(19)
(11) EP 0 716 059 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.06.1996  Patentblatt  1996/24

(21) Anmeldenummer: 95116146.2

(22) Anmeldetag:  13.10.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C06D 5/06, C06B 23/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE

(30) Priorität: 26.11.1994 DE 4442170

(71) Anmelder: FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT ZUR FÖRDERUNG DER ANGEWANDTEN FORSCHUNG E.V.
D-80636 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Bucerius, Klaus Martin, Dr.
    D-76229 Karlsruhe (DE)
  • Eisenreich, Norbert, Dr.
    D-76327 Pfinztal (DE)
  • Schmid, Helmut
    D-76131 Karlsruhe (DE)
  • Engel, Walter, Dr.
    D-76327 Wörschbach (DE)

(74) Vertreter: Dipl.-Ing. Heiner Lichti Dipl.-Phys. Dr.rer.nat. Jost Lempert Dipl.-Ing. Hartmut Lasch 
Postfach 41 07 60
76207 Karlsruhe
76207 Karlsruhe (DE)

   


(54) Gaserzeugende Mischung


(57) Eine gaserzeugende Mischung besteht aus einem stickstoffreichen und kohlenstoffarmen Brennstoff aus der Gruppe Nitroguanidin (NIGU), Triaminoguanidinnitrat (TAGN), Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat (GZT) oder 3-Nitro-1,2,3-triazol-5-on (NTO) sowie Kupferdiammindinitrat Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ als Oxidator und einem pyrophoren Metall oder einer solchen Metallegierung auf einem Träger-Katalysator.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine gaserzeugende Mischung aus einem stickstoffreichen und kohlenstoffarmen Brennstoff aus der Gruppe Nitroguanidin (NIGU), Triaminoguanidinnitrat (TAGN), Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat (GZT) und 3-Nitro-1,2,3-triazol-5-on (NTO), Katalysatoren, Oxidatoren und gegebenenfalls Kühlmitteln.

[0002] Gaserzeugende Mischungen der vorgenannten Art - auch Gasgeneratorsätze genannt - zeichnen sich dadurch aus, daß sie bei Verbrennung eine hohe Gasausbeute (>14 mol/kg) ermöglichen. Sie werden für aufblasbare Rückhalte- (Airbag) und Rettungssysteme, Feuerlöscheinrichtungen sowie für unempfindliche Festtreibstoffe für Raketen- und Rohrwaffenantriebe eingesetzt. Besonders im zivilen Bereich werden thermisch-mechanische Unempfindlichkeit und Ungiftigkeit der Ausgangsmischungen, aber auch fehlende Toxizität bei den entstehenden Gasen gefordert. Viele im Einsatz befindliche Systeme erfüllen diese Forderungen nicht oder nur sehr unzulänglich.

[0003] Bei Airbag-Systemen wurden zunächst gaserzeugende Mischungen auf der Basis von Natriumazid eingesetzt und erprobt, das jedoch wegen seiner Toxizität und der entstehenden Feststoffpartikel problematisch ist. Ähnliche Probleme ergeben sich auch bei den sogenannten Hybrid-Gasgeneratoren, bei denen Nitramine oder Perchlorate eingesetzt werden.

[0004] Es hat deshalb nicht an Anstrengungen gefehlt, insbesondere ungiftige Ausgangsverbindungen bereitzustellen. Hierzu zählen vor allem stickstoffreiche und kohlenstoffarme Brennstoffe, wie TAGN, NIGU und NTO. Besonders gute Ergebnisse konnten mit Diguanidinium 5,5'-azotetrazolat (GZT) erzielt werden (DE 41 08 225). Sowohl die Ausgangsmischung, als auch die entstehenden Gase sind weitgehend ungiftig und bestehen zum überwiegenden Teil aus Stickstoff. Nachteilig ist allerdings auch hierbei die nicht vermeidbare Entstehung von NOx und ein nicht immer befriedigendes Abbrandverhalten. Viele Reaktionsmischungen besitzen eine so hohe Verbrennungstemperatur, daß bei Verwendung in Airbag- Systemen die thermisch empfindlichen Sackmaterialien geschädigt werden.

[0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine gaserzeugende Mischung vorzuschlagen, die selbst und deren Verbrennungsprodukte ungiftig sind, insbesondere einen geringen CO- und NOx-Schadgasgehalt besitzen und die bei niedriger Verbrennungstemperatur eine gleichwohl hohe Abbrandgeschwindigkeit aufweisen.

[0006] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß der Oxidator Kupferdiammindinitrat Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ ist und der Katalysator aus einem pyrophoren Metall oder einer solchen Metallegierung auf einem Träger besteht.

[0007] Durch die Verwendung von Kupferdiammindinitrat als Oxidator läßt sich das Abbrandverhalten der Reaktionsmischung in weiten Bereichen einstellen. Es wird eine hohe Abbrandgeschwindigkeit erreicht, so daß sich der Maximaldruck innerhalb weniger Millisekunden aufbaut, gleichwohl ist die Verbrennungstemperatur relativ niedrig, so daß insbesondere bei Airbag-Systemen auch thermisch empfindliche Sackmaterialien nicht gefährdet werden.

[0008] Das Katalysator-System besteht aus der wirksamen Hauptkomponente, für die ein pyrophores Metall oder eine Legierung verwendet wird, und einem geeigneten Träger, der noch weitere Eigenschaften in sich vereinigt. Die komplexe Wirkungsbeziehung dieses Systems macht es erforderlich, die Begriffe "Katalysator" und "Träger" genauer zu beschreiben. Beide Begriffe werden in einem erweiterten Sinn gebraucht. Als "Katalysator" wird in diesem Zusammenhang ein aktiver Reaktionsbestandteil bezeichnet, der selbst umgesetzt werden kann und reaktionslenkend und/oder reaktionsbeschleunigend wirkt. Die wirksame Hauptkomponente des Katalysators ist das pyrophore Metall bzw. die eingesetzte Legierung. Der Träger dient dazu, die Hauptkomponente mit einer großen spezifischen Oberfläche und einer definierten Korngrößenverteilung bereitzustellen. Eine weitere Eigenschaft des Trägers besteht darin, durch physikalische und/oder chemische Prozesse - in einer speziellen Phase der Reaktion - eine Kühlwirkung zu entfalten, die über eine rein kapazitive Kühlwirkung hinausgeht. Der Träger kann ferner als Promotor der Hauptkomponente wirken.

[0009] Das Katalysator-System und der Oxidator erfüllen die thermo-mechanischen Stabilitätsanforderungen und sind insbesondere auch nicht hygroskopisch, was eine dauerhafte Funktionstüchtigkeit und hohe Lebensdauer garantiert.

[0010] Eine bevorzugte Mischung besteht aus dem Brennstoff GZT und dem Oxidator Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ mit ausgeglichener Sauerstoffbilanz im Masse-Verhältnis 21,6 : 78,4. In diesem System werden - je nach Anforderungsprofil hinsichtlich Abbrand und Gasreinheit - bis zu 30 Mass.-% des Katalysators homogen eingearbeitet. Als Hauptkomponente des Katalysators wird vorzugsweise pyrophores Ag mit einer mittleren Korngröße < 25 µm verwendet. Als Trägermaterial wird ein Schichtsilikat bevorzugt. Schließlich kann noch ein Kühlmittel, vorzugsweise Fe₂O₃ zugegeben werden.

Beispiel:



[0011] Es wird eine Mischung bestehend aus GZT und dem Oxidator Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ im Masse-Verhältnis 21,6 : 78,4 hergegestellt und bis zu 30 Mass.-% des Ag-Katalysators auf einem Schichtsilikat-Träger homogen eingearbeitet.

[0012] Formulierungen dieser Art werden bezüglich ihres Anzünd- und Verbrennungsverhaltens mit Hilfe von Experimenten in der ballistischen Bombe charakterisiert. Dazu wird ein Druck/Zeit-Diagramm ermittelt. Aus dem beigefügten Diagramm geht hervor, daß die Reaktionsmischungen gute Anzünd- und Verbrennungseigenschaften besitzen. Bei einer Ladedichte von 0,1 g/cm³ ergibt sich ein Maximaldruck von 74,9 [MPa], der nach ca. 13 [ms] erreicht wird (t(pmax) = 13 [ms]). Die Druckanstiegszeit zwischen 30 bis 80 % des Maximaldrucks beträgt 0,96 [ms] (t₃₀₋₈₀ = 0,96 [ms]).


Ansprüche

1. Gaserzeugende Mischung, bestehend aus einem stickstoffreichen und kohlenstoffarmen Brennstoff aus der Gruppe Nitroguanidin (NIGU), Triaminoguanidinnitrat (TAGN), Diguanidinium-5,5'-azotetrazolat (GZT) und 3-Nitro-1,2,3-triazol-5-on (NTO), Katalysatoren, Oxidatoren und gegebenenfalls Kühlmitteln, dadurch gekennzeichnet, daß der Oxidator Kupferdiammindinitrat Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ ist und der Katalysator aus einem pyrophoren Metall oder einer solchen Metallegierung auf einem Träger besteht.
 
2. Mischung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß als Träger für den Katalysator ein Silikat, insbesondere ein Schicht- oder Gerüstsilikat dient.
 
3. Mischung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß als Katalysator pyrophores Ag auf einem Schicht- oder Gerüstsilikatträger dient.
 
4. Mischung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß der Katalysator eine mittlere Korngröße < 25 µm aufweist.
 
5. Mischung nach einem der Ansprüche 1 bis 4, bestehend aus GZT und Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ mit ausgeglichener Sauerstoffbilanz und bis zu 30 Mass.-% des Katalysators.
 
6. Mischung nach Anspruch 5 mit GZT und Cu(NH₃)₂(NO₃)₂ in einem Verhältnis von 21,6 : 78,4 Mass.-%.
 
7. Mischung nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Kühlmittel ganz oder teilweise aus Fe₂ O₃ besteht.
 




Zeichnung







Recherchenbericht