(19)
(11) EP 0 742 569 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.11.1996  Patentblatt  1996/46

(21) Anmeldenummer: 96810260.8

(22) Anmeldetag:  23.04.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6H01H 33/76
(84) Benannte Vertragsstaaten:
CH DE FR GB IT LI NL SE

(30) Priorität: 12.05.1995 DE 19517540

(71) Anmelder: ABB RESEARCH LTD.
CH-8050 Zürich 11 (CH)

(72) Erfinder:
  • Brühl, Bodo, Dr.
    5444 Künten (CH)
  • Jülke, Elias, Dr.
    5430 Wettingen (CH)
  • Kaltenegger, Kurt, Dr.
    5426 Lengnau (CH)
  • Niemeyer, Lutz, Dr.
    5242 Birr (CH)
  • Ritzer, Leopold
    5417 Untersiggenthal (CH)

(74) Vertreter: Kaiser, Helmut, Dr. et al
ABB Management AG, Abt. TEI - Immaterialgüterrecht
5401 Baden
5401 Baden (CH)

   


(54) Löschgasabgebender Werkstoff und Druckgasschalter mit einem solchen Werkstoff


(57) Der Werkstoff enthält eine Isolierstoffmatrix und einen in die Matrix eingebetteten Füllstoff und zeichnet sich durch eine zeilenförmige Struktur aus. Der überwiegende Teil der Zellen ist mit einem lichtbogenlöschende Eigenschaften aufweisenden Material gefüllt oder enthält ein Material, welches bei Lichtbogeneinwirkung Lichtbogenlöschgas bildet.
Zur Verbesserung der Schaltleistung kann ein solcher Werkstoff mit Vorteil in einem Druckgasschalter eingesetzt werden, bei dem der Schaltlichtbogen (11) mit Löschgas beblasen wird. Hierbei wird der Werkstoff bevorzugt an löschgasführenden Stellen angeordnet, an denen der Werkstoff der Strahlung des Lichtbogens (11) und der thermischen Wirkung von Lichtbogengasen ausgesetzt ist.




Beschreibung

TECHNISCHES GEBIET



[0001] Bei der Erfindung wird ausgegangen von einem elektrisch isolierenden und bei der Einwirkung eines Lichtbogens Löschgas abgebendem Werkstoff auf der Basis einer Isolierstoffmatrix und eines in die Matrix eingebetteten Füllstoffs. Zugleich betrifft die Erfindung auch einen seinen Schaltlichtbogen mit Löschgas beblasenden Druckgasschalter, bei dem ein derartiger Werkstoff in dielektrisch und thermisch hoch belasteten Bereichen verwendet wird.

[0002] In Hoch- und Mittelspannungs-Leistungsschaltgeräten mit Löschgasbeblasung des Schaltlichtbogens werden in dielektrisch und thermisch hoch belasteten Zonen üblicherweise Werkstoffe auf der Basis von Polytetrafluoräthylen (PTFE) eingesetzt. Diese Werkstoffe erodieren bei der Einwirkung des Schaltlichtbogens und geben hierbei Gas ab, vorzugsweise auf der Basis von Fluor, welches die Löschung des Schaltlichtbogens begünstigt. Durch Zusatz eines pulverförmigen, beispielsweise keramischen, Füllstoffs zum PTFE wird die Abbrandfestigkeit erhöht und damit die Löschgasbildung herabgesetzt.

[0003] Bauteile auf der Basis solcher Werkstoffe werden üblicherweise durch Sintern von Presskörpern aus PTFE- und gegebenenfalls vorgesehenem Füllstoffpulver bei Temperaturen typischerweise zwischen 340 und 350°C und nachfolgendes Abkühlen der Sinterkörper nach einem speziell angepassten Programm, bei dem die Kristallinität des PTFE und damit die Formstabilität und Masshaltigkeit der Bauteile erhalten bleiben, gefertigt.

STAND DER TECHNIK



[0004] In DE 23 19 932 C2 ist ein Druckgasschalter beschrieben, bei dem der beim Ausschalten auf zwei Abbrandkontakten fussende Schaltlichtbogen im Inneren einer Isolierstoffdüse auf der Basis von PTFE brennt. Unter dem Einfluss der Lichtbogenwärme und -strahlung wird das PTFE thermisch zersetzt und dadurch der Querschnitt der Engstelle der Isolierstoffdüse vergrössert. Bei der thermischen Zersetzung entstehende gasförmige Fluorverbindungen beblasen den Schaltlichtbogen durch die Düse und begünstigen so dessen Löschung ganz erheblich. Aufgrund des beträchtlich zunehmenden Querschnitts der Düsenengstelle wird nach dem Abschalten einiger schwerer Kurzschlüsse die Abschaltleistung des Schalters wesentlich herabgesetzt und ist die Düse dann zu ersetzen.

[0005] In DE 27 08 030 A1 ist eine Isolierdüse für einen Druckgasschalter beschrieben, welche aus einem Werkstoff auf der Basis eines elektrisch isolierenden und bei Lichtbogeneinwirkung Löschgas abgebendem Kunststoffs, wie etwa PTFE, und einem in den Kunststoff eingebetteten pulverförmigen Füllstoff besteht, wie etwa Graphit, Russ, Titandioixid, Calciumfluorid oder einem Aluminiumdioxid, wie insbesondere Korund.

[0006] Bei dieser Isolierstoffdüse absorbiert der Füllstoff weitgehend die vom Schaltlichtbogen ausgesandte und das sichtbare Spektrum sowie grosse Bereiche des Infrarot- und Ultraviolettbereichs umfassende elektromagnetische Strahlung. Hierdurch wird ein Eindringen der Strahlung ins Innere der Isolierstoffdüse weitgehend verhindert. Eine solche Düse zeichnet sich daher durch einen geringen Abbrand aus. Zugleich kann eine solche Düse aber auch nur eine relativ kleinen Anteil an lichtbogenlöschenden Gasen und Dämpfen entwickeln.

KURZE DARSTELLUNG DER ERFINDUNG



[0007] Der Erfindung, wie sie in den Patentansprüchen 1 und 16 angegeben ist, liegt die Aufgabe zugrunde, einen Werkstoff der eingangs genannten Art zu schaffen, welcher oberhalb eines Schwellwerts der von einem Lichtbogen vor allem durch Strahlung und Heissgasbildung abgegebenen Energie eine definierte Menge an Löschgas bereitstellt, und zugleich einen mit einem solchen Werkstoff versehenen Druckgasschalter anzugeben, welcher sich gegenüber einem vergleichbar dimensionierten Schalter nach dem Stand der Technik durch eine höhere Abschaltleistung auszeichnet.

[0008] Der Werkstoff nach der Erfindung weist ein nichtlineares Abbrandverhalten auf. Ist bei diesem Werkstoff die vom Lichtbogen durch Strahlung oder Heissgasbildung abgegebene Leistung relativ klein, so bleibt der Abbrand gering und wird dementsprechend aus den Zellen praktisch kaum Löschgas freigesetzt. Ist hingegen die vom Lichtbogen abgegebene Leistung, etwa beim Schalten eines schweren Kurzschlussstroms, gross, so werden die Zellen, beginnend an der dem Lichtbogen ausgesetzten Oberfläche, schichtweise zerstört und wird so je nach Lichtbogenstärke und -dauer selektiv zusätzliches Löschgas in überproportionaler Menge aktiviert. Da das aus den Zellen tretende Löschgas nicht nur einer besonders effektiven Löschung des Lichtbogens dient, sondern zugleich auch die Oberfläche des der Wirkung des Lichtbogens ausgesetzten Werkstoffs kühlt, wird selbst bei starken Lichtbögen der Werkstoffabbrand relativ gering gehalten und gestoppt, sobald die Leistung des Lichtbogens unter einen Schwellwert gefallen ist.

[0009] Erreicht wird dieses nichtlineare Abbrandverhalten durch die zellulare Struktur das Werkstoffs mit löschmittelgefüllten Mikrokapseln, die durch einen von Lichtbogen hervorgerufenen Erosionsmechanismus zerstört werden und dabei eingekapseltes der Löschgasbildung dienendes Material aktivieren. Da hierbei das Abtragen der einzelnen Kapseln schichtweise von aussen nach innen erfolgt, kommt der Erosionsmechanismus beim Unterschreiten des Schwellwerts der Lichtbogenleistung zum Erliegen.

[0010] Der Erosionsmechanismen kann vor allen durch folgende Lichtbogeneinwirkungen hervorgerufen werden:

(a) Das in den Zellen des Werkstoffs vorgesehene Material absorbiert - beispielsweise durch eingelagerte Farbpigmente - Lichtbogenstrahlung. Das im allgemeinen als Flüssigkeit ausgebildete Material verdampft oder zersetzt sich und erhöht den Druck in den bestrahlten Zellen. Oberhalb eines durch die Intensität der Strahlung bestimmten Schwellwertes werden die Zellwände aufgrund des erhöhten Drucks und der erhöhten Temperatur zerstört und wird das Material als Löschgas freigesetzt.

(b) Die Strahlungsabsorption findet überwiegend in den - beispielsweise Farbpigmente enthaltenden - Zellwänden statt. Die Absorption erhöht primär die Temperatur der Zellwände, wodurch diese erweichen und geöffnet werden.

(c) In der Lichtbogenzone freigesetzte reaktive Teilchen werden mit lichtbogenaufgeheiztem Gas zum löschgasabgebendem Werkstoff transportiert und bewirken durch eine chemische Reaktion mit den Zellwänden ein Öffnen der Zellen und das Freisetzen des löschgasbildenden Materials.

(d) Die Thermoschockwirkung von bei der Lichtbogenbildung explosionsartig gebildetem Heissgas versprödet die Zellwände und setzt das löschgasbildende Material frei.

(e) Ein von einem starken Strom gespeister Lichtbogen ist im allgemeinen von einer explosionsartig einsetzenden Druckwelle begleitet, welche die Zellwände zerstört und das löschgasbildende Material schlagartig freisetzt.



[0011] Die unter (a) und (b) aufgelisteten Erosionsmechanismen bedingen die Anordnung des löschgasabgebenden Werkstoffs im direkten Strahlungsfeld des Lichtbogens. Bei Verwendung des Werkstoffs in einem Druckgasschalter mit einer Isolierstoffdüse und mit einem der Speicherung von lichtbogenaufgeheiztem Druckgas dienendem Heizvolumen, welches über einen Heizkanal mit der Lichtbogenlöschzone verbunden ist, sind dies bevorzugt der Heizkanal und der Düsendiffusor.

[0012] Die unter (c) - (e) aufgeführten Erosionsmechanismen können auch in löschgasabgebendem Werkstoff auftreten, welcher ausserhalb des direkten Strahlungsfeldes (Gesichtsfeldes) des Lichtbogens angeordnet ist. Bei Verwendung des Werkstoffs in einem Druckgasschalter mit einer Isolierdüse und mit einem Heizvolumen kann der Werkstoff dann der Auskleidung des ausserhalb des Gesichtsfeldes des Lichtbogens liegenden Heizvolumens dienen. Ein bei einem Schaltvorgang durch Lichtbogenaufheizung in der Lichtbogenlöschzone erzeugter und in das Heizvolumen geführter Heissgasstrom setzt dann im Heizvolumen durch Öffnen der Zellen frisches Löschgas frei, wodurch eine grosse Menge an hochqualitativem Löschgas für die Lichtbogenlöschung zur Verfügung steht.

[0013] Geeignetes Material für die Füllung der Zellen weist lichtbogenlöschende Eigenschaften auf oder bildet bei Lichtbogeneinwirkung Lichtbogenlöschgas. Bevorzugtes Material sind flüssige oder gasförmige Fluorverbindungen auf der Basis von Stickstoff, Sauerstoff, Wasserstoff, Kohlenstoff und/oder Schwefel mit möglichst hoher Dichte und möglichst geringem Kohlenstoffanteil. Wegen ihres grossen Fluoranteils besonders zu bevorzugen sind perfluorierte Flüssigkeiten. Von Vorteil ist es, wenn die flüssigen Flluorverbindungen einen Siedepunkt grösser 100°C aufweisen. Anstelle von Fluorverbindungen können auch Spreng- und Explosivstoffe, etwa NH4NO3, welche in einem geeigneten Matrixisolierstoff, etwa PTFE, phlegmatisiert sind, verwendet werden.

[0014] Aus herstellungstechnischen Gründen kann der Füllstoff von einem Pulver gebildet sein, dessen Teilchen vor dem Einbetten in die Isolierstoffmatrix überwiegend als Mikrokapseln mit Teilchengrössen bis zu 1 mm ausgebildet sind. Die der Lagerung der Mikrokapseln dienende Isolierstoffmatrix ist vorzugsweise durch Härtung einer Formmasse, insbesondere auf der Basis eines Epoxid-, eines Polyester-, Acryl- oder Polyurethanharzes, gebildet. Anstelle durch Einlagern des überwiegend Mikrokapseln enthaltenden Pulvers in die Matrix kann der Werkstoff auch durch Sintern oder Verkleben der Pulverteilchen gebildet werden.

[0015] Die Zellwände der typischerweise 5 bis 100 µm grossen Mikrokapseln sind überwiegend von einem Polymer, einer Keramik oder Glas gebildet. Besonders geeignete Materialien sind Polymere auf der Basis eines Melamin-Formaldehydharzes, eines Acrylharzes oder eines Polyurethanharzes.

[0016] Der Isolierstoffmatrix können zur Dichteverbesserung zusätzliche Füllstoffe, beispielsweise Graphitpulver, beigemischt werden. Durch Zugabe von langzeitstabilen Farbstoffen (Lebensdauer>20 Jahre) in die Isolierstoffmatrix und/oder in den Füllstoff lässt sich das Abbrandverhalten des Werkstoffs regulieren. Bewährt als Farbstoff hat sich ein Anteil von 0,01 bis 1 Gewichtsprozent MoS2 am Werkstoff.

[0017] In einem Druckgasschalter dient das aus den Zellen tretende Löschgas der Stabilisierung der Dichte des von einem Schaltlichtbogen aufgeheizten Löschgases in der Phase vor und nach dem Stromnulldurchgang über einen dielektrisch kritischen Wert hinaus sowie der teilweisen Kompensierung der abströmenden Löschgasmengen. Hierdurch wird bei im wesentlichen gleichbleibender Kammerdimensionierung eine höhere Abschaltleistung erreicht.

[0018] Voraussetzung dafür ist, dass der Werkstoff zumindest teilweise der Führung der Löschgasströmung dient und an Stellen der Löschgasführung angeordnet ist, an denen der Werkstoff der Strahlung des Lichtbogens und der thermischen Wirkung von Lichtbogengasen ausgesetzt ist. Mit besonderem Vorteil dient der Werkstoff der Auskleidung stromauf- und/oder stromabwärts der Engstelle einer Isolierstoffdüse des Schalters gelegener strömungsführender Teile. Von zusätzlichem Vorteil ist es, den Werkstoff auch ausserhalb der eigentlichen Löschzone des Schalters anzuordnen, und ihn als Auskleidung eines stromaufwärts der Düsenengstelle angeordneten Volumens zum Speichern von lichtbogenaufgeheiztem Löschgas zu verwenden.

KURZE BESCHREIBUNG DER ZEICHNUNGEN



[0019] Ein bevorzugtes Ausführungsbeispiele der Erfindung und die damit erzielbaren weiteren Vorteile werden nachfolgend anhand von Zeichnungen näher erläutert. Hierbei zeigt:

[0020] 
Fig.1
eine Löschkammer eines Druckgasschalters mit einer auswechselbaren Isolierdüse aus löschgasabgebendem Werkstoff nach der Erfindung, aus PTFE oder aus einem anderen Werkstoff nach dem Stand der Technik, deren Düseninneres über einen Heizkanal mit einem Heizvolumen zur Aufnahme von Löschgas verbunden ist,
Fig.2
ein Diagramm, in dem der Druckaufbau p [bar] im Heizvolumen des Druckgasschalters gemäss Fig.1 in Abhängigkeit von der Anzahl n an Abschaltungenn dargestellt ist, und
Fig.3
ein Diagramm, in dem der Abbrand der Isolierstoffdüse des Druckgasschalters gemäss Fig.1, gemessen als Durchmessererweiterung d[mm] ihrer im Anfangsstadium rohrförmig ausgebildeten Engstelle, in Abhängigkeit vom Abstand x [mm] des Messpunktes vom zum Heizkanal offenen Ende der Düse, dargestellt ist.

WEGE ZUR AUSFÜHRUNG DER ERFINDUNG



[0021] Die in Fig.1 dargestellte Löschkammer ist in einem nicht dargestellten, mit einem isolierenden und lichtbogenlöschenden Gas, wie etwa SF6 von beispielsweise 4 bis 6 bar Druck, gefüllten Gehäuse eines Mittelspannungs-Leistungsschalters für Nennspannungen von typischerweise 10 bis 40 kV angeordnet. Die Löschkammer enthält zwei jeweils über einen Stromanschluss 1 bzw. 2 mit einer Stromquelle verbundene Schaltstücke 3 und 4. Das Schaltstück 3 ist feststehend angeordnet und wird im nicht dargestellten Einschaltzustand vom längs einer Achse 5 verschieblichen Schaltstück 4 kontaktiert. Die Wand 6 der Löschkammer umschliesst ein torusförmig ausgebildetes Heizvolumen 7, welches auf seiner Innenfläche von einem im wesentlichen hohlzylinderförmigen Isolator 8 und nach unten von einer freiliegenden Endfläche einer Isolierdüse 9 begrenzt ist. Die freiliegenden Endflächen von Isolator 8 und Isolierdüse 9 begrenzen einen ringförmigen Kanal 10. Während eines in Fig.1 dargestellten Ausschaltvorgangs verbindet der Kanal 10 die Lichtbogenlöschzone, welche beim Ausschalten einen zwischen den Schaltstücken 3, 4 brennenden Schaltlichtbogen 11 aufnimmt, mit dem Heizvolumen 7. Die Isolierdüse 9 weist eine axial ausgerichtete Bohrung auf. Die Bohrung bildet eine rohrförmige Engstelle 12 mit einer Länge L und einem Durchmesser D und erweitert sich stromabwärts der Engstelle 12 zu einem in einen Expansionsraum 13 führenden Diffusor.

[0022] Die Isolierdüse 9, zumindest aber ein der Einwirkung des Schaltlichtbogens ausgesetzter Abschnitt 14 der Düse, sowie gegebenenfalls auch der Isolator 8 - zumindest im Bereich seiner den Kanal 10 begrenzenden Endfläche - und Teile einer Auskleidung 15 des Heizvolumens 7 sind von einem löschgasabgebenden Werkstoff mit zellenförmiger Struktur gebildet, bei dem der überwiegende Teil der Zellen mit einem lichtbogenlöschende Eigenschaften aufweisendem Material gefüllt ist oder ein Material enthält, welches bei Lichtbogeneinwirkung das Lichtbogenlöschgas bildet.

[0023] Ein solcher Werkstoff kann etwa wie folgt hergestellt werden: Ausgangskomponenten zur Herstellung des Werkstoffs sind:

(a) ein perfluoriertes Alkan mit einem Siedepunkt von ca. 215°C, beispielsweise eine Flüssigkeit der Fa. 3M, Minnesota Mining, welche unter dem Handelsnamen Fluorinert FC 5312 vertrieben wird,

(b) ein Melamin-Formaldehydharz (MF),

(c) ein Harz, etwa ein von der Fa. Ciba-Geigy unter dem Handelsnamen Araldit CY 225 vertriebenes Epoxidharz,

(d) ein Härter, wie er etwa von der Fa. Ciba-Geigy unter der Bezeichnung Härter HY 925 vertrieben wird, und

(e) gegebenenfalls ein Farbstoff, etwa pulverförmiges Molybdändisulfid.



[0024] Aus den Komponenten (a) und (b) wird durch geeignete Misch- und Sprühtrocknungsverfahren ein Mikrokapseln enthaltendes, trockenes und rieselfähiges Pulver hergestellt. Die Mikrokapseln weisen Korngrössen von 6 bis 10 µm auf und bestehen jeweils aus einer MF-Hülle, welche die perfluorierte Flüssigkeit trägt. Die Mengenverhältnisse der beiden Ausgangskomponenten sind so bestimmt, dass die Mikrokapseln ca. 80 bis 90 Gewichtsprozent Flüssigkeit und ca. 10 bis 20 Gewichtsprozent MF enthalten.

[0025] 100 Gewichtsteile der Komponente (c), 80 Gewichtsteile der Komponente (d) und ein 180 Gewichtsteile dieses Pulvers umfassender Füllstoff wurden miteinander vermischt. Die resultierende Mischung wurde evakuiert und unter Vakuum in eine Form gegossen, in der sie während 4h bei ca. 80°C gelierte und während ca. 16h bei 140°C zum Werkstoff bzw. zu einem praktisch gebrauchsfertigen Bauteil, beispielsweise einer Isolierstoffdüse, ausgehärtet wurde.

[0026] Eine solchermassen hergestellte Isolierdüse 9 wurde in die Löschkammer gemäss Fig.1 eingebaut und der Druckgasschalter bei Kurzschlussströmen von ca. 25 kA wiederholt ausgeschaltet. Entsprechende Schaltungen wurden mit der gleichen Löschkammer ausgeführt, in der jedoch anstelle der aus mikrogekapselten Werkstoff bestehenden Isolierdüse 9 Düsen gleicher geometrischer Abmessungen aus PTFE und mikrokapselungsfreiem Epoxid verwendet wurden.

[0027] Beim Ausschalten zerplatzen die Zellwände der Mikrokapseln unter der Wirkung des durch die Engstelle 12 der Isolierstoffdüse 9 brennenden Schaltlichtbogens 11. Perfluorierte Flüssigkeit wird aus den geöffneten Kapseln gesprüht und unterstützt durch seine abkühlende Wirkung, durch die Bildung von frischem Löschgas mit hohem Druck und durch die elektronegative Wirkung von Fluorkarbonen bei der thermischen Zersetzung im Schaltlichtbogen die Lichtbogenlöschung ganz wesentlich. Hierbei wird das gebildete Löschgas zusammen mit dem in der Löschkammer gespeicherten Löschgas in der Hochstromphase unter Aufbau von Druck zunächst im Heizvolumen 7 gespeichert und dient dann beim Stromnulldurchgang der Beblasung des Schaltlichtbogens 11.

[0028] Da der aus den Komponenten (c) und (d) gebildete Isolierstoff transparent ist, kann die Strahlung der Schaltlichtbogens gegebenenfalls mehrere Millimeter tief in die Isolierstoffdüse 9 eindringen. Durch Zugabe von ca. 0,01 bis 1 Gewichtsprozent der Komponente (e) beim Mischen der Ausgangskomponenten wurde die Eindringtiefe der Lichtbogenstrahlung und damit auch die Abbrandtiefe der Isolierstoffdüse 9 bei einem Schaltvorgang auf wenige Zehntel Millimeter reduziert.

[0029] In der nachfolgenden Fig. 2 ist nun der Druckaufbau im Heizvolumen 7 des Druckgasschalters mit einer aus dem mikrogekapselten Werkstoff (B) bestehenden Isolierstoffdüse 9 in Abhängigkeit von der Anzahl an Abschaltungen dargestellt. Zugleich sind entsprechende Vergleichsdaten für einen Druckgasschalter mit einer Isolierdüse aus einem mit Al2O3 gefüllten Epoxid (A) nach dem Stand der Technik dargestellt. Ersichtlich wird zeichnet sich der Schalter mit der aus mikrogekapselten Werkstoff bestehenden Isolierstoffdüse 9 nach mehreren Abschaltungen durch einen wesentlich besseren Druckaufbau aus.

[0030] In Fig.3 ist der Abbrand, gemessen als Durchmessererweiterung d in Abhängigkeit vom Abstand x des Messpunktes vom zum Heizkanal 10 offenen Ende der Engstelle 12, nach mehreren Abschaltungen n aufgetragen. Ersichtlich brennt die Düse beim Druckgasschalter mit dem mikrogekapselten Werkstoff wegen der starken Löschgasbildung an dem im Bereich des Kanals 10 liegenden Ende (x = 0) relativ stark ab. Da jedoch das zum Diffusor hin gerichtete Ende der Engstelle 12 (x = 20 = L) relativ schwach abgebrannt ist, weist die Düse gegenüber einer Düse nach dem Stand der Technik hinsichtlich der für das Schaltvermögen des Druckgasschalters bedeutsamen Bemessung der Engstelle praktisch das gleiche Abbrandverhalten bei erheblich verbessertem Druckaufbau auf. Wird diese strömungsbestimmende Engstelle der Düse aus einem Material mit besonders geringem Abbrand gebildet, wie beispielsweise Bor- oder Siliciumnitrid oder Zirkoniumoxid, so wird ein besonders geringes Abbrandverhalten bei einem gleichzeitig besonders guten Druckaufbau im Heizvolumen 7 erreicht.

Bezugszeichenliste



[0031] 
1, 2
Stromanschlüsse
3, 4
Schaltstücke
5
Achse
6
Löschkammerwand
7
Heizvolumen
8
Isolator
9
Isolierstoffdüse
10
Kanal
11
Schaltlichtbogen
12
Engstelle
13
Expansionsraum
14
Abschnitt
15
Auskleidung



Ansprüche

1. Elektrisch isolierender und bei der Einwirkung eines Lichtbogens Löschgas abgebender Werkstoff auf der Basis einer Isolierstoffmatrix und eines in die Matrix eingebetteten Füllstoffs, gekennzeichnet durch eine zellenförmige Struktur, bei der der überwiegende Teil der Zellen mit einem lichtbogenlöschende Eigenschaften aufweisenden Material gefüllt ist oder ein Material enthält, welches bei Lichtbogeneinwirkung das Lichtbogenlöschgas bildet.
 
2. Werkstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Zellwände von Membranen gebildet sind, welche bei der Einwirkung des Lichtbogens oberhalb eines Schwellwertes der Lichtbogeneinwirkung selektiv zerstörbar sind.
 
3. Werkstoff nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Zellen ausgehend von einer lichtbogenaussetzbaren Oberfläche in unterschiedlichen Abständen zur Oberfläche angeordnet sind.
 
4. Werkstoff nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Zellen schichtförmig angeordnet sind.
 
5. Werkstoff nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Zellen schichtförmig ausgebildet sind.
 
6. Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Füllstoff von einem Pulver gebildet ist, dessen Teilchen vor dem Einbetten in die Isolierstoffmatrix überwiegend als Mikrokapseln mit Teilchengrössen bis zu 1 mm ausgebildet sind.
 
7. Werkstoff nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Mikrokapseln nach dem Einbetten in einer die Isolierstoffmatrix bildenden, gehärteten Formmasse, vorzugsweise auf der Basis eines Epoxid-, eines Polyester-, Acryl- oder Polyurethanharzes, gelagert sind.
 
8. Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass der Werkstoff durch Sintern oder Verkleben eines Pulvers gebildet ist, dessen Teilchen vor dem Sintern oder Verkleben überwiegend als Mikrokapseln mit Teilchengrössen bis zu 1 mm ausgebildet sind.
 
9. Werkstoff nach einem der Ansprüche 6 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Mikrokapseln eine Zellwand aus einem Polymer, einer Keramik oder Glas und eine Materialfüllung aus einer fluorierten, vorzugsweise perfluorierten, Flüssigkeit, insbesondere mit einem Siedepunkt grösser 100°C, enthalten.
 
10. Werkstoff nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Mikrokapseln Teilchengrössen von typischerweise 5 bis 100 µm aufweisen und vorzugsweise aus einem Melamin-Formaldehydharz, einem Acrylharz oder einem Polyurethanharz gebildete Kapselungswände aufweisen.
 
11. Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass als Füllstoff ein lichtbogenlöschgasbildender Spreng- oder Explosivstoff vorgesehen ist.
 
12. Werkstoff nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass der Spreng- oder Explosivstoff in eine phlegmatisierend wirkende Isolierstoffmatrix, vorzugsweise auf der Basis eines Polytetrafluoräthylens, eingebettet ist.
 
13. Werkstoff nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, dass der Isolierstoffmatrix Graphitpulver beigemengt ist.
 
14. Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolierstoffmatrix und/oder der Füllstoff einen langzeitstabilen Farbstoff enthält.
 
15. Werkstoff nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die Isolierstoffmatrix ca. 0,01 bis 1 Gewichtsprozent MoS2 enthält.
 
16. Druckgasschalter mit dem Werkstoff nach einem der Ansprüche 1 bis 15, bei dem ein bei einem Schaltvorgang gebildeter Schaltlichtbogen (11) einer Löschgasströmung ausgesetzt ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Werkstoff zumindest teilweise der Führung der Löschgasströmung dient und an Stellen der Löschgasführung angeordnet ist, an denen der Werkstoff der Strahlung des Lichtbogens und der thermischen Wirkung von Lichtbogengasen ausgesetzt ist.
 
17. Druckgasschalter nach Anspruch 16 mit einer Isolierstoffdüse (9), dadurch gekennzeichnet, dass zumindest stromaufwärts der Düsenengstelle (12) gelegene strömungsführende Teile der Düse mit dem Werkstoff ausgekleidet sind.
 
18. Druckgasschalter nach Anspruch 17 mit einem stromaufwärts der Düsenengstelle (12) angeordneten Heizvolumen (7) zum Speichern von lichtbogenaufgeheiztem Löschgas, dadurch gekennzeichnet, dass das Heizvolumen (7) zumindest teilweise mit dem Werkstoff ausgekleidet ist.
 




Zeichnung