(19)
(11) EP 0 725 152 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.08.1996  Patentblatt  1996/32

(21) Anmeldenummer: 96100807.5

(22) Anmeldetag:  20.01.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C21D 9/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE DE ES FR GB IT LU

(30) Priorität: 04.02.1995 DE 19503747

(71) Anmelder: SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT
D-40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Meyer, Meindert
    D-40219 Erkrath (DE)
  • Küppers, Klaus
    D-40489 Erkrath (DE)
  • Albedyhl, Manfred
    D-40231 Mettmann (DE)
  • Böhmer, Bruno
    D-40235 Erkrath (DE)

(74) Vertreter: Valentin, Ekkehard, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte Hemmerich-Müller-Grosse- Pollmeier-Valentin-Gihske Hammerstrasse 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zum Abkühlen von warmgewalzten Profilen


(57) Ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Abkühlen von warmgewalzten Profilen aus der Walzhitze, wobei die Profile mit im Abstand über den Querschnitt angeordneten Profilteilen (1 - 5) von unterschiedlicher Masse beispielsweise als Schienen ausgebildet sind, werden dadurch entscheidend verbessert, daß zunächst unter Verwendung von meßtechnischen Mitteln (30 - 32) im Zusammenwirken mit einer Recheneinheit (40) mit Hilfe eines Rechenprogramms die den unterschiedlichen Profilteilen (1 - 5) nach Maßgabe ihrer Masse und Temperatur anteilig zu entziehenden Wärmemengen und die hierfür erforderliche Aufgabemenge von Kühlmedien (48) ermittelt und berechnet und danach die Abkühlung der unterschiedlichen Profilteile (1 - 5) bzw. ihrer Massen derart gesteuert vorgenommen wird, daß diese mit möglichst geringem Zeitversatz die Umwandlungslinien Ar3/Ar1 beim Zerfall des Gamma-Mischkristalls in Ferrit und/oder Perlit unter Freisetzung der Umwandlungswärme erreichen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Abkühlen aus der Walzhitze von warmgewalzten Profilen mit im Abstand über den Querschnitt angeordneten Profilteilen von unterschiedlicher Masse, insbesondere von Schienen auf einem Kühlbett sowie eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

[0002] Auf Kühlbetten werden Schienen aus der Walzhitze bis auf Temperaturen unter 80 oC abgekühlt. Wegen der unsymmetrischen Anordnung der Massen des Profils ergibt sich zwischen Kopf und Fuß der Schiene ein unterschiedliches Abkühlverhalten, bei dem der Fuß infolge seiner vergleichsweise zur Masse größeren Wärmeabgabeflächen schneller abkühlt als der Kopf. Daraus resultiert, daß sich die Schiene beim Erkalten krümmt. Diesem Krummwerden kann bis zu einem gewissen Maß durch Vorbiegen der noch heißen Schiene begegnet werden. Dies erfordert jedoch nachteilig einen aufwendigen Warmbiegevorgang mit ungewissem Ergebnis. In jedem Falle müssen dabei die Schienen nach dem Abkühlen nachgerichtet werden. Sowohl durch den Kühlprozeß als auch besonders durch das Richten entstehen Eigenspannungen in der Schiene, die deren Festigkeit nachteilig beeinflussen. Es wurden bereits zahlreiche Vorschläge bekannt, um dieser Schwierigkeit wirksam zu begegnen:
Die DE 42 37 991 A1 beschreibt ein Verfahren zur Abkühlung von in Walzgerüsten warmgewalztem profiliertem Walzgut, insbesondere von Schienen auf einem Kühlbett, mit natürlicher Konvektion oder mit forcierter Luftkühlung. Die Erfindung besteht darin, daß die Schienen mit dem Kopf nach unten hängend, über das Kühlbett transportiert werden. Durch diese Maßnahme werden bereits bei natürlicher Konvektion die Wärmeübergangsverhältnisse so günstig verändert, daß die Temperaturdifferenz zwischen Kopf und Fuß der Schiene von ca. 140 oC bei liegender Schiene auf ca. 50 oC bei hängender Schiene zurückgeht. Infolge der geringeren Temperaturdifferenz zwischen Kopf und Fuß werden die Nachteile des Krummwerdens wirksam verringert und es wird erreicht, daß eine nahezu gerade Schiene in die Richtmaschine zum Fertigrichten eingeführt wird, wodurch die Endspannungen im Schienenmaterial äußerst gering gehalten werden.

[0003] Aus der DE-PS 21 61 704 ist ein Verfahren sowie eine Einrichtung zum spannungs- und verzugsfreien Abkühlen von Eisenbahnschienen bekannt, welches darin besteht, daß die abzukühlenden gleichartigen Schienenprofile mit ihren Schienenfüßen paarweise symmetrisch und gegenseitig Widerlager bildend, Fuß gegen Fuß zusammengespannt und durch einen Querförderer über ein Kühlbett gefördert werden. Da jeder Schienenkopf zwar eine etwa gleichgroße Masse wie der Schienenfuß hat, jedoch der Umfang des Schienenfußes etwa doppelt so groß ist wie der des Schienenkopfes, wird die Umfangsfläche der zusammengespannten Schienenfüße im Verhältnis zu ihrer Masse etwa gleich groß, wie das Verhältnis von Umfangsfläche und Masse am Schienenkopf. Damit wird ein gleichmäßiges Abkühlen von Schienenköpfen und Schienenfüßen erzielt, wobei sich in der Praxis gezeigt hat, daß diese Maßnahme bei den paarweise sich gegeneinander abstützenden Schienenfüßen für ein nahezu verzugfreies Abkühlen ausreicht.

[0004] In der US-PS 468 788 ist ein Verfahren zum Abkühlen von Schienen offenbart, wobei diese in einer Vorrichtung mit nach unten hängenden Schienenköpfen in ein mit Wasser gefülltes Becken ganz oder teilweise eingetaucht und dadurch abgekühlt werden, wobei sie gleichzeitig mittels Druckschrauben gegen ein festes Wiederlager gedrückt werden.

[0005] In der DE-PS 404 127 ist ein Verfahren zum Richten von Metallstangen unsymmetrischen Querschnitts, insbesondere von Eisenbahnschienen, offenbart, wobei die Erfindung darin besteht, daß die starken Teile des Querschnitts einer derart geregelten künstlichen Abkühlung unterworfen werden, daß alle Teile trotz ihrer ungleichen Stärken um dasselbe Maß schwinden und die Stangen bei Abkühlung bis auf Umgebungstemperatur gerade bleiben. Erzielt wird dieses Ergebnis, dadurch, daß die künstliche Abkühlung entweder durch Eintauchen in eine Flüssigkeit, durch Benetzen oder Berieseln, durch Anblasen mit einer zerstäubten Flüssigkeit, mit Dampf, Luft oder anderen Gasen erzeugt wird, wobei das verwendete Mittel stetig oder mit Unterbrechungen während der ganzen Dauer oder nur während eines Teils der Abkühlungsdauer wirkt. Bemerkenswert ist bei dem Verfahren, daß die künstliche Abkühlung derart geregelt werden kann, daß die Stangen, selbst wenn sie aus Hartstahl oder einer härtbaren Legierung bestehen, während der Abkühlung nicht gehärtet werden.

[0006] Aus der DE-PS 19 42 929 ist ein Verfahren zum Abkühlen von Schienen bekannt, welches auf einem anderen physikalischen Prinzip beruht. Dieses besteht darin, daß die Schienen vor Erreichen der Austenit-Umwandlungstemperatur mit Abstand über einer wärmereflektierenden Schicht auf dem Schienenfuß abgestellt werden. Zusätzlich kann dabei auf die Laufflächen der Schienen im weiteren Verlauf der Abkühlung ein fester Isolierstoff aufgelegt werden. Eine gegenseitige positive Beeinflussung durch Strahlung wird weiterhin bei diesem Verfahren dadurch erreicht, daß die Schienen unmittelbar nebeneinander abgestellt werden, so daß sich die Schienenfüße seitlich berühren. Diese Maßnahmen führen zur positiven Beeinflussung des Abkühlungverlaufes jeweils eines Teils vom Schienenquerschnitt ohne Zufuhr von Fremdenergie durch Rückstrahlung an einer Reflektionsschicht sowie isolierende Abdeckung der Laufflächen. Es entsteht dabei ein günstiger Spannungsausgleich im Schienenquerschnitt. Das Abstellen der Schienen auf dem Schienenfuß vor dem Erreichen der Austenit-Umwandlungstemperatur mit Abstand über einer wärmereflektierenden Schicht ergibt den Vorteil, daß es das frühere Einsetzen der Austenit-Umwandlung im Schienenfuß und -steg verhindert. Damit können die technologischen Werte des Schienenmaterials individuell, d.h. je nach Stahlanalyse, durch exakte Temperaturführung so beeinflußt werden, daß höhere Festigkeits-, Dehnungs- und Einschnürungswerte erzielbar sind.

[0007] Das Gegenteil hiervon, nämlich eine Durchhärtung des Schienenkopfes infolge eines entsprechend rapiden Kühlverfahrens wird nach dem FR-PS 543.461 dadurch erreicht, daß die Schiene über Kopf mit dem Schienenfuß nach oben hängend einer Serie definierter Tauchvorgänge von sehr kurzer Dauer in einem mit Wasser gefüllten Trog unterzogen wird.

[0008] Die genannten Verfahren weisen den gemeinsamen Nachteil auf, daß sie mehr oder minder auf Empirie beruhen, d.h. daß durch langwierige Versuche zunächst einmal ermittelt werden muß, welche Parameter bei der Durchführung des Verfahrens eingehalten werden müssen, um das gewünschte Abkühlungsergebnis zu gewährleisten. Dabei werden zumindest bei jeder Charge Versuchsstücke von warmgewalzten Profilen verwendet, die bei nicht sogleich befriedigendem Ergebnis Wiederholungen erfordern und vielfach zunächst zum Anfall von Ausschußmaterial führen.

[0009] Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Abkühlen von warmgewalzten Profilen der im Oberbegriff von Anspruch 1 genannten Art zu verbessern und diese so weit zu vervollkommenen, daß damit die vorgenannten Schwierigkeiten überwunden werden und ein verzugsfreies Abkühlungsergebnis beim Abkühlen aus der Walzhitze ohne kosten- und zeitaufwendige Versuche und ohne Anfall von dadurch bedingtem Schrott erreicht wird.

[0010] Die Lösung gelingt mit dem Verfahren nach der Erfindung dadurch, daß zunächst unter Verwendung von meßtechnischen Mitteln, im Zusammenwirken mit einer Recheneinheit mit Hilfe eines Rechenprogramms die den unterschiedlichen Profilteilen nach Maßgabe ihrer Masse und Temperatur anteilig zu entziehenden Wärmemengen und die hierfür erforderliche Aufgabenmenge von Kühlmedien ermittelt und berechnet und danach die Abkühlung der unterschiedlichen Profilteile bzw. ihrer Massen derart gesteuert vorgenommen wird, daß diese mit möglichst geringem Zeitversatz die Umwandlungslinie Ar3/Ar1 beim Zerfall des Gamma-Mischkristalls in Ferrit und/oder Perlit unter Freisetzung der Umwandlungswärme erreichen.

[0011] Mit großem Vorteil wird durch das Verfahren erreicht, daß bei unterschiedlichen Chargen auch ohne das Erfordernis kostspieliger empirischer Versuche ein einwandfreies Abkühlungs-Ergebnis ohne Krümmung des Profils erhalten wird.

[0012] Eine Ausgestaltung des Verfahrens sieht vor, daß die weitere Abkühlung von der Umwandlungstemperatur bis auf eine vorgegebene Endtemperatur weiterhin so vorgenommen wird, daß die unterschiedlichen Massenschwerpunkte des Profils mit möglichst geringem Zeitversatz die Endtemperatur erreichen. Diese Maßnahme sichert über ein einwandfreies Abkühlungsergebnis ohne Abkrümmung der Schiene hinaus einen optimalen Vergütungszustand mit gleichmäßiger Härte über den Profilquerschnitt.

[0013] Zweckmäßigerweise wird bei der Berechnung der den Profilteilen zu entziehenden Wärmemengen die Umwandlungstemperatur der zugrundeliegenden Stahlqualität berücksichtigt.

[0014] Eine weitere zweckmäßige Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, daß beim Abkühlen des Walzgutprofils oder von Teilen davon mittels Wasser als Kühlmittel die sich an den unterschiedlichen Profilflächen einstellenden Wärmeübergangszahlen ermittelt und mit diesen die für das Abkühlen der Profilflächen erforderlichen Aufgabenmengen an Kühlmitteln vorbestimmt werden. Dadurch entfallen zeitraubende Versuche ebenso wie verlorenes Versuchsmaterial.

[0015] Eine ferner sehr vorteilhafte Ausgestaltung des Verfahrens wird dadurch erreicht, daß die Schienen mit nach unten hängenden Köpfen über ein Kühlbett geführt und dabei eine gesteuerte Kühlung der unterschiedlichen Massenschwerpunkte mindestens zum Teil durch natürliche Konvektion und zusätzlich aufgrund der nach Maßgabe von Hasse und Temperatur den Profilteilen anteilig zu entziehenden Wärmemengen durch zusätzlichen Einsatz von Kühlmedium vorgenommen wird. Dadurch wird eine Krümmung des Profils soweit verringert, daß ein Nachrichten entweder ganz entfallen kann, oder unter Vermeidung von schädlichen Spannungen nur ein geringfügiges Nachrichten erforderlich wird.

[0016] Dabei kann der Wärmeentzug durch gezieltes und bevorzugt intermittierendes Besprühen einzelner Profilteile mit Kühlmedium vorgenommen werden.

[0017] Um einen fallweise über die Profillänge vorhandenen Temperaturkeil zu kompensieren, kann weiterhin die Maßnahme getroffen sein, daß das Walzgutprofil, über die ausgewalzte Länge gesehen, unterschiedlich intensiv gekühlt wird. Und schließlich kann ein gesteuerter Wärmeentzug durch Eintauchen des gesamten Walzgutprofils oder einzelner Teile desselben in ein Kühlmedium einmal oder mehrfach wiederholt, mit vorgegebenen Zykluszeiten vorgenommen werden.

[0018] Eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach der Erfindung sieht vor, daß neben einer Schiene bevorzugt in Abständen entlang ihrer Walzlänge Mittel zum Messen der Wärmestrahlung von unterschiedlichen Profilteilen, wie Kopf, Steg oder Fußteil angeordnet sind, die über Datenleitungen mit einer Recheneinheit in Verbindung stehen, in welche mit einer Input-Datenleitung die Abmessungen bzw. Massen dieser Profilteile eingegeben werden, und die so programmiert ist, daß sie das Produkt aus Temperatur und Masse errechnet und nach Maßgabe dieses Produktes die Kühlmittel-Aufgabevorrichtung über eine Signalleitung steuert.

[0019] Eine bevorzugte Ausgestaltung der Vorrichtung sieht vor, daß das Kühlbett steuerbare Kühlmittelaufgabevorrichtungen für unterschiedliche Kühlmedien, z. B. Wasser, Luft, Wasser/Luft-Gemische aufweist.

[0020] Das erfindungsgemäße Verfahren und eine beispielhaft ausgeführte Vorrichtung werden anhand von Zeichnungen erläutert.

[0021] Es zeigen:
Fig. 1
ein ZTU-Schaubild einer kontinuierlichen Abkühlung eines Schienenstücks,
Fig. 2
im Querschnitt eine Schiene mit eingebetteten Thermoelementen,
Fig. 3
ein Diagramm des Abkühlungsverlaufs an einzelnen Meßstellen gemäß Fig. 2 bei Abkühlung eines Schienenstücks mit natürlicher Konvektion,
Fig. 4
ein Diagramm des Abkühlungsverlaufs nach der Erfindung,
Fig. 5
eine schematische Darstellung einer Abkühlvorrichtung.


[0022] Figur 1 zeigt im ZTU-Schaubild Kurven unterschiedlichen Abkühlungsverlaufes verschiedener Querschnittsteile, die nach Maßgabe ihrer Masse und damit ihrer Temperaturschwerpunkte zu vergleichsweise unterschiedlichen Zeiten die Umwandlungslinie Ar1 erreichen. Die hierbei auftretenden zeitlichen Unterschiede ergeben Differenzen zwischen 40 und 120 Sekunden. Das Schaubild betrifft einen Stahl mit folgender metallurgischer Zusammensetzung in Gewichts-%: C = 0,63; Si = 0,29; Mn = 1,72; P = 0,020; S = 0,027; Cr = 0,099. Dieser Stahl wurde bei 950 oC austenitisiert mit einer Haltezeit von 15 Minuten nach fünfminütigem Aufheizvorgang.

[0023] Im Schaubild bezeichnet:
A =
Austenit
P =
Perlit
Zw =
Zwischenstufe
M =
Martensit
Aus dem Verlauf der Kurvenschar ist ersichtlich, daß nachdem eine Probe fünf Minuten bei 950 oC austenitisiert wurde, bei niedrigen Abkühlgeschwindigkeiten die Ar1-Linie bei einer bestimmten Temperatur und Kühlzeit erreicht wird. Bei höheren Abkühlgeschwindigkeiten erreicht der Stahl aufgrund eines umwandlungsträgen Bereiches die Perlitlinie nicht und wandelt bei niedrigen Temperaturen im Zwischenstufenbereich (Bainit) oder bei noch höheren Abkühlgeschwindigkeiten erst beim Erreichen der Martensitlinie (ca. 260 oC) um. Zur Vervollständigung des Schaubildes sind die bei Raumtemperatur gemessenen Härtewerte HV2 in N/mm2 in die am Fuß der Kurven befindlichen Kreise eingetragen.

[0024] Es ist bekannt, daß beim Abkühlen von Stahl und Erreichen der Ar3 bzw. der Ar1-Umwandlungslinie durch den Zerfall des Gamma-Mischkristalls in Ferrit bzw. Perlit die sogenannte Umwandlungswärme frei wird, die bis zum Erreichen des Eutektoid-Punktes (C = 0,86 %) mit wachsendem C-Gehalt auf ein Maximum ansteigt.

[0025] Je nach Abkühlungsgeschwindigkeit und C-Gehalt kann die dabei frei werdende Wärme bis zu 90 kJ/kg betragen. Gleichzeitig tritt bei diesem Umwandlungsprozeß ein Längenwachstum von ca. 0,3 % auf. Es ist anzunehmen, daß die bekannten plastischen Verformungen unsymmetrischer Profile auf dem Kühlbett zum überwiegenden Teil während der oben beschriebenen Umwandlungsphase stattfinden, während das Krummwerden des Profiles erst am Ende des Kühlbettes beim Ausgleich der Temperaturen über den Querschnitt sichtbar wird. Die damit verbundenen Eigenspannungen können durch Richten nicht vollständig abgebaut werden. Am Beispiel der Schiene läßt sich dieser Vorgang wie folgt erklären:
Beim Abkühlen der Schiene nach dem Walzen erreicht der Fuß (12, Fig.5) aufgrund seiner geringeren Masse und seiner größeren Abstrahlfläche im Verhältnis zur Masse zuerst die Umwandlungslinie Ar3/Ar1 und beginnt zu wachsen. Diese Längenänderung führt im Schienenkopf (10, Fig. 5), der sich noch im Austenit-Bereich befindet, zu einer plastischen Längung. Nach der Umwandlung schrumpft der Fuß (12) mit sinkender Temperatur, wobei der Kopf (10) aufgrund seiner geringeren Festigkeit nicht wesentlich behindert, sondern ein wenig gestaucht wird. Wenn dann der Schienenkopf (10) die Umwandlungslinie Ar3/Ar1 erreicht, beginnt für diesen das Längenwachstum infolge der Umwandlung. Dieses Wachsen wird jedoch durch den schon umgewandelten kälteren Fuß (12), dessen Streckgrenze in diesem Temperaturbereich deutlich höher ist, unterdrückt, so daß der noch weichere Kopf (10) plastisch verformt, d.h. gestaucht wird. Wenn sich am Ende des Kühlbettes (50, Fig.5) die Temperaturen über den Schienenquerschnitt ausgleichen, beginnt die Schiene, sich über den gestauchten und damit kürzeren Kopf (10) zu krümmen. Diese Krümmung kann bei langen Schienen so groß sein, daß erhebliche Schwierigkeiten beim weiteren Transport über das Kühlbett (50) und beim anschließenden Einfädeln in die Richtmaschine auftreten können.

[0026] Am Beispiel einer Schiene wird gezeigt, wie das erfindungsgemäße Abkühlverfahren berechnet und durchgeführt wird:
In der Figur 2 ist der Querschnitt einer Schiene in annähernd natürlicher Größe gezeigt, wobei das Schienenstück an den mit 1 bis 5 bezeichneten Stellen mit Thermoelementen bestückt ist. Das Schienenstück wird in einem Ofen bei 1000 oC austenitisiert und anschließend an Luft bei natürlicher Konvektion abgekühlt. Dabei wurde der Abkühlverlauf an den einzelnen Meßstellen 1 -5 in einem Diagramm aufgezeichnet.

[0027] Dieses ist in der Figur 3 gezeigt. Darin sind die den Meßstellen 1 - 5 gemäß Fig. 2 zugeordneten Abkühlungsverläufe mit einzelnen Kurven eingezeichnet. Aus dem Diagramm ist bei Abkühlung mittels natürlicher Konvektion ohne zusätzliche Kühlung z. B. des Kopfes (10) ersichtlich, daß der Massenschwerpunkt (4) des Fußes (12) nach ca. 6,5 Minuten die Ar3/Ar1-Linie erreicht und nach 10 Minuten die Umwandlung beendet hat. Der Massenschwerpunkt (1) des Kopfes (10) beginnt erst nach ca. 8,5 Minuten die Umwandlung und hat sie nach 12 Minuten beendet. Zu diesem Zeitpunkt ist der Schienenfuß (12) schon um ca. 100 oC kälter und hat damit eine wesentlich höhere Warmstreckgrenze als der Schienenkopf (10). Demnach ist zu erwarten, daß die mit der Umwandlung verbundene Längenzunahme des Schienenkopfes (10) vom Fuß (12) ganz bzw. teilweise unterdrückt wird und dadurch der Schienenkopf (10) plastisch verformt, d.h. gestaucht wird. Bei der erkalteten Schiene wurde dies durch eine deutliche Krümmung über den Schienenkopf (10) sichtbar. Mit Hilfe eines Rechenprogrammes wurde nun berechnet, welche Wärmemenge dem Schienenkopf (10) entzogen werden muß, um sicherzustellen, daß er zum gleichen Zeitpunkt wie der Schienenfuß (12) die Umwandlungslinie Ar3/Ar1 erreicht. Hierbei wurde die Umwandlungswärme des entsprechenden Stahls (0,8 % C) erfindungsgemäß mit berücksichtigt. Aufgrund der Berechnung wurde nun zusätzlich zur natürlichen Konvektion der Schienenkopf (10) durch zusätzliches Besprühen mit Wasser gekühlt.

[0028] Das Ergebnis ist in der Kurvenschar des Diagramms der Figur 4 dargestellt. Dabei betrug die Zeitdifferenz bei Erreichen der Umwandlungstemperatur t4 - t1 der beiden Kurven 4 und 1 lediglich 25 Sekunden. Das bedeutet, daß Schienenkopf (10) und Schienenfuß (12) annähernd gleichzeitig die Ar3/Ar1-Linie erreichen und auch gleichzeitig die Umwandlung beenden. In einem Großversuch wurde dieses im Labor erprobte Verfahren bestätigt. Dabei stellte sich auch das erwartete Ergebnis ein: Die erfindungsgemäß behandelte Schiene war nach Beendigung des Abkühlvorganges bei annähernd Raumtemperatur um eine Zehnerpotenz gerader und spannungsärmer als eine unbehandelte Schiene.

[0029] In Figur 5 ist ein mögliches Ausführungsbeispiel der Erfindung rein schematisch dargestellt. Dabei ist die Schiene über Kopf (10) hängend mit dem Fuß (12) in einer Halterung (21) angeordnet. Meßköpfe (30, 31, 32) sind so angeordnet, daß der Meßkopf (30) die Wärmestrahlung des Schienenfußes (12), der Meßkopf (31) die Wärmestrahlung des Steges (11) und der Meßkopf (32) die Wärmestrahlung des Schienenkopfes (10) erfaßt und die gemessenen Werte über die Datenleitungen (33, 34, 35) an die Recheneinheit (40) meldet. Dieser werden zusätzlich mit der Input-Datenleitung (36) die Abmessung bzw. Massen der zugeordneten Profilteile (10, 11, 12) eingegeben, woraus die entsprechend programmierte Recheneinheit das Produkt aus Temperatur und Masse für die einzelnen Profilteile (10, 11, 12) errechnet und nach Maßgabe dieses Produktes die Kühlmittelaufgabevorrichtungen (45 - 47) über die Signalleitung (37) steuert. Diese werden aktiviert und sprühen Kühlmittel in gezielten Strahlen (48) gegen den hängenden Schienenkopf (10). Mit der strichpunktierten Linie (50) ist beispielhaft ein Kühlbett angedeutet, welches steuerbare Kühlmittelaufgabevorrichtung (45 - 47) für unterschiedliche Kühlmedien (48) aufweist. Diese Kühlmedien können Wasser, Luft, Wasser/Luft-Gemische sein.

[0030] Mit der Erfindung wird durch gezielte Maßnahmen der Abkühlprozeß der Schiene so vergleichsmäßigt, daß die Hauptmassen, Kopf (10), Steg (11) und Fuß (12) etwa zum gleichen Zeitpunkt die Umwandlungslinie Ar3/Ar1 erreichen und die dann eintretende Längenänderung der unterschiedlichen Profilteile ebenfalls gleichzeitig stattfindet. Dadurch wird verhindert, daß ein Bereich des Schienenprofils gestaucht bzw. gedehnt wird. Beim anschließenden Abkühlen auf dem Kühlbett (50) können sich zwar wieder Temperaturunterschiede über dem Querschnitt einstellen, die dadurch erzeugten Spannungen befinden sich jedoch deutlich unterhalb der jeweiligen Streckgrenze, so daß die entstehenden Verformungen im elastischen Bereich stattfindenm mit dem Ergebnis, daß eine so behandelte Schiene nach dem Abkühlen nahezu spannungsfrei und etwa so gerade ist, wie sie vor der erfindungsgemäßen Behandlung im warmgewalzten Zustand war. Dies wird erfindungsgemäß erreicht durch Entzug einer vorher rechnerisch ermittelten Wärmemenge, so daß die bis zum Erreichen der Umwandlungslinie Ar3/Ar1 im ZTU-Schaubild verstrichene Zeit für alle Hauptmassen des Profils zumindest weitgehend gleich ist, wie dies aus dem Vergleich der Figuren 3 und 4 deutlich erkennbar ist.


Ansprüche

1. Verfahren zum Abkühlen von warmgewalzten Profilen aus der Walzhitze, wobei diese mit im Abstand über den Querschnitt angeordneten Profilteilen (10 - 12) von unterschiedlicher Masse (1 - 5) beispielsweise als Schienen ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, daß zunächst unter Verwendung von meßtechnischen Mitteln (30 - 32) im Zusammenwirken mit einer Recheneinheit (40) mit Hilfe eines Rechenprogramms die den unterschiedlichen Profilteilen (10 - 12) nach Maßgabe ihrer Masse (1 - 5) und Temperatur anteilig zu entziehenden Wärmemengen und die hierfür erforderliche Aufgabemenge von Kühlmedien (48) ermittelt und berechnet und danach die Abkühlung der unterschiedlichen Profilteile (10 - 12) bzw. ihrer Massen (1 - 5) derart gesteuert vorgenommen wird, daß diese mit möglichst geringem Zeitversatz die Umwandlungslinien Ar3/Ar1 beim Zerfall des Gamma-Mischkristalls in Ferrit und/oder Perlit unter Freisetzung der Umwandlungswärme erreichen.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die weitere Abkühlung von der Umwandlungstemperatur bis auf eine vorgegebene Endtemperatur weiterhin so vorgenommen wird, daß die unterschiedlichen Massenschwerpunkte (1 - 5) des Profils mit möglichst geringem Zeitversatz die Endtemperatur erreichen.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß bei der Berechnung der den Profilteilen (10 - 12) zu entziehenden Wärmemengen die Umwandlungstemperatur der zugrunde liegenden Stahlqualität berücksichtigt wird.
 
4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß beim Abkühlen des Walzgutprofiles oder von Teilen (10 - 12) davon mittels z. B. Wasser die sich an den unterschiedlichen Profilflächen einstellenden Wärmeübergangszahlen ermittelt und mit diesen die für das Abkühlen der Profilflächen erforderlichen Aufgabemengen an Kühlmittel (48) vorbestimmt werden.
 
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Schienen mit nach unten hängenden Köpfen (10) über ein Kühlbett (50) geführt und dabei eine gesteuerte Kühlung der unterschiedlichen Massenschwerpunkte (1 - 5) mindestens zum Teil durch natürliche Konvektion und zusätzlich aufgrund der nach Maßgabe von Masse und Temperatur den Profilteilen (10 - 12) anteilig zu entziehenden Wärmemengen durch zusätzlichen Einsatz von Kühlmedium (48) vorgenommen wird.
 
6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Wärmeentzug durch gezieltes und bevorzugt intermittierendes Besprühen einzelner Profilteile (10 - 12) mit Kühlmedium (48) vorgenommen wird.
 
7. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß das Walzgutprofil über die ausgewalzte Länge gesehen, unterschiedlich intensiv gekühlt wird, um einen fallweise über die Profillänge vorhandenen Temperaturkeil zu kompensieren.
 
8. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß der gesteuerte Wärmeentzug durch Eintauchen des gesamten Walzgutprofils oder einzelner Teile (10 - 12) desselben in ein Kühlmedium, einmal oder mehrfach wiederholt, mit vorgegebenen Zykluszeiten vorgenommen wird.
 
9. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem oder mehreren der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß neben einer Schiene bevorzugt in Abständen entlang ihrer Walzlänge Mittel (30 - 32) zum Messen der Wärmestrahlung von unterschiedlichen Profilteilen wie Kopf (10), Steg (11) oder Fußteil (12) angeordnet sind, die über Datenleitungen (33 - 35) mit einer Recheneinheit (40) in Verbindung stehen, in welche mit einer Input-Datenleitung (36) die Abmessungen bzw. Massen dieser Profilteile eingegeben werden und die so programmiert ist, daß sie das Produkt aus Temperatur und Masse errechnet und nach Maßgabe dieses Produktes die Kühlmittelaufgabevorrichtungen (45 - 47) über die Signalleitung (37) steuert.
 
10. Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß das Kühlbett (50) steuerbare Kühlmittelaufgabevorrichtungen (45 - 47) für unterschiedliche Kühlmedien (48) Wasser, Luft, Wasser/Luft-Gemische aufweist.
 




Zeichnung



















Recherchenbericht