[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bereitstellung von Atemgas in Notsauerstoffsystemen
für Flugzeuge, insbesondere mit einer Druckkabine ausgestattete Passagierflugzeuge,
bei dem über ein bordeigenes Verteilungsnetz sowie daran angeschlossene Atemmasken
ein atembares Gasgemisch abgegeben wird. Ferner betrifft sie eine Vorrichtung zur
Durchführung eines derartigen Verfahrens.
[0002] Notsauerstoffsysteme dienen in der Luftfahrttechnik dem Zweck, in Flugzeugen, die
mit einer Druckkabine ausgestattet sind, im Fall eines plötzlich auftretenden Druckverlustes
die Versorgung von Besatzung und Passagieren mit Atemluft über Atemmasken sicherzustellen.
Dies geschieht im wesentlichen nach zwei bekannten Verfahren: Entweder es erfolgt
eine dezentrale Sauerstofferzeugung und Versorgung mittels Feststoffgeneratoren an
den Entnahmestellen, oder es ist eine zentrale Sauerstoffbevorratung in Hochdruckzylindern
vorgesehen, wobei die Verteilung zu den einzelnen Verbrauchern über ein Niederdruck-Rohrleitungssystem
geschieht und der Sauerstoffdurchsatz sowohl zentral als auch dezentral geregelt werden
kann.
[0003] Bei beiden bekannten Verfahren wird den Entnahmestellen, d.h. den Atemmasken ein
nahezu reines Sauerstoffgas mit einem Sauerstoffgehalt von etwa 99,5 % zugeführt,
wobei die Bemessung der zugeführten Sauerstoffmenge in Form einer vom Kabinendruck
abhängigen Massendurchsatzregelung vorgenommen wird. In den einzelnen Atemmasken erfolgt
dann eine Vermischung mit der Umgebungsluft in der Weise, daß für ein für den Konsumenten
nach luftfahrtmedizinischen Erkenntnissen ausreichender Sauerstoffpartialdruck eingehalten
wird.
[0004] Die Nachteile dieser bekannten Verfahren liegen zum einen in einem vergleichsweise
hohen Gefährdungspotential gegenüber Feuer und Explosionen, das durch die Verwendung
praktisch reinen Sauerstoffes gegeben ist, und zum anderen in der Erfordernis eines
vergleichsweise aufwendigen Regelungssystems für den Sauerstoffdurchsatz, der nach
dem herrschenden Kabinendruck, d.h. der jeweiligen Flughöhe, zu regeln ist.
[0005] Aufgabe der Erfindung ist es, ein Verfahren anzugeben, das im Fall eines auftretenden
Druckabfalles in einer Druckkabine Atemluft mit einem für den Konsumenten ausreichenden
Sauerstoffpartialdruck bereitstellt, und bei dem das Gefährdungspotential gegenüber
Feuer und Explosionen, wie es bei einer Verwendung von praktisch reinem Sauerstoff
für derartige Zwecke gegeben ist, auf ein Minimum reduziert ist. Weitere Aufgabe der
Erfindung ist es, eine Vorrichtung zur Durchführung eines derartigen Verfahrens anzugeben.
[0006] Die Erfindung löst die erste Aufgabe durch ein Verfahren, bei dem in das Verteilungsnetz
ein mit Sauerstoff angereichertes Atemgas eingespeist wird, dessen Sauerstoffpartialdruck
in Abhängigkeit vom Kabinendruck geregelt und das den Atemmasken in einem konstanten
Massenstrom zugeführt wird. Die Lösung der weiteren Aufgabe erfolgt durch eine Vorrichtung
mit den kennzeichnenden Merkmalen des Patentanspruches 9. Dadurch, daß gemäß dem Verfahren
nach der Erfindung die Sauerstoffkonzentration im bordeigenen Verteilungssystem des
Flugzeuges gegenüber den bekannten Verfahren stark herabgesetzt ist, wird eine deutliche
Verringerung des Feuer- und Explosionsrisikos erreicht. Ferner kann der Aufbau dieses
Verteilungssystems insofern wesentlich vereinfacht werden, als ansonsten vorzusehende
Absperrventile, welche für die sogenannte "Engine Burst Protection", d.h. den Schutz
dieses Systems vor Leckagen durch herumfliegende Triebwerksfragmente im Falle eines
Triebwerksschadens, erforderlich sind, um größere Sauerstoffleckagen zu verhindern,
entfallen können bzw. durch vergleichsweise einfache Vor richtungen zur Leckagebegrenzung
ersetzt werden können. Dieses wird dadurch möglich, daß durch die gegenüber den herkömmlichen
Verfahren wesentlich geringere Sauerstoffkonzentration das Gefährdungspotential nachhaltig
verringert ist, was zugleich zu einer verbesserten Zuverlässigkeit des Systems sowie
zu einer Reduzierung der erforderlichen Wartungsarbeiten führt. Der gleiche Vorteil
ergibt sich auch aus der Tatsache, daß bei den erfindungsgemäßen Verfahren anstelle
einer aufwendigen kabinendruckabhängigen Sauerstoffdurchsatzregelung eine wesentlich
einfacher aufgebaute Massenstrombegrenzung vorgesehen ist.
[0007] Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich insbesondere für eine Verbindung mit einer
oder mehreren Gaserzeugungseinheiten, die ein solches Atemgasgemisch unmittelbar im
Flugzeug produzieren.
[0008] Eine Vorrichtung, bei der über eine Mischeinheit Druckluft von einen im Flugzeug
angeordneten Verdichter abhängig vom anliegenden Luftdruck mit Drucksauerstoff in
einem solchen Verhältnis gemischt wird, daß der erforderliche Sauerstoffpartialdruck
eingehalten wird, ist im Prinzip aus der DE-AS 1 170 792 bekannt geworden, jedoch
dient diese bekannte Vorrichtung ausschließlich dem Zweck, Atemgas für Druckkabinen
und Höhenatemgeräte bereitzstellen. Für einen Einsatz in Notsauerstoffversorgungseinrichtungen
von Passagierflugzeugen sind derartige Systeme bisher nicht in Erwägung gezogen worden.
[0009] In vorteilhafter Ausgestaltung der Erfindung erfolgt die Erzeugung des mit Sauerstoff
angereicherten Atemgases im Flugzeug entweder mittels Trennverfahren auf der Basis
von Molekularsieben bzw. selektiv arbeitenden Membranen aus der Umgebungs- oder aus
Zapfluft vom Triebwerk oder aber mittels Elektrolyse aus mitgeführtem Frischwasser.
Dies führt zu einer weiteren Verringerung des Sicherheitsrisikos, da die Bevorratung
von Sauerstoff in Hochdruckzylindern entfallen kann. Ferner verringert sich durch
diese Maßnahme der Wartungsaufwand, während zugleich die zur Verfügung stehenden Versorgungszeiten
wesentlich verlängert werden.
[0010] Um auch während der Anlaufphase einer solchen Gaserzeugungseinrichtung nach einem
plötzlichen Druckabfall in der Kabine eine ausreichende Sauerstoffversorgung zu gewährleisten
und den in der ersten Phase eines Flugzeug-Notabstieges auftretenden Spitzenbedarf
an Sauerstoff abzudecken, ist es auch bei dem erfindungsgemäßen Verfahren vorteilhaft,
einen gewissen Vorrat an Gas mit hoher Sauerstoffkonzentration vorzusehen. Die Befüllung
der entsprechenden Vorratsbehälter kann in vorteilhafter Weise ebenfalls über die
Gaserzeugungseinrichtung erfolgen, indem diese in einer bevorzugten Ausführungsform
der Erfindung mit einem zusätzlichen Hochdruckauslaß für Gas hoher Sauerstoffkonzentration
ausgestattet ist.
[0011] Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Sauerstoffgewinnungseinheiten ist es möglich,
auch nach einer aufgetretenen Dekompression der Druckkabine längere Zeit in einer
größeren Flughöhe zu verbleiben und dadurch einen wesentlich niedrigeren Brennstoffverbrauch
bzw. eine entsprechend größere Reichweite zu erzielen. Schließlich kann bei dem Verfahren
nach der Erfindung in den Fällen, in denen das Atemgas über Trennverfahren aus der
Umgebungs- oder Triebwerkszapfluft erzeugt wird, der als Nebenprodukt anfallende Stickstoff
zusätzlich genutzt werden. Dieser kann entweder dazu dienen, die entleerten Bereiche
der Treibstofftanks zu fluten und damit das Explosionsrisiko herabzusetzen, oder aber
durch Nutzung des herrschenden Druckgefälles zwischen dem Gaserzeugungssystem und
der Umgebung eine Turbine zu beaufschlagen und auf diese Weise einen Teil der bei
der Gaserzeugung aufgewandten Energie zurückzugewinnen.
[0012] Nachfolgend soll die Erfindung anhand eines in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiels
näher erläutert werden. Die Figur zeigt in schematischer Weise den prinzipiellen Aufbau
eines Systems für die Versorgung von Besatzung und Passagieren eines mit einer Druckkabine
ausgestatteten Verkehrsflugzeuges mit Atemgas im Falle eines auftretenden Druckabfalles
in der Kabine.
[0013] Die Anordnung besteht aus einer Gaserzeugereinheit 1, die über einen Gaseinlaß von
einem Kompressor 2 sowie einem Kühler 3 mit Umgebungsluft versorgt wird. Die Umgebungsluft
kann statt über den Kompressor 2 auch über einen entsprechend ausgebildeten Lufteinlauf,
auch als "Ram Air" bezeichnet, verdichtet werden. Anstelle von Umgebungsluft kann
aber auch auf Triebwerkszapfluft zurückgegriffen werden, die direkt über den Kühler
3, ohne Kompressor, in die Gaserzeugungseinheit 1 geleitet wird.
[0014] Die Gaserzeugungseinheit 1 verfügt über die erforderlichen technischen Einrichtungen,
um aus der zugeführten Luft üblicher Zusammensetzung ein Gasgemisch mit erhöhter Sauerstoffkonzentration
zu gewinnen. Dies geschieht entweder nach dem Wirkungsprinzip eines Molekularsiebes
oder aber unter Verwendung selektiv permabler Membranmodule, die ein bevorzugtes Trennvermögen
für Sauerstoff besitzen. Dieses kann mit Hilfe von sogenannten elektrochemischen Membranen
durchgeführt werden, wobei Sauerstoffionen mit Hilfe eines elektrischen Feldes über
eine Keramikmembran transportiert werden und auf der anderen Seite wieder entionisiert
werden. Ferner ist alternativ auch der Einsatz nach dem Elektrolyseverfahren durchführbar.
[0015] Die Gaserzeugungseinheit 1 besitzt neben einem Auslaß 4 für Abgase je einen Niederdruckauslaß
5 für das mit Sauerstoff angereicherte Atemgas und einen Hochdruckauslaß 6 für mit
der gleichen Einheit erzeugtes Gas, das praktisch vollständig aus Sauerstoff besteht
und das höher verdichtet ist.
[0016] Der Hochdruckauslaß 6 ist über einen Sauerstoffmonitor 7 sowie zwei Absperrventile
8 und 9 mit zwei Vorratsbehältern 10 und 11 verbunden, von denen der erstere für die
Versorgung der Passagiere und der letztere für die Versorgung der Cockpit-Besatzung
vorgesehen ist. Die Versorgung der Cockpit-Besatzung erfolgt bei dem hier dargestellten
Ausführungsbeispiel ausschließlich mit dem in Behälter 11 gespeicherten reinen Sauerstoff,
der den Besatzungsmitgliedern über ein Druckreduzierventil 12 sowie Atemmasken 13
zugeführt wird, in denen dieser Sauerstoff auf herkömmliche Weise mit Umgebungsluft
vermischt wird oder als reiner Sauerstoff zur Verfügung steht.
[0017] Für die Versorgung der Passagiere mit Atemgas ist eine Mischeinheit 14 vorgesehen,
die einerseits mit dem Niederdruckauslaß 5 und andererseits, über ein zweites Druckreduzierventil
15, mit dem Vorratsbehälter 10 verbunden ist, der den Sauerstoffvorrat für die Passagiere
enthält. Die Mischeinheit 14 ist, ebenso wie die beiden Absperrventile 8 und 9 sowie
die Vorratsbehälter 10 und 11 mit einer Kontrolleinheit 16 verbunden, die zugleich
die Parameter Druck und Temperatur registriert und die ihrerseits an einen zentralen
Bordrechner 17 angeschlossen ist.
[0018] Nicht dargestellt in der Figur sind die Einzelheiten eines Flugzeugverteilungsnetzwerkes
18, das über kalibrierte Massenstrombegrenzer sowie Atemmasken für die Passagiere
verfügt.
[0019] Bereits vor dem Eintritt eines möglichen Druckabfalls, beispielsweise zu Beginn eines
Fluges, werden über den Hochdruckauslaß 6 der Gaserzeugungseinheit 1 die beiden Vorratsbehälter
10 und 11 mit hoch verdichtetem, praktisch reinem Sauerstoff befüllt. Die beiden Absperrventile
8 und 9 regeln dabei, von der Kontrolleinheit 16 beaufschlagt, ein sequentielles Befüllen
dieser Behälter in der Weise, daß zuerst der Behälter 11 für die Besatzung und erst
danach der Behälter 10 für die Passagiere gefüllt wird. Anschließend verbleibt die
Gaserzeugungseinheit 1 im Stand-By-Modus.
[0020] Bei einem plötzlich eintretenden Abfall des Kabinendruckes wird die Gaserzeugungseinheit
1 sofort gestartet und versorgt über den Niederdruckauslaß 5 die Mischeinheit 14 mit
Atemgas erhöhter Sauerstoff-konzentration. Der Sauerstoffpartialdruck in diesem Atemgas
wird dabei über die Kontrolleinheit 16, die die Zufuhr von reinem Sauerstoff aus dem
Vorratsbehälter 10 zu diesem Atemgas regelt, auf einen Wert eingestellt, der eine
ausreichende Versorgung der Passagiere mit Sauerstoff sicherstellt. Die Höhe des eingestellten
Sauerstoffpartialdruckes richtet sich dabei nach der Flughöhe bzw. dem daraus sich
ergebenden Kabinendruck. Das Atemgas wird mit konstantem Massenstrom über das Verteilungsnetzwerk
18 zu den Atemmasken für die Passagiere geleitet, in denen keine Zumischung von Umgebungsluft
zu diesem Atemgas erfolgt. Die Atemmasken 13 der Cockpit-Besatzung werden über das
Druckreduzierventil 12 aus dem Vorratsbehälter 11 mit Sauerstoff versorgt. Der Vorratsbehälter
10 für die Passagierversorgung stellt dabei in erster Linie einen Puffer dar, der
dazu dient, in der Anlaufphase der Gaserzeugungseinheit 1, wenn noch nicht genügend
hoch konzentriertes Atemgas am Niederdruckauslaß 5 zur Verfügung steht, die Atemgasversorgung
der Passagiere sicherzustellen und auch den Spitzenbedarf an Sauerstoff während der
ersten Phase des Notabstieges des Flugzeuges zu decken. Er kann deshalb vergleichsweise
klein dimensioniert sein.
[0021] Abweichend von der vorangehend beschriebenen Anordnung kann die Erzeugung des Atemgases
sowie des hoch vorgespannten Sauerstoffes auf elektrolytischem Wege erfolgen, wobei
im Flugzeug mitgeführtes Frischwasser als Ausgangsprodukt dient.
1. Verfahren zur Bereitstellung von Atemgas in Notsauerstoffsystemen für Flugzeuge, insbesondere
mit einer Druckkabine ausgestattete Passagierflugzeuge, bei dem über ein bordeigenes
Verteilungsnetz sowie daran angeschlossene Atemmasken ein atembares Gasgemisch abgegeben
wird, dadurch gekennzeichnet, daß in das Verteilungsnetz (18) ein mit Sauerstoff angereichertes
Atemgas eingespeist wird, dessen Sauerstoffpartialdruck in Abhängigkeit vom Kabinendruck
geregelt und das den Atemmasken in einem konstanten Massenstrom zugeführt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Gasgemisch an Bord erzeugt
wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich Sauerstoff bevorratet
wird, der dem Gasgemisch zugesetzt wird.
4. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Gaserzeugung aus
der Umgebungsluft erfolgt.
5. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Gaserzeugung aus
Triebwerkszapfluft erfolgt.
6. Verfahren nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Gaserzeugung mittels
eines Molekularsiebes erfolgt.
7. Verfahren nach Anspruch 4 oder 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Gaserzeugung mit
Hilfe selektiver permabler Membranen erfolgt.
8. Verfahren nach Anspruch 2 oder 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Gaserzeugung durch
die Elektrolyse von Wasser erfolgt.
9. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 8, bestehend
aus wenigstens einer vom Kabinendruck beaufschlagbaren Gaserzeugungseinheit sowie
einem Verteilungsnetz mit nachgeschalteten Atemmasken, dadurch gekennzeichnet, daß
die Gaserzeugungseinheit (1) über wenigstens je einen Niederdruckauslaß (5) für ein
mit Sauerstoff angereichertes Gasgemisch sowie einen Hochdruckauslaß (6) für Sauerstoff
verfügt und daß beide Auslässe (5,6) mit wenigstens einer Mischeinheit (14) verbunden
sind, die von einer Kontrolleinheit (16) zur Regelung der Sauerstoffzufuhr zum Gasgemisch
beaufschlagbar ist, wobei die Kontrolleinheit (16) mit einem Sensor zur Erfassung
des Kabinendrucks ausgestattet ist.
10. Vorrichtung nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, daß der Hochdruckauslaß (6) der
Gaserzeugungseinheit (1) mit wenigstens einem Vorratsbehälter (10,11) zur Aufnahme
von Sauerstoffgas verbunden ist.