(19)
(11) EP 0 716 280 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
12.06.1996  Patentblatt  1996/24

(21) Anmeldenummer: 95118951.3

(22) Anmeldetag:  01.12.1995
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6F25J 3/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
BE DE FR GB IT

(30) Priorität: 05.12.1994 DE 4443190

(71) Anmelder: Linde Aktiengesellschaft
D-65189 Wiesbaden (DE)

(72) Erfinder:
  • Pompl, Gerhard, Dipl.-Ing.
    D-81541 München (DE)

(74) Vertreter: Kasseckert, Rainer 
Linde Aktiengesellschaft, Zentrale Patentabteilung
D-82049 Höllriegelskreuth
D-82049 Höllriegelskreuth (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtungen zur Tieftemperaturzerlegung von Luft


(57) Das Verfahren und die Vorrichtung dienen zur Tieftemperaturzerlegung von Luft. Ein erster Teilstrom (101) von verdichteter und gereinigter Luft (1) wird abgekühlt (2), einem Hauptrektifiziersystem (4) zugeführt und dort in flüssigen Sauerstoff und gasförmigen Stickstoff zerlegt. Eine flüssige Produktfraktion (beispielsweise Sauerstoff 20 und/oder Stickstoff 29) wird in indirektem Wärmeaustausch (2) mit einem zweiten Teilstrom (202, 203) von verdichteter und gereinigter Luft verdampft. Der zweite Teilstrom (202, 203) kondensiert bei dem indirekten Wärmeaustausch (2) mindestens teilweise. Mindestens ein Teil des zweiten Teilstroms (203) stromabwärts des indirekten Wärmeaustauschs (2) mit der flüssigen Produktfraktion (20; 29) wird als Kühlmedium (204) für die Kopfkühlung (27) einer der Hauptrektifiziersystem (4) nachgeschalteten Rohargonsäule (24) verwendet. Der zweite Teilstrom stellt die gesamte oder im wesentlichen die gesamte für die Verflüssigung (27) von Rohargon benötigte Kälte zur Verfügung. Vorzugsweise wird mindestens ein Teil des bei dem indirekten Wärmeaustausch im im Kopfkondensator (27) der Rohargonsäule verdampften zweiten Teilstroms (205) ohne weitere Druckerhöhung in das Hauptrektifiziersystem (4) eingeleitet.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Teilstrom von verdichteter und gereinigter Luft abgekühlt, einem Hauptrektifiziersystem zugeführt und dort in flüssigen Sauerstoff und gasförmigen Stickstoff zerlegt wird, wobei in einem ersten Kondensator-Verdampfer eine flüssige Produktfraktion in indirektem Wärmeaustausch mit einem zweiten Teilstrom von verdichteter und gereinigter Luft verdampft, der zweite Teilstrom bei dem indirekten Wärmeaustausch in dem ersten Kondensator-Verdampfer mindestens teilweise kondensiert und eine argonhaltige Sauerstofffraktion aus dem Hauptrektifiziersystem einer Rohargonsäule zugeführt und dort in Rohargon und in eine sauerstoffreiche Restflüssigkeit getrennt wird und wobei dampfförmiges Rohargon vom Kopf der Rohargonsäule durch indirekten Wärmeaustausch mit mindestens einem Teil des zweiten Teilstroms stromabwärts des ersten Kondensator-Verdampfers in einem zweiten Kondensator-Verdampfer verflüssigt wird, wobei in dem zweiten Kondensator-Verdampfer mindestens ein Teil des zweiten Teilstroms verdampft.

[0002] Die Grundlagen der Tieftemperatur-Luftzerlegung und der daran anschließenden Argongewinnung sind in Hausen/Linde, Tieftemperaturtechnik, 2. Auflage 1985, insbesondere auf den Seiten 332 bis 334 beschrieben. Das Hauptrektifiziersystem eines Luftzerlegers, in dem Sauerstoff und Stickstoff gewonnen werden, umfaßt mindestens eine, häufig zwei Rektifiziersäulen. Prozesse mit Verdampfung einer flüssig gewonnenen Produktfraktion sind in EP-A-341854 und EP-B-93448 gezeigt. Bei den meisten bekannten Prozessen wird die gegen den verdampfenden Sauerstoff (häufig vollständig oder fast vollständig) kondensierte Luft flüssig in eine der Rektifiziersäulen eingespeist. Dies muß aufgrund ihrer Zusammensetzung auf mittlerer Höhe der Säule, also oberhalb des Sumpfes und unterhalb des Kopfes geschehen. Diese Einspeisung von Flüssigkeit auf einem Zwischenniveau stört die Rektifikation und führt zu einer Verminderung der Produktreinheit und/oder -ausbeute.

[0003] In der US-A-5245831 (Figur 4) wurde der Vorschlag gemacht, einen Teil der für die Kühlung der Rohargonsäule benötigten Kälte durch verflüssigte Einsatzluft bereitzustellen. Allerdings bedingt die dort beschriebene Verfahrensweise den Einsatz zweier Kondensator-Verdampfer an der Rohargonsäule und ist damit apparativ und regeltechnisch sehr aufwendig; außerdem wird die verdampfte Luft wieder angewärmt, zum Luftverdichter zurückgeführt und ein zweites Mal verdichtet und gereinigt, so daß Hauptwärmetauscher (zusätzliche Passage), Verdichter und Molsiebanlage entsprechend groß dimensioniert sind und zusätzliche Energie verbraucht wird.

[0004] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, das Verfahren und die Vorrichtung der eingangs genannten Art besonders wirtschaftlich zu gestalten und insbesondere eine besonders hohe Produktreinheit und/oder eine besonders große Produktausbeute bei einem besonders geringen apparativen und betriebstechnischen Aufwand und/oder bei einem besonders niedrigen Energieverbrauch zu erreichen.

[0005] Diese Aufgabe wird in einer ersten Variante der Erfindung dadurch gelöst, daß die gesamte oder im wesentlichen die gesamte für die Verflüssigung von Rohargon benötigte Kälte durch die Verdampfung des zweiten Teilstroms zur Verfügung gestellt wird.

[0006] Die Kältemenge, die für die Verflüssigung von Rohargon benötigt wird, entspricht mindestens der Verdampfungswärme der Rücklaufmenge für die Rohargonsäule. Falls Rohargon flüssig aus der Rohargonsäule abgezogen wird, kann zusätzlich die Kältemenge für Produktmenge hinzukommen, beispielsweise wenn die Produktverflüssigung im zweiten Kondensator-Verdampfer stattfindet; alternativ kann die Produktverflüssigung des Rohargons auch mit Hilfe eines anderen Kältemittels durchgeführt werden, vorzugsweise in einem getrennten Kondensator. Mit "im wesentlichen die gesamte" sind mindestens 90 %, vorzugsweise mindestens 95 %, höchst vorzugsweise mindestens 99 % dieser Kältemenge gemeint. Die restliche Kältemenge kann beispielsweise durch die Zuspeisung einer geringen Menge einer weiteren Flüssigfraktion (z.B. Sumpf- oder Zwischenflüssigkeit aus einer der Säulen) auf die Verdampfungsseite des zweiten Kondensator-Verdampfers geliefert werden. Bei der Erfindung wird vorzugsweise ein einziger Wärmetauscher als zweiter Kondensator-Verdampfer eingesetzt. Er kann apparativ auch durch mehr als einen Block realisiert sein, wobei die Verdampfungsräume miteinander kommunizieren.

[0007] Bei der ersten Variante der Erfindung benötigt man also nur einen einzigen Kondensator-Verdampfer zur Kühlung der Rohargonsäule. Gleichzeitig kann man die - im Vergleich zur Verampfung von Zerlegungsprodukten billige - Kälte der kondensierten Luft zur Rohargonverflüssigung verwenden. Zusätzlich braucht nur wenig oder keine Flüssigluft in die Rektifiziersäule(n) eingespeist zu werden, beispielsweise 0,0 bis 15 mol%, vorzugsweise 0,3 bis 5,0 mol% der gesamten Einsatzluft. Man erhält eine hohe Produktausbeute und -reinheit. (Umgekehrt ist es natürlich möglich, gegenüber einem entsprechenden Verfahren mit Flüssiglufteinspeisung in die Säule Ausbeute und Reinheit konstant zu halten und statt dessen die Zahl der theoretischen Böden zu verringern, also Investionskosten einzusparen.)

[0008] Darüber hinaus ist der Stickstoffgehalt der verflüssigten Luft im zweiten Teilstrom höher als derjenige in der Sumpfflüssigkeit aus einer der Säulen des Hauptrektifiziersystems, die üblicherweise im Kopfkondensator der Rohargonsäule verdampft wird. Damit kann der Kopf der Rohargonsäule mit einem besonders niedrigen Druck gefahren werden, beispielsweise 1,10 bis 1,20 bar, vorzugsweise ca. 1,15 bar. Bei gleichbleibendem Druckverlust pro theoretischem Boden kann damit die Trennleistung der Rohargonsäule verbessert werden, oder man kann (preiswertere) Stoffaustauschelemente mit höherem Druckverlust pro theoretischem Boden einsetzen und trotzdem eine hohe Trennwirkung erreichen. Beispielsweise ist es mit Hilfe der Erfindung möglich, mit konventionellen Siebböden theoretische Bodenzahlen in der Rohargonsäule von mehr als 120, beispielsweise 120 bis 165, zu realisieren und dabei einen Sauerstoffgehalt von weniger als 10 ppm, vorzugsweise bis zu 1 ppm zu erreichen.

[0009] Die oben beschriebene Aufgabe wird in einer zweiten Variante der Erfindung dadurch gelöst, daß mindestens ein Teil (beispielsweise 80 bis 100 mol%, vorzugsweise 95 bis 100 mol%) des bei dem indirekten Wärmeaustausch im zweiten Kondensator-Verdampfer verdampften zweiten Teilstroms ohne weitere Druckerhöhung in das Hauptrektifiziersystem eingeleitet wird. Vorzugsweise wird sogar der größte Teil des verdampften zweiten Teilstrom oder der gesamte verdampfte zweite Teilstrom in die oder eine der Rektifiziersäulen des Hauptrektifiziersystems eingespeist.

[0010] Damit gehen die an diesem Luftstrom bereits geleisteten Vorarbeiten (Verdichtung, Reinigung, Abkühlung) nicht für das Trennverfahren verloren. Umgekehrt stellt die dampfförmige Zuführung keine solch starke Störung der Rektifikation wie eine Flüssigeinführung dar. Gegenüber der US-A-5245831 ergibt sich eine Erhöhung der Effizienz.

[0011] Die flüssige Produktfraktion kann bei beiden Varianten der Erfindung durch jede Luftkomponente oder durch jedes aus Luftbestandteilen bestehende Gemisch gebildet sein, beispielsweise durch Sauerstoff oder Stickstoff oder auch durch ein Zwischenprodukt wie Rohargon, das außer Argon noch geringe Mengen von Sauerstoff und/oder Stickstoff enthält. Selbstverständlich ist es möglich, mehrere flüssige Produktfraktionen (beispielsweise unterschiedlicher Zusammensetzung und/oder unterschiedlichen Drucks) gegen den zweiten Luftteilstrom zu verdampfen. Die Flüssigkeit kann beispielsweise einer Rektifiziersäule oder einem Speicher- oder Puffertank entnommen werden. Als erster Kondensator-Verdampfer können der Hauptwärmetauscher, in dem auch die Anwärmung der gasförmigen Produkte gegen Einsatzluft stattfindet, oder ein getrennter Wärmetauscher (Nebenkondensator) eingesetzt werden.

[0012] Bei beiden Varianten der Erfindung kann der zweite Luftteilstrom beispielsweise 35 bis 45 mol%, vorzugsweise 35 bis 40 mol% der gesamten Einsatzluftmenge enthalten; der Rest der Einsatzluft oder ein Teil davon bildet den ersten Luftteilstrom.

[0013] Die Erfindung kann mit Vorteil bei einem Doppelsäulenverfahren angewendet werden, also wenn das Hauptrektifiziersystem eine Drucksäule und eine Niederdrucksäule aufweist. Hierbei werden der erste Luftteilstrom in die Drucksäule eingeführt und die argonhaltige Sauerstofffraktion aus der Niederdrucksäule abgezogen. Vorzugsweise wird die flüssige Produktfraktion, gegen die der zweite Luftteilstrom kondensiert, in diesem Fall durch einen flüssigen Sauerstoffstrom aus der Niederdrucksäule gebildet.

[0014] Eine Kombination der Merkmale beider Varianten der Erfindung kombiniert auch deren Vorteile. Beispielsweise kann der gesamte verflüssigte zweite Luftteilstrom in den zweiten Kondensator-Verdampfer geleitet werden, wobei der darin erzeugte Dampf teilweise oder vollständig in eine Rektifiziersäule (beispielsweise die Niederdrucksäule einer Doppelsäule) geführt wird.

[0015] Wenn beispielsweise gasförmiger Sauerstoff unter erhöhtem Druck gewonnen werden soll, ist es günstig, wenn der Druck der flüssigen Produktfraktion stromaufwärts des indirekten Wärmeaustauschs mit dem zweiten Teilstrom erhöht wird. Dadurch kann die Verdichtung des gasförmigen Produkts ganz oder teilweise eingespart werden; insgesamt werden durch die sogenannte Innenverdichtung auf besonders wirtschaftliche Weise ein oder mehrere Druckprodukte wie Drucksauerstoff, Druckstickstoff und/oder unter Druck stehendes Rohargon erzeugt.

[0016] Dabei ist es vorteilhaft, wenn der zweite Teilstrom bei dem indirekten Wärmeaustausch mit dem flüssigen Sauerstoffstrom unter einem Druck steht, der höher ist als der höchste Druck im Hauptrektifiziersystem, beispielsweise unter einem überkritischen Druck; der Druck des zweiten Luftteilstroms kann beispielsweise 30 bis 55 bar, vorzugsweise 45 bis 52 bar über dem höchsten Druck im Hauptrektifiziersystem (z.B. dem Betriebsdruck einer Drucksäule) liegen. Die Verflüssigungstemperatur der gegen die verdampfende Produktfraktion kondensierenden Luft kann damit an die Verdampfungstemperatur der Produktfraktion angepaßt werden. Für die Verdichtung von Luft auf den hohen Druck gibt es grundsätzlich zwei Varianten. Entweder wird die gesamte Zerlegungsluft auf den hohen Druck verdichtet und der nicht für die Flüssigproduktverdampfung benötigte Luftanteil wird auf den Druck der Rektifiziersäule(n) entspannt, beispielsweise arbeitsleistend; oder die Gesamtluft wird nur auf den für die Einführung in die Rektifiziersäule(n) benötigten Druck gebracht und lediglich ein Teil der Luft, der den zweiten Teilstrom einschließt, wird auf den hohen Druck nachverdichtet. Ein Teil der nachverdichteten Luft kann auch in diesem Fall zur Kälteerzeugung mittels arbeitsleistender Entspannung genutzt werden. In beiden Fällen kann auch die Druckenergie im zweiten Teilstrom in einer arbeitsleistende Entspannung teilweise zurückgewonnen werden (siehe EP-B-93448).

[0017] Es ist vorteilhaft, wenn eine Gesamtproduktmenge, deren Normvolumen mindestens 21 %, beispielsweise 21 bis 30 %, vorzugsweise 22 bis 25 % der Einsatzluftmenge entspricht, dem Hauptrektifiziersystem in flüssiger Form entnommen wird. Der Anteil bezieht sich auf das Normvolumen. Diese flüssige Entnahme kann sowohl durch Herausführen aus der oder den Rektifiziersäulen in flüssigem Zustand und anschließende externe Verdampfung, vorzugsweise unter Druck, geschehen (z.B. Verdampfung der flüssigen Produktfraktion im ersten Kondensator-Verdampfer), als auch durch die Entnahme als Flüssigprodukt, beispielsweise zur Speicherung in Tanks. Der Anteil von 21 % kann beispielsweise dadurch erreicht werden, daß das gesamte Sauerstoffprodukt im ersten Kondensator-Verdampfer verdampft und zusätzlich eine kleine Menge Stickstoffs und/oder Sauerstoffs als Flüssigprodukt gewonnen werden.

[0018] Vorzugsweise wird ein dritter Teilstrom von verdichteter und gereinigter Luft arbeitsleistend entspannt und dem Hauptrektifiziersystem zugeführt. Dessen Menge beträgt beispielsweise 0 bis 45 mol%, vorzugsweise 15 bis 40 mol% der gesamten Einsatzluft; der zweite Luftteilstrom enthält beispielsweise 35 bis 45 mol%, vorzugsweise 35 bis 40 mol% der gesamten Einsatzluftmenge; der Rest der Einsatzluft bildet den ersten Luftteilstrom.

[0019] Der dritte Teilstrom kann beispielsweise vom zweiten Teilstrom abgezweigt werden, vorzugsweise stromabwärts eines Nachverdichters, der den zweiten Teilstrom auf einen Druck oberhalb des Maximaldrucks des Hauptrektifiziersystems bringt. Für den Fall, daß die Gesamtluft auf diesen hohen Druck verdichtet wird, kann der dritte Teilstrom auch vom ersten abgezweigt oder sogar mit dem ersten Teilstrom identisch sein. Im Falle eines Doppelsäulenverfahrens wird der entspannte dritte Teilstrom vorzugsweise in die Drucksäule eingespeist.

[0020] Alternativ dazu kann die arbeitsleistende Entspannung des dritten Teilstroms (beispielsweise nach Abzweigung vom ersten Teilstrom) auch von etwa Drucksäulendruck auf Niederdrucksäulendruck führen; die entspannte Luft muß dann in die Niederdrucksäule geleitet werden.

[0021] In günstiger Weise kann ein weiterer flüssiger Produktstrom in indirektem Wärmeaustausch mit verdichteter und gereinigter Luft verdampft werden. Beispielsweise kann zusätzlich zur Hauptmenge des Sauerstoffprodukts ein kleinerer Flüssigstrom an Stickstoff und/oder Rohargon latente Wärme mit kondensierender Luft austauschen, beispielsweise mit dem zweiten Luftteilstrom.

[0022] Auch eine Vorrichtung zur Tieftemperaturzerlegung von Luft gemäß den Patentansprüchen 10 bis 12 ist Teil der Erfindung.

[0023] Die Erfindung sowie weitere Einzelheiten der Erfindung werden im folgenden anhand eines in der Zeichnung schematisch dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert.

[0024] Ein erster Teilstrom 101 verdichteter und gereinigter Luft 1 wird unter einem Druck von 5 bis 10 bar, vorzugsweise 5,5 bis 6,5 bar in einem Hauptwärmetauscher 2 im indirekten Wärmeaustausch mit Produktströmen auf etwa Taupunkt abgekühlt. Das Hauptrektifiziersystem weist eine Doppelsäule 4 mit Drucksäule 5 (5 bis 10 bar, vorzugsweise 5,5 bis 6,5 bar), Niederdrucksäule 6 (1,3 bis 2 bar, vorzugsweise 1,5 bis 1,7 bar) und dazwischenliegendem Hauptkondensator 7 auf. Sumpfflüssigkeit 9 aus der Drucksäule 5 wird in einem Gegenströmer 8 gegen Produktströme der Niederdrucksäule unterkühlt und in die Niederdrucksäule 6 eingespeist (Leitung 10).

[0025] Gasförmiger Stickstoff 11 vom Kopf der Drucksäule 5 wird im Hauptkondensator 7 gegen verdampfende Flüssigkeit im Sumpf der Niederdrucksäule 6 verflüssigt. Das Kondensat 12 wird zu einem Teil als Rücklauf auf die Drucksäule 5 aufgegeben (Leitung 13) und zu einem anderen Teil 14 nach Unterkühlung 8 in die Niederdrucksäule 6 eingespeist (15). Niederdruckstickstoff 16 und unreiner Stickstoff 17 werden nach Entnahme aus der Niederdrucksäule 6 in den Wärmetauschern 8 und 2 auf etwa Umgebungstemperatur angewärmt.

[0026] Produktsauerstoff wird als flüssiger Sauerstoffstrom 18 aus dem Sumpf der Niederdrucksäule 6 abgezogen und mittels einer Pumpe 19 auf einen erhöhten Druck von beispielsweise 5 bis 80 bar gebracht, je nach benötigtem Produktdruck. (Selbstverständlich sind auch andere Methoden zur Druckerhöhung in der flüssigen Phase anwendbar, beispielsweise durch Ausnutzung eines hydrostatischen Potentials oder durch Druckaufbauverdampfung an einem Speichertank.) Der flüssige Hochdrucksauerstoff 20 wird im Hauptwärmetauscher 2 verdampft und als innenverdichtetes gasförmiges Produkt 21 abgezogen.

[0027] Gegen den verdampfenden Produktstrom wird ein zweiter Teilstrom 201, 202 der verdichteten und gereinigten Luft kondensiert, nachdem er in einem Nachverdichter 206 auf einen Druck von 12 bis 60 bar, vorzugsweise 15 bis 40 bar gebracht wurde.

[0028] Eine argonhaltige Sauerstofffraktion 22 aus der Niederdrucksäule 6 wird in einer Rohargonsäule 24 in Rohargon am Kopf der Säule und in eine sauerstoffreiche Restflüssigkeit zerlegt. Letztere wird über Leitung 23, gegebenenfalls durch eine Pumpe gefördert, in die Niederdrucksäule 6 zurückgespeist. Zur Erzeugung von Rücklauf 25 und gegebenenfalls zur Gewinnung von flüssigem Rohargon 26 wird das gasförmige Rohargon in einem Kopfkondensator 27 durch indirekten Wärmeaustausch verflüssigt. (Das Rohargonprodukt kann alternativ oder zusätzlich als Gas entnommen werden.) Im Rahmen der Erfindung sind auch andere Varianten zur Argon-Sauerstofftrennung als die in der Zeichnung dargestellte möglich, insbesondere die in der DE-A-4317916 = EP-A-628777 gezeigte. Zu weiteren Details der Argongewinnung durch Luftzerlegung wird außerdem auf die EP-B-377117 und die älteren Anmeldungen DE 4406051 (EP-A-669508), DE 4406049 und DE 4406069 (EP-A-669509) verwiesen.

[0029] Erfindungsgemäß wird der verflüssigte zweite Teilstrom 203/204 auf die Verdampfungsseite des Kopfkondensators 27 der Rohargonsäule geleitet und dort verdampft. In der Regel wird der zweite Teilstrom zuvor im Gegenströmer 8 unterkühlt und auf etwa Niederdrucksäulendruck gedrosselt (beispielsweise durch ein nicht dargestelltes Entspannungsventil). Der bei dem indirekten Wärmeaustausch mit Rohargon entstandene Dampf wird über Leitung 205 zur Niederdrucksäule 6 und/oder über 205a in die Produktleitung 17 für unreinen Stickstoff geleitet.

[0030] Zusätzlich kann ein weiteres Flüssigprodukt durch Verdampfen gewonnen werden. Im Beispiel der Zeichnung wird flüssiger Stickstoff aus der Drucksäule über die Leitungen 28 und 29 zum Hauptwärmetauscher 2 geführt und über Leitung 30 als gasförmiges Produkt abgezogen werden. Der flüssige Stickstoff kann bei Bedarf innenverdichtet werden, beispielsweise durch eine Pumpe 31.

[0031] Als zusätzliches Flüssigprodukt, das gegen hochverdichtete Luft verdampft wird, kommt außerdem beispielsweise flüssiges Rohargon in Betracht, das gasförmig unter erhöhtem Druck benötigt wird. Rohargon kann - ebenso wie die zu verdampfenden Stickstoff- und Sauerstoffströme - entweder aus einer Säule oder aus einem Puffer- beziehungsweise Speichertank entnommen werden. Anwendbar ist die Erfindung insbesondere auf die Rohargon-Innenverdichtung gemäß EP-A-171711, EP-B-331028 oder EP-B-363861.

[0032] Bei der Verdampfung von mehreren innenverdichteten Produktströmen 20, 29 muß der Druck der kondensierenden Luft sich im Prinzip nach der höchsten Verdampfungstemperatur richten. Für den Fall, daß im Ausführungsbeispiel die Verdampfungstemperatur des innenverdichteten Stickstoffs 29 höher als diejenige des innenverdichteten Sauerstoffs 20, aber die zu verdampfende Flüssigstickstoffmenge deutlich geringer als die Flüssigsauerstoffmenge, ist es möglich, den Luftdruck nach der niedrigeren der beiden Verdampfungstemperaturen zu richten.

[0033] Für ein besonders bevorzugtes Ausführungsbeispiel gelten die folgenden Zahlenwerte:
  Druck in bar
Luftdruck (Leitung 1) 6,50
Zweiter Teilstrom 202/203 58,0
Drucksäule 5 6,20
Niederdrucksäule 6 1,60
Kopf der Rohargonsäule 24 1,05
Verdampfungsseite des Rohargonkondensators 27 1,40
Innenverdichteter Sauerstoff (Leitung 20) 20,0
Innenverdichteter Stickstoff (Leitung 29) 25,0


[0034] Die Verdampfung des oder der Flüssigprodukte gegen den zweiten Teilstrom der Luft kann auch abweichend von der Darstellung in der Zeichnung in einem oder mehreren Nebenkondensatoren, die vom Hauptwärmetauscher getrennt sind, durchgeführt werden.

[0035] Ein Teil des Sauerstoffprodukts kann als Flüssigprodukt gewonnen werden (Leitung 33); ebenso ist es möglich eine gewisse Menge Sauerstoffs gasförmig aus der Niederdrucksäule 6 zu entnehmen und im Hauptwärmetauscher 2 anzuwärmen (in der Zeichnung nicht dargestellt).

[0036] Zur Erzeugung von Verfahrenskälte kann ein dritter Teilstrom 301 vom nachverdichteten zweiten Teilstrom 202 abgezweigt, arbeitsleistend entspannt (Turbine 32) und in das Hauptrektifiziersystem, vorzugsweise in die Drucksäule 5 eingeführt werden.


Ansprüche

1. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Teilstrom (101) von verdichteter und gereinigter Luft (1) abgekühlt (2), einem Hauptrektifiziersystem (4) zugeführt und dort in flüssigen Sauerstoff und gasförmigen Stickstoff zerlegt wird, wobei in einem ersten Kondensator-Verdampfer (2) eine flüssige Produktfraktion (20; 29) in indirektem Wärmeaustausch mit einem zweiten Teilstrom (202, 203) von verdichteter und gereinigter Luft verdampft, der zweite Teilstrom (202, 203) bei dem indirekten Wärmeaustausch in dem ersten Kondensator-Verdampfer (2) mindestens teilweise kondensiert und eine argonhaltige Sauerstofffraktion (22) aus dem Hauptrektifiziersystem (4) einer Rohargonsäule (24) zugeführt und dort in Rohargon und in eine sauerstoffreiche Restflüssigkeit getrennt wird und wobei dampfförmiges Rohargon vom Kopf der Rohargonsäule durch indirekten Wärmeaustausch mit mindestens einem Teil des zweiten Teilstroms (203) stromabwärts des ersten Kondensator-Verdampfers (2) in einem zweiten Kondensator-Verdampfer (27) verflüssigt wird, wobei in dem zweiten Kondensator-Verdampfer (27) mindestens ein Teil des zweiten Teilstroms (203) verdampft, dadurch gekennzeichnet, daß die gesamte oder im wesentlichen die gesamte für die Verflüssigung von Rohargon benötigte Kälte durch die Verdampfung des zweiten Teilstroms (203) zur Verfügung gestellt wird.
 
2. Verfahren zur Tieftemperaturzerlegung von Luft, bei dem ein erster Teilstrom (101) von verdichteter und gereinigter Luft (1) abgekühlt (2), einem Hauptrektifiziersystem (4) zugeführt und dort in flüssigen Sauerstoff und gasförmigen Stickstoff zerlegt wird, wobei in einem ersten Kondensator-Verdampfer (2) eine flüssige Produktfraktion (20; 29) in indirektem Wärmeaustausch mit einem zweiten Teilstrom (202, 203) von verdichteter und gereinigter Luft verdampft, der zweite Teilstrom (202, 203) bei dem indirekten Wärmeaustausch in dem ersten Kondensator-Verdampfer (2) mindestens teilweise kondensiert und eine argonhaltige Sauerstofffraktion (22) aus dem Hauptrektifiziersystem (4) einer Rohargonsäule (24) zugeführt und dort in Rohargon und in eine sauerstoffreiche Restflüssigkeit getrennt wird und wobei dampfförmiges Rohargon vom Kopf der Rohargonsäule durch indirekten Wärmeaustausch mit mindestens einem Teil des zweiten Teilstroms (203) stromabwärts des ersten Kondensator-Verdampfers (2) in einem zweiten Kondensator-Verdampfer (27) verflüssigt wird, wobei in dem zweiten Kondensator-Verdampfer (27) mindestens ein Teil des zweiten Teilstroms (203) verdampft, dadurch gekennzeichnet, daß mindestens ein Teil des bei dem indirekten Wärmeaustausch im zweiten Kondensator-Verdampfer (27) verdampften zweiten Teilstroms (205) ohne weitere Druckerhöhung in das Hauptrektifiziersystem (4) eingeleitet wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß mindestens ein Teil des bei dem indirekten Wärmeaustausch im zweiten Kondensator-Verdampfer (27) verdampften zweiten Teilstroms (205) ohne weitere Druckerhöhung in das Hauptrektifiziersystem (4) eingeleitet wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die flüssige Produktfraktion durch einen flüssigen Sauerstoffstrom (18) aus dem Hauptrektifiziersystem (4), insbesondere aus der Niederdrucksäule (6) eines Doppelsäulensystems, gebildet wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Druck der flüssigen Produktfraktion (20; 29) stromaufwärts des indirekten Wärmeaustauschs (2) mit dem zweiten Teilstrom (202, 203) erhöht (19; 31) wird.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der zweite Teilstrom (202, 203) bei dem indirekten Wärmeaustausch (2) mit der flüssigen Produktfraktion (20; 29) unter einem Druck steht, der höher ist als der höchste Druck im Hauptrektifiziersystem (4).
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß mindestens 21 % der Einsatzluftmenge dem Hauptrektifiziersystem (4) in flüssiger Form entnommen werden.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß ein dritter Teilstrom (301) von verdichteter und gereinigter Luft arbeitsleistend entspannt (32) und dem Hauptrektifiziersystem (4) zugeführt wird.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß ein weiterer flüssiger Produktstrom in indirektem Wärmeaustausch mit verdichteter und gereinigter Luft verdampft wird.
 
10. Vorrichtung zur Tieftemperaturzerlegung von Luft nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8 mit einem Hauptrektifiziersystem (4), mit einer ersten (101) und einer zweiten (202, 203) Luftleitung, die mit einer Quelle (1) für verdichtete und gereinigte Luft verbunden sind, wobei die erste Leitung (101) in das Hauptrektifiziersystem (4) führt (3), mit einer Flüssigleitung (20; 29), die einerseits mit einer Quelle für eine flüssige Produktfraktion und andererseits mit dem Verdampfungsraum eines zweiten Kondensator-Verdampfers (2) verbunden ist, durch dessen Verflüssigungsraum die zweite Luftleitung (202, 203) führt, und mit einer Rohargonsäule (24), die (über 22, 23) mit dem Hauptrektifiziersystem (4) und mit dem Verflüssigungsraum eines zweiten Kondensator-Verdampfers (27) verbunden ist, wobei die zweite Luftleitung (202, 203) stromabwärts des Wärmetauschers (2) mit dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensator-Verdampfers (27) verbunden (204) ist, dadurch gekennzeichnet, daß der zweite Kondensator-Verdampfer (27) den einzigen Kopfkondensator (27) der Rohargonsäule (24) bildet.
 
11. Vorrichtung zur Tieftemperaturzerlegung von Luft nach dem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 8 mit einem Hauptrektifiziersystem (4), mit einer ersten (101) und einer zweiten (202, 203) Luftleitung, die mit einer Quelle (1) für verdichtete und gereinigte Luft verbunden sind, wobei die erste Leitung (101) in das Hauptrektifiziersystem (4) führt (3), mit einer Flüssigleitung (20; 29), die einerseits mit einer Quelle für eine flüssige Produktfraktion und andererseits mit dem Verdampfungsraum eines zweiten Kondensator-Verdampfers (2) verbunden ist, durch dessen Verflüssigungsraum die zweite Luftleitung (202, 203) führt, und mit einer Rohargonsäule (24), die (über 22, 23) mit dem Hauptrektifiziersystem (4) und mit dem Verflüssigungsraum eines zweiten Kondensator-Verdampfers (27) verbunden ist, wobei die zweite Luftleitung (202, 203) stromabwärts des Wärmetauschers (2) mit dem Verdampfungsraum des zweiten Kondensator-Verdampfers (27) verbunden (204) ist, gekennzeichnet durch eine Dampfleitung (205), die den Verdampfungsraum des zweiten Kondensator-Verdampfers (27) mit dem Hauptrektifiziersystem (4) verbindet und keine Vorrichtungen zur Druckerhöhung enthält.
 
12. Vorrichtung nach Anspruch 10, gekennzeichnet durch eine Dampfleitung (205), die den Verdampfungsraum des zweiten Kondensator-Verdampfers (27) mit dem Hauptrektifiziersystem (4) verbindet und keine Vorrichtungen zur Druckerhöhung enthält.
 




Zeichnung