[0001] Die Erfindung betrifft einen hochtemperaturbeständigen, korrosionsfesten Werkstoff,
welcher überwiegend aus Aluminium und Titan besteht.
[0002] Ein solcher Werkstoff ist beispielsweise in der DE-A-42 15 017 als Werkstoff für
beispielsweise Turbinenschaufeln beschrieben. Der Werkstoff soll bei Hochtemperatureinsatz
bis zu 900°C dadurch eine Oxidations- und Korrosionsbeständigkeit erlangen, daß sich
statt einer schnellwachsenden TiO₂-Schicht eine langsam wachsende Al₂O₃-Schicht bildet.
[0003] Die EP-A-04 95 454 beschreibt ebenfalls einen Werkstoff aus Aluminium und Titan,
bei dem eine Schutzschicht aus Al₂O₃ eine Korrosion des Werkstoffs verhindern soll.
Die vorgeschlagene Aluminium-Titanlegierung ist als Werkstoff für Motorenteile, insbesondere
Ventile und Kolbenstifte bestimmt.
[0004] In verschiedenen Bereichen der Chemie, Petrochemie und thermischen Abfallentsorgung
sowie der Energietechnik herrschen Atmosphären, denen die bisher verwendeten Werkstoffe
nur unzureichend standhalten. Solche Atmosphären sind gekennzeichnet durch niedrige
Sauerstoffpartialdrücke, beispielhaft im Bereich von 1x10⁻³⁴ bis 1x10⁻²⁷ bar und z.B.
H₂S-Gehalten von bis zu 1 Vol.% und höher (Ullmann's Encyclopedia of Industrial Chemistry,
Bände A12, s. 169 - 306 und A18, S. 52 - 99, VCH Verlag, Weinheim 1989 und 1991).
Beispiel für Prozesse, in denen solche Atmosphären vorliegen, sind die Destillation
und die Vergasung von Teer und Schwerölrückständen, die Vergasung von Kohle sowie
die Vergasung von (Sonder-)Müll (B. Glaser, M. Schütze, F. Vollhard: Werkstoffe und
Korrosion 42 (1991) 374 - 376). Bisher werden als Werkstoffe in diesen Verfahren niedriglegierte
warmfeste sowie hochlegierte Chrom-Nickel-Stähle für die metallischen Komponenten
der Anlagen eingesetzt (H.M. Ondik, B.W. Christ, A. Perolff: Contruction Materials
for Coal Conversion; Performance and Properties Data; - National Bureau of Standards;
Washington, DC; USA; 1982 und Veröffentlichungsband "Corrosion Resistant Materials
for Coal Conversion Systems"; Applied Science Publishers LTD, London, England (1982)).
Aufgrund der ungenügenden Korrosionsbeständigkeit dieser Werkstoffe in den genannten
Atmosphären liegen die Werkstofftemperaturen im Betrieb in der Regel unter 400°C,
und als Folge der starken Korrosionserscheinungen müssen die Komponenten teilweise
nach Betriebszeiten in der Größenordnung von einem Jahr durch neue ersetzt werden.
Die Metallabtragsraten, die unter diesen Bedingungen in den Anlagen beobachtet werden,
nehmen oft Größenordnungen von 1 mm pro Jahr an. Da in zunehmendem Maße die Wärmerückgewinnung
in entsprechenden Anlagen eine wesentliche Rolle spielt, ist es notwendig, geeignete
Wärmetauschereinrichtungen in die Prozesse zu integrieren. Unter diesem Gesichtspunkt
sind möglichst hohe Werkstofftemperaturen an den Wärmetauscherflächen erstrebenswert,
um einen hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Bisherige Versuche, als Wärmetauscherwerkstoff
keramische Werkstoffe einzusetzen, sind aufgrund deren Sprödigkeit sowohl in Form
von Struktur- als auch von Beschichtungswerkstoffen gescheitert. Die intermetallischen
Titanaluminidwerkstoffe (Übersicht über diese neue Werkstoffgruppe in Y.-W. Kim, Journal
of Materials, July 1989, S. 24 - 30) bieten sich dagegen aufgrund ihrer zwischen den
metallischen und den keramischen Werkstoffen liegenden Eigenschaften als Werkstoffe
für den Einsatz unter diesen Bedingungen an, ohne die genannten Zähigkeitsprobleme
aufzuweisen.
[0005] Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe bestand darin, einen Werkstoff zu entwickeln,
der in den eingangs genannten Umgebungen bei deutlich höheren Temperaturen ohne massiven
Korrosionsangriff eingesetzt werden kann, als dies mit den bisher verwendeten technischen
Werkstoffen möglich war.
[0006] Die Lösung der Aufgabe geschieht grundsätzlich mit den Merkmalen aus dem kennzeichnenden
Teil des Patentanspruchs 1. Vorteilhafte Ausführungsformen sind in den Unteransprüchen
2 - 10 beschrieben.
[0007] Ein solcher Werkstoff hat eine hohe Beständigkeit gegen Korrosionsangriff sowohl
unter isothermer als auch unter Temperaturwechselbelastung. Der Grundgedanke der Erfindung
besteht darin, daß ein Werkstoff in einer korrosiv wirkenden Umgebung bei hohen Temperaturen
nur dann beständig ist, wenn bei Reaktion mit der umgebenden Atmosphäre sehr dünne,
dichte und äußerst langsam wachsende Korrosionsproduktschichten gebildet werden, die
eine Barrierewirkung zwischen der äußeren Umgebung und dem Metall entwickeln. Bei
den bisher in der Technik in den genannten Umgebungen eingesetzten Werkstoffen ist
dies bei Temperaturen oberhalb von 400°C und in der Regel auch bei darunterliegenden
Temperaturen nicht der Fall, da sich hier schnellwachsende Sulfide der Elemente Fe,
Cr, Ni bzw. Mischsulfide aus diesen Elementen bilden, vgl. S. Mrowec, K. Przybylski:
High Temp. Mat. and Processes 6 (1984), 1 - 79 und H.J. Grabke: Materials at High
Temperatures 11 (1993), 23 - 29. Hingegen wurde gefunden, daß Titanaluminide selbst
in Atmosphären mit extrem niedrigen Sauerstoffpartialdrücken sehr dünne und dichte
Oxidschichten ausbilden, die mindestens bis zu Temperaturen von 700°C nur äußerst
langsam wachsen. Der Verlauf der Korrosion erfolgt in diesem Fall annähernd nach einem
parabolischen Zeitgesetz, und die resultierenden Zunderkonstanten liegen bei 700°C
nur bei Werten von 5x10⁻¹⁴ g² cm⁻⁴ s⁻¹. Die entsprechenden schützenden Oxidschichten
sind theoretisch selbst bei Sauerstoffpartialdrücken von 10⁻⁴⁵ bar bei einer Temperatur
von 700°C noch stabil, vgl. A. Rahmel und P.J. Spencer, Oxidation of Metals 35 (1991)
53 - 68. Sollte es dennoch zur Bildung von Sulfiden auf der Oberfläche kommen, so
zeigen die Untersuchungen, daß trotzdem die Metallabtragsraten bei Temperaturen bis
zu 700°C extrem niedrig sind.
[0008] Der Werkstoff kann sowohl als Strukturwerkstoff für Bauteile direkt verwendet werden
als auch in Form eines Beschichtungswerkstoffes auf kostengünstigen un- und niedriglegierten
Stählen. Titanaluminidlegierungen können für Strukturanwendungen gefertigt werden
in Form von feingegossenen Teilen, pulvermetallurgisch hergestellten Teilen, Schmiedeteilen,
stranggepreßten Teilen und gewalzten Blechen, vgl. Berichtsband BMFT-Symposium Materialforschung
- Neue Werkstoffe, PLR Jülich 1994. Für die Beschichtung bieten sich Verfahren des
Plasmaspritzens an. Da die thermischen Ausdehnungskoeffizienten der Titanaluminide
und der un- und niedriglegierten warmfesten Stähle sehr nahe beieinanderliegen, siehe
J.H. Schneibel et al.: Materials Science and Engineering, A152 (1992), 126 - 131,
und TAPP, A Database of Thermochemical and Physical Properties, E S Microware, Inc.;
OH (USA), 1991, bietet sich diese Werkstoffkombination als Schichtverbund für Hochtemperaturanwendungen
an, da beim Abkühlen von der Betriebstemperatur keine kritischen mechanischen Spannungen
in dem Schicht/Substratverbund induziert werden, die in anderen Fällen (z.B. bei Keramikbeschichtungen)
zu einem Abplatzen der Beschichtung geführt haben. Des weiteren folgt aus diesen Aspekten
eine besonders gute Temperaturwechselbeständigkeit im Betrieb. Eine möglicherweise
beim Spritzprozeß nicht gänzlich zu vermeidende Porosität in der Schicht wird durch
die Bildung von Korrosionsprodukten aus der Reaktion mit der Umgebung unter Betriebsbedingungen
verschlossen. Die Beschichtung wird auf diese Weise dicht gegenüber einem Durchtritt
der Gasatmosphäre von der Umgebung zum Substratmetall. Die Erfindung wird durch die
nachstehenden Beispiele erläutert.
Beispiel 1:
[0009] In einem kontinuierlich durchströmten Rohrreaktor wird eine Legierung mit 51 Atom%
Aluminium und 49 Atom% Titan einer sulfidierenden Gasatmosphäre mit 1 Vol.% Schwefelwasserstoff
in einem Trägergas aus Argon und mit 5 Vol.% Wasserstoff ausgesetzt. Der Reaktor wird
durch einen ihn umschließenden Rohrofen elektrisch beheizt. Bei der eingestellten
Temperatur von T = 700°C beträgt der Gleichgewichtspartialdruck des Schwefels im Reaktionsgas
durch die Dissoziationsreaktion des Schwefelwasserstoffs 1x10⁻⁶ bar, während der Sauerstoffpartialdruck
bei einem Wert unterhalb von 1x10⁻²⁶ bar liegt.
[0010] Nach einer isothermen Auslagerung des Werkstoffs über einen Zeitraum von 500 Stunden
beträgt die meßbare flächenspezifische Massenzunahme durch Reaktion in der Gasatmosphäre
lediglich 0,13 mg/cm², während die technisch eingesetzten Legierungen X10CrNiTi18
9 (Werkstoff-Nr. 1.4541), alloy 800H (X10NiCrAlTi32 20, Werkstoff-Nr. 1.4876) und
HK40 (G-X10CrNiSi25 20, Werkstoff-Nr. 1.4848) unter denselben Bedingungen flächenspezifische
Massenzunahmen durch Sulfidierung von über 160 mg/cm² aufweisen.
[0011] Auf den letztgenannten Werkstoffen bilden sich in der beschriebenen schwefelhaltigen
Atmosphäre bereits schnellwachsende Sulfiddeckschichten von mehreren hundert Mikrometern
Dicke aus. In rasterelektronenmikroskopischen Nachuntersuchungen der Titan-Aluminium-Legierung
können lediglich einzelne Kristalle mit Abmessungen von wenigen Mikrometern auf der
Probenoberfläche nachgewiesen werden.
[0012] Somit besitzt die Legierung bei Bedingungen, unter denen kommerziell eingesetzte,
hochlegierte Stähle massiv geschädigt werden, eine um bis zu drei Größenordnungen
verminderte Korrosionsgeschwindigkeit.
Beispiel 2:
[0013] In der im Beispiel 1 beschriebenen Versuchsanordnung werden Titan-Aluminium-Legierungen
unterschiedlicher Zusammensetzung einer schwefelwasserstoffhaltigen Gasatmosphäre
bei erhöhter Temperatur ausgesetzt.
[0014] Neben der im Beispiel 1 genannten Legierung mit 51 Atom% Aluminium werden Proben
mit 50 bzw. 46 Atom% Aluminium sowie 0,8 - 2 Atom% Niob, 0 - 1,4 Atom% Chrom und 0,1
- 0,2 Atom% Silizium getestet.
[0015] Als Reaktionsgas dient wiederum ein Argon/Wasserstoff-Trägergasgemisch (5 Vol.% Wasserstoff)
mit 1 Vol.% Schwefelwasserstoff.
[0016] In der Praxis wirken sich betriebsbedingte Temperaturwechselbeanspruchungen von Bauteilen
besonders nachteilig auf das Korrosionsverhalten der Werkstoffe aus, da thermisch
induzierte Spannungen zu Deckschichtschädigungen und damit zur beschleunigten Korrosion
führen. Vor diesem Hintergrund wird mit Hilfe beweglicher Ofenhalbschalen, die sich
computergesteuert öffnen und schließen, eine thermozyklische Versuchsführung mit schnellen
Abkühlvorgängen realisiert. Ausgehend von einer oberen Haltetemperatur von T = 500°C
wird das Reaktionsgas in Zyklusintervallen von 24 Stunden jeweils auf 350°C abgekühlt
und anschließend erneut aufgeheizt. Diese Prozedur wird über eine Zeitdauer von insgesamt
504 Stunden fortgeführt. Der Gleichgewichtspartialdruck des Schwefels beträgt bei
der maximalen Temperatur von T = 500°C 3x10⁻⁹ bar, der Partialdruck des Sauerstoffs
liegt unter 10⁻³³ bar.
[0017] Nach Versuchsbeendigung betragen die flächenspezifischen Massenänderungen der Titan-Aluminium-Legierungen
0,03 - 0,04 mg/cm². Bei zu Vergleichszwecken mitausgelagerten Stahlproben liegen die
Werte zwischen 21 mg/cm² (St37, Werkstoff-Nr. 1.0212) und 10mg/cm² (X10CrNiTi18 9,
Werkstoff-Nr. 1.4541). Metallographische Nachuntersuchungen der aus handelsüblichen
Wärmeaustauscherrohren entnommenen Proben zeigen, daß es unter den Reaktionsbedingungen
zur Ausbildung sulfidischer Deckschichten gekommen ist, die sich durch die Temperaturänderungen
mehrfach vom Substrat abgelöst und somit jegliche Diffusionsbarrierewirkung verloren
haben. Auf den Oberflächen der Titan-Aluminium-Legierungen können im Rasterelektronenmikroskop
selbst bei einem Vergrößerungsfaktor von 4500 keine äußeren Korrosionsprodukte gefunden
werden.
[0018] Die getesteten Legierungen auf der Basis von Titan und Aluminium weisen somit in
sulfidierender Gasatmosphäre auch unter Temperaturwechselbeanspruchung eine hervorragende
Korrosionsbeständigkeit auf.
1. Hochtemperaturbeständiger, korrosionsfester Werkstoff, welcher überwiegend aus Aluminium
und Titan besteht, dadurch gekennzeichnet, daß sein Legierungsgehalt an Aluminium 22 - 56 Atom% beträgt und er in Anlagen mit
Prozeßgasen Verwendung findet, welche auf Grund ihres Gehaltes an schwefelhaltigen
Verbindungen sulfidierend auf die bisher eingesetzten Werkstoffe wirken, insbesondere
wenn es sich um solche mit sehr niedrigen Sauerstoffpartialdrücken ("reduzierende"
Atmosphären) handelt.
2. Werkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß er in Anlagen mit Prozeßgasen Verwendung findet, welche einen H₂S-Gehalt um
1 Vol.%, einen Sauerstoffpartialdruck im Bereich von 1x10⁻³⁴ bar bis 1x10⁻²⁷ bar haben
und die den Werkstoff bis zu 700°C erwärmen.
3. Werkstoff nach den Ansprüchen 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß er als Strukturwerkstoff eingesetzt wird.
4. Werkstoff nach den Ansprüchen 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß er als Beschichtungswerkstoff eingesetzt wird.
5. Werkstoff nach Anspruch 1, 2 und 3 oder 1, 2 und 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung noch weitere Element enthält, wobei der Aluminiumgehalt in den
Grenzen von Anspruch 1 liegt, während der Titangehalt entsprechend reduziert ist.
6. Werkstoff nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung bis zu 7 Atom% Niob enthält.
7. Werkstoff nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung bis zu 3 Atom% Chrom enthält.
8. Werkstoff nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung bis zu 2 Atom% Silizium enthält.
9. Werkstoff nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung bis zu 7 Atom% Wolfram enthält.
10. Werkstoff nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Legierung bis zu 7 Atom% Molybdän enthält.
11. Werkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß er durch Voroxidation in Luft oder reinem Sauerstoff bei Werkstofftemperaturen
von 600°C bis 1350°C eine Oxidschicht von maximal 20 µm aufweist.