[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur Akustisierung körpereigener physikalischer
Werte gemäß dem Oberbegriff des Anspruches 1 und auf eine Vorrichtung zur Durchführung
des Verfahrens.
[0002] Das wiederholte Üben von Alltagsbewegungen, wie zum Beispiel das Aufstehen aus einer
sitzenden Haltung und das Gehen, stellt für Patienten mit neurologischen oder orthopädischen
Defiziten ein wesentliches Element der Rehabilitation dar.
[0003] Der Erfolg des Übens bei neurologischen Defiziten, zum Beispiel dem Schlaganfall,
basiert auf der Fähigkeit der Hirnhemisphären, verantwortliche Kontroll-Areale so
zu verlagern, daß der Einfluß irreversibler Zellschädigungen vermindert wird (kortikale
Plastizität). Als unumgänglich wird die motivierende und korrigierende krankengymnastische
Unterstützung während der Übungen erachtet, die jedoch hohe Anforderungen an das Pflegepersonal
stellt.
[0004] Es sind bereits Verfahren bekannt, mit denen Körperbehinderte Musik auf unkonventionelle
Art erzeugen können, z.B. Klangerzeugungen durch Bewegungen des Kopfes. Die Umsetzung
in Musik erfolgt im MIDI-Format (Musical Instruments Digital Interface) (Zeitschrift
Med.Eng.Phys. 1994, Vol.16, May, S.253 ff.: R.Kirk at al.: "Computer music in the
service of music therapie: the MIDIGRID and MIDICREATOR systems").
[0005] Die Umsetzung von psychischen Zuständen des Anwenders in Musik wird zur Selbstwahrnehmung
in der Musiktherapie verwendet. Es erfolgt keine direkte Selbstkontrolle des Anwenders
bezüglich seiner Zustände, z.B. seiner Bewegungen. Eine direkte Verknüpfung von Meßwerten
und Musik zur Eigenkontrolle des Anwenders ist nicht vorgesehen.
[0006] Es ist des weiteren eine Rehabilitationshilfe bekannt, bei der der Druck unter dem
Fuß des Anwenders gemessen und ein Alarmsignal ausgelöst wird, wenn ein eingestellter
Maximalwert überschritten ist. Die Tonhöhe des Alarmsignals variiert je nach Stärke
der Überbelastung, Dem Anwender wird durch die Tonhöhe des Alarmsignals der Grad der
Überbelastung hörbar gemacht (Prospekt der Firma INFOTRONIC, 7650AA Tubbergen/NL,
"Fußdruckbegrenzer"). Es ist hiermit keine direkte Einflußnahme des Anwenders auf
die Alarmsignalgestaltung möglich und somit nur eine geringe Motivation erzielbar.
[0007] Es ist bereits bekannt, die Druckverteilungsmessung im Schuh mittels einer Sensorfolie
in Form einer Einlegesohle vorzunehmen ( Zeitschrift "Med.Orth.Tech. 1/94, S.6 ff.).
Die Sensorfolien werden durch am Unterschenkel befestigte Übertragungseinheiten mit
einem Personalcomputer verbunden. Die Meßergebnisse können an einem Bildschirm während
der Messung verfolgt, im Computer gespeichert und auch über einen Drucker ausgegeben
werden. Das Meßverfahren dient nicht für Trainingszwecke oder zur Therapieunterstützung,
sondern zur Ganganalyse.
[0008] Ein weiteres bekanntes Meßsystem ( "P-Gait-Analysis-Meßsystem", Tagungsbericht von
Zweifel,H.-J. u.a., Seiten 260 ff., Konferenz für Ganganalyse, Eidgenössische Technische
Hochschule Zürich, 1992, S. 260 ff.) erfaßt die Druckgrößen mit einer Meßsohle pro
Fuß, wobei die Druck-Signalerfassung mit Drucksensoren und anschließendem elektronischem
Multiplexing und einer Verstärkung/Impedanzwandlung vorgenommen wird. Die Signalübertragung
erfolgt zu einem Computer, in dem die Signalverarbeitung mittels einer geeigneten
Software vorgenommen wird. Es ist keine Weiterverarbeitung der Signale zur akustischen
Eigenkontrolle des Anwenders vorgesehen. Die Signale dienen der Ganganalyse.
[0009] Es sind bisher jedoch keine Verfahren oder Vorrichtungen bekannt, mit denen eine
Unterstützung beispielsweise der Aufgaben des krankengymnastischen Personals, von
Therapeuten oder von Trainierenden mit einer Wirkungssteigerung der Übungen, einer
Erhöhung der Motivation des Anwenders für die Übungen und die Möglichkeit zur autonomen
Optimierung von Bewegungsabläufen während der Übungen gewährleistet werden können.
[0010] Der Erfindung liegt von daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung
zur Akustisierung körpereigener physikalischer Werte zu entwickeln, mit denen eine
akustische Eigenkontrolle und Motivierung durch Musik von Anwendern bei Trainings-
und/oder Therapiemaßnahmen gewährleistet werden.
[0011] Zur Lösung dieser Aufgabe sieht die Erfindung die Merkmale der Ansprüche 1 und 4
vor.
[0012] Durch die Verbindung bekannter Meßverfahren zur Gewinnung physikalischer Meßwerte
von Personen mit der ebenfalls bekannten Musik im MIDI-Format und durch die Rückkopplung
der Meßwertsituation zum Anwender (Bio-Feedback) wird eine wesentliche Erhöhung der
Motivation von Anwendern für z.B. krankengymnastische Übungen oder für Trainingszwecke
erreicht. Es wird die Möglichkeit zur autonomen Optimierung von Bewegungsabläufen
z.B. während der Rehabilitationsübungen geschaffen. Es kann jedes Instrumental-Musikstück,
welches der trainierenden Person besonders gefällt und in MIDI-Format auf einem Datenträger
vorliegt, zur akustischen Darstellung von körpereigenen physikalischen Werten verwendet
werden. Die Anwendung kann sowohl in Kliniken oder dgl. oder zu Hause unabhängig von
den örtlichen Gegebenheiten und auch ohne Unterstützung durch Therapeuten erfolgen.
Es ist ein kontrolliertes Üben zwischen den Behandlungen beim Therapeuten möglich.
[0013] Weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung ergeben sich aus den Unteransprüchen.
[0014] Die Erfindung ist nachfolgend anhand eines in den Zeichnungen dargestellten Ausführungsbeispieles
einer Vorrichtung zur Akustisierung körpereigener physikalischer Werte zur akustischen
Eigenkontrolle bei der Gangtherapie zur Rehabilitation von Patienten mit Gehstörungen
näher erläutert. Die einzige Figur zeigt ein Blockschaltbild der Vorrichtung zur Durchführung
des Verfahrens.
[0015] Mit Hilfe von Musik soll einem Patienten 1 mit Gehstörungen eine akustische Information
über seine Gangparameter bezüglich Schrittfrequenz, Symmetrie und Abrollverhalten
des Fußes bereitgestellt werden.
[0016] Der Fuß ist für den Menschen die wesentliche mechanische Voraussetzung bei allen
Haltungen und Fortbewegungen. Die Funktion des Fußes kann z.B. bei Einschränkungen
der neuromuskulären Steuerung sowie bei Neuropathien gestört sein.
[0017] Der Mensch muß beim Gehen und Stehen über den Bodenkontakt mit dem Fuß eine Kraft
übertragen, deren vertikale Komponente etwa seinem Gewicht entspricht. Diese Kraft
wirkt über die Kontaktfläche des Fußes mit der Unterlage und erzeugt einen Druck.
Der Druck ist im allgemeinen ungleichmäßig über die Kontaktfläche verteilt und zeitlich
veränderlich.
[0018] Die Messung der Bodenreaktionskräfte erfolgt nach den bekannten Meßverfahren. An
den Füßen bzw. in den Schuhen des Patienten 1 sind pro Fuß mindestens zwei Kraftsensoren
2,3 im Fersenbereich und im Bereich des Vorfußes zur Messung der Bodenreaktionskraft
und zur Messung der Abfolge des Auftretens befestigt. Die Signale der Sensoren 2,3
werden an die Eingänge einer Auswerteeinheit 4 geleitet. Die Auswerteeinheit 4 für
die Meßwerte besteht im wesentlichen aus Verstärker und A/D-Wandler. Die in der Auswerteeinheit
4 aufbereiteten Signale werden einer Bewertungsstufe 6 für die Meßwerte zugeführt,
in der die Meßwerte mit Vorgaben aus einem Bewertungsvorgabenspeicher 5 zusammengebracht
werden. Die so ermittelten Bewertungen für die Bewegungsausführungen des Patienten
1 werden unter Verwendung der vorgegebenen Musik im MIDI-Format aus einem Speicher
8 in einer Umsetzungsstufe 7 vertont und ergeben die modifizierte Musik. Die Bewertungsstufe
6, der Speicher 5 für die Bewertungsvorgaben und die Umsetzungsstufe 7 können durch
einen Mikrocomputer mit Programm- und Datenspeicher und einem angeschlossenen Vertonungsmodul
mit Lautsprecheranschluß realisiert werden. Als Speicher 8 für Musik im MIDI-Format
eignen sich die handelsüblichen Disketten oder Chipkarten.
[0019] Die Signale der Sensoren 2,3 lösen auf der Basis spezifischer Algorithmen (Software)
beim Patienten Klangereignisse aus, die sich in ihrer zeitlichen Abfolge zu charakteristischen
Musikstücken zusammenfügen. Die Musikstücke können Lieder, bestehend aus einer Melodie
und Rhythmus, oder die Klänge deutlich erkennbarer Musikinstrumente sein. Die beschriebene
Musikerzeugung erfolgt im Augenblick der Bewegungsausführung, d.h. in "Echtzeit"
, und ist dem Patienten 1 über Kopfhörer 9 oder Lautsprecher zum gleichen Zeitpunkt
zugänglich.
[0020] Die zu verwendende Software ist in der Lage, Musikstücke zu erzeugen, welche motivierende,
handlungsauslösende und die ausgewählte Bewegung "beschreibende" oder "kontrollierende"
Wirkung aufweisen.
[0021] Der spezifische Algorithmus bewirkt Signale zur Klangerzeugung/Klangbeeinflussung,
die dem MIDI-Format entsprechen und die elektronische Musikinstrumente verwenden,
die solche Signale verstehen ( Verwendung von Standard-Klangerzeugern ). Dabei können
die Bodenreaktionskräfte beispielsweise mit der Tonhöhe und/oder der Lautstärke und
der Gangrhythmus mit dem Musiktakt in Bezug gesetzt werden. Es können über die zu
verwendende Software alle oder einige Parameter beeinflußt oder verändert werden.
[0022] Die Erzeugung von Musikstücken kann in verschiedenen Varianten organisiert werden.
[0023] Der Patient 1 wählt ein gerne gehörtes Lied, Musikinstrument oder Musikstück aus.
Jeweils beim Überschreiten der Bodenreaktionskräfte von rechtem bzw. linkem Bein wird
über einen einstellbaren Schwellenwert eine Klangsequenz ausgelöst, die den durch
ein ausgewähltes Musikinstrument gespielten Noten des folgenden Taktes eben dieses
Liedes entspricht, wobei die Geschwindigkeit des Liedes bzw. die zeitliche Dauer eines
Taktes fest einstellbar ist und somit die Schrittfrequenz des Patienten 1 bestimmt.
Die Differenz zwischen den maximalen Auftrittskräften von linkem und rechtem Bein
aufeinanderfolgender Schritte verstimmt das gespielte Instrument, d.h. verändert den
Grundton um einen gewissen, den Gehfähigkeiten des Patienten 1 angepaßten Betrag.
[0024] Eine Variante besteht darin, daß im Falle des Überschreitens der Bodenreaktionskräfte
von rechtem bzw. linkem Bein über einen einstellbaren Schwellenwert ein Signal ausgelöst
wird, welches ein ausgewähltes Musikinstrument Veranlaßt, eine immer wieder identische
Note oder eine gemäß der Harmonielehre zur Melodie des Liedes passende Note mit der
Dauer der Überschreitung des Schwellenwertes zu spielen. Aus dem zeitlichen Abstand
zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schwellenwertüberschreitungen wird die Zeit berechnet,
mit der ein Takt oder der Bruchteil eines Taktes des ausgewählten Liedes gemeinsam
mit dem Klang eines bestimmten Musikinstrumentes zu Gehör gebracht wird, wobei sich
die Geschwindigkeit des Liedes nach der Schrittfrequenz des Patienten 1 richtet. Das
ausgewählte Lied wird durch eine größere Anzahl von Instrumenten intoniert, jedoch
wird das bestimmte Musikinstrument deutlich herausgehört.
[0025] Die verwendeten Sensoren 2,3 zur Messung der Bodenreaktionskräfte während des Gehens
weisen eine Konstruktion auf, die bezüglich der Genauigkeit, der Auflösung und der
Lebensdauer der Aufgabenstellung angepaßt sind.
[0026] Besonders vorteilhaft sind Kraftsensoren 2,3, die aus luft- oder flüssigkeitsgefüllten
Druckkammern bestehen. Ein Teil der Rückstellkraft kann mittels eines darin befindlichen
Moosgummi- oder Schaumstoffkörpers realisiert werden.
BEZUGSZEICHENLISTE
[0027]
- 1
- Proband
- 2
- Sensor
- 3
- Sensor
- 4
- Auswerteeinheit/Aufbereitungsstufe
- 5
- Bewertungsvorgabenspeicher/Bewertungsstufe
- 6
- Bewertungsstufe
- 7
- Umsetzungsstufe
- 8
- Speicher
- 9
- Kopfhörer
1. Verfahren zur Akustisierung körpereigener physikalischer Werte für Trainings- und/oder
Therapiemaßnahmen, wobei die relevanten physikalischen Meßwerte des Probanden (1)
über Sensoren (2,3) aufgenommen und in einer Aufbereitungsstufe (4) verstärkt und
gewandelt werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß in einer Bewertungsstufe (5,6) durch den Vergleich mit vorgegebenen Kriterien
die Meßwerte bewertet und in einer Umsetzungsstufe (7) nach den Vorgaben aus der Bewertungsstufe
(5,6) derart in Musik interpretiert werden, daß dem Probanden (1) über die interpretierte
und aus einem Musik-Speicher (8) im MIdI-Format an eine Tonquelle (9) ausgegebene
Musik seine Meßwertsituation signalisiert wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Interpretation der Meßwerte
durch Veränderungen in Form von verlängerten oder verkürzten Noten oder Pausen, einer
Auswahl von Instrumentalstimmen, veränderter Klangfarbe oder Nachhall, veränderter
Lautstärke der abgespielten Instrumentalmusik aus dem Speicher (8) im MIdI-Format
vorgenommen wird.
3. Verfahren nach den Ansprüchen 1 und 2. dadurch gekennzeichnet, daß die Aufnahme der
Meßwerte und die Ausgabe der Musik in "Echtzeit" erfolgen.
4. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß
- mindestens ein Sensor (2,3) zur Erfassung physikalischer Meßwerte vom Körper des
Probanden (1) mit
- einer Auswerteeinheit für die Meßwerte (4) verbunden ist,
- die wiederum mit einer Bewertungsstufe (6) für die Meßwerte gekoppelt ist,
- welche eingangsseitig weiterhin mit einem Bewertungsvorgabenspeicher (5) und
- welche ausgangsseitig mit einer Umsetzungssstufe (7) verbunden ist, wobei
- die Umsetzungsstufe (7) eingangsseitig mit einem Speicher (8) für Musik im MIDI-Format
und
- ausgangsseitig mit einer Tonquelle (9) verbunden ist.
5. Vorrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet daß als Sensor (2,3) eine Kraftmeßsohle
für Bodenreaktionskräfte verwendet wird, die in herkömmlichen Schuhen eingelegt ist
und welche unter der Ferse und unter dem Vorfuß mindestens je einen Kraftsensor enthält.
6. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Kraftsensoren aus Dehnungsmeßstreifen
gebildet sind.
7. Vorrichtung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Kraftsensoren aus luft-
oder flüssigkeitsgefüllten Druckkammern bestehen, an welche direkt oder über Schlauchverbindungen
Drucksensoren zur Kraftmessung angebracht sind.
8. Vorrichtung nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet daß ein Teil der Rückstellkraft
in der Druckkammer mittels eines darin befindlichen Moosgummi- oder Schaumstoffkörpers
realisiert ist, wobei die Druckkammerwände mit dem Moosgummi- oder Schaumstoffkörper
fest verbunden sein können.