[0001] Die Erfindung betrifft ein Feinblech, eine Walzwerkswalze für die Feinblechherstellung,
Verfahren zur Oberflächenstrukturierung der Walzwerkswalze und ihre Verwendung.
[0002] Feinblechwerkstoffe aus Stahl und aus Aluminium müssen für ein breites Spektrum an
Weiterverarbeitungsschritten eine Vielzahl von Anforderungskriterien erfüllen. Stand
die Einstellung der mechanischen Werkstoffeigenschaften für eine umformtechnische
Weiterverarbeitung bisher im Vordergrund, so gewinnen vor dem Hintergrund einer mit
dem Ziel der höheren Wirtschaftlichkeit im Bereich der Sekundärumformung angestrebten
umfassenden Optimierung des gesamten Umformsystems die tribologischen Prozeßgrößen
und damit insbesondere die Oberflächenstruktur des Feinbleches deutlich an Gewicht.
Insbesondere für Anwendungen, bei denen neben einer guten Umforbarkeit zusätzlich
hohe Qualitätsanforderungen an das ästhetische Erscheinungsbild der Oberfläche des
Endproduktes, vor allem nach dem Lackieren, gestellt werden, kommt der gezielten Einstellung
der Oberflächen-Rauheitsstruktur im Herstellungsprozeß von Feinblech besondere Bedeutung
zu.
[0003] Bekannte stochastische Oberflächenstrukturen sind durch eine statistische Verteilung
von Gestaltmerkmalen gekennzeichnet. Deshalb werden sie in "Stahl und Eisen", 114
(1994) Nr. 7, S. 55 ff. auch als "statistische" Rauheitsstrukturen bezeichnet. Dabei
ist es für die Funktionalität dieser Oberflächen in erster Linie von Bedeutung, daß
eine homogene Verteilung der erhabenen Oberflächenelemente erreicht wird, die im zweidimensionalen
Profilschnitt als sog. Profilkuppen sichtbar sind. Ein weiteres typisches Merkmal
dieser Oberflächen ist das Vorhandensein von Mikrokanälen, die die Profiltäler miteinander
verbinden.
[0004] Eine umfassende Darstellung der Zusammenhänge findet man in K. Steinhoff: Umformtechnische
Schriften, Bd. 47 (1994), Verlag Stahleisen, Düsseldorf, aus der die nachfolgend erwähnten
Fig. 1 bis 3 entnommen sind. In Fig. 1 wird diese Oberflächencharakteristik am Beispiel
einer dreidimensionalen Darstellung im Bildteil a) und im Bildteil b) an einer zweidimensionalen
Feinblechoberfläche verdeutlicht.
[0005] In einem werkzeuggebundenen Umformprozeß, z.B. durch Tiefziehen oder Streckziehen,
zeichnen sich diese Oberflächenstrukturen dadurch aus, daß bei hohen Druckbeanspruchungen
der Schmierstoff über die Mikrokanäle aus der Beanspruchungszone abfließen kann. Um
nun eine ausreichend hohe Fertigungssicherheit zu erreichen, d.h. primäre Prozeßfehler,
wie Kaltverschweißungen, Reißer und Einschnürungen, zu vermeiden, ist neben der bereits
erwähnten homogenen Verteilung und eine charakteristische Häufigkeit von Profilkuppen
auch ein ausreichend hohes Aufnahmevermögen für Schmierstoff zur Aufrechterhaltung
des Schmierfilmes in den Kontaktzonen zwischen Werkstück und Werkzeug unerläßlich.
[0006] Unter zusätzlicher Berücksichtigung von Einebnungs- und Verschleißeffekten sind aus
diesem Grund für diese Umformbeanspruchungen relativ hohe Rauheiten erforderlich.
Dagegen mindert der mit solchen hohen Rauheiten verbundene vergleichsweise hohe langwellige
Profilanteil die Oberflächenqualität des Endprodukts nach einer Lackierung. Die inhomogene
Verteilung von Gestaltsmerkmalen verstärkt diesen Effekt. Feinblechprodukte mit einer
für eine werkzeuggebundene Umformung im Weiterverarbeitungsprozeß gut geeigneten stochastischen
Oberflächenstruktur haben aber nach einer Beschichtung ein ungenügendes ästhetisches
Erscheinungsbild.
[0007] Deterministische Oberflächen sind durch eine geometrisch regelmäßige Verteilung von
gleichartigen Gestaltmerkmalen gekennzeichnet. Von zentraler Bedeutung für die Funktionalität
dieser Oberflächen ist die punktrasterförmige räumliche Trennung der Gestaltmerkmale.
In Fig. 2 wird dies am Beispiel einer dreidimensionalen Darstellung (Bildteil a) einer
Feinblechoberfläche verdeutlicht, die im Bildteil b) als Draufsicht zweidimensional
erscheint. Im Umformprozeß bilden diese isolierten Gestaltmerkmale (Krater) geschlossene
Schmiertaschen, aus denen der Schmierstoff auch bei sehr hohen Druckbeanspruchungen
nicht entweichen kann. Diese Taschen dienen als Schmierstoffreservoir, aus denen der
Schmierstoff aufgrund des hydrostatischen Druckaufbaus während der Umformung in die
Kontaktzone zwischen Werkzeug und Werkstück transportiert werden kann.
[0008] Allerdings weisen deterministische Rauheitsstrukturen auf der Feinblechoberfläche
einige Nachteile auf:
* Der Zwischenraum zwischen den Schmiertaschen wird wesentlich durch die Struktur
der durch Schleifen vor dem Aufrauhprozeß vorbehandelten Walzen geprägt. Die typischen
Schleifriefen haben bei starker Ausprägung die Eigenschaft, den aus den Schmiertaschen
in die Kontaktzone transportierten Schmierstoff in Richtung der Riefen wie in einem
Ablaufkanal sehr schnell abzuleiten, in andere Richtungen sind dagegen keine Mikrokanäle
zum Schmierstofftransport vorhanden. Eine flächendeckende Schmierstoffversorgung kann
daher nur sehr unzureichend erfolgen. Bei einer sehr schwach ausgeprägten Schleifstruktur
bleibt dieser einsinnige Kanalisierungseffekt weiterhin erhalten. Das Aufnahmevermögen
ist aber so gering, daß auch in diesem Falle keine ausreichende Schmierwirkung erreicht
werden kann. Durch die Einebnung der Werkstückoberfläche während des Umformprozesses
werden diese ohnehin unzureichenden Transportmechanismen zusätzlich behindert.
* Das Abprägen des eigentlichen Kraters führt auf dem Blech zu einem Bereich undefinierter
Rauheitsausprägung (Kraterschatten). In Abhängigkeit vom Blechwerkstoff, der geometrischen
Ausprägung des Schmelzaufwurfes auf der Walze und der Walzbedingungen kann entweder
eine Erweiterung der Schmiertasche entstehen, oder aber eine kuppenartige Erhebung
auf der Blechoberfläche. Eine definierte Ausprägung dieses Bereiches ist bei herkömmlicher
Walztechnologie, bei der es primär auf die Einstellung der mechanischen Werte bzw.
die Unterdrückung einer ausgeprägten Streckgrenze ankommt, nicht möglich.
* Das optische Erscheinungsbild der Feinblechoberflächen, die ohne weitere Bearbeitung
für dekorative Zwecke Verwendung finden - dies gilt im wesentlichen für Edelstahl-
und Aluminiumbleche -, genügt nicht den in diesem Anwendungsbereich herrschenden hohen
Qualitätsanforderungen.
[0009] Neben den rein stochastischen und rein deterministischen Rauheitsstrukturen gibt
es solche, die der einen oder anderen Rauheitsstruktur angenähert sind und daher mit
den Vorsätzen "semi-", "quasi-" oder pseudo -", z. B. "semi-stochastisch", versehen
werden.
[0010] Sie alle erfüllen jedoch nicht gleichzeitig beide Forderungen, nämlich nach guter
Umformbarkeit des Feinblechs einerseits und zum anderen gutem Aussehen seiner lackierten
oder beschichteten Oberfläche.
[0011] In der Kaltwalztechnik wurde zur Herstellung definierter Arbeitswalzenoberflächen
noch bis vor wenigen Jahren ausschließlich das Wirbelstrahlen eingesetzt. Bei diesem
Verfahren beruht die Änderung der Oberflächenstruktur auf einer durch Aufschleudern
eines feinkörnigen Granulates hervorgerufenen plastischen Umformung der Walzenoberfläche.
Die kinetische Energie des Strahlgutes wird entweder über Druckluftsysteme oder durch
Schleuderräder erzeugt. Mit steigenden Anforderungen an die Oberflächenbeschaffenheit
wurden bereits für andere technische und wissenschaftliche Anwendungen eingesetzte
Verfahren so weiterentwickelt, daß eine Nutzung dieser Verfahren zur Herstellung definierter
Walzenoberflächen möglich wurde. Der Aufrauheffekt der neuen Verfahren basiert nicht
mehr auf einer plastischen Oberflächenumformung wie beim Wirbelstrahlen sondern auf
einem lokalen Aufschmelzen der Walzenoberfläche. Die dazu erforderliche Energie wird
beim Laser-Texturieren mittels eines zeitlich getakteten Laserstrahls beim Elektronenstrahl-Texturieren
ebenfalls mittels eines zeitlich getakteten Elektronenstrahls und beim Funkenerosionsbearbeiten
durch elektrische Entladungsvorgänge auf die Walzenoberfläche übertragen. Fig. 3 zeigt
schematisch die Funktionsprinzipien dieser Aufrauhtechniken.
[0012] Aufgabe der Erfindung ist somit ein diese beiden Anforderungen erfüllendes Feinblech
zu entwickeln. Weiterhin soll eine Walze zur Oberflächenstrukturierung eines solchen
Feinblechs und ein Verfahren zur Erzeugung und Verwendung einer solchen Walze schaffen.
[0013] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß gelöst durch ein Feinblech aus Stahl oder Aluminium
mit stochastisch-deterministischer Rauheitsstruktur auf seiner Oberfläche. Ein derart
oberflächenstrukturieres Feinblech vereinigt überraschenderweise die Vorteile einer
stochastischen Rauheitsstruktur mit denen einer deterministischen Rauheitsstruktur.
Insgesamt ergeben sich folgende Vorteile gegenüber bislang bekannt gewordenen Rauheitsstrukturen:
- Die deterministische Deckstruktur ermöglicht die Nutzung des Effektes der Bildung
von geschlossenen hydrostatischen Schmiertaschen bei Umformbeanspruchungen.
- Die definierte Ausprägung des Zwischenbereichs zwischen den Kratern in Form der stochastischen
Grundstruktur verhindert den sehr schnellen Abtransport des über den hydrostatischen
Druckaufbau in den isolierten Schmiertaschen aktivierten Schmierstoffes und stellt
gleichzeitig aufgrund der homogenen Verteilung der Gestaltmerkmale ein feingliedriges
Netz von Mikrokanälen zur gleichmäßigen Verteilung des Schmierstoffes über die gesamte
Oberfläche bereit.
- Die Funktionsweise des Mikrokanalnetzes der stochastischen Grundstruktur bleibt trotz
der bei einer Umformung auftretenden Einebnung der Feinoberfläche erhalten.
- Die feingegliederte stochastische Grundstruktur gewährleistet eine gleichmäßige Verteilung
der Mikrogleitflächen und minimiert durch die homogene Verteilung dieser Gleitreibzonen
das Risiko von Kaltverschweißungs-Effekten zwischen Werkzeug und Werkstück.
- Die stochastische Grundstruktur sichert eine Mindestbenetzung der Oberfläche mit Schmierstoff
zu Beginn des Umformprozesses, d.h. in einer Prozeßphase, in der der hydrostatische
Druckaufbau in den Schmiertaschen noch nicht vollständig erfolgt ist.
- Die stochastische Grundstruktur verbessert deutlich das ästhetische Erscheinungsbild
der Feinblechoberfläche gegenüber einer deterministischen Struktur.
- Die stochastische Grundstuktur verleiht dem Feinblech deutlich bessere Verlaufs- und
Haftungseigenschaften für organische und metallische Beschichtungen.
- Die Schweißbarkeit der Oberfläche ist deutlich verbessert.
- Das Abriebverhalten der Oberfläche während einer Umformung ist ebenfalls verbessert.
Der verbleibende Oberflächenabrieb kann aus der Kontaktzone abtransportiert und in
den Schmiertaschen aufgefangen werden.
[0014] Generell ist es denkbar, die stochastisch-deterministische Rauheitsstruktur des Feinblechs
durch den Einsatz unterschiedlich aufgerauhter Arbeitswalzen in aufeinanderfolgenden
Schritten des Kaltwalzprozesses herzustellen. Dies bedeutet, im vorletzten Umformstich
des Kaltwalzens oder Kaltnachwalzens Arbeitswalzen mit deterministischer Oberflächenstruktur
einzusetzen und im letzten Umformstich solche mit stochastischen Oberflächenstrukturen
oder umgekehrt. Aufgrund der zumindest teilweisen Abprägung der Schleifstruktur entsteht
im letzten Umformstich dabei keine optimale Oberflächenstruktur des Feinbleches.
[0015] Gemäß der vorliegenden Erfindung wird daher eine Walzwerkswalze vorgeschlagen, die
eine stochastisch-deterministische Rauheitsstruktur aufweist. Diese kann sie entweder
bei der Herstellung von Produkten, die nicht nachgewalzt werden müssen, bereits im
letzten Umformstich des Kaltwalzens oder bei Feinblechen, die nachgewalzt werden,
im letzten Umformstich des Nachwalzens auf das Feinblech übertragen.
[0016] Fig. 4 zeigt eine Darstellung einer stochastisch-deterministischen Rauheitsstruktur
auf einer Feinblechoberfläche. Fig. 5 zeigt die Struktur der Walzenoberfläche. Die
beabstandeten Erhebungen treten hier gegenüber den tiefer liegenden Zwischenabschnitten
deutlich hervor.
[0017] Grundsätzlich ließe sich auf der Walzwerkwalze zunächst eine deterministische Rauheitsstruktur
erzeugen und anschließend die stochastische Rauheitsstruktur überlagern. Es wird jedoch
erfindungsgemäß bevorzugt, in umgekehrter Reihenfolge zunächst die stochastische Rauheitsstruktur
zu erzeugen und anschließend die deterministische Rauheitsstruktur zu überlagern.
In dieser Weise erzeugte Rauheitsstrukturen haben sich als günstiger für die Abbildung
auf einer Feinblechoberfläche erwiesen.
[0018] Die stochastische Grundstruktur auf der Walzenoberfläche kann in an sich bekannter
Weise durch Wirbelstrahlen- oder Funkenerosion erfolgen. Die deterministische Deckstruktur
kann man in bekannter Weise durch Laser- oder Elektronenstrahlbearbeitung überlagern.
Bevorzugte Rauheits- und Geometriekenngrößen der Rauheitsstrukturen einer erfindungsgemäßen
Arbeitswalzenoberfläche sind in Tafel 1 und die einer erfindungsgemäßen Feinblechoberfläche
in Tafel 2 enthalten.
[0019] Bevorzugt wird eine Walze mit stochastischdeterministischer Rauheitsstruktur für
den letzten Umformstich beim Kaltwalzen oder Kaltnachwalzen von Feinblech aus Stahl
oder Aluminium verwendet. Der Einsatz einer stochastisch-deterministischen Walzenoberfläche
in Warm- und Kaltwalzprozessen führt durch die Begünstigung des hydrodynamischen Reibungszustandes
zu einer Verbesserung des gesamten Umformprozesses, z.B. Vermeidung von Schmierfilmabrissen.
Tafel 2
Rauheitskenngrößen und Geometriekenngrößen der deterministisch-stochastischen Kombinationsstruktur
der Feinblechoberfläche |
Rauheitskenngrößen |
Kombinationsstruktur |
Ra [µm] |
0.80 - 3.20 |
Rz [µm] |
5.50 - 22.00 |
Rt [µm] |
7.00 - 27.00 |
Pc [1/cm] |
50 - 110 |
Geometriekenngrößen |
|
Kraterdurchmesser [µm] |
50.00 - 250.00 |
Kraterabstand radial [µm] |
150.00 - 450.00 |
Kraterabstand axial [µm] |
150.00 - 450.00 |
Rauheitskenngrößen gemäß DIN 4768, DIN 4762 und SEP 1940*) |
*) Ra arithmetischer Mittenrauhwert
Rz (DIN) gemittelte Rauhtiefe
Rt maximale Rauhtiefe
Pc Spitzenzahl |
1. Feinblech aus Stahl oder Aluminium mit stochastisch-deterministischer Rauheitsstruktur.
2. Walzwerkswalze mit stochastisch-deterministischer Rauheitsstruktur.
3. Walzwerkswalze nach Anspruch 2,
gekennzeichnet durch eine stochastische Grundstruktur und eine deterministische Deckstruktur.
4. Verfahren zur Herstellung einer Walzwerkswalze mit definierter Oberflächenstruktur,
dadurch gekennzeichnet, daß die Walzenoberfläche zunächst mit einer stochastischen Rauheitsstruktur versehen
wird, die danach von einer deterministischen Deckstruktur derart überlagert wird,
daß eine stochastisch-deterministische Mischstruktur erhalten wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet, daß die stochastische Grundstruktur auf der Walzenoberfläche durch Wirbelstrahlen
oder Funkenerosion und die deterministische Deckstruktur durch Laser- oder Elektronenstrahlbearbeitung
erzeugt wird.
6. Verwendung einer Walzwerkswalze nach Anspruch 2 oder 3 für den Einsatz beim Warmwalzen,
reduzierenden Kaltwalzen und Kaltnachwalzen von Flachprodukten aus Stahl oder Aluminium.