[0001] Die Erfindung liegt auf dem Gebiet der Verfahrenstechnik für Ablaufanlagen zur automatisierten
Auflösung bisheriger und Zusammenstellung neuer Fahrzeugverbände. Dabei wird ein entkuppelter
bisheriger Fahrzeugverband von einer Abdrücklokomotive über den Gipfel der Ablaufanlage
geschoben, so daß die einzelnen Abteilungen autonom talwärts rollen und durch entsprechende
Weichenstellungen in ein jeweils gewünschtes Ausgangs- oder Richtungsgleis gelangen.
Damit die einzeln ablaufenden Abteilungen auch tatsächlich ihr jeweiliges Ziel erreichen,
sind unter Berücksichtigung der beispielsweise ladungsabhängigen Toleranzgrenzen für
die Stoßbelastungen beim Auflaufen auf ein vorhergehendes Fahrzeug die Unterschiede
im Laufverhalten (z. B. Gutläufer/Schlechtläufer) der einzelnen Abteilung durch geeignete
Abdrückgeschwindigkeiten zu kompensieren. Unter Abteilung ist im Sinne der vorliegenden
Erfindung sowohl ein einzelnes Fahrzeug als auch eine gemeinsam laufende Fahrzeuggruppe
zu verstehen.
[0002] Die Erfindung betrifft in diesem Zusammenhang ein Verfahren zum Ermitteln variabel
vorgegebbarer Abdrückgeschwindigkeiten beim Abdrücken von mehreren Abteilungen eines
Verbandes über den Ablaufgipfel einer Ablaufanlage, wobei in an sich bekannter Weise
vorab für jede Abteilung eine abteilungsindividuelle höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit
bestimmt wird.
[0003] Grundsätzlich wird einerseits durch möglichst hohe Abdrückgeschwindigkeiten ein hoher
Wagendurchsatz und damit eine hohe Leistung der Ablaufanlage angestrebt. Andererseits
erfordert ein sicherer Anlagenbetrieb ohne Falschläufer und Eckstöße die Gewährleistung
ausreichend großer Abstände zwischen den einzelnen Abläufen. Die Abstandsbildung wird
von der Abdrückgeschwindigkeit wesentlich mitbestimmt.
[0004] Die DE-41 39 875 A1 beschreibt einleitend ein Verfahren zum Ermitteln variabel vorgebbarer
Abdrückgeschwindigkeiten, bei dem durch schrittweise Erhöhung oder Herabsetzung der
einer zuvor abgedrückten Abteilung zugeordneten Abdrückgeschwindigkeit die Abdrückgeschwindigkeit
für den aktuellen Ablauf vorgegeben wird. Dabei wird in einem Simulationsvorgang untersucht,
ob unter Zugrundelegung der neu vorgegebenen Abdrückgeschwindigkeit eine Laufwegtrennung
zu der oder den vorauslaufenden Abteilungen noch gegeben ist.
[0005] Aus dem Aufsatz "NEUE LÖSUNGEN IN DER VERFAHRENSTECHNIK FÜR ABLAUFANLAGEN/TEIL II"
in SIGNAL + DRAHT, 85 (1993) 3, Seiten 73 bis 77 wird ein Verfahren der eingangs genannten
Art beschrieben, bei dem zur Ermittlung der variablen Abdrückgeschwindigkeiten das
Löse- und Laufverhalten sowie die Beeinflussung der Abläufe in den Gleisbremsen- und
Förderanlagen und durch die Witterung berücksichtigt wird. Für jeden Wagen des abzudrückenden
ursprüglichen Verbandes oder Zuges wird vorab die höchstzulässsige Abdrückgeschwindigkeit
berechnet Die jeweilige Geschwindigkeitsvorgabe wird per Funk zur Beidrucklokomotive
übertragen. Sofern es sich dabei um eine funkgesteuerte Lokomotive handelt, ist eine
Schutzvorrichtung vorgesehen, die die Lokomotive bei Störung der Funkverbindung bzw.
bei ausbleibenden Steuersignalen sofort zum Stillstand bringt und damit den Abdrückvorgang
unterbricht. Werden die Vorgaben für die Abdrückgeschwindigkeit dagegen im Notbetrieb
oder mangels Funksteuerung der Lokomotive grundsätzlich per Sprechfunk an den Lokomotivführer
übermittelt, erfordert dies die volle Aufmerksamkeit des Bergmeisters und des Abdrücklokomotivführers.
Sie müssen nämlich dann beim Herannahen einer Abteilung, der eine verminderte Abdrückgeschwindigkeit
zugeordnet ist, unverzüglich und konsequent reagieren, um eine Überschreitung der
maximal zulässigen abteilungsspezifischen Abdrückgeschwindigkeit zu verhindern. Bei
Störungen tendiert das bekannte Verfahren also nicht in jedem Fall zur sicheren Seite.
[0006] Die Aufgabe der Erfindung besteht daher in der Schaffung eines Verfahrens zum Ermitteln
variabel vorgebbarer Abdrückgeschwindigkeiten, bei dem stets eine Überschreitung der
abteilungsindividuellen höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeiten für die noch abzudrückenden
Abteilungen verhindert wird.
[0007] Diese Aufgabe wird bei einem Verfahren der eingangs genannten Art erfindungsgemäß
dadurch gelöst, daß jeweils nach dem Ablauf einer Abteilung aus den höchstzulässigen
Abdrückgeschwindigkeiten aller verbleibenden Abteilungen die minimale höchstzulässige
Abdrückgeschwindigkeit ermittelt wird und daß diese als Abdrückgeschwindigkeit für
den Ablauf der nachfolgenden Abteilung vorgegeben wird.
[0008] Die Erfindung beruht auf der wesentlichen Erkenntnis, daß eine Leistungssteigerung
bei Ablaufanlagen mit variabler Abdrückgeschwindigkeit unter Gewährleistung eines
Systemverhaltens zur sicheren Seite hin dadurch möglich ist, daß der Restverband stets
mit der kleinsten der höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeiten der noch abzudrückenden
Abteilungen abgedrückt wird. Dadurch kann der Restverband schneller abgedrückt werden,
wenn besonders kritische Abläufe mit besonders geringen höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeiten
bereits abgedrückt sind. Das erfindungsgemäße Verfahren läßt sich mit geringem Aufwand
implementieren, weil nur vergleichsweise einfache Rechenoperationen (Minimalwertbestimmung)
durchzuführen und einfach überschaubare Ergebnisse zu verarbeiten sind.
[0009] Eine verfahrenstechnisch bevorzugte Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens
sieht vor, daß die Abdrückgeschwindigkeit für den Ablauf der nachfolgenden Abteilung
wagenbezogen vorgegeben wird, wenn die in Ablaufrichtung erste Achse der Abteilung
den Ablaufgipfel passiert.
[0010] Die Erfindung wird beispielhaft nachfolgend anhand einer Zeichnung weiter erläutert;
es zeigen:
die Figuren 1A und 1B verschiedene Situationen auf einer Ablaufanlage und
die Figuren 2A, 2B, 2C unter Berücksichtigung der abteilungsindividuellen höchstzulässigen
Abdrückgeschwindigkeiten vorgegebene Abdrückgeschwindigkeiten.
[0011] Gemäß Figur 1A besteht ein Verband VB aus mehreren Abteilungen, die jeweils von einzelnen
Wagen 1 bis 10 gebildet sein können. Im vorliegenden Beispiel bilden die Wagen 4,
5 und 6 eine gemeinsam ablaufende Abteilung AB. In Figur 1A hat der erste Wagen 1
gerade den Ablaufgipfel AG überwunden und rollt in freier Fahrt gemäß der Stellung
nicht gezeigter Weichen in ein für ihn vorgesehes Richtungsgleis der Ablaufanlage.
Die übrigen Abteilungen 2 bis 10 sind noch in Kontakt miteinander und werden von einer
Abdrücklok AL bergaufwärts geschoben. Die Abdrücklock AL kann ihre Geschwindigkeit
und damit die Abdrückgeschwindigkeiten der einzelnen Abläufe variieren. Dem Führer
der Abdrücklok AL wird die für den jeweiligen aktuellen Ablauf vorzusehende Abdrückgeschwindigkeit
über Sprechfunk mitgeteilt.
[0012] Figur 2A zeigt den jeweiligen Abteilungen (WagNr.) zugeordnete höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeiten
v
o. Beispielsweise ist dem Wagen 1 eine höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit v
o=0,4 m/s zugeordnet. Damit ergibt sich für den ersten aktuellen Ablauf eine von der
Abdrücklokomotive AL (Figur 1A) zu realiserende zulässige Abdrückgeschwindigkeit v
zulneu von 0,4 m/s. Diese Abdrückgeschwindigkeit wird zunächst auch für alle folgenden Abläufe
als zulässige Abdrückgeschwindigkeit v
zul vorgemerkt, wie aus der dritten Spalte der Figur 2A hervorgeht.
[0013] Nachdem der erste Ablauf (Wagen 1) mit 0,4 m/s abgedrückt worden ist, wird nunmehr
die Abdrückgeschwindigkeit für den nachfolgenden Ablauf (Wagen 2) vorgegeben. Individuell
wäre für den Wagen 2 eine höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit v
o = 0,6 m/s zulässig. Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren wird aus den höchstzulässigen
Abdrückgeschwindigkeiten v
o aller verbleibender, noch abzudrückender Abteilungen 2 bis 10 die geringste höchstzulässige
Abdrückgeschwindigkeit ermittelt. Im vorliegenden Beispiel ist das die höchstzulässige
Abdrückgeschwindigkeit v
o des Wagens 3 mit 0,5 m/s (dieser Zusammenhang ist durch Fettdruck der entsprechenden
Geschwindigkeitsangaben in den Spalten 2, 3 und 4 der Figur 2B hervorgehoben). Demgemäß
wird der nachfolgende aktuelle Ablauf (Wagen 2) mit einer Abdrückgeschwindigkeit v
zulneu von 0,5 m/s abgedrückt und diese Abdrückgeschwindigkeit zunächst auch für die folgenden
Abläufe als zulässige Abdrückgeschwindigkeit v
zul = 0,5 m/s. vorgemerkt (dritte Spalte der Figur 2B).
[0014] In Figur 1B ist das in der korrespondierenden Figur 2C zahlenmäßig dargestellte Szenario
skizziert. Wie aus den Werten der Figur 2C hervorgeht, ist dem dritten Wagen 3 die
zweitgeringste höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit v
o = 0,5 m/s zugeordnet. Dieser hat wie vorstehend beschrieben auch die Abdrückgeschwindigkeit
v
zulneu des Wagens 2 dominiert. Nachdem der Wagen 3 mit 0,5 m/s abgedrückt worden ist, bestimmt
sich für den Ablauf des Wagens 4 die Abdrückgeschwindigkeit v
zulneu nach der geringsten höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeit der noch verbleibenden
Wagen 4 bis 10. Diese ist durch die höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit des Wagens
6 (0,7 m/s) vorgegeben; dieser Zusammenhang ist wiederum durch Fettdruck der entsprechenden
Werte hervorgehoben. Demgemäß sind auch die Wagen 4 und 5 mit der Abdrückgeschwindigkeit
v
zulneu 0,7 m/s abgedrückt worden. Im vorliegenden Beispiel bilden die Wagen 4, 5 und 6 zufällig
eine gemeinsam ablaufende Gruppe, in der sich zufällig auch der hinsichtlich der Festlegung
der Abdrückgeschwindigkeit bis dahin dominierende Wagen 6 befindet. Der nachfolgende
Ablauf des Wagens 7 (Figur 1B) ist mit wesentlich höherer Abdrückgeschwindigkeit v
zulneu = 1,1 m/s möglich. Diese Abdrückgeschwindigkeit ist durch die maximal zulässige Abdrückgeschwindigkeit
des Wagens 8 bestimmt und für die übrigen nachfolgenden Wagen unkritisch, so daß für
die Wagen 8 bis 10 eine vorläufige zulässige Abdrückgeschwindigkeit v
zul von 1,1 m/s vermerkt wird (Spalte 3 der Figur 2C).
[0015] Vorzugsweise wird die Abdrückgeschwindigkeit v
zulneu für den jeweils nachfolgenden Ablauf (z. B. 2) wagenbezogen vorgegeben, wenn dessen
in Ablaufrichtung FR (Figur 1A) erste Achse A den Ablaufgipfel AG passiert.
[0016] Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren werden einerseits die Nachteile überwunden, die
sich ergeben, wenn ein besonders langsam abzudrückender Ablauf sich im vorderen Bereich
des Verbandes befindet und aus Rücksichtnahme auf diesen der gesamte restliche Verband
unnötigerweise zu langsam abgedrückt wird. Andererseits gewährleistet das erfindungsgemäße
Verfahren auch bei Störungen in der Vorgabe der Abdrückgeschwindigkeiten eine Verfahrensfortführung
auf der sicheren Seite, so daß eine Überschreitung der wagenindividuell festgelegten
höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeiten sicher vermieden wird.
1. Verfahren zum Ermitteln variabel vorgegebbarer Abdrückgeschwindigkeiten (vzulneu) beim Abdrücken von mehreren Abteilungen (1 bis 10) eines Verbandes (VB) über den
Ablaufgipfel (AG) einer Ablaufanlage,
wobei in an sich bekannter Weise vorab für jede Abteilung (1 bis 10) eine abteilungsindividuelle
höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit (vo) bestimmt wird,
dadurch gekennzeichnet, daß
jeweils nach dem Ablauf einer Abteilung (1) aus den höchstzulässigen Abdrückgeschwindigkeiten
(vo) aller verbleibenden Abteilungen (2 bis 10) die minimale höchstzulässige Abdrückgeschwindigkeit
(vo) ermittelt wird und daß diese als Abdrückgeschwindigkeit (vzulneu) für den Ablauf der nachfolgenden Abteilung (2) vorgegeben wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
die Abdrückgeschwindigkeit (vzulneu) für den Ablauf der nachfolgenden Abteilung (2) wagenbezogen vorgegeben wird, wenn
die in Ablaufrichtung (FR) erste Achse (A) der Abteilung (2) den Ablaufgipfel (AG)
passiert.