[0001] Gegenstand der vorliegenden Erfindung sind neue Metallkomplexverbindungen der allgemeinen
Formel Me(DADPyOx)
x, worin Me für ein Übergangsmetallion und x für 1, 2, 3 oder 4 steht, Verfahren zu
deren Herstellung, sowie deren Verwendung.
[0002] Unfälle mit Waffen und Waffensystemen, die auf die Empfindlichkeit der Explosivstoffe
zurückzuführen waren, haben die Suche nach unempfindlichen, aber dennoch leistungsstarken
Sprengstoffen in den letzten Jahren verstärken lassen. Während im Rahmen des LoVA-Konzepts
("Low Vulnerable Ammunition") dabei die Suche nach unempfindlichen Waffensystemen
im Vordergrund steht, werden im Rahmen eines Teilaspektes dieses Konzeptes sogenannte
IHE ("Insensitive High Explosive") erforscht. Zur Realisierung dieses Teilaspektes
werden dabei im wesentlichen zwei Wege beschritten:
a) gezielte Synthese neuer, energiereicher, insensitiver Verbindungen;
b) Phlegmatisierung möglichst energiereicher, sensitiver Explosivstoffe; beispielsweise
Einbinden von RDX, HMX in Wachs oder Kunststoff-Matrices.
[0003] Die gezielte Herstellung energiereicher, insensitiver Explosivstoffe ist häufig nur
über komplizierte, mit geringen Ausbeuten ablaufenden und damit teuren Synthesewegen
möglich. Verbindungen, die auf diese Weise hergestellt werden, sind daher im allgemeinen
von geringer wirtschaftlicher Bedeutung. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt her bietet
zwar die Phlegmatisierung bekannter, auch in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung einschätzbarer,
energiereicher Explosivstoffe Vorteile, doch ist sie auf der anderen Seite mit allen
bekannten Problemen von Mehrphasensystemen wie beispielsweise Grenzflächenproblemen,
Homogenität u.a. behaftet und erfordert oftmals einen erheblichen technischen Aufwand.
[0004] Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es daher, auf einfache Weise neue Verbindungen
bereitzustellen, die u.a. als insensitive, energiereiche Explosivstoffe Verwendung
finden können.
[0005] Gelöst wurde diese Aufgabe durch Verbindungen gemäß Anspruch 1, die nach dem Verfahren
gemäß Anspruch 5 hergestellt werden können. Durch die Komplexierung bestimmter Liganden
mit bestimmten Komplexbildnern ändert sich die elektronische Umgebung der Ausgangssubstanz;
Bindungskräfte lassen sich auf diese Weise variieren. Eine Variation der Bindungskräfte
bedingt auf der anderen Seite aber auch eine Eigenschaftsveränderung der Ausgangssubstanz.
In diesem Zusammenhang sei auf das System Cyclopentadien/Ferrocen verwiesen. Während
Cyclopentadien einen Siedepunkt von 40 °C hat, zersetzt sich dessen Komplexverbindung
mit Fe(II), das Ferrocen, erst oberhalb von 500 °C.
[0006] Von entscheidender Bedeutung für die erfindungsgemäße Lösung ist die Wahl bestimmter
Ausgangsverbindungen, die aufgrund ihrer Struktur als Liganden für komplexbildende
Metalle dienen können. Nur bei der Auswahl bestimmter Liganden läßt sich das erfindungsgemäße
Ziel, neue, insensitive, energiereiche Explosivstoffe bereitzustellen, auch erreichen.
Aminonitroguanidin (ANQ) läßt sich zwar mit dem Komplexbildner Cu⁺ zum Kupfer-bis-Aminonitroguanidin-nitrat
umsetzen, doch zersetzt sich der Komplex bereits bei ca. 90 °C, während die Ausgangsverbindung,
das ANQ, sich erst bei 184 °C zersetzt.
[0007] Erfindungsgemäß wurde das 2,6-Diamino-3,5-dinitro-pyridin-1-oxid, im folgenden DADPyOx
genannt, ausgewählt und komplexiert. DADPyOx kann beispielsweise durch Dinitrierung
des 2,6-Diaminopyridins und anschließender Oxidation des entstandenen 2,6-Diamino-3,5-dinitropyridins
mit Wasserstoffperoxid hergestellt werden. DADPyOx stellt einen Explosivstoff dar,
der energiereich und relativ temperaturstabil ist (vgl. DE-OS 39 20 336). Aufgrund
seiner Struktur

läßt sich DADPyOx mit Übergangsmetallionen komplexieren. Als Übergangsmetalle werden
Kupfer, Nickel, Kobalt, Eisen, Silber oder Zink in ihren jeweils möglichen Oxidationsstufen
eingesetzt.
[0008] Die Herstellung der neuen, erfindungsgemäßen Verbindungen erfolgt in der Weise, daß
DADPyOx in einem geeigneten Suspensionsmittel, beispielsweise Eisessig, Dimethylformamid
oder Wasser, besonders bevorzugt in Eisessig suspendiert und das entsprechende Übergangsmetallsalz,
beispielsweise das entsprechende Chlorid, Sulfat, Carbonat oder Nitrat, vorzugsweise
das entsprechende Übergangsmetallnitrat in fester Form portionsweise zugegeben wird.
Gegebenenfalls kann die Reaktionsmischung zum Sieden erhitzt werden. Im Hinblick auf
möglichst optimale Ausbeuten werden stöchiometrische Mengen der Reaktionspartner bevorzugt.
Als Anhaltspunkt für die einzusetzende Menge an Suspensionsmittel kann gelten: 100
ml Suspensionsmittel pro 1 g DADPyOx. Falls erforderlich, wird eine eventuell gebildete
Säure neutralisiert. Nach Beendigung der Reaktion wird der entstandene Feststoff abgesaugt,
gewaschen und getrocknet.
[0009] Auf diese Weise war es überraschenderweise möglich, neue, insensitive, energiereiche
Verbindungen der Formel Me(DADPyOx)
x bereitzustellen. Hierbei steht Me für Kupfer, Nickel, Kobalt, Eisen, Silber oder
Zink in ihren jeweils möglichen Oxidationsstufen und x für 1, 2, 3 oder 4. Die neuen
Verbindungen sind äußerst temperaturstabil, während die für einen energiereichen Explosivstoff
entscheidenden anderen Eigenschaften im wesentlichen nicht nachteilig beeinflußt werden.
Dies ist umso überraschender, als im allgemeinen Metallionenzusätze bei Explosivstoffen
als Ballast betrachtet werden, die eine wesentliche Verringerung der Detonationsgeschwindigkeit
erwarten lassen. Überraschenderweise werden erfindungsgemäß Verbindungen erhalten,
die unter gleichen Meßbedingungen Detonationsgeschwindigkeiten in etwa gleicher Größenordnung
wie die der Ausgangsverbindung aufweisen.
[0010] Die neuen Verbindungen sind in ihren mechanischen Eigenschaften denen von TNT vergleichbar.
Für die erfindungsgemäßen Verbindungen Ni(DADPyOx)₂ und Cu(DADPyOx)₂ ergaben sich
die in der Tabelle I angegebenen Werte:
Tabelle I
|
Schlag- |
Reibempfindlicheit |
Cu (DADPyOx)₂ |
15 J |
> 360 N |
Ni (DADPyOx)₂ |
15 J |
240 N |
DADPyOx |
15 J |
> 360 N |
TNT |
15 J |
> 360 N |
[0011] Die überraschend hohe Temperaturstabilität zeigt Tabelle II:
Tabelle II:
|
Zersetzungspunkt |
Cu (DADPyOx)₂ |
364 °C |
Ni (DADPyOx)₂ |
370 °C |
DADPyOx |
355 °C |
TNT |
300 °C |
[0012] Die Detonationsfähigkeit wurde im sogenannten "Grenzinitialtest" (H. Jobelius, H.
Zöllner; 22. Int. Jahrestagung des Fraunhoferinstitutes f. Treibmittel- und Explosivstoffe,
ICT, Karlsruhe; (1991), Seite 79-1 bis 79-13) bestimmt. Dabei wurden in einem Standard-Kapselaufbau,
mit Kapseldurchmessern von 7 bis 8 mm, zwischen 50 und 100 mg der zu testenden Substanz
mit verschiedenen Mengen Bleiazid überschichtet und initiiert. Als Nachweis einer
Detonation wurde der Durchschlag durch eine Bleiplatte verwendet. Als Vergleichssubstanzen
wurden PETN, Tetryl und HMX verwendet. Die Ergebnisse zeigt die Tabelle III. Überraschenderweise
sind die erfindungsgemäßen Verbindungen, wie sich im Grenzinitialtest zeigen ließ,
bereits in relativ geringen Durchmessern detonationsfähig.
Tabelle III:
|
Grenzinitial |
Cu (DADPyOx)₂ |
30 mg |
Ni (DADPyOx)₂ |
20 mg |
PETN |
10 mg |
Tetryl |
20 mg |
HMX |
40 mg |
[0013] Die ungefähre Detonationsgeschwindigkeit wurde im Labormaßstab mit einem einfachen
Versuchsaufbau mit SIP-Druckaufnehmern ("Stoßwelleninduzierte Polarisation") (F.E.
Allison; J.Appl.Phys.
36 (1965), 211; GE. Hauver; J.Appl.Phys.
36 (1966), 2113) durchgeführt. Das gewählte Verfahren bietet den Vorteil, daß es bereits
mit Substanzmengen bis zu 2 g durchzuführen ist. Neben dem Nachweis der Detonationsfähigkeit
und einer Abschätzung der Detonationsgeschwindigkeit läßt sich auch der Detonationsdruck
grob abschätzen. Für Cu(DADPyOx)₂ wurde eine Detonationsgeschwindigkeit von ca. 5.500
m/s und ein Detonationsdruck von ca. 150 kbar, bei einer Pressdichte von 1,46 g/ml
bestimmt; für Ni(DADPyOx)₂ ergab sich eine Detonationsgeschwindigkeit von ca. 5.400
m/s. Die maximale Dichte wurde in einem Pyknometer für Cu(DADPyOx)₂ zu 2,07 g/ml,
für Ni(DADPyOx)₂ zu 2,03 g/ml bestimmt. Unter gleichen Meßbedingungen ergab DADPyOx
eine Detonationsgeschwindigkeit von ca. 5.900 m/s.
[0014] Die erfindungsgemäßen Verbindungen sind neu. Sie lassen sich aufgrund ihrer Eigenschaften
als Explosivstoffe verwenden und beispielsweise in Sprengkapseln einsetzen. Sie können
u.a. die in Sprengkapseln üblichen Sekundärsprengstoffe ersetzen. Außerdem können
die erfindungsgemäßen Verbindungen auch als Abbrandmoderatoren z.B. in Festtreibstoffen
verwendet werden.
[0015] Die nachfolgenden Beispiele sollen die vorliegende Erfindung erläutern, ohne sie
einzuschränken.
Beispiel 1:
[0016] 2,273 g (10,57 mmol) DADPyOx werden in 200 ml Eisessig suspendiert. - Dazu werden
unter Rühren 1,289 g (5,34 mmol) Cu(NO₃)₂·3H₂O als Feststoff portionsweise gegeben.
Die Farbe schlägt dabei von gelb nach grün um. Der Feststoff wird abgesaugt und dreimal
mit 30 ml Eisessig gewaschen. Nach Trocknung über Nacht an der Luft wird bei 10⁻ Torr
weiter getrocknet. Die Ausbeute beträgt 2,00 g (76 % d. Th.).
- C₁₀H₈CuN₁₀O₁₀
- M = 491,776 g/mol
- Zersetzungspunkt
- keine Zersetzung bis 360 °C
- Farbe
- ockergelb
Elementaranalyse: |
|
C |
H |
N |
Cu |
ber. |
24,42 % |
1,64 % |
28,48 % |
12,92 % |
gef. |
25,14 % |
1,80 % |
28,69 % |
12,41 % |
Beispiel 2:
[0017] 5,022 g (23,35 mmol) DADPyOx werden in 500 ml Eisessig suspendiert. Dazu werden bei
Raumtemperatur unter Rühren 3,394 g (11,67 mmol) Ni(NO₃)₂·6H₂O als Feststoff portionsweise
gegeben. Die Suspension hat eine leuchtend gelbe Farbe. Es wird unter Rühren bis zum
Rückfluß erhitzt und 1,5 h gehalten. Bei einer Innentemperatur oberhalb von 100 °C
schlägt die Farbe innerhalb kurzer Zeit dabei in rötlich-braun um. Nach dem Abkühlen
wird der Feststoff abgesaugt und dreimal mit 50 ml Eisessig gewaschen. Nach Trocknung
über Nacht an der Luft wird bei 10⁻ Torr weiter getrocknet. Die Ausbeute beträgt 3,39
g (60 % d. Th.).
- C₁₀H₈NiN₁₀O₁₀
- M = 486,930 g/mol
- Zersetzungspunkt
- keine Zersetzung bis 360 °C
- Farbe
- rötlich-braun
Elementaranalyse: |
|
C |
H |
N |
Cu |
ber. |
24,67 % |
1,66 % |
28,77 % |
12,06 % |
gef. |
25,14 % |
1,66 % |
28,44 % |
11,73 % |
1. Metallkomplexverbindung der allgemeinen Formel Me(DADPyOx)x, worin Me für ein Übergangsmetallion und x für 1, 2, 3 oder 4 steht.
2. Metallkomplexverbindung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß Me für Kupfer, Nickel, Kobalt, Eisen, Silber oder Zink in ihren jeweiligen Oxidationsstufen
steht und x den jeweiligen Oxidationsstufen entspricht.
3. Metallkomplexverbindung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie der
Formel Cu(DADPyOx)₂ entspricht.
4. Metallkomplexverbindung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß sie der
Formel Ni(DADPyOx)₂ entspricht.
5. Verfahren zur Herstellung von Metallkomplexverbindungen der allgemeinen Formel Me(DADPyOx)x, worin Me für ein Übergangsmetallion und x für 1, 2, 3 oder 4 steht, dadurch gekennzeichnet, daß DADPyOx mit dem entsprechenden Übergangsmetallsalz, vorzugsweise mit dem entsprechenden
Übergangsmetallchlorid, -sulfat, -carbonat oder -nitrat in einem geeigneten Suspensionsmittel
umgesetzt wird.
6. Verfahren zur Herstellung von Metallkomplexverbindungen gemäß Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß als Suspensionsmittel Eisessig, Dimethylformamid oder Wasser, vorzugsweise Eisessig
verwendet wird.
7. Verfahren zur Herstellung von Metallkomplexverbindungen gemäß Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß als Übergangsmetallsalze Ni(NO₃)₂·6H₂O oder Cu(NO₃)₂·3H₂O eingesetzt wird.
8. Verwendung der Metallkomplexverbindungen gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 als unempfindliche,
hochtemperaturstabile Explosivstoffe.
9. Verwendung der Metallkomplexverbindungen gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 in Sprengkapseln.
10. Verwendung der Metallkomplexverbindungen gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4 als Abbrandmoderatoren.