(19)
(11) EP 0 755 839 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
29.01.1997  Patentblatt  1997/05

(21) Anmeldenummer: 96111057.4

(22) Anmeldetag:  10.07.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B61F 5/44
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FR GB IT LI NL PT SE

(30) Priorität: 22.07.1995 DE 19526865

(71) Anmelder: DUEWAG AKTIENGESELLSCHAFT
D-47829 Krefeld (DE)

(72) Erfinder:
  • Küchler, Thomas
    40670 Meerbusch (DE)
  • Talarowski, Gerd
    41812 Erkelenz (DE)
  • Wehling, Ludwig
    46325 Borken (DE)

   


(54) Spurgeführtes Fahrzeug, insbesondere Schienenfahrzeug für den Nahverkehr


(57) Ein spurgeführtes Fahrzeug, insbesondere ein Schienenfahrzeug für den Nahverkehr, besteht aus wenigstens zwei gelenkig verbundenen Wagenkästen, die jeweils auf einem im Längsmittenbereich des Wagenkastens angeordneten Fahrwerk abgestützt sind.
Ein derartiges Fahrzeug soll an jeder beliebigen Stelle seines Fahrweges eine eindeutige Stellung zum Spurkanal einehmen, und zwar unabhängig von der Wirkung äußerer Kräfte; außerdem sollen alle Fahrwerke zur Abstützung äußerer Kräfte genutzt und eine von der Fahrtrichtung unabhängige Hüllkurve realisiert werden.
Um die zuvor genannten Forderungen zu erfüllen, stehen alle Fahrwerke hinsichtlich ihrer Ausdrehwinkel zum jeweiligen Wagenkasten immer in einer festen Beziehung zueinander, die unabhängig ist von der Stellung aller Fahrzeuggelenke und aller auftretenden äußeren Kräfte.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein spurgeführtes Fahrzeug, insbesondere ein Schienenfahrzeug für den Nahverkehr, bestehend aus wenigstens zwei gelenkig verbundenen Wagenkästen, die jeweils auf einem im Längsmittenbereich des Wagenkastens angeordneten Fahrwerk abgestützt sind.

[0002] Wenn bei derartigen Gelenkfahrzeugen mit nur einem Fahrwerk je Wagenkasten keines der Fahrwerke drehfest mit dem Wagenkasten verbunden wird, ist das Fahrzeug im Spurkanal einfach statisch unterbestimmt geführt. Dies bedeutet, daß das Fahrzeug keine definierte Stellung im Spurkanal einnimmt.

[0003] Um die statische Unterbestimmtheit zu beseitigen, ist durch die DE-AS 21 23 876 eine mechanische (Bild 1) bzw. eine hydromechanische (Bild 2) Anordnung für zweiteilige Fahrzeuge bekannt, die in Abhängigkeit vom Ausdrehwinkel der beiden Fahrwerke zum jeweiligen Wagenkasten den Knickwinkel des Fahrzeuggelenkes steuert. Eine Ausdehnung dieser Anordnungen auf jedes Gelenk eines mehr als zweiteiligen Fahrzeuges führt zur statischen Überbestimmtheit im Spurkanal. Daher ist gemäß der DE-OS 16 05 140 bei einem dreiteiligen Fahrzeug nur ein Knickgelenk gesteuert, woraus sich je nach Fahrtrichtung unterschiedliche Hüllkurven ergeben. Außerdem werden nur die an der Gelenksteuerung beteiligten Fahrwerke zur Abstützung von Momenten um die Wagenkastenhochachse herangezogen.

[0004] Zum Stand der Technik gehört weiter ein zweiteiliges Fahrzeug (DE-PS 32 05 613), bei dem die Wagenkästen durch die Kräfte von Sekundärfedern mit hoher horizontaler Federsteifigkeit im Spurkanal ausgerichtet werden, also durch ein Kräftegleichgewicht. Diese Anordnung ist auf mehr als zweiteilige Fahrzeuge erweiterbar (siehe die Zeitschrift "Der Nahverkehr" 3/1988 Seite 45 ff). Durch äußere Kräfte - wie z. B. Brems- und Beschleunigungskräfte, Kupplungskräfte - wird das Kräftegleichgewicht gestört, so daß die Wagenkästen unerwünschte Stellungen zum Spurkanal einnehmen. Dies führt häufig dazu, daß nur ein einziges Fahrwerk die Abstützung aller äußeren Kräfte übernehmen muß.

[0005] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein spurgeführtes Fahrzeug der gattungsgemäßen Art derart zu gestalten, daß es an jeder beliebigen Stelle seines Fahrweges eine eindeutige Stellung zum Spurkanal einnimmt, und zwar unabhängig von der Wirkung äußerer Kräfte, wobei alle Fahrwerke zur Abstützung äußerer Kräfte genutzt und eine von der Fahrtrichtung unabhängige Hüllkurve realisiert werden sollen.

[0006] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß alle Fahrwerke hinsichtlich ihrer Ausdrehwinkel zum jeweiligen Wagenkasten unabhängig von der Stellung aller Fahrzeuggelenke und aller auftretenden äußeren Kräfte immer in einer festen Beziehung zueinander stehen, wobei diese feste Beziehung durch die Gleichung

bestimmt ist, worin ψ1 bis ψn den Ausdrehwinkel des jeweiligen Fahrwerkes angeben, K1 bis Kn frei wählbare Proportionalitätsfaktoren sind und n eine beliebige Zahl von Wagenkästen angibt.

[0007] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindungen sind in den Unteransprüchen angegeben.

[0008] Im weiteren wird die Erfindung anhand von Ausführungsbeispielen näher erläutert, die in der Zeichnung schematisch dargestellt sind.

[0009] Die Fig. 1a bis 1c zeigen hydromechanische Anordnungen, die die feste Beziehung der Ausdrehwinkel der Fahrwerke FW1 ... FW4 gegenüber dem jeweils zugeordneten Wagenkasten WK1 ... WK4 untereinander herstellen, wobei dies hier beispielhaft für zwei- bis vierteilige Fahrzeuge dargestellt ist. Eine Erweiterung solcher Anordnungen auf Fahrzeuge mit beliebig mehr Wagenkästen bzw. Fahrwerken ist möglich.

[0010] In Fig. 2a bis 2e werden am Beispiel eines dreiteiligen Fahrzeuges mit einer Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke durch hydraulische Mittel die Stellungen eines solchen Fahrzeuges bei verschiedenen Trassierungsabschnitten gezeigt.

[0011] Die Fig. 3a bis 3c zeigen Möglichkeiten einer rein mechanischen Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke beispielhaft für zwei- bis vierteilige Fahrzeuge. Auch bei der rein mechanischen Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke mittels Stangen und Hebeln lassen sich Fahrzeuge mit beliebig mehr als vier Wagenkästen bzw. Fahrwerken realisieren.

[0012] Die Wirkungsweise der Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke ist besonders leicht am zweiteiligen Fahrzeug nach Fig. 1a erkennbar. Zur Vereinfachung wird davon ausgegangen, daß bei diesem Fahrzeug jedes Fahrwerk FW1 und FW2 einen ausgeprägten Drehpunkt am zugehörigen Wagenkasten WK1 bzw. WK2 hat; Quer- und Längsverschiebungen der Fahrwerke gegenüber dem jeweiligen Wagenkasten sind also ausgeschlossen, es sind nur reine Drehbewegungen möglich. Somit ist eine direkte Ankoppelung von je nur einem Hydraulikzylinder Z1 und Z2 an den jeweiligen Fahrwerken und Wagenkästen möglich. Je ein Arbeitsraum des einen Hydraulikzylinders ist mit einem Arbeitsraum des anderen Hydraulikzylinders mittels der Hydraulikleitungen L1 bzw. L2 verbunden. Dabei ist diese Verbindung derart angeordnet, daß eine Verdrehung beispielsweise von FW1 gegenüber WK1 im Uhrzeigersinn auch eine Verdrehung von FW2 gegenüber WK2 im Uhrzeigersinn zur Folge hat. Wird FW1 gegenüber WK1 beispielsweise im Uhrzeigersinn verdreht, so wird Hydraulikflüssigkeit aus V11 von Z1 verdrängt und - wegen der Volumenkonstanz von Fluiden - über die Hydraulikleitung L1 in den Arbeitsraum V12 gedrückt. Dies bewirkt das Verdrehen von FW2 gegenüber WK2 ebenfalls im Uhrzeigersinn, wobei das dabei aus V22 von Z2 ausströmende Hydraulikfluid über L2 in V21 von Z1 Platz findet. Es handelt sich also um ein passives Hydrauliksystem mit zwei voneinander hydraulisch getrennten, jeweils stets in der Summe konstanten Fluidvolumina, wobei jeder Hydraulikzylinder sowohl Geber- als auch Nehmerzylinder ist. Werden für Z1 und Z2 Hydraulikzylinder mit gleichen wirksamen Flächen für V11 und V12 bzw. V21 und V22 eingesetzt, so gilt für die Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke:

bzw.

.Durch diese Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke ergibt sich die statisch bestimmte Stellung der Wagenkästen zum Spurkanal. Da der Spurkanal die Stellung der Fahrwerke eindeutig vorgibt, ist stets nur eine Stellung der Wagenkästen bei Einhaltung der Drehwinkelverknüpfung möglich. Wenn äußere Momente auf einen oder beide Wagenkästen wirken, die bestrebt sind, diese aus der eindeutig vorgegebenen Stellung zu verdrehen, so könnte eine solche Verdrehung wegen der Koppelung der Wagenkästen im Fahrzeuggelenk nur gegenläufig erfolgen, d. h., ψ1 müßte wachsen und ψ2 kleiner werden oder umgekehrt. In diesem Fall kann aber

nicht gültig bleiben. Hydraulisch interpretiert würde die gegenläufige Verdrehung der Wagenkästen dazu führen, daß an den beiden Zylindern Z1 und Z2 Fluid aus den jeweils untereinander verbundenen Arbeitsräumen V11 und V12 oder V21 und V22 verdrängt werden müßte, was natürlich wegen der Inkompressibilität von Fluiden nicht möglich ist. Vielmehr baut sich an beiden Zylindern Z1 und Z2 ein gleicher, der Wirkung der äußeren Momente entgegengerichteter Druck auf, der die Wagenkästen in ihrer vom Spurkanal vorgegebenen Lage hält, wobei wegen der Druckgleichheit in verbundenen Gefäßsystemen bei gleichen Zylinderdurchmessern die äußeren Momente von beiden Fahrwerken FW1 und FW2 zu gleichen Teilen gegen den Spurkanal abgestützt werden.

[0013] In Fig. 1b ist das Prinzip von Fig 1a entsprechend erweitert für ein dreiteiliges Fahrzeug dargestellt. Im Unterschied zu Fig. 1a sind hier die Hydraulikzylinder nicht direkt am Fahrwerk angeordnet, sondern bilden jeweils gemeinsam mit drei Lenkern und einem Kreuzhebel ein Doppelparallelogramm, welches es ermöglicht, mittels der Hydraulikzylinder nur reine Drehbewegungen am Fahrwerk zu erfassen bzw. zu erzeugen, auch wenn das Fahrwerk sowohl in Längsrichtung als auch in Querrichtung elastisch zum Wagenkasten geführt ist (kein ausgeprägter Drehpunkt).

[0014] Für die Drehwinkelverknüpfung des dreiteiligen Fahrzeuges gilt nun die um einen Summanden erweiterte Beziehung

bzw.

, wenn alle Hydraulikzylinder gleiche wirksame Flächen bei den jeweils untereinander verbundenen Arbeitsräumen aufweisen. Für dieses Fahrzeug sind die Stellungen der Wagenkästen zum Spurkanal bei verschiedenen Trassierungsabschnitten beispielhaft in den Fig. 2a bis 2e dargestellt, und zwar der Einfachheit halber ohne das zuvor genannte Doppelparallelogramm.

[0015] Aus Fig. 2b ist ersichtlich, daß seitliche Ausschläge der Wagenkästen bei Bogeneinfahrt in deutlicher Größe am Fahrzeugende, also weit vor Bogenanfang zu verzeichnen sind. Diese Eigenheit von Fahrzeugen der gattungsgemäßen Art mit einem Drehgestell im Längsmittenbereich jedes Wagenkastens erfordert in der Praxis oft umfangreiche Anpassungen der Lichtraumverhältnisse von bestehenden Streckennetzen. Es kann daher sinnvoll sein, den weit vor Bogenbeginn auftretenden seitlichen Fahrzeugausschlag zu reduzieren. Dies kann dadurch erfolgen, daß die Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke mittels Proportionalitätsfaktoren variiert wird, indem vorzugsweise die wirksamen Flächen der Hydraulikzylinder für die einzelnen Fahrwerke unterschiedlich gewählt werden. Beispielsweise sollte der Hydraulikzylinder Z2 sowohl für V12 als auch V22 jeweils die doppelte wirksame Fläche wie jeder der beiden anderen Hydraulikzylinder Z1 und Z3 haben. Das bei Bogeneinfahrt aus V21 verdrängte Fluidvolumen teilt sich nun nicht mehr zu gleichen Teilen auf V22 und V23 auf, sondern ein größerer Teil wird von V22 aufgenommen, ein kleinerer Teil von V23. Da die Fahrwerke FW2 und FW3 sich beide noch im geraden Streckenteil befinden und WK2 und WK3 über das Wagenkastengelenk in ihren Drehbewegungen gekoppelt sind, müssen sowohl

als auch die sich bei veränderten Kolbenflächen einstellenden Winkel

sein, oder anders ausgedrückt, von dem aus V21 verdrängten Fluid werden von V22 zwei Teile aufgenommen und von V23 ein Teil, da an den beiden Zylindern Z2 und Z3 zwar gleiche Kolbenwege vorliegen, aber wirksame Kolbenflächen im Verhältnis 2 : 1 bestehen. Die für das hier gewählte Beispiel gültige Beziehung für die Drehwinkelverknüprung der Fahrwerke würde also lauten

. Die veränderte wirksame Kolbenfläche spiegelt sich in dieser Beziehung als Proportionalitätsfaktor für den zugehörigen Ausdrehwinkel des Fahrwerkes FW2 wider.

[0016] Wie oben erläutert, müssen bei der Fahrzeugstellung nach Fig. 2b die Beziehungen

und

gültig sein. Damit kann für diese spezielle Stellung des Fahrzeuges am Bogenanfang aus den Beziehungen für die Drehwinkelverknüpfung abgeleitet werden:
  • für ein Fahrzeug mit der Drehwinkelverknüpfung

    (alle Kolbenflächen gleich)

    und
  • für ein Fahrzeug mit der Drehwinkelverknüpfung

    (doppelte Kolbenfläche für Z2)

    .


[0017] Für die Beurteilung der Wagenkastenausschläge durch die Einführung von Proportionalitätsfaktoren in die Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung der Fahrzeuge kann davon ausgegangen werden, daß sich die neue Stellung des Fahrzeuges mit den Ausdrehwinkeln ψ'1, ψ'2 und ψ'3 aus der alten Stellung des Fahrzeuges ergibt, indem sich die Winkel ψ1, ψ2 und ψ3 jeweils um denselben Betrag γ verändern. Dies ist gegeben durch die Koppelung der Wagenkästen mittels Gelenk, was aus der Verdrehung eines Wagenkastens zwangsläufig betragsmäßig gleich große Verdrehungen der angekoppelten Wagenkästen erzwingt. Damit ergeben sich



[0018] Für die Stellung des Fahrzeuges am Bogenanfang nach Fig. 2b wird somit aus



[0019] Mit dieser Relation zwischen ψ1 und ψ2 sowie γ kann nun aus der Beziehung für die betrachtete Fahrzeugstellung

das Größenverhältnis für γ ermittelt werden:

daraus ergibt sich



[0020] Dies bedeutet, daß die Ausschläge der Wagenkästen WK2 und WK3 in der Fahrzeugstellung gemäß Fig. 2b am Bogenanfang bei Verdoppelung der wirksamen Kolbenfläche von Z2 um 25% kleiner werden, der Ausschlag von WK1 jedoch um 12,5% größer. Für die Stellungen des Fahrzeuges in der Geraden (Fig. 2a), im konstanten Bogen (Fig. 2c) und im Bogen mit Zwischengeraden (Fig. 2d) hat die veränderte wirksame Kolbenfläche von Z2 keinen Einfluß. Bei Fahrt im S-Bogen mit Zwischengerade (Fig. 2e) würde sich der Drehwinkel von FW2 gegenüber WK2 betragsmäßig um 25% verringern, während die Ausdrehwinkel von FW1 und FW3 sich betragsmäßig um jeweils 50% vergrößern. Bei der Fahrzeugstellung nach Fig. 2e sind dann also die Ausdrehwinkel aller Fahrwerke gleich groß.

[0021] Bei der Einführung von Proportionalitätsfaktoren ist zu berücksichtigen, daß dann von Fahrwerken, die mit Hydraulikzylindern größerer wirksamer Kolbenfläche bestückt sind, auch größere Anteile bei der Abstützung äußerer Momente gegenüber dem Spurkanal übernommen werden. Im erläuterten Beispiel stützt nun nicht mehr jedes Fahrwerk 1/3 des äußeren Momentes ab, sondern das Fahrwerk FW2 50% und die Fahrwerke FW1 und FW3 jeweils 25%.

[0022] In Fig. 1c ist eine weitere Möglichkeit der hydromechanischen Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke für ein vierteiliges Fahrzeug mit vier Fahrwerken dargestellt. Prinzipiell ist das vierteilige Fahrzeug einfach durch Erweiterung des zweiteiligen Fahrzeuges aus Fig. 1a durch Hinzufügen von zwei Fahrzeugteilen mit den entsprechenden hydraulischen Verbindungsleitungen L1 und L2 darstellbar. Auch in der Fig. 1b dargestellten Form der Ankoppelung der Hydraulikzylinder an die Fahrwerke läßt sich durch bloße Erweiterung um ein Fahrzeugteil das vierteilige Fahrzeug realisieren.

[0023] Die in Fig. 1c gewählte Anordnung von zwei Hydraulikzylindern Z1a, Z1b, ..., Z4a, Z4b je Fahrwerk ist eine weitere Möglichkeit für die Erfassung bzw. Erzeugung von reinen Drehbewegungen des Fahrwerkes durch die Hydraulikzylinder, auch wenn die Fahrwerke gegenüber dem jeweiligen Wagenkasten quer und längs elastisch geführt sind. Somit erübrigt sich in diesem Fall die in Fig. 1b dargestellte Anordnung von Doppelparallelogrammen. Eine Querverschiebung eines Fahrwerkes ohne Drehbewegung gegenüber dem zugehörigen Wagenkasten hat bei einer Anordnung von zwei Hydraulikzylindern je Fahrwerk entsprechend Fig. 1c lediglich einen Fluidaustausch zwischen den beiden ein und demselben Fahrwerk zugeordneten Zylindern zur Folge. Ein Fluidaustausch zwischen Zylindern, die unterschiedlichen Fahrwerken zugeordnet sind, erfolgt dabei nicht.

[0024] Werden für die Zylinder Z1a, Z1b, Z2a, ..., Z4b solche eingesetzt, die für ihre mittels L1 bzw. L2 untereinander verbundenen Arbeitsräume V11a, V11b, V12b, ..., V14b bzw. V21a, V21b, V22a, ..., V24b jeweils alle die gleichen wirksamen Kolbenflächen aufweisen, so erhält man als Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke:



[0025] Werden für die Fahrwerke Zylinder mit von Fahrwerk zu Fahrwerk verschiedenen wirksamen Kolbenflächen eingesetzt, kann in analoger Weise wie anhand des dreiteiligen Fahrzeuges beschrieben, das Hüllkurvenverhalten des Fahrzeuges nach Fig. 1c beeinflußt werden. Dies spiegelt sich dann ebenfalls in der Beziehung für die Dehwinkelverknüpfung der Fahrwerke in Form von Proportionalitätsfaktoren wider. Würden beispielsweise die den Fahrwerken FW2 und FW3 zugeordneten Zylinder jeweils mit der doppelten wirksamen Kolbenfläche im Vergleich zu den Zylindern ausgerüstet, die den Fahrwerken FW1 und FW4 zugeordnet sind, so würde eine Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke nach der Beziehung

vorliegen.

[0026] Je nach den gegebenen Erfordernissen hinsichtlich des zu realisierenden Hüllkurvenverhaltens des Fahrzeuges oder auch hinsichtlich der Minimierung der Ausdrehwinkel von Fahrwerken gegenüber den zugehörigen Wagenkästen beim Befahren bestimmter Trassierungsabschnitte (z. B. S-Bogen mit Zwischengerade) läßt sich durch die Wahl von wirksamen Kolbenflächen bzw. durch die Wahl von entsprechenden Proportionalitätsfaktoren in der Beziehung der Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke das Fahrzeug optimal gestalten. Für das vierteilige Fahrzeug kann also beispielswiese eine allgemeine Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke angeben werden:

, wobei K1, K2, K3 und K4 die frei wählbaren Proportionalitätsfaktoren sind.

[0027] Falls es sich um ein Fahrzeug mit n Wagenkästen bzw. n Fahrwerken handelt, so läßt sich die Beziehung für die Dehwinkelverknüpfung der Fahrwerke analog dem vierteiligen Fahrzeug in allgemeiner Form darstellen:



[0028] In den Fig. 3a bis 3c sind beispielhaft Möglichkeiten dargestellt, wie die gewünschten Beziehungen zwischen den Ausdrehwinkeln der Fahrwerke mit rein mechanischen Mitteln erzeugt werden können. Im wesentlichen werden dafür benötigt:
  • Übertragungsstangen 1, deren Längsbewegungen zu den Wagenkästen ein Maß für die Drehwinkel von Fahrwerken gegenüber den zugehörigen Wagenkästen darstellen,
  • Summierhebel 2, die die notwendigen Summen aus der zu realisierenden Beziehung der Drehwinkelverknüpfung bilden und
  • Produkthebel 3, die einerseits die dividierende Nebenwirkung der Summierhebel 2 egalisieren und andererseits zur Umsetzung von gewünschten Proportionalitätsfaktoren K1, K2, K3, ..., Kn dienen.


[0029] Die Fig. 3a zeigt eine Möglichkeit für die mechanische Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke eines zweiteiligen Fahrzeuges. Die Beziehung

ist hier für

umgesetzt, und diese Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung kann somit auch in der Form

geschrieben werden. Diese einfache Beziehung erfordert lediglich die Übertragung der Drehwinkel von einem Fahrwerk auf das andere mittels der Übertragungsstangen 1, wobei diese direkt an den FW1 und FW2 angelenkt werden können, wenn die Fahrwerke über ausgeprägte Drehpunkte verfügen. Um keinen Einfluß des Knickwinkels des Fahrzeuggelenkes auf die Ausdrehwinkel der Fahrwerke zu erhalten, werden im Bereich des Fahrzeuggelenkes die Längsbewegungen der Übertragungsstangen 1 von einem Scherenhebelmechanismus 4 von einer Übertragungsstange 1 zur weiterführenden Übertragungsstange 1 weitergeleitet.

[0030] Dabei wirkt der Scherenhebelmechanismus 4 beim Ausknicken des Fahrzeuggelenkes als selbsttätiger Verlängerungs- bzw. Verkürzungsmechanismus für eine über das Fahrzeuggelenk durchlaufend gedachte Übertragungsstange.

[0031] Die Umsetzung der Drehwinkelverknüpfung mit rein mechanischen Mitteln für ein dreiteiliges Fahrzeug zeigt beispielhaft Fig. 3b. Für die allgemeine Beziehung der Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke für ein dreiteiliges Fahrzeug

ist für

auch die Darstellungsform

gültig. Also kann das auszubildende Steuergestänge beispielweise derart aufgebaut werden, daß die Drehbewegungen sowohl von FW1 also auch FW3 mittels Übertragungsstangen 1 in Form von Längswegen dieser Übertragungsstangen beide zu den im Bereich des FW2 angeordneten Summierhebeln 2 übertragen werden und die dann an den mittleren Gelenkpunkten der Summierhebel 2 zur Verfügung stehende Summe der Ausdrehwinkel von FW1 und FW3 wiederum mittels je einer Übertragungsstange 1 den FW2 zugeführt wird. Da die Summierhebel 2 entsprechend der Abstandsverhältnisse der an ihnen befindlichen Gelenkpunkte eine dividierende Wirkung für die zu addierenden Längsbewegungen haben, sind die von den FW1 und FW2 kommenden Übertragungsstangen 1 nicht direkt an die Summierhebel 2 angeschlossen, sondern durch Zwischenschaltung der Produkthebel 3. Diese sind nicht nur dazu nutzbar, die dividierende Wirkung der Summierhebel 2 zu egalisieren, sondern können gleichzeitig bei entsprechender Wahl ihrer Hebelverhältnisse zur Erzeugung gewünschter Proportionalitätsfaktoren der Beziehung der Drehwinkelverknüpfung herangezogen werden. Für die Führung der Übertragungsstangen 1 über das Fahrzeuggelenk werden analog Fig. 3a Scherenhebelmechanismen 4 angewendet. Um eine längs- und querelastische Anlenkung der Fahrwerke an den Wagenkasten zu ermöglichen, sind die Übertragungsstangen 1 nicht direkt an die FW1 und FW3 angekoppelt, sondern jeweils durch Zwischenschaltung eines Parallelhebels 5, wobei einer der Parallelhebel 5 (bei FW3) einteilig ist, während der andere (bei FW1) zweiteilig ausgeführt ist, also über ein in seiner Mitte angeordnetes Knickgelenk verfügt. Alle Hebel, die über keinen eigenen Festpunkt am Wagenkasten verfügen (Summierhebel 2, Parallelhebel 5), müssen quer zum Fahrzeug geführt werden, was nach Fig. 3b beispielhaft mittels der Querlenker 6 erfolgen kann.

[0032] Aus Fig. 3c ist ersichtlich, wie eine gewünschte Beziehung zwischen den Ausdrehwinkeln der Fahrwerke gegenüber den jeweiligen Wagenkästen für ein vierteiliges Fahrzeug mit mechanischen Mitteln erzeugt werden kann. Der Einfachheit halber seien auch hier vorerst alle in der allgemeinen Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung vorhandenen Proportionalitätsfaktoren gleich 1 gesetzt. Damit ist diese Beziehung in der Form

darstellbar. Die Aufgabe ist also dann gelöst, wenn sowohl aus ψ2 und ψ1 als auch aus ψ3 und ψ4 jeweils eine Differenzgröße gebildet wird, die jeweils in Form einer Verschiebung parallel zur Fahrzeuglängsachse vorliegt, und diese beiden Verschiebungen entsprechend dem Gleichheitszeichen in der Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung mittels Übertragungsstangen 1 direkt gekoppelt werden. Nach Fig. 3c liegen diese der Differenz aus den Ausdrehwinkeln der FW2 und FW1 bzw. FW3 und FW4 entsprechenden Verschiebungen an den mittleren Gelenken der Summierhebel 2 vor. Dazu sind FW2 und FW3 direkt mittels Übertragungsstangen 1 mit den Summierhebeln 2 verbunden, während FW1 bzw. FW4 über die Produkthebel 3 und natürlich wieder mittels Übertragungsstangen 1 mit dem Summierhebel 2 verbunden sind. Die Produkthebel 3 haben im Vergleich zu Fig. 3b eine andere Anordnung ihres Festpunktes am Wagenkasten, so daß sie neben der Aufhebung der dividierenden Wirkung der Summierhebel 2 und der Umsetzung von eventuell gewünschten Proportionalitätsfaktoren hier auch die Aufgabe der Vorzeichenumkehr übernehmen. Dies führt an den Summierhebeln 2 zur erforderlichen Differenzbildung.

[0033] Fig. 3c zeigt neben der prinzipiellen Gestaltungsmöglichkeit für das Steuergestänge auch beispielhaft Ansätze für dessen Variationsmöglichkeiten im Hinblick auf eine Anpassung an die gegebenen Einbauverhältnisse sowie auf eine Aufwandsminimierung. So sind die FW2 und FW3 ohne Zwischenschaltung von Produkthebeln an die Summierhebel 2 angekoppelt. Dies läßt sich erreichen, auch wenn beliebige Proportionalitätsfaktoren mit dem Steuergestänge dargestellt werden sollen, indem der Abgriff der Drehwinkel an den Fahrwerken mittels der Übertragungsstangen 1 bei den einzelnen Fahrwerken in unterschiedlichen Breitenabständen von deren Drehpunkt erfolgt. Anstelle der Schwenkhebelmechanismen aus Fig. 3a und 3b zur Führung der Übertragungsstangen 1 über die Fahrzeuggelenke werden in Fig. 3c als weitere Möglichkeit Winkelhebelpaare 7 mit in der Fahrzeuggelenkquerachse liegenden Verbindungsstangen verwendet. Ihre Funktion ist analog der der Scherenhebelmechanismen 4. Allerdings ist es hier leicht möglich, Funktionen der Produkthebel in die Winkelhebel zu integrieren, bis hin zur Vorzeichenumkehr.

Ergänzende Angaben zu Fig. 2a bis 2e



[0034] Zu Fig. 2a: Geradenfahrt
- Ausdrehwinkel:


- Volumina:







[0035] Zu Fig. 2b: Bogeneinfahrt
- Ausdrehwinkel:


- Volumina:







[0036] Zu Fig. 2c: Konstante Bogenfahrt
- Ausdrehwinkel:


- Volumina:







[0037] Zu Fig. 2d: Bogenfahrt mit Zwischengerade
- Ausdrehwinkel:


- Volumina:







[0038] Zu Fig. 2e: Fahrt im S-Bogen mit Zwischengerade
- Ausdrehwinkel:


- Volumina:






Liste der Bezugszeichen



[0039] 
WK1 ... n
Wagenkastenteile mit Numerierung
FW1 ... n
Fahrwerke mit Numerierung
ψ1 ... n
Ausdrehwinkel der Fahrwerke gegenüber dem jeweils zugeordneten Wagenkasten
ψ'1 ... n
Ausdrehwinkel der Fahrwerke gegenüber dem jeweils zugeordneten Wagenkasten nach Einführung von Proportionalitätsfaktoren in der Beziehung für die Drehwinkelverknüpfung der Fahrwerke
V11 ... 1n
Volumina des Hydraulikfluides in den ersten der untereinander verbundenen Arbeitsräume der Hydraulikzylinder
V21 ... 2n
Volumina des Hydraulikfluides in den zweiten der untereinander verbundenen Arbeitsräume der Hydraulikzylinder
ΔV
Volumenänderung des Hydraulikfluides in den Arbeitsräumen der Hydraulikzylinder bei von der Geraden abweichenden Trassierungsformen
Z1 ... Zn
Hydraulikzylinder mit Numerierung
L1
Hydraulikleitung zur Verbindung der Arbeitsräume V11 ... 1n
L2
Hydraulikleitung zur Verbindung der Arbeitsräume V21 ... 2n
n
Anzahl der Wagenkastenteile und Fahrwerke
1
Übertragungsstangen
2
Summierhebel
3
Produkthebel
4
Scherenhebelmechanismus
5
Parallelhebel
6
Querlenker
7
Winkelhebelpaar mit in der Fahrzeuggelenkquerachse liegender Verbindungsstange



Ansprüche

1. Spurgeführtes Fahrzeug, insbesondere Schienenfahrzeug für den Nahverkehr, bestehend aus wenigstens zwei gelenkig verbundenen Wagenkästen, die jeweils auf einem im Längsmittenbereich des Wagenkastens angeordneten Fahrwerk abgestützt sind, dadurch gekennzeichnet, daß alle Fahrwerke hinsichtlich ihrer Ausdrehwinkel zum jeweiligen Wagenkasten unabhängig von der Stellung aller Fahrzeuggelenke und aller auftretenden äußeren Kräfte immer in einer festen Beziehung zueinander stehen, wobei diese feste Beziehung durch die Gleichung

bestimmt ist, worin ψ1 bis ψn den Ausdrehwinkel des jeweiligen Fahrwerkes angeben, K1 bis Kn frei wählbare Proportionalitätsfaktoren sind und n eine beliebige Zahl von Wagenkästen angibt.
 
2. Fahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Proportionalitätsfaktoren K1, K2, ..., Kn den Wert 1 haben.
 
3. Fahrzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die feste Beziehung, in der die Fahrwerke hinsichtlich ihrer Ausdrehwinkel zum jeweiligen Wagenkasten zueinander stehen, durch hydraulische Mittel erzeugt wird.
 
4. Fahrzeug nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die feste Beziehung, in der die Fahrwerke hinsichtlich ihrer Ausdrehwinkel zum jeweiligen Wagenkasten zueinander stehen, durch mechanische Mittel erzeugt wird.
 




Zeichnung