[0001] Die Erfindung betrifft ein Übungsgeschoß für Rohrwaffen, insbesondere ein Zerschellgeschoß,
nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1. Unter einem Zerschellgeschoß versteht
der Fachmann ein Übungsgeschoß, welches sich beim Auftreffen auf ein Zielmedium so
zerlegt, daß der Gefährdungsbereich gegenüber einem Standard-Übungsgeschoß reduziert
und damit minimiert wird. Neben der Reduzierung der Abprallergefährdung im Ziel wird
bei einem Zerschellgeschoß eine Systemkompatibilität und eine Innen- wie Außenballistik
entsprechend dem Standard-Übungsgeschoß gefordert. Ferner ist auf Explosivstoffe und
pyrotechnische Sätze als Zerlegungshilfe aus Umweltschutzgründen zu verzichten.
[0002] Die Zerlegung eines Geschosses wird durch die Geschoßauftreffenergie aus Geschoßmasse
und Auftreffgeschwindigkeit, durch die Zielhärte und durch die Geschoßfestigkeit beeinflußt.
Für die Zielhärte sind als Parameter das Zielmedium, beispielsweise Sand, und der
Auftreffwinkel und für die Geschoßfestigkeit die Konstruktion und der gewählte Werkstoff
für das Zerschellgeschoß zu nennen.
[0003] Ein typisches Übungsgeschoß ist aus der DE 23 09 589 C3 bekannt, welches in Form
und Gewicht etwa einem normalen Kampfgeschoß entspricht. Dieses Übungsgeschoß besteht
im wesentlichen aus einer mit einer Metallpulvermasse gefüllten Geschoßhülle, die
mit Sollbruchstellen versehen ist. Dabei ist die metallische Geschoßhülle so bemessen,
daß die verdichtete und mit einem polymerisierbaren Produkt vermischte Füllpulvermasse
bei einem Aufschlag des Übungsgeschosses an der als radial angeordneter, verjüngter
Bruchbereich ausgebildeten Sollbruchstelle austritt. Dadurch zerfällt das Geschoß
am Ziel und markiert den Treffpunkt visuell. Dies soll nach Aussage der DE 23 09 589
C3 auch dann geschehen, wenn das Übungsgeschoß unter einem Winkel schräg aufschlägt,
so daß die Möglichkeit eines Abprallens ausgeschaltet ist.
[0004] Aus der DE 39 02 112 C1 ist ein Zerleger-Geschoßkopf für Übungsmunition bekannt,
bei dem in die Geschoßhaube ein Kern aus einem gepreßten Metallpulver eingesetzt ist.
Dieser Kern weist in Richtung zur Geschoßspitze eine Kerbe bzw. eine Ausnehmung auf,
in die eine Kugel größeren Durchmessers eingreift. Dadurch dient diese Kugel als Übertragungskörper
zwischen der Haube und dem Kern aus Metallpulver. Bei einem Aufprall des Zerlegerkopfes
auf ein Ziel wird die Kugel in die Kerbe bzw. in die Ausnehmung getrieben. Der Kern
aus Metallpulver wird durch die Aufprallkraft gespalten und zerlegt dabei gleichzeitig
auch die Geschoßhaube.
[0005] Den vorgenannten Übungsgeschossen ist zu eigen, daß sie für die Zerlegung auf weichen
Zielmedien, wie beispielsweise Sand, noch eine relativ hohe Aufschlaggeschwindigkeit
oder aber eine schnelle Energieumsetzung benötigen. Dadurch sind die Einsatzdistanz
und die Wahl des Schießplatzgeländes eingeschränkt.
[0006] In systematischer Reihe wurden Zerschellgeschosse untersucht, deren Wirkungsmechanismus
auf mit Metallpulver gefüllten und mit Sollbruchstellen versehenen Geschoßhauben beruht.
Dabei wurde nachgewiesen, daß die Zerlegungsfähigkeit solcher Übungsgeschosse beim
Aufprall auf ein flachgeneigtes Sandbett unterhalb einer gewissen Restauftreffenergie
nicht mehr zu steigern ist, ohne daß dadurch deren Abschußsicherheit, nämlich die
ballistische Sicherheit, leidet. Um bei solchen Übungsgeschossen die Zerlegungsentfernung
auf das gewünschte Maß zu steigern, müßten die Wanddicken im Bereich der Sollbruchstelle
so dünn ausgeführt werden, daß dabei die Übungsgeschosse entweder bei der Zuführung
in die Waffe oder aber durch den Abschuß im Waffenrohr zerstört werden. Zur Steigerung
der Zerlegungsentfernung bei gleichzeitiger Gewährleistung der Handhabungs- und ballistischen
Sicherheit ist demzufolge ein verpreßtes oder loses Metallpulver als Füllmaterial
ungeeignet, weil solche Füllungen die Sollbruchstelle in der Geschoßhaube zu stark
stützen, so daß die beim Aufprall entstehenden Kräfte nicht im ausreichenden Maß zum
Trennen der Sollbruchstellen genützt werden können.
[0007] Ausgehend von dem geschilderten Stand der Technik ist es Aufgabe der Erfindung, ein
Übungsgeschoß für Rohrwaffen der eingangs genannten Art zu schaffen, das bei sehr
geringen Restenergien im Ziel und beim Aufprall auf ein flachgeneigtes, weiches Zielmedium
in mindestens zwei Teile zerlegt wird, und bei dem eine Steigerung der Zerlegungsentfernung
erzielt wird.
[0008] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 gelöst.
Erfinderische Weiterbildungen und Ausbildungen dieses Lösungsgedankens sind in den
Unteransprüchen 2 - 8 enthalten.
[0009] Nach der erfinderischen Lösung wird die Steigerung der Zerlegungsentfernung dadurch
erreicht, daß zumindest zwei kugelförmige Körper in die Geschoßhaube eingepreßt werden,
in deren Berührungsebene in der Geschoßhaube radiale Sollbruchstellen vorgesehen sind.
Die Restwanddicken in der Geschoßhaube im Bereich der Sollbruchstellen können dadurch
so bemessen werden, daß einerseits die Handhabungs- und ballistische Sicherheit gewährleistet
ist, und andererseits die Zerlegungsfähigkeit trotzdem über das bekannte Maß hinaus
gesteigert werden kann. In Versuchen wurde festgestellt, daß durch die kugelige Berührungsgeometrie
der Körper die beim Aufprall des Übungsgeschosses entstehenden Momente und Kräfte
nahezu reibungsverlustfrei auf die Sollbruchstelle einwirken können. Selbst bei nur
leicht schräg angreifenden Kräften entstehen dadurch Kräftekomponenten, die bei der
durch den Aufprall hervorgerufenen Geschoßdeformation das Bestreben der kugeligen
Flächen, voneinander abzugleiten, unterstützen und somit die Zerlegung fördern. Durch
die Verwendung von Kugeln oder Körpern mit kugeligen Berührungsflächen als Geschoßhaubenfüllung
wird die zur Zerlegung notwendige Quersollbruchstelle nicht zusätzlich gestützt wie
bei Metallpulver-Preßkörpern. Deshalb können alle beim Geschoßaufprall entstehenden
Kräfte nahezu verlustfrei zur Zerstörung der Quersollbruchstelle genutzt werden. Die
axiale Abschußbeschleunigung wird durch den Formkörper auf die spielfrei in der Geschoßhaube
eingesetzten Körper übertragen, so daß die radialen Sollbruchstellen bei diesem Abschußvorgang
durch axial wirkende Kräfte nicht oder nur sehr gering belastet werden.
[0010] Um eine wirtschaftliche Herstellbarkeit realisieren zu können, werden Kugeln als
Körper verwendet, wenn dies aus konstruktiven Gründen vertretbar ist. Rohkugeln aus
der Kugellagerproduktion mit der erforderlichen Präzision sind wesentlich wirtschaftlicher
herzustellen als verpreßte Metallpulverkörper. Diese Rohkugeln sind deshalb technisch
vorteilhaft, weil ihre Oberfläche kleine Unebenheiten aufweist, welche eine Drallübertragung
begünstigen. Entsprechend den Merkmalen in den Unteransprüchen kann es sinnvoll sein,
den Durchmesser der Kugelkörper zur Geschoßspitze hin kleiner zu halten, um den Preßsitz
der jeweils nachfolgenden Kugel in der Geschoßhaube nicht zu beeinträchtigen.
[0011] In der Zeichnung sind Beispiele der Erfindung dargestellt. Es zeigen:
- Figur 1
- ein Übungsgeschoß im Längsschnitt
- Figur 2
- ein Übungsgeschoß anderer Bauart im Längsschnitt
- Figur 3
- ein Übungsgeschoß noch anderer Bauart im Längsschnitt
- Figur 4
- das Übungsgeschoß nach Figur 1 beim Zielaufprall.
[0012] Das Übungsgeschoß 1 nach den Figuren 1 - 3 entspricht in Bezug auf die Geschoßkonfiguration
und Masse im wesentlichen einem Standard-Übungsgeschoß und einem Standard-Kampfgeschoß.
An das Geschoßheck 2 mit pyrotechnischer Ladung 3 und Führungsband 4 schließt sich
zur Geschoßspitze 5 die Geschoßhaube 6 an. Stirnseitig auf das Geschoßheck 2 liegt
in einer kreisrunden Ausnehmung 7 ein Formkörper 8, der eine zentrale Durchgangsöffnung
oder zur Geschoßspitze 5 hin offene Sackbohrung 9 aufweist. Auf die Sackbohrung liegt
in Figur 1 eine Kugel 10 auf, deren Durchmesser größer ist als der Durchmesser der
Ausnehmung 9. Für eine lagerichtige Aufnahme der Kugel besitzt der Formkörper 8 im
stirnseitigen Bereich der Ausnehmung 9 eine sphärisch gebildete Lagerfläche 11. In
der Geschoßlängsachse 12 befindet sich vor dem kugelförmigen Körper 10 eine weitere
Kugel 11 von vorzugsweise geringerem Durchmesser als die Kugel 10. Die Kugel 11 ist
in die Geschoßhaube 6 eingepreßt und liegt mit ihrer der Kugel 10 zugewandten Oberfläche
an der Kugel 10 an. Mit Hilfe des Formkörpers 8 sind die beiden kugelförmigen Körper
10 und 11 in Richtung auf die Geschoßspitze 5 zu in die Geschoßhaube 6 fest eingesetzt
bzw. verspannt.
[0013] In der senkrecht zur Geschoßlängsachse 12 verlaufenden Berühungsebene der beiden
Körper 10 und 11 ist in der Geschoßhaube 6 eine radial ausgerichtete Sollbruchstelle
13 vorgesehen. Unterhalb der Sollbruchstelle 13 in Richtung zum Geschoßheck 2 befindet
sich eine weitere radiale Sollbruchstelle 14, der eine ringförmige Nut oder Ausnehmung
15 im Formkörper 8 gegenüberliegt. Bei 16 sind zusätzlich zu den radialen Sollbruchstellen
13, 14 noch Längssollbruchstellen angedeutet.
[0014] In Figur 4 ist der Auftreffvorgang des Übungsgeschosses 1 in einem Zielmedium 17
veranschaulicht. Das Zielmedium 17 besteht aus Sand und ist unter einem flachen Winkel
18 von etwa 15° Neigung aufgeschüttet. Das heranfliegende Übungsgeschoß 1 trifft auf
die Oberfläche des Zielmediums 17 auf. Durch das Auftreffen mit der Seitenfläche der
Geschoßhaube 6 entstehen auf das Geschoß Kräfte, die durch die Pfeile 19 und 20 angedeutet
sind. Aufgrund dieser Kräfte 19 und 20 erfolgt ein Abrollen der kugelförmigen Körper
an ihren Berührungspunkten jeweils um den Mittelpunkt der benachbarten Kugel 10 bzw.
11. Die dabei entstehenden Kraftkomponenten bewirken ein exakten Aufreißen der Geschoßhaube
6 in der radialen Sollbruchstelle 13. Die Pfeile 21, 22 und 23 stellen die Zerlegung
der Auftreffenergie in einzelne Kraftkomponenten dar. Die Pfeile 24 deuten die Drallbewegung
des Übungsgeschosses 1 an, während Pfeil 25 die Flugrichtung des Geschosses darstellt
und Pfeil 26 die beim Auftreffen des Übungsgeschosses 1 auf das Zielmedium 17 die
der Flugrichtung 25 entgegengesetzte Kraftrichtung.
[0015] Das Übungsgeschoß 1 in Figur 2 unterscheidet sich von dem Übungsgeschoß nach Figur
1 lediglich durch die andere Bauart der eingesetzten Körper 27 und 28. Diese zylindrisch
geformten Körper 27 und 28 besitzen an den zueinander gewandten Berührungsflächen
kugelförmig gebildete, vorstehende Noppen 29 und 30. Die einander berührenden Noppen
29 und 30 der Körper 27 und 28 sind in dem kreisförmigen Ausschnitt zur Figur 2 deutlich
hervorgehoben. In der Berührungsebene der beiden Körper 27 und 28 befindet sich wiederum
die radiale Sollbruchstelle 13.
[0016] In Figur 3 ist eine Mischung der in Figur 1 und in Figur 2 dargestellten Körper gezeigt.
In der Geschoßhaube 6 ist in Richtung zum Geschoßheck auf den Formkörper 8 der kugelförmige
Körper 10 eingesetzt, dessen Oberfläche an dem kugelförmigen Noppen 30 des zylindrischen
Körpers 28 anliegt. Auch hier befindet sich in der Berührungsebene der Körper 10 und
28 die radiale Sollbruchstelle 13.
[0017] Die Wirkungsweisen der Übungsgeschosse 1 nach den Figuren 2 und 3 entsprechen der
des Übungsgeschosses 1 nach Figur 1.
1. Übungsgeschoß für Rohrwaffen, insbesondere Zerschellgeschoß, mit einer Geschoßhaube,
in die ein Formkörper eingesetzt ist, in dessen der Geschoßspitze zugewandten Stirnfläche
eine Ausnehmung in der Geschoßlängsachse eingebracht ist, die einen aus der Ausnehmung
vorstehenden Kugelkörper aufnimmt,
dadurch gekennzeichnet,
daß in der Geschoßhaube (6) zumindest zwei Körper (10,11; 27,28) fest eingesetzt sind,
deren einander zugewandte, kugelförmig gebildete Flächen aneinanderliegen, und daß
die Geschoßhaube (6) in der senkrecht zur Geschoßlängsachse (12) verlaufenden Berührungsebene
der beiden Körper (10,11; 27,28) zumindest eine radiale Sollbruchstelle (13) aufweist.
2. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Körper (10,11) Rohkugeln sind.
3. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Körper (27,28) beliebige geometrische Formkörper sind, die zumindest im Bereich
ihrer Berührung kugelig ausgebildet sind.
4. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß der jeweils der Geschoßspitze (5) zugewandte vordere Körper (11;28) im Durchmesser
kleiner ist als der nachfolgende Körper (10,27).
5. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Formkörper (8) als Verschlußstopfen ausgebildet ist, der die Körper (10,11;
27,28) in der Geschoßhaube (6) formschlüssig und spielfrei und gegenüber dem Geschoßheck
(2) toleranzunabhängig verspannt.
6. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Formkörper (8) eine außen umlaufende Ringnut oder Aussparung (15) aufweist,
die in oder unterhalb der Ebene der radialen Sollbruchstelle (13) in der Geschoßhaube
(6) angeordnet ist.
7. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach einem der Ansprüche 1, 5 oder 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Formkörper (8) gleichzeitig zur Aufnahme der Körper (10,11; 27,28) als kraftschlüssiges
Verbindungsteil zum Geschoßheck (2) dient.
8. Übungsgeschoß für Rohrwaffen nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß zwischen den radialen Sollbruchstellen (13) in der Geschoßhaube (6) eine oder
mehrere Längssollbruchstellen (16) vorgesehen sind.