[0001] Die Erfindung betrifft eine Isolierglaseinheit mit einer Innenscheibe, einer Außenscheibe
und einer randseitig umlaufenden Randfuge mit Randfugenfüllung. Die Isolierglaseinheit
ist insbesondere für Fenster- und Fassadenverkleidungen im Baubereich bestimmt, kann
aber auch als Fahrzeugscheibe eingesetzt werden. Eine solche Isolierglaseinheit muß
erhebliche thermische Beanspruchungen aus zum Beispiel Sonneneinstrahlung bei hohen
Außentemperaturen einerseits und aus niedrigen Außentemperaturen bei tiefem Frost
andererseits aufnehmen. Hinzu kommen dynamische Beanspruchungen aus Wind und Wetter,
bei Fahrzeugscheiben auch aus Erschütterungen.
[0002] Die Isolierglaseinheit, auf die sich die Erfindung bezieht, ist schall- und/oder
wärmedämmend ausgelegt. Der Abstand zwischen den beiden Glasscheiben muß mit geringen
Toleranzen eingerichtet und eingehalten werden. Das gilt auch für die Randfuge. An
die Abdichtung werden hohe Anforderungen gestellt. Dazu dient die Randfugenfüllung,
die aus einem Reaktionskleber oder einem Kunststoff besteht.
[0003] Isolierglaseinheiten des beschriebenen Aufbaus sind ein ausgesprochenes Massenprodukt
der industriellen Serienfertigung. Sie müssen so eingerichtet sein, daß sie auf modernen
automatischen Fertigungseinrichtungen mit hoher Stückzahl in der Zeiteinheit gefertigt
werden können und sicher sowie mit langer Standzeit allen Anforderungen des sehr komplexen
Beanspruchungsspektrums genügen.
[0004] Bei bekannten Isolierglaseinheiten (EP 0 413 283 A2, EP 0 488 072 A1) ist eine Randfugenfüllung
vorgesehen, die zugleich als Abstandshalter funktioniert. Sie besteht aus Reaktionsklebersträngen.
Bei der Herstellung wird so gearbeitet, daß die Reaktionskleberstränge über den Scheibenrand
mit einem Wulst übersteht, der in einer besonderen Fertigungsstufe durch mechanisches
Nacharbeiten entfernt werden muß. Das ist in fertigungstechnischer Hinsicht aufwendig
und in bezug auf die langfristige Dichtheit verbesserungsfähig. Zur Verbesserung der
Dichtheit ist es bei Isolierglaseinheiten auch bekannt (DE 27 52 542 C2), für die
Abstandshalter Kunststoffe einzusetzen, die einer thermischen Nachbehandlung bedürfen,
was ebenfalls aufwendig ist. Bei anderen Isolierglaseinheiten ist es bekannt (DE 19
34 712 B2), mit einem flexiblen Abstandshalter zu arbeiten, der selbst feuchtigkeitsaufnehmend
ist und einen Zeolithen aufweist, der in einer Matrix aus einem synthetischen Polymer
verteilt ist, weil dieses synthetische Polymer wasserdampfdurchlässig ist. Die insoweit
bekannten Maßnahmen haben sich bei Isolierglaseinheiten, die dem angegebenen komplexen
Beanspruchungsspektrum genügen müssen, nicht bewährt.
[0005] Bei einer anderen Isolierglaseinheit (EP 0 430 889 A2) ist ein als Hohlprofil ausgeführter
Abstandshalter vorgesehen. Zusatzlich ist eine Randfugenfüllung aus einem Kunstharzkleber
angeordnet. Das Hohlprofil weist eine feuchtigkeitsaufnehmende Substanz und zum Scheibenzwischenraum
hin Bohrungen auf. Hier ist es erforderlich, auf das Kunststoffhohlprofil zu dem Kunstharzkleber
hin eine wasserdampf- und gasundurchlässige Beschichtung, zum Beispiel eine metallische
Beschichtung, aufzubringen, was aufwendig ist.
[0006] Der Erfindung liegt das technische Problem zugrunde, eine Isolierglaseinheit des
eingangs beschriebenen Aufbaus zu schaffen, die im Rahmen einer automatisierten industriellen
Serienfertigung einfach gefertigt werden kann und dem komplexen Beanspruchungsspektrum,
wie es eingangs beschrieben wurde, langfristig genügt.
[0007] Zur Lösung dieses technischen Problems ist Gegenstand der Erfindung eine Isolierglaseinheit
mit einer Innenscheibe, einer Außenscheibe und einer randseitig umlaufenden Randfuge
mit Randfugenfüllung, die zur Aufnahme komplexer Beanspruchungen bei Verwendung der
Isolierglaseinheit im Baubereich sowie auch zur Aufnahme extremer mechanischer Beanspruchungen,
z.B. in Form von Erschütterungen und Schwingungen, wie sie bei Fahrzeugen auftreten,
geeignet ist, wobei die folgenden Merkmale verwirklicht sind:
1.1) Die Randfugenfüllung besteht aus einem thermoplastischen Elastomer aus der Gruppe
der Polyolefin-Mischungen (TPO),
1.2) der TPO-Kunststoff ist aus der Gruppe gemäß 1.1) so ausgewählt bzw. gemischt,
daß die Randfugenfüllung die folgenden Eigenschaften aufweist:
Wasserdampfdurchlässigkeitsrate (ASTM-F1249) |
< 1 g.mm/mm2.d |
Zugfestigkeit (DIN 53504) |
> 4 N/mm2 |
50 % Zug-Modul (DIN 53504) |
> 1 N/mm2 |
Shore Härte (DIN 53505) |
> 50 A, |
1.3) die Randfugenfüllung ist durch Extrudieren oder Stranggießen als Strang mit einer
Abschlußsichtfläche geformt, wobei der Verbund der Randfugenfüllung mit der Innenscheibe
und der Außenscheibe als eine adhäsive Druck/Wärme-Verbindung ausgeführt ist und wobei
die Abschlußsichtfläche nacharbeitsfrei mit der Kante von zumindest einer der Glasscheiben
bündig verpreßt ist. Vorzugsweise wird mit einer Shore Härte von etwa 65 A gearbeitet.
Eine Druck/Wärme-Verbindung ist eine Verbindung, die unter Anwendung von Druck und
Wärme hergestellt wurde. Nach bevorzugter Ausführungsform der Erfindung ist der TPO-Kunststoff
gemäß Merkmal 1.2) so ausgewählt bzw. gemischt, daß die Randfugenfüllung die folgenden
Eigenschaften aufweist:
Wasserdampfdurchlässigkeitsrate |
< 1 g.mm/mm2.d |
Zugfestigkeit |
> 1,0 N/mm2 |
50 % Zug-Modul |
> 0,5 N/mm2 |
Shore Härte |
> 40 A. |
[0008] Zu den TPO-Kunststoffen zählen zum Beispiel Ethylen-Propylen-Dien-Terpolymer/Polypropylen
(EPDM/PP), oder Naturkautschuk/Polypropylen (NR/PP), oder Butylkautschuk/Polypropylen
(IIR/PP) und Legierungen oder Mischungen daraus.
[0009] Die Erfindung geht von der Erkenntnis aus, daß aus den in der im Merkmal 1.1) aufgezählten
Gruppe von TPO-Kunststoffen einige für den Aufbau der Randfugenfüllungen bei Isolierglaseinheiten,
die dem eingangs beschriebenen komplexen Beanspruchungsspektrum ausgesetzt sind, geeignet
sind. Die einzelnen Mitglieder der Gruppe bestehen ihrerseits aus einer Mehrzahl von
speziellen Varianten, die die Kunststoffchemie vorgibt. Überraschenderweise kann leicht
der für eine Fertigung von Isolierglaseinheiten des eingangs beschriebenen Aufbaus
gut brauchbare thermoplastische Kunststoff ausgewählt werden, wenn die Auswahl (im
Labor) nach Maßgabe des Auswahlkriteriums 1.2) getroffen wird. Das gilt sowohl für
die Ausführungsform nach Patentanspruch 1 als auch für die Ausführungsform nach Patentanspruch
2. Die Randfugenfüllung kann extrudiert und dadurch als solche entsprechend der gewünschten
Geometrie geformt werden. Jedes Nacharbeiten entfällt, weil gemäß Merkmal 1.3) eine
Abschlußsichtfläche angeformt ist. Sie ist bei der fertigen Isolierglaseinheit zwischen
Innenscheibe und Außenscheibe sichtbar und bildet mit zumindest einer dieser Scheiben
einen glatten, bündigen Abschluß. Überraschenderweise können engen Toleranzen genau
eingehalten werden. Die Bündigkeit mit einer der Glasscheiben wird eingerichtet, wenn
die andere Glasscheibe mit einem Führungsrand vorsteht. Schließen beide Glasscheiben
bündig ab, so schließt auch die aus dem TPO bestehende Randfugenfüllung bündig mit
den Kanten der beiden Glasscheiben ab. Die Abschlußsichtfläche, die beim Extrudieren
oder Stranggießen gebildet wurde, erfüllt im Rahmen der Erfindung eine Doppelfunktion.
Sie hat sich unter dem Einfluß der Oberflächenspannung des thermoplastifizierten Kunststoffes
beim Extrudieren sowie beim Austritt aus dem Extruderwerkzeug praktisch porenfrei
gebildet und verbessert dadurch die Diffusionsdichtheit, dient also nicht nur als
Sichtfläche.
[0010] Die Lehre der Erfindung erlaubt zwei grundsätzlich gleiche, im Detail jedoch nach
Maßgabe unterschiedlicher Verwendungen spezifizierter Ausführungsformen. Für die Verwendung
im Bauwesen ist die Isolierglaseinheit vorzugsweise ausgerüstet mit einer Innenscheibe,
einer Außenscheibe und einem randseitig unter Bildung der Randfuge umlaufenden, als
Hohlprofil ausgeführten Abstandshalter sowie der zusätzlichen Randfugenfüllung. Die
Randfugenfüllung ist hier zweckmäßigerweise nicht nur mit den Glasscheiben, sondern
auch mit dem Hohlprofil verbunden. Dieses kann seinerseits eingeklebt sein. Ein besonderer
Vorteil der Erfindung besteht darin, daß auf der der Randfugenfüllung zugewandten
Oberfläche des Hohlprofils eine gas- und wasserdampfdurchlässige Beschichtung, insbesondere
eine Metallbeschichtung, nicht mehr erforderlich ist. Im Rahmen der Verwendung im
Baubereich wird man die Auswahl bzw. Mischung so treffen, daß das TPO-Material bei
20° C eine Argondurchlässigkeit > 100 ml mm/m
2 d bar aufweist. Das gilt insbesondere für Isolierglasscheiben. Für eine Verwendung
bei Fahrzeugen schließen die Innenscheibe und die Außenscheibe bündig ab oder eine
der Scheiben steht mit einem Führungsrand vor. Diese Maßnahme ist jedoch im Rahmen
der Verwendung bei Fahrzeugen nicht beschränkend. Der Begriff "Fahrzeugscheibe" meint
insbesondere Kraftfahrzeugscheiben für schnellfahrende Kraftfahrzeuge, die hohen dynamischen
Beanspruchungen aus Luftkräften und beim Zuschlagen der mit der Isolierglasheit ausgerüsteten
Kraftfahrzeugtüren ausgesetzt sind. Hier fehlt im allgemeinen ein selbständiges, als
Abstandsprofil, zum Beispiel als Hohlprofil, ausgebildetes Bauteil. Vielmehr übernimmt
die Randfugenfüllung auch die Funktion des Abstandhalters.
[0011] Die TPO-Kunststoffe, die erfindungsgemäß eingesetzt werden, haben keinen polaren
Charakter. Nichtsdestoweniger und überraschenderweise besteht die Möglichkeit, bei
einer erfindungsgemäßen Isolierglaseinheit den TPO-Kunststoff aus der Gruppe 1.1)
oder Mischungen davon nach Maßgabe des Auswahlkriteriums 1.2) für eine Druck/Wärme-Verbindung
auszuwählen. Eine hohe Haftung zwischen der Randfugenfüllung und den Glasscheiben
ist stets erreichbar. Ob eine solche Haftung ausreicht, hängt von dem ausgewählten
TPO-Kunststoff, aber auch von der Oberfläche der unter Umständen bedruckten Glasscheiben
ab. Im Rahmen der Erfindung liegt es, bei der erfindungsgemäßen Isolierglaseinheit
den TPO-Kunststoff aus der Gruppe 1.1) oder Mischungen davon nach Maßgabe des Auswahlkriteriums
1.2) für eine Druck/Wärme-Verbindung mit Zwischenschaltung eines auf die Glasscheiben
aufgebrachten Haftvermittlers der Gruppe "Polyurethan-Systeme, Polyethylen- und Polypropylen-Systeme,
Ethylen-Vinylacetate" oder Mischungen davon auszuwählen. Die Haftung der Randfugenfüllung
zum Glas (Schälung. 90°) soll > 5 N/mm sein. Die Haftung der Randfugenfüllung zum
Hohlprofil ist kohäsiv.
[0012] Es besteht die Möglichkeit, in den TPO-Kunststoff der Randfugenfüllungen Trocknungsmittel
einzumischen, zum Beispiel in einer Menge von bis zu 20 Gew.-%.
[0013] Die Randfugenfüllung kann aus zwei Strängen von unterschiedlichen TPO-Kunststoffen
aus der Gruppe 1.1) bestehen, von denen zumindest einer nach Maßgabe des Auswahlkriteriums
1.2) ausgewählt ist. Sie können im Wege der Koextrusion hergestellt werden. Bei der
Ausführungsform der Erfindung mit abstandsdefinierendem Hohlprofil können das Hohlprofil
und die Randfugenfüllung durch Koextrusion vereinigt sein.
[0014] Die erfindungsgemäßen Isolierglaseinheiten genügen langzeitig dem eingangs beschriebenen
komplexen Beanspruchungsspektrum.Sie bestehen ohne weiteres die Zeitstandsprüfungen
nach DIN 1286, Teil 1 und Teil 2. Sie bestehen aber auch die üblichen Klimawechselteste,
Tieftemperaturteste, Hochtemperaturteste und Druckwechselteste.
[0015] Folgende Tests konnten erfolgreich durchgeführt werden: Klimawechseltest nach DIN
52344, Zeitstandverhalten nach DIN 1286 Teil 1, Tieftemperaturtest bis -40° C, Hochtemperaturtest
bis 105° C, Druckwechseltest zwischen 1000 und 580 mbar mit 1000 Zyklen, Druckdauertest
bei 580 mbar, Wasserbadwechseltest 25° C/80° C mit 5000 Zyklen, bei Kraftfahrzeugen
Simulationstest in bezug auf Türzuschlagen bei tiefen und hohen Temperaturen, z. B.
bei 20° C mit 40000 Zyklen.
1. Isolierglaseinheit mit einer Innenscheibe, einer Außenscheibe und einer randseitig
umlaufenden Randfuge mit Randfugenfüllung, die zur Aufnahme komplexer Beanspruchungen
bei Verwendung der Isolierglaseinheit im Baubereich sowie auch zur Aufnahme von mechanischen
Beanspruchungen, z.B. in Form von Erschütterungen und Schwingungen, geeignet ist,
wobei die folgenden Merkmale verwirklicht sind:
1.1) Die Randfugenfüllung besteht aus einem thermoplastischen Elastomer aus der Gruppe
der Polyolefin-Mischungen (TPO),
1.2) der TPO-Kunststoff ist aus der Gruppe gemäß 1.1) so ausgewählt bzw. gemischt,
daß die Randfugenfüllung die folgenden Eigenschaften aufweist:
Wasserdampfdurchlässigkeitsrate (ASTM-F1249) |
< 1 g.mm/mm2.d |
Zugfestigkeit (DIN 53504) |
> 4 N/mm2 |
50 % Zug-Modul (DIN 53504) |
> 1 N/mm2 |
Shore Härte (DIN 53505) |
> 50 A, |
1.3) die Randfugenfüllung ist durch Extrudieren oder Stranggießen als Strang mit einer
Abschlußsichtfläche geformt,
wobei der Verbund der Randfugenfüllung mit der Innenscheibe und der Außenscheibe
als eine adhäsive Druck/Wärme-Verbindung ausgeführt ist und wobei die Abschlußsichtfläche
nacharbeitsfrei mit der Kante von zumindest einer der Glasscheiben bündig verpreßt
ist.
2. Isolierglaseinheit nach Anspruch 1, wobei der TPO-Kunststoff gemäß Merkmal 1.2) so
ausgewählt bzw. gemischt ist, daß die Randfugenfüllung die folgenden Eigenschaften
aufweist:
Wasserdampfdurchlässigkeitsrate |
< 1 g.mm/mm2.d |
Zugfestigkeit |
> 1,0 N/mm2 |
50 % Zug-Modul |
> 0,5 N/mm2 |
Shore Härte |
> 40 A. |
3. Isolierglaseinheit nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei der TPO-Kunststoff aus
der Gruppe 1.1) oder Mischungen davon nach Maßgabe des Auswahlkriteriums 1.2) für
eine haftvermittlerfreie Druck/Wärme-Verbindung ausgewählt ist.
4. Isolierglaseinheit nach einem der Ansprüche 1 oder 2, wobei der TPO-Kunststoff aus
der Gruppe 1.1) oder Mischungen davon nach Maßgabe des Auswahlkriteriums 1.2) für
eine Druck/Wärme-Verbindung mit Zwischenschaltung eines auf die Glasscheiben aufgebrachten
Haftvermittlers der Gruppe "Polyurethan-Systeme, Polyethylen- und PolypropylenSysteme,
Ethylen-Vinylacetate" oder Mischungen davon ausgewählt ist.
5. Verwendung einer Isolierglaseinheit nach einem der Ansprüche 1 bis 4 für den Baubereich
mit der Maßgabe, daß die Isolierglaseinheit mit einer Innenscheibe, einer Außenscheibe
und einem randseitig unter Bildung der Randfuge umlaufenden, als Hohlprofil ausgeführtem
Abstandshalter sowie der zusätzlichen Randfugenfüllung ausgerüstet ist.
6. Verwendung nach Anspruch 5 mit der Maßgabe, daß das Hohlprofil aus Polypropylen aufgebaut
ist.
7. Verwendung nach Anspruch 5 mit der Maßgabe, daß das Hohlprofil aus glasfaserverstärktem
Kunststoff aufgebaut ist.
8. Verwendung einer Isolierglaseinheit nach einem der Ansprüche 1 bis 4 mit der Maßgabe,
daß die Randfugenfüllung auch als Abstandshalter dient.