[0001] Die Erfindung betrifft einen warmfesten Platinwerkstoff, der für viele Verwendungszwecke
in der Industrie und im Labor einsetzbar ist, wo besondere Anforderungen an mechanische,
thermische und chemische Beständigkeit gefordert werden.
[0002] Es sind verschiedene technische Lösungen bekannt geworden, um die Warmfestigkeit
von Platin zu steigern. Die effizienteste Methode beruht auf der Dispersionshärtung,
der gleichmäßigen Verteilung einer geringen Menge (z.B. <1 Gew.%) von thermisch stabilen,
harten und im Grundmetall nicht löslichen Partikeln mit Teilchengröße < 50 nm. Dispersoide
dieser Art hemmen die Versetzungsbewegung im Gitter und damit eine makroskopische
Verformung über lange Zeit bei hohen Temperaturen. Sie verhindern so den vorzeitigen
Materialausfall durch Kornvergröberung, Abgleiten und Bruch.
[0003] Bei den Platinwerkstoffen werden derartige Qualitäten in zunehmendem Maße für den
Hochtemperatureinsatz in der Glasindustrie, in der Petrochemie, in Laborgeräten sowie
in Zündkerzen für Motoren benötigt. Als Dispersoide werden vorzugsweise Zirkoniumoxid
und Yttriumoxid verwendet.
[0004] Zur Herstellung dieser Werkstoffe werden verschiedene Varianten der Pulvermetallurgie
genutzt, die jedoch grundsätzlich aufwendig sind und im Hinblick auf verschiedene
Einsatzanforderungen nicht immer angewendet werden können.
[0005] Es sind daher auch Herstellwege beschritten worden, die auf der konventionellen Schmelzmetallurgie
beruhen und mit legierungstechnischen Maßnahmen versuchen, eine Korngrößenstabilisierung
zu erreichen.
[0006] So wird in der US-PS 4 123 263 ein Platinwerkstoff für Glasspinndüsen beschrieben,
der neben Platin 10 bis 40 Gew.% Rhodium, 0,015 bis 1,5 Gew.% Zirkonium und/oder Yttrium
und 0,001 bis 0,5 Gew.% Bor enthält. Die Herstellung erfolgt schmelzmetallurgisch
mit Zwischenglühungen bei der Verformung. Dieser Werkstoff weist zwar eine verbesserte
Kriechbeständigkeit auf, Zeitstandfestigkeit und die Beständigkeit gegen Kornwachstum
sind jedoch unzureichend. Außerdem bringt der Rhodiumzusatz, der für die Kriechbeständigkeit
des Werkstoffs wesentlich verantwortlich ist, beträchtliche Zusatzkosten und ist beispielsweise
beim Schmelzen optischer Gläser unerwünscht, da Rhodium sich in Glasschmelzen in geringen
Mengen löst und eine Gelbfärbung verursacht.
[0007] Aus der DD-PS 157 709 ist eine Platinmetallegierung bekannt, die neben 0,5 bis 5
Gew.% Gold und/oder Nickel 0,01 bis 0,5 Gew.% Yttrium, 0,001 bis 0,5 Gew.% Kalzium
und 0,001 bis 0,5 Gew.% Bor enthält. Dieser Werkstoff wird ebenfalls schmelzmetallurgisch
hergestellt und kann auch im innnerlich oxidierten Zustand eingesetzt werden.
[0008] Die schmelzmetallurgische Verarbeitung von yttrium- und kalziumhaltigen Legierungen
und die Einhaltung der notwendigen Toleranzen in der Konzentration sind nur schwer
zu bewerkstelligen. Die geringe Duktilität derartiger Werkstoffe, insbesondere nach
der inneren Oxidation, hat eine nur unbefriedigende Verarbeitbarkeit zu Geräten und
anderen Formteilen zur Folge. Auch der Zusatz an Gold und/oder Nickel ist bei bestimmten
Verwendungszwecken nicht erwünscht.
[0009] Es war daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung einen warmfesten Platinwerkstoff
mit einem Gehalt von mehr als 99,5 Gew.% Platin zu finden, der eine hohe Zeitstandsfestigkeit
und ein geringes Kornwachstum bei hohen Temperaturen aufweist, und der leicht schmelzmetallurgisch
hergestellt werden kann.
[0010] Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch einen Platinwerkstoff gelöst, der neben
natürlichen Verunreinigungen 0,10 bis 0,35 Gew.% Zirkonium und/oder Zirkoniumoxid
und 0,002 bis 0,02 Gew.% Bor und/oder Boroxid, Rest Platin, enthält.
[0011] Vorzugsweise enthält der Werkstoff 0,15 bis 0,25 Gew.% Zirkonium und/oder Zirkoniumoxid
und 0,005 bis 0,01 Gew.% Bor und/oder Boroxid.
[0012] Es ist bekannt, daß Zirkoniumzusätze zu Platinlegierunge in Mengen von weniger als
0,5 Gew.% eine kornfeinende Wirkung zeigen. Dies geht einher mit deutlich höheren
Festigkeiten im Vergleich zum unlegierten Platin und gilt auch für die Zeitstandsfestigkeit.
Bei höheren Temperaturen ist eine Grobkornbildung durch sekundäre Rekristallisation,
und als Folge davon ein frühzeitiger Ausfall durch Abgleitbruch jedoch unvermeidbar.
[0013] Zusätze von geringsten Mengen Bor zum Zirkonium - diese liegen deutlich unter der
bekannten Löslichkeitsgrenze (ca. 0,75 At.-% beziehungsweise 0,04 Gew.% Bor) - bewirken
ein erheblich stabileres Feinkorngefüge mit einem mittleren Korndurchmesser von ca.
50 µm. Die Korngrenzen zeigen Säume beziehungsweise perlschnurartig angeordnete Partikel
im Durchmesserbereich um 1 µm einer zweiten Phase. Mit Hilfe von Spektren der Röntgenphotoemession
läßt sich zeigen, daß es sich um ZrB-Verbindungen handelt, die an den Korngrenzen
angereichert sind und das Kornwachstum hemmen. Ein solches Gefüge erreicht eine viel
höhere Zeitstandfestigkeit als Platin-Zirkonium-Legierungen ohne Borzusatz. Eine zusätzliche
Verbesserung lässt sich erreichen, wenn vor dem Hochtemperatureinsatz durch eine Glühung
an Luft diese Partikel ganz oder teilweise in ihre Oxide umgewandelt werden, wobei
allerdings eine Vergröberung der Teilchen zu beobachten ist.
[0014] Überraschenderweise treten diese Verfestigungsmechanismen, verbunden mit einer starken
Hemmung des Kornwachstums auch bei Platinwerkstoffen mit mehr als 99,5 Gew.% Platin
auf, wenn man in den erfindungsgemäßen Zirkonium- und Borbereichen bleibt.
[0015] Zur Herstellung des Werkstoffs arbeitet man vorzugsweise mit Platin-Zirkonium- und
Platin-Bor-Vorlegierungen, um die geringen Zirkonium- und Borgehalte im Werkstoff
möglichst genau einstellen zu können.
[0016] Folgende Beispiele sollen die Erfindung näher erläutern:
1. 500 g reines Platin und 1,7 g einer Vorlegierung PtZr 35/65 Gew.% (eutektische
Temperatur 1180° C) wurden im Vakuuminduktionsschmelzofen in einem Zirkoniumoxid-Tiegel
unter Argon bei vermindertem Druck erschmolzen und zu einem kleinen Barren in eine
gekühlte Kupferkokille vergossen. Daraus wurde durch Kaltwalzen ein Blech von 1 mm
Dicke hergestellt (Walzgrad 90 %). Nach einer Schlußglühung (0,5 h, 1000° C) wurden
die in der Tabelle angegebenen Materialkennwerte ermittelt. Die Soll-Zusammensetzung
beträgt PtZr 0,22 %. PtZr0,22 ist eine konventionelle Legierung und dient zu Vergleichszwecken.
2. 500 g reines Platin, 1,7 g einer Vorlegierung PtZr35/65 Gew.%, 5 g einer Vorlegierung
PtB99/1 Gew.% wurden in gleicher Weise wie bei Beispiel 1 beschrieben hergestellt
und zu Blech verarbeitet. Die Materialkennwerte sind ebenfalls in der Tabelle angegeben.
Die Soll-Zusammensetzung beträgt PtZr0,21B0,009.
3.-6. Mit jeweils variiertem B- und/oder Zr-Gehalt wurden in analoger Weise wie in
Beispiel 2 Legierungen hergestellt. Wie die Tabelle zeigt, führen Zr-Gehalte <0,1
Gew.% zu deutlich niedrigeren Zugfestigkeiten (Rm) bei Raumtemperatur (RT) und auch
zu verringerter Zeitstandfestigkeit (Rm) bei 1300° C, Zr-Gehalte >0,35 Gew.% erhöhen
zwar die Festigkeit, schränken jedoch die Verarbeitbarkeit wegen geringerer Duktilität
deutlich ein. In ähnlicher Weise ist die Wirksamkeit von Bor bei Konzentrationen von
0,005 Gew.% hinsichtlich der Zeitstandfestigkeit bereits deutlich eingeschränkt.
7. Eine Legierung mit der Zusammensetzung von Beispiel 2 wird einer oxidativen Schlußglühung
unterworfen, bei der die Korngrenzausscheidungen in thermisch stabilere Oxide umgewandelt
werden. Dies führt zu einer Erhöhung der Zeitstandfestigkeit von 4,2 auf 5,8 Mpa.
Dieser Vorteil ist allerdings verbunden mit einer geringeren Duktilität bei Raumtemperatur
(10-15% anstatt 24 % Bruchdehnung).
8. Dieses Beispiel dient dem Vergleich mit einem pulvermetallurgisch hergestellten
Werkstoff (FKS-Platin). Kennzeichnend ist hier die wesentlich höhere Zeitstandfestigkeit
mit allerdings geringeren Festigkeits- und Duktilitätswerten als bei den erfindungsgemäßen
Werkstoffen. Zudem ist die aufwendige Herstellweise von PM-Werkstoffen nur gerechtfertigt
bei besonderen thermomechanischen Einsatzbelastungen, während die erfindungsgemäß
hergestellten Werkstoffe eine wirtschaftliche Alternative darstellen und den Einsatzbereich
so deutlich vergrößern.
Tabelle
Beispiel |
Zusammensetzung (Gew.-%) |
Bearbeitungszustand |
Rm(RT) (Mpa) |
A (RT) (%) |
Rm(1300°C/100 h) (MPa) |
1 |
PtZr0,22 |
1000°C/0,5 h/Ar |
210 |
30 |
2,2 |
2 |
PtZr0,21B0,009 |
" |
250 |
24 |
4,2 |
3 |
PtZr0,1B0,01 |
" |
200 |
27 |
3,2 |
4 |
PtZr0,35B0,01 |
" |
280 |
10 |
6,0 |
5 |
PtZr0,22B0,005 |
" |
270 |
30 |
2,6 |
6 |
PtZr0,22B0,02 |
" |
270 |
25 |
4,3 |
7 |
PtZr0,21B0,009 |
1000°C/0,5 h/Luft |
260 |
10-15 |
5,7 |
8 |
FKS-Pt16 (PtZrO2) |
1000°C/0,5 h/Luft |
230 |
18 |
10,5 |
Rm = Zugfestigkeit bzw. Zeitstandfestigkeit A = Bruchdehnung
Die Zeitstanduntersuchungen bei 1300°C erfolgten mit Blechproben (0,5mm) in Luft-Atmosphäre. |
1. Warmfester Platinwerkstoff mit einem Gehalt von mehr als 99,5 Gew.% Platin,
dadurch gekennzeichnet,
daß er neben natürlichen Verunreinigungen 0,1 bis 0,35 Gew.% Zirkonium und/oder Zirkoniumoxid
und 0,002 bis 0,02 Gew.% Bor und/oder Boroxid, Rest Platin, enthält.
2. Platinwerkstoff nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß er 0,15 bis 0,25 Gew.% Zirkonium und/oder Zirkoniumoxid und 0,005 bis 0,01 Gew.%
Bor und/oder Boroxid enthält.