(19)
(11) EP 0 726 106 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.08.1996  Patentblatt  1996/33

(21) Anmeldenummer: 96100262.3

(22) Anmeldetag:  10.01.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B21D 31/06, C22F 1/04, B24C 1/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE

(30) Priorität: 03.02.1995 DE 19503620

(71) Anmelder: Daimler-Benz Aerospace Aktiengesellschaft
D-81663 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Bornschlegl, Heinz
    D-86911 Diessen (DE)
  • Köhler, Winfried, Dr.
    D-88709 Hagnau (DE)

   


(54) Verfahren zum Umformen eines plattenförmigen Bauteils


(57) Um die mechanischen Werkstoffeigenschaften eines plattenförmigen Bauteils aus einem elastisch und plastisch umformbaren, durch Warmauslagerung härtbaren Werkstoff, welches in eine räumlich gekrümmte Form kugelstrahlumgeformt wird, signifikant zu verbessern, wird das Bauteil erfindungsgemäß im ungehärteten Zustand kugelstrahlumgeformt und anschließend während der Warmauslagerung einer äußeren, ein Kriechen des schlagkörperumgeformten Werkstoffs bewirkenden Druckbelastung ausgesetzt.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Umformen eines plattenförmigen Bauteils, nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.

[0002] Zur Herstellung von räumlich gekrümmten Bauteilen aus gehärtetem, metallischem Material, etwa von Tankbodensegmenten für ein Raumfahrzeug, ist es bekannt, einen ebenen, plattenförmigen Bauteilzuschnitt gleichzeitig mit der Warmhärtung in der Weise umzuformen, daß der Zuschnitt an einer der herzustellenden Bauteilkontur entsprechend gekrümmten Formschale festgespannt und während des Warmhärtzyklus einer äußeren Druckeinwirkung ausgesetzt wird, die unter Berücksichtigung der Warmhärttemperatur so gewählt wird, daß die Kriechfestigkeit des Werkstoffs überschritten wird, so daß sich der Zuschnitt im Laufe der Warmauslagerung an die Kontur der Formschale anpaßt. Bei diesem sog. Age-Creep-Forming zeigen sich jedoch nach der Umformung starke Rückfederungseffekte, die vor allem bei großflächigen Zuschnitten zu erheblichen Abweichungen der erzielten Bauteilgeometrie von der Kontur der Formschale führen, und ferner betsteht bei Bauteilen geringer Wandstärke die Gefahr örtlicher Faltenbildungen, zu deren Abhilfe das Bauteil über das konstruktiv erforderliche Ausmaß hinaus aufgedickt werden muß, was unter dem Gesichtspunkt einer material- und gewichtssparenden Bauweise insbesondere für Baukomponenten der Luft- oder Raumfahrt ein gravierender Nachteil ist. Hinzu kommt, daß auch die Werkstoffeigenschaften, etwa die mechanische Festigkeit und die Streckgrenze des so gefertigten Bauteils unter den für den Werkstoff an sich erzielbaren Höchstwerten liegen.

[0003] Als alternatives Herstellungsverfahren für Bauteile dieser Art ist das Kugelstrahlumformen bekannt, bei dem ein Bauteilzuschnitt in gehärtetem Zustand mit relativ geringem Fertigungsmittelaufwand weitgehend konturgenau ohne die erwähnten, fertigungstechnischen Schwierigkeiten des Age-Creep-Forming in eine räumlich gekrümmte Form gebracht wird. Nachteilig ist jedoch auch hier, daß die Werkstoffeigenschaften des fertiggestellten Bauteils, nämlich inbesondere die Restdehnfähigkeit, hinter den für den gewählten Werkstoff an sich erreichbaren Werten zurückbleiben.

[0004] Aufgabe der Erfindung ist es, das Fertigungsverfahren der eingangs genannten Art so auszubilden, daß die mechanischen Werkstoffeigenschaften des umgeformten und gehärteten Bauteils auf herstellungsmäßig einfache Weise verbessert werden.

[0005] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch das im Patentanspruch 1 angegebene Verfahren gelöst.

[0006] Aufbauend auf der Erkenntnis, daß sich die Restdehnung eines schlagkörperumgeformten, warmgehärteten Bauteils signifikant erhöht und Festigkeitsschwankungen im Bauteil weitgehend verringert werden, wenn das Bauteil in noch ungehärtetem Zustand schlagkörperumgeformt und dann unter der Wirkung eines Kriecheffekte im Werkstoff auslösenden Außendrucks warmausgelagert wird, wird erfindungsgemäß durch die beanspruchte Kombination von Schlagkörperumformung und Warmhärtung mit gleichzeitiger Druckbeaufschlagung des Werkstückzuschnitts ein qualitativ hochwertiges Bauteil mit gegenüber jedem der eingangs geschilderten Fertigungsverfahren deutlich verbesserten Werkstoffeigenschaften erhalten, so daß sich selbst großflächige, räumlich gekrümmte Bauteile aus metallischen, warmhärtenden Materialien, etwa Nichteisen-Metallegierungen, wie sie in der Luft- oder Raumfahrt Verwendung finden, unter hochgradiger Materialausnutzung auf fertigungstechnisch einfache Weise gewichtssparend, konturgenau und kostengünstig herstellen lassen.

[0007] In besonders bevorzugter Ausgestaltung werden bei der Warmauslagerung nach Anspruch 2 die Warmhärttemperatur bis zu etwa 12 % und die Warmhärtzeit bis zu etwa 20 % unterhalb der für den unverformten Werkstoff definierten Werte gehalten. Gestützt auf die Feststellung, daß sich der maximale Härtungseffekt der Warmauslagerung aufgrund der vorhergehenden Schlagkörperumformung in Richtung geringerer Warmhärttemperaturen und -Zeiten verschiebt, werden hierdurch die mechanischen Bauteileigenschaften und insbesondere die Werkstoffestigkeit weiter verbessert.

[0008] Im Hinblick auf eine erhöhte Konturgenauigkeit wird das schlagkörperumgeformte Bauteil gemäß Anspruch 3 in besonders bevorzugter Weise während der Warmauslagerung in einer vollflächigen Werkzeugschale mit einer der endgültigen Bauteil-Kontur entsprechenden Formfläche druckbeaufschlagt, so daß das umgeformte Bauteil während des durch die Druck- und Temperatureinwirkung beim Warmhärten erzeugten Kriechprozesses formstabil gehalten wird und nach der Schlagkörperumformung im Bauteil möglicherweise noch verbliebene Konturungenauigkeiten und zu Rückfederungen führende Eigenspannungen auf einfache Weise selbsttätig ausgeglichen werden.

[0009] Um auch für Bauteile, die nur einseitig glattflächig gekrümmt, auf der gegenüberliegenden Bauteilseite aber ungleichförmig profiliert, also etwa stufenförmig aufgedickt sind, mit geringem Fertigungsmittelaufwand eine gleichförmige Flächenpressung im Preßwerkzeug sicherzustellen, wird der Formraum des Preßwerkzeugs auf der der Formfläche abgewandten Bauteilseite gemäß Anspruch 4 zweckmäßigerweise durch eine flexible, während der Warmauslagerung von außen druckmittelbeaufschlagte Begrenzungswand dichtend verschlossen, wobei die Druckmittelbeaufschlagung und Warmauslagerung vorzugsweise in einem Autoklaven erfolgt und der Formraum zwischen flexibler Begrenzungswand und Formfläche gemäß Anspruch 5 im Hinblick auf eine erhöhte Bauteilkompression evakuiert wird.

[0010] Die Erfindung wird nunmehr anhand eines Ausführungsbeispieles in Verbindung mit den Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen in stark schematisierter Darstellung:
Fig. 1
einen ebenen, plattenförmigen Bauteil-Zuschnitt im nicht umgeformten Zustand;
Fig. 2
das Bauteil nach der Kugelstrahlumformung in eine räumlich gekrümmte Kontur;
Fig. 3
das Bauteil während der Warmauslagerung und Druckbeaufschlagung in einem Preßwerkzeug und
Fig. 4
einen Ausschnitt des Preßwerkzeugs gemäß Fig. 3 im vergrößerten Maßstab.


[0011] Anhand der Fig. wird die Herstellung eines sphärisch gekrümmten Bodensegments für die Tankböden des Treibstofftanks eines Raumfahrzeugs beschrieben. Gemäß Fig. 1 wird zunächst aus einer ebenen Metallplatte, z.B. aus einer schweißbaren Aluminium-Kupfer-Legierung mit einem 6 %-igen Kupferanteil, ein kreissektorförmiger Zuschnitt 2 hergestellt und entsprechend dem geforderten Wanddickenverlauf des Tankbodensegments spanabhebend bearbeitet, so daß stufenförmige Aufdickungen 4 erhöhter Wandstärke stehenbleiben.

[0012] Anschließend wird der Bauteilzuschnitt 2 auf die in der DE 38 42 064 C2 beschriebene Weise, auf die hiermit vollinhaltlich Bezug genommen wird, im Wege der Kugelstrahlumformung dergestalt kaltumgeformt, daß er zumindest annähernd mit der sphärisch gekrümmten Endkontur des herzustellenden Tankbodensegments 6 übereinstimmt (Fig. 2).

[0013] Das so umgeformte Bauteil 6 wird dann in ein Preßwerkzeug 8 (Fig. 3) eingelegt, welches eine starre Formschale 10, z.B. aus Carbonfaserverbundwerkstoff mit einer der Bauteil-Endkontur entsprechend sphärisch gekrümmten Formfläche 12 enthält. Auf der mit den Aufdickungen 4 versehenen Innenseite wird das Bauteil 6 unter Zwischenlage eines luftdurchlässigen Sauggewebes 14 durch eine flexible Vakuumfolie 16 abgedeckt, welche am Rand durch eine Dichtmasse 18 druckdicht mit der Formschale 10 verbunden wird, woraufhin das Preßwerkzeug 8 mit dem im Formraum zwischen Formfläche 12 und Vakuumfolie 16 eingeschlossenen Bauteil 4 in einen - nicht gezeigten - Autoklaven eingebracht und dort warmausgelagert wird, wobei die Warmhärttemperatur um etwa 12 % und die Warmhärtzeit um etwa 20 % unter den für den unverformten Werkstoff geltenden Werten gehalten werden. Gleichzeitig mit der Warmaushärtung wird der Formraum evakuiert und der Autoklavendruck auf einem so hohen Niveau gehalten, daß der Bauteil-Werkstoff zum Kriechen gebracht wird.

[0014] Nach Beendigung des Warmhärtzyklus ist das Bauteil 6 fertiggestellt und kann mit weiteren, auf gleiche Weise gefertigten Bauteilen zu einem halbkugelförmigen Tankboden eines Treibstofftanks für ein Raumfahrzeug zusammengeschweißt werden.

[0015] Bei einem konkreten Ausführungsbeispiel der Erfindung wurde ein kreisringsektorförmiger, ebener Bauteilzuschnitt 2 aus dem oben erwähnten Werkstoff mit einer Radiallänge von 2500 mm und einer Breite von 2100 mm hergestellt und spanabhebend auf eine Wandstärke von 1,3 mm mit örtlichen Aufdickungen bis zu 4,5 mm gebracht. Durch die Kugelstrahlumformung wurde das Bauteil in eine zweiachsig gekrümmte Form (Krümmungsradius R1 etwa 3000 mm und Krümmungsradius R2 etwa 2700 mm) gebracht. Die Warmauslagerung im Preßwerkzeug 8 erfolgte bei einem Autoklavendruck von 5 bar mit einer Aufheizrate von 30° C/h und einer Haltezeit von 14 Stunden bei 160° C. Dabei wurden alle noch vorhandenen Konturungenauigkeiten beseitigt. Anhand von Proben wurde festgestellt, daß die Werkstoffeigenschaften gegenüber einem gleichartigen, kugelstrahlumgeformten, jedoch ohne Kriechprozeß warmgehärteten Bauteil entscheidend verbessert werden konnten und die geforderten Sollwerte überschritten wurden. Die Hauptvorteile lagen in einer höheren Restdehnung und mechanischen Festigkeit sowie einer Verringerung der Streuung der Werkstoffeigenschaften innerhalb der Bauteilflächen und dem fast restlosen Abbau von Eigenspannungen.


Ansprüche

1. Verfahren mm Umformen eines plattenförmigen Bauteils aus einem elastisch und plastisch umformbaren, durch Warmauslagerung härtbaren, insbesondere metallischen Werkstoff, bei dem das Bauteil in eine räumlich gekrümmte Form schlagkörper-, insbesondere kugelstrahlumgeformt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
das Bauteil vor der Warmauslagerung schlagkörperumgeformt und während der Warmauslagerung einer äußeren, die Kriechfestigkeit des Werkstoffs übersteigenden Druckeinwirkung ausgesetzt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
die Warmhärttemperatur und -zeit der Warmauslagerung unterhalb der für den unverformten Werkstoff definierten Werte gehalten werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß
das schlagkörperverformte Bauteil während der Warmauslagerung in einem Preßwerkzeug mit einer der endgültigen Bauteil-Kontur entsprechenden Formfläche vollflächig druckbeaufschlagt wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet, daß
der Formraum des Preßwerkzeugs auf der der Formfläche abgewandten Bauteilseite durch eine flexible, während der Warmauslagerung von außen druckmittelbeaufschlagte Begrenzungswand dichtend abgeschlossen wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, daß
der Formraum zwischen flexibler Begrenzungswand und Formfläche des Preßwerkzeugs während der äußeren Druckmittelbeaufschlagung und Warmauslagerung des Bauteils evakuiert wird.
 




Zeichnung










Recherchenbericht