
= 0,05 bis 0,2
Nb
=   bis 0,15
Ti
=   bis 0,18
N
= 0,12 bis 0,29

mit der Maßgabe vorgesehen, daß die Gehalte an
Ni max. 0,25
Co max. 0,20
Cu max. 0,15
Ni+Co+Cu max. 0,48
betragen und die Summe der Konzentration von C+N 0,61 bis 0,95 beträgt.
Bei der Herstellung von Schneidwaren ist eine Lösungsglühbehandlung bei einer Temperatur über 1065 °C, ein Weichglühen im Bereich des A3-Punktes, ein Austenitisieren zwischen 940 und 1050 °C, ein Abkühlen mit erhöhter Intensität, insbesondere mittels eines Quettenverfahrens, gegebenenfalls eine Tiefkühlbehandlung sowie mindestens eine Anlaßbehandlung bei 165 bis 385 °C vorgesehen.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betriffl eine korrosionsbeständige Legierung nach dem Oberbegriff des Anspruches 1. Weiters bezieht sich die Erfindung auf ein Verfahren zur Herstellung von Schneidwaren mit hoher Härte und großer Biegezähigkeit gemäß dem Oberbegriff des Anspruches 4.

[0002] In der Lebens- und Genußmittelindustrie werden korrosionsbeständige Legierungen, insbesondere für Schneidwaren, benötigt, welche chemischen Angriffen besonders gut widerstehen müssen und keinerlei Geschmacksveränderungen und Verkürzung der Lagerfähigkeit von Speisen und dgl. bewirken dürfen. Auch für medizinische Instrumente ist eine höchstmögliche Korrosionsbeständigkeit und gute Polierfähigkeit des dafür verwendeten Werkstoffes gefordert. Bei beiden Verwendungsarten wird auch eine hohe Materialzähigkeit sowie Härte und gratfreie gute Schärfbarkeit verlangt, wobei jedoch keine besonders hohen Anforderungen an die Verschleißfestigkeit des Werkstoffes gestellt werden.

[0003] Nichtrostende Stähle, also Eisenbasislegierungen mit einem Cr-Gehalt von etwa 13 %, z.B. DIN Werkstoff Nr. 1.4110, werden mit Erfolg für Schneidwaren eingesetzt. Weil jedoch die Korrosionsbeständigkeit derartiger Werkstoffe, insbesondere in chlorionenhaltiger Umgebung, nicht immer ausreichend ist, kommen auch Legierungen mit ca. 18 % Cr-Gehalt, z.B. Werkstoff Nr. 1.4112 zum Einsatz, welche auf Grund einer höheren Cr- Konzentration eine vermehrte Beständigkeit gegen chemischen Angriff besitzen. Legierungen mit ca. 18 % Cr und über 0,85 % C haben jedoch den Nachteil, daß insbesondere durch grobe Karbidausscheidungen, zwar bei erhöhter Verschleißfestigkeit und Härte des Materials, die Biegezähigkeit und die Polierbarkeit verringert sein können. Es wurde schon versucht, einen Stahl mit ca. 15 % Cr sowie 0,3 % C, der mit 0,3 % N legiert ist, als Schneidwarenwerkstoff zu verwenden. Bei der Erzeugung dieser Stähle sind jedoch einerseits teure Druckschmelzverfahren einzusetzen, was wirtschaftliche Nachteile bringt, andererseits können die Korrosionsbeständigkeit und Schleifbarkeit sowie die Biegezähigkeit des Werkstoffes nicht immer ausreichend gute Werte liefern.

[0004] Es wurde auch gefunden, daß trotz der hohen Cr- Gehalte von korrosionsbeständigen Legierungen und der dadurch an der Oberfläche der Teile gebildeten Passivschicht von diesen gegebenenfalls durch eine zu hohe Konzentration von Ni und/oder Co und/oder Cu bei einem Kontakt mit der Haut von Lebewesen allergische Reaktionen hervorgerufen werden können.

[0005] Aufgabe der Erfindung ist nun, eine besonders korrosionsbeständige sowie für einen Hautkontakt verträgliche Legierung mit hoher Härte, guter Polierfähigkeit und insbesondere hoher Biegezähigkeit bei hoher Bruchsicherheit, welche auch in chlorionenhaltigen Medien verwendbar ist, zu schaffen.
Weiters setzt sich die Erfindung zum Ziel, ein Verfahren zur Herstellung korrosionsbeständiger Schneidewaren für die Lebensmittelindustrie und für medizinische Instrumente anzugeben, mit welchen die Nachteile der bekannten Schneidteile beseitigt werden.

[0006] Die Aufgabe wird bei einem gattungsgemäßen Werkstoff durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruches 1 gelöst. Vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.

[0007] Die weiteren Ziele werden bei einem Verfahren der eingangs genannten Art durch die im Anspruch 4 gekennzeichnete Erfindung gelöst, wobei deren Weiterbildungen in den Unteransprüchen gekennzeichnet sind.

[0008] Die mit der Erfindung erzielten Vorteile bestehen insbesondere darin, daß die Zusammensetzung der Legierung bei einem niedrigen Gesamtkarbidanteil geringe Karbidkorngrößen sowie eine hohe Matrixhärte und dadurch eine gute Schleif- und Polierbarkeit und insbesondere eine gute Biegezähigkeit sicherstellt. Dabei ist wichtig, daß in den Konzentrationsgrenzen die Summe der Gehalte an Kohlenstoff und Stickstoff in einem bestimmten Bereich liegen. Es wurde überraschend gefunden, daß bei einem Stahl mit einem Chromgehalt von ca. 17,5 % die Chromkonzentration in der Matrix durch Zulegieren von Stickstoff erhöht und somit die Korrosionsbeständigkeit verbessert werden kann, wobei ohne Härtbarkeitseinbuße die Kohlenstoffkonzentration absenkbar ist. Die Ursachen hiefür sind wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt, es wird jedoch von den Erfindern angenommen, daß bei einem Stickstoffgehalt von größer als 0,1, insbesondere größer als 0,12, feine Nitride und/oder Karbonitride vorzugsweise der Elemente der IV. und V. Gruppe des periodischen Systems, z.B. Vanadin, ausgebildet werden, welche eine wesentliche Verringerung der Karbidkorngröße bewirken. Durch eine Feinkornstruktur mit den härtesteigemden Elementen Kohlenstoff und Stickstoff in Kombination werden sowohl die Matrixhärte und Matrixzähigkeit als auch deren Cr- Konzentration erhöht und eine Bildung von groben scharfkantigen Karbiden vermieden.

[0009] Werden jedoch höhere Stickstoffgehalte als ca. 0,29 Gew.-% in der Legierung eingestellt, können grobe nadelige Nitride entstehen und eine Umwandlung des Austenits in Martensit behindert werden, was sich außerordentlich nachteilig auf die Gebrauchseigenschaften des Werkstoffes auswirkt. Die höchste Korrosionsbeständigkeit bei besten Werkstoffeigenschaften wurde im Bereich der obigen Stickstoffgehalte bei Kohlenstoffkonzentrationen zwischen 0,4 und 0,85 Gew.-% gefunden, wenn die Summe von Kohlenstoff - und Stickstoffgehalt im Bereich von 0,61 bis 0,95 liegt.

[0010] Bei einem Verfahren zur Herstellung korrosionsbeständiger Schneidwaren sind die durch die Erfindung erreichten Vorteile im wesentlichen darin zu sehen, daß auf wirtschaftliche Weise Legierungen herstellbar sind und durch Wärmebehandlung der daraus gefertigten Messer und Instrumente beste Gebrauchseigenschaften der Teile erreicht werden. Dabei ist wichtig, daß die legierungstechnischen Voraussetzungen gegeben werden und daß durch eine Lösungsglühbehandlung eine homogene Gefügestruktur bewirkt wird. Von besonderer Wichtigkeit ist weiters ein Weichglühen des Werkstoffes um den A3-Punkt der Legierung vor einem Austenitisieren, um die Ausscheidungs- und Umwandlungskinetik beim nachfolgenden Abkühlen mit erhöhter Intensität zu vergleichmäßigen. Eine nachfolgende Anlaßbehandlung wird bei vergleichsweise niedriger Temperatur durchgeführt und dient insbesondere der Entspannung des Materials.

[0011] Um eine gleichmäßige Wärmeabfuhr von der Oberfläche der Teile beim intensivierten Abkühlen von der Austenitisierungstemperatur zu erreichen und ein thermisch bedingtes Verziehen des Materials durch inhomogene Spannungen zu vermeiden, kann es von Vorteil sein, wenn ein Abkühlen zwischen zwei stabilisierenden Platten erfolgt. Dieses Abkühl- bzw. Quettenverfahren hat sich als besonders günstig für die Herstellung von großflächigen Messern mit komplizierter Schneidenform herausgestellt.

[0012] Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform des Verfahrens wird nach dem Härten mindestens eine Tiefkühlbehandlung des Werkstoffes durchgeführt, um einem gegebenenfalls im Gefüge verbliebenen Anteil an Restaustenit ebenfalls in Martensit umzuwandeln.

[0013] Bei klinischen Untersuchungen wurde festgestellt, daß bei einem Gehalt von unter 0,25 Gew.-% Ni, unter 0,20 Gew.-% Co und unter 0,25 Gew.-% Cu, insbesondere bei einem Gesamtgehalt von Ni+Co+Cu von unter 0,48 Gew.-% der Legierung praktisch keine allergischen Reaktionen der Haut von Lebewesen auftreten, wobei jedoch bei besonderer Sensibilität etwas geringere Konzentrationen obiger Elemente Überempfindlichkeitsreaktionen vollkommen ausschließen.

[0014] Anhand einiger Beispiele aus den Versuchsreihen sei die Erfindung näher erläutert. Es zeigen
Tabelle 1 eine Auflistung von Versuchswerkstoffen und
Tabelle 2 eine Zusammenstellung der Gebrauchseigenschaften der aus den Werkstoffen gefertigten Schneidwaren bei Anwendung unterschiedlicher Wärmebehandlungsparameter.








Ansprüche

1. Korrosionsbeständige Legierung mit einer Härte von größer als 54 HRC, guter Polierfähigkeit und hoher Biegezähigkeit enthaltend im wesentlichen die Elemente Kohlenstoff, Silizium, Mangan, Chrom, Molybdän, Vanadin, Stickstoff sowie Eisen und erzeugungsbedingte Verunreinigungen, gekennzeichnet durch einen Anteil in Gew.-%
C = 0,40 b is 0,85
Si =   bis 1,0
Mn =   bis 1,4
Cr = 16,0 bis 19,0
Mo = 0,8 bis 1,5
V = 0,05 bis 0,2
Nb =   bis 0,15
Ti   bis 0,18
N = 0,12 bis 0,29
mit der Maßgabe, daß die Gehalte an
Ni maximal 0,25
Co maximal 0,20
Cu maximal 0,25
Ni + Co +Cu maximal 0,48
betragen und die Summe der Konzentration von Kohlensotff und Stickstoff einen Wert von mindesens 0,61, höchstens jedoch 0,95 ergibt.
 
2. Legierung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Gehalte an in Gew.-%
Ni maximal 0,15
Cu maximal 0,15
Ni + Co + Cu maximal 0,24
betragen.
 
3. Legierung nach einem der Ansprüche 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Summe der Konzentration von Kohlenstoff und Stickstoff einen Wert von mindestens 0,66 und höchstens 0,84 ergibt.
 
4. Verfahren zur Herstellung korrosionsbeständiger Schneidwaren mit einer Härte von 54 bis 61 HRC und hoher Biegezähigkeit insbesondere für die Lebensmittelindustrie und für medizinische Instrumente aus einer Legierung enthaltend im wesentlichen die Elemente Kohlenstoff, Silizium, Mangan, Chrom, Molybdän, Vanadin, Stickstoff sowie Eisen und erzeugungsbedingte Verunreinigungen, dadurch gekennzeichnet, daß eine Legierung mit Anteilen von in Gew.-%
C = 0,40 bis 0,84
Si =   bis 1,0
Mn =   bis 1,4
Cr = 16,0 bis 19,0
Mo= 0,8 bis 1,5
V = 0,05 bis 0,2
Nb=   bis 0,15
Ti =   bis 0,18
N = 0,12 bis 0,29
mit der Maßgabe hergestellt wird, daß die Gehalte an
Ni maximal 0,25
Co maximal 0,20
Cu maximal 0,25
Ni +Co +Cu maximal 0,48
betragen und die Summe der Konzentrationen von Kohlenstoff und Stickstoff einen Wert von mindenstens 0,61 und höchstens 0,95 ergibt und der Werkstoff, vorzugsweise während einer Verformung, mindestens einer Lösungsglühbehandlung bei einer Temperatur von höher als 1065 °C unterworfen wird, wonach der aus der Legierung gebildete Teil bzw. das Werkstück, insbesondere die Schneidware im Rohzustand, im Bereich des A3- Punktes der Legierung, vorzugsweise bei einer Temperatur zwischen 800 und 880 °C, weichgeglüht, sodann mit geringer Intensität abgekühlt, danach wieder erwärmt und in einem Temperaturbereich von 940 bis 1060 °C austenitisiert und anschließend mit erhöhter Intensität abgekühlt wird, worauf mindestens eine Anlaßbehandlung bei einer Temperatur zwischen 165 und 385 °C und eine Fertigbearbeitung des Schneidteiles durchgeführt werden.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung mit Gehalten an in Gew.-%
Ni maximal 0,15
Cu maximal 0,15
Ni +Co +Cu maximal 0,24
und/oder einen Summenwert der Konzentration
von C+N von 0,66 bis 0,84 hergestellt wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Abkühlung der Teile mit erhöhter Intensität im Quettenverfahren, gegebenenfalls mit Wasser, vorzugweise mit Preßluft, insbesondere mit Öl, durchgeführt wird.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 4 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Austenitisierung der Teile in einem Temperaturbereich zwischen 960 und 1050 °c, vorzugsweise von 980 bis 1030 °C, durchgeführt wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 4 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß nach dem Abkühlen mit erhöhter Intensität von der Austenitisierungstemperatur der Teil einer Tiefkühlbehandlung bei einer Temperatur von unter minus 55 °C, vorzugsweise unter minus 70 °C, unterworfen wird.
 





Recherchenbericht