(19)
(11) EP 0 773 079 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
14.05.1997  Patentblatt  1997/20

(21) Anmeldenummer: 96115425.9

(22) Anmeldetag:  26.09.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B22C 7/02, B22C 9/04, B22C 3/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU NL PT SE

(30) Priorität: 17.10.1995 DE 19540231

(71) Anmelder: Hüttenes-Albertus Chemische-Werke GmbH
D-40549 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Foltin, Horst
    30177 Hannover (DE)
  • Kuhlgatz, Carsten, Dr.
    38678 Clausthal-Zellerfeld (DE)
  • Foltin, Thorsten
    31515 Wunstorf (DE)

(74) Vertreter: Eikenberg, Kurt-Rudolf, Dr. Dipl.-Chem. 
Patentanwalt Schackstrasse 1
30175 Hannover
30175 Hannover (DE)


(56) Entgegenhaltungen: : 
   
       


    (54) Modell und Vollform für das Vollformgiessen von Gussstücken


    (57) Beschrieben wird ein Metall bzw. eine Vollform für die Herstellung von Gußstücken nach dem Vollformgießverfahren. Das Modell bzw. die Vollform enthält als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz mit vorzugsweise schaumartiger Struktur. Die verrottbare Substanz ist vorzugsweise aus der Gruppe Stärke, Cellulose und/oder einem Derivat dieser Stoffe ausgewählt, basiert also auf nachwachsenden Rohstoffen und weist gegenüber den herkömmlich beim Vollformgießverfahren eingesetzten Schaumkunststoffen erhebliche Vorteile auf.


    Beschreibung


    [0001] In der Gießereitechnik hat das Vollformgießverfahren (DE-C-11 08 861) inzwischen eine beträchtliche Bedeutung erlangt. Beim Vollformgießverfahren werden verlorene, in der Form verbleibende Modelle in einen für gewöhnlich binderfreien Formstoff eingebettet, der eine einteilige Form bildet. Die Modelle zur Durchführung des Vollformgießverfahrens bestehen dabei bisher aus aufgeschäumtem, nicht verrottbarem Kunststoff, in der Regel Polystyrol, und sie werden durch das Eingießen flüssigen Metalls in die Form kontinuierlich (und unter Luftabschluß) zersetzt. Das flüssige Metall verdrängt dabei das Kunststoff-Schaummodell und bildet schließlich ein Vollform-Gußstück, das in seiner Gestalt dem nun zerstörten verlorenen Modell entspricht.

    [0002] Das Vollformgießverfahren in seiner beschriebenen Art weist zwar erhebliche Vorteile gegenüber dem konventionellen Hohlform-Gießverfahren auf, doch bildet sich bei der unter Luftabschluß stattfindenden Zersetzung der eingesetzten Kunststoff-Schaummodelle neben Zersetzungsgasen auch Graphit, und dieser findet sich später als Verunreinigungs-Einschluß im Gußstück wieder, wie sich regelmäßig bei Gefügeuntersuchungen zeigt. Der durch Zersetzung entstandene Graphit beeinflußt in jedem Fall die Materialeigenschaften des Gußstücks, und eine solche Beeinflussung ist in der Regel unerwünscht. Dies gilt insbesondere - aber nicht nur - für Gußstücke, die aus Gußeisen mit Kugelgraphit (GGG), Gußeisen mit Lamellengraphit (GG) oder anderen Eisen-Legierungen mit spezifischen Materialeigenschaften hergestellt sind.

    [0003] Es war die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, das geschilderte Problem, nämlich den Einschluß von Zersetzungs-Graphit in Vollform-Gußstücken, zu überwinden oder zumindest zu entschärfen. Diese Aufgabe wird durch die aus den Patentansprüchen zu entnehmende technische Lehre gelöst.

    [0004] Die Erfindung beruht auf der überraschenden Erkenntnis, daß ein Modell, das als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare (z.B. biologisch oder durch Lichteinwirkung abbaubare) Substanz umfaßt und vorzugsweise eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt, zu verbesserten und oftmals sogar zu hervorragenden Vollform-Gießergebnissen führt. Insbesondere weist das Gefüge von Gußstücken, die unter Verwendung solcher Modelle hergestellt werden, überraschend wenig bzw. gar keine sichtbaren Verunreinigungen oder Unregelmäßigkeiten auf. Vorzugsweise besitzt die verrottbare Substanz, die bspw. ein Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD) oder ein Biopolymer umfassen kann, einen Massenanteil von über 80%.

    [0005] Als erstaunlicherweise besonders geeignet haben sich Modelle erwiesen, bei denen die verrottbare Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt, die verrottbare Substanz also auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Ihr Einsatz ermöglicht einen weitgehenden Verzicht auf petrochemische Modell-Werkstoffe. Stärke, Cellulose und ihre Derivate (verrottbare Substanzbildner auf Basis nachwachsender Rohstoffe) können einzeln, in Kombination miteinander und in Kombination mit anderen Stoffen zum Einsatz kommen. Sie können zuvor durch an sich bekannte Bearbeitungsverfahren konditioniert oder modifiziert worden sein. Cellulose kann insbesondere in Form von Altpapier oder Pappe und vorzugsweise in Mischung mit Stärke eingesetzt werden.

    [0006] Je nach Bedarf wird der verrottbaren Substanz zur Herstellung des Modells ein zusätzliches Schäumungsmittel als Hilfsstoff zugesetzt oder - wie im Fall von durch Wasserdampf expandierbarer Stärke und ihren Derivaten besonders günstig - die eigene Schäumungsfähigkeit der verrottbaren Substanzbildner ausgenutzt. In manchen Fällen hat es sich als günstig erwiesen, wenn das Modell als Hilfsstoff zusätzlich ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen Weichmacher oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt. Sämtliche genannten Hilfsstoffe sind dabei vorzugsweise verrottbar.

    [0007] Besonders günstig ist es, ein erfindungsgemäßes Modell durch eine Alkoholschlichte vom umgebenden Formmaterial zu trennen. Die verrottbaren Substanzen, insbesondere die auf der Basis nachwachsender Rohstoffe, reagieren nämlich empfindlich auf das in Wasserschlichten enthaltene Wasser, sind jedoch überraschend unempfindlich gegen den in einer Alkoholschlichte enthaltenen Alkohol.

    [0008] Ein besonders wichtiger Aspekt der Erfindung betrifft die Umweltverträglichkeit. Beim konventionellen Vollformgießen unter Verwendung von Schaumstoff-Modellen auf Basis nicht-verrottbarer Kunststoffe entstehen als gesundheitsgefährdend eingestufte gasförmige Zersetzungsprodukte, die nachbehandelt werden müssen. So entstehen beispielsweise bei der thermischen Zersetzung reinen Polystyrols krebserregendes Benzol und Styrol. Bei der thermischen Zersetzung der erfindungsgemäßen Modelle hingegen entstehen, wenn diese vollständig aus Stärke, Cellulose und/oder deren Derivaten bestehen, keine nennenswerten Mengen gesundheitsgefährdender Gase. Werden die genannten Stoffe im Rahmen der Erfindung gemeinsam mit den bisher als Modellwerkstoff üblichen Kunststoff-Schäumen eingesetzt, so reduzieren sie ihrem Massenanteil entsprechend die Menge gesundheitsgefährdender Stoffe im Zersetzungsprodukt.

    [0009] Es ist ferner wichtig zu bemerken, daß bei jedem Schäumprozeß zur Herstellung von Modellen auszusortierende Schaumreste übrigbleiben. Die Reste der bisher eingesetzten nicht-verrottbaren Kunststoff-Schäume können nur zu minderwertigen Formteilen verarbeitet werden oder müssen im Hochtemperaturofen als Energiequelle genutzt werden. Modelle aus vollständig verrottbaren Substanzen können hingegen leicht entsorgt werden. Beispielsweise werden reine Altpapier-Stärke-Schäume unter Einfluß von Wasser und natürlichen Bakterien in drei bis vier Monaten vollständig abgebaut und dienen dabei als Nährstoff für Humusbakterien.

    [0010] Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Beispielen näher erläutert:

    Beispiel 1:



    [0011] Ein Modellteil aus dünnwandigem Stärkeschaum wurde mit einer handelsüblichen Alkoholschlichte überzogen und mit einem konventionellen, nichtverrottbaren Schaumstoffrohr als Gießlauf versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit Gußeisen mit Lamellengraphit (GG) abgegossen wurde.

    [0012] Es ergab sich ein Gußstück, das eine nur sehr kleine Menge an im Schliffbild mikroskopisch sichtbaren Verunreinigungen enthielt.

    Beispiel 2:



    [0013] Ein Modellteil aus grobzelligem Papier-Stärke-Schaum, im wesentlichen bestehend aus zerfasertem Altpapier und Weizenstärke (Dichte: 10g/l; Mischungsverhältnis ca. 50:50; Aufschäumung im Extruder durch Wasserdampf), wurde mit einer handelsüblichen Alkohlschlichte überzogen und mit einem konventionellen, nicht-verrottbaren Schaumstoffrohr als Gießlauf versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit Gußeisen mit Lamellengraphit (GG) abgegossen wurde.

    [0014] Es ergab sich ein Gußstück ohne im Schliffbild mikroskopisch sichtbare Verunreinigungen.

    Beispiel 3:



    [0015] Ein Modellteil aus demselben Papier-Stärke-Schaum wie in Beispiel 2 wurde mit einer handelsüblichen Alkohlschlichte überzogen und mit einem konventionellen, nicht-verrottbaren Schaumstoffrohr als Gießlauf versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit Gußeisen mit Kugelgraphit (GGG) abgegossen wurde.

    [0016] Es konnten oberflächlich weder auf der Schlichte noch auf dem Gußstück Kohlenstoffablagerungen festgestellt werden; im Schliffbild des Gußstücks zeigte sich unter dem Mikroskop eine gute Graphit-Kugelverteilung. Die Kugelgröße nahm vom Rand bis zur Mitte des Gußstücks zu, die Kugelanzahl verhielt sich gegenläufig. Verunreinigungen oder Unregelmäßigkeiten wurden nicht gefunden. Die Oberflächenstruktur des Modellteils wurde sehr gut abgebildet.


    Ansprüche

    1. Modell für das Vollformgießen von Gußstücken, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz umfaßt.
     
    2. Modell nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
     
    3. Modell nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
     
    4. Modell nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
     
    5. Vollform zur Herstellung von Gießstücken, umfassend ein Modell und ein dieses Modell umgebendes Formmaterial, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz umfaßt.
     
    6. Vollform nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
     
    7. Vollform nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
     
    8. Vollform nach einem der Ansprüche 5-7, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
     
    9. Vollform nach einem der Ansprüche 5-8, dadurch gekennzeichnet, daß sie eine keramische Schlichte, vorzugsweise eine Alkoholschlichte umfaßt.
     
    10. Verwendung eines Modells, das als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz umfaßt, in einem Vollformgießverfahren.
     
    11. Verwendung einer verrottbaren Substanz als wesentlicher Bestandteil eines Modells für eine Vollform.
     
    12. Vollformgießverfahren, bei dem flüssiges Metall in eine Vollform gegossen wird, die ein verlorenes Modell enthält, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz umfaßt.
     
    13. Vollformgießverfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
     
    14. Vollformgießverfahren nach Anspruch 12 oder 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
     
    15. Vollformgießverfahren nach einem der Ansprüche 12 - 14, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
     
    16. Vollformgießverfahren nach einem der Ansprüche 12 - 15, dadurch gekennzeichnet, daß die Vollform eine keramische Schlichte, vorzugsweise eine Alkoholschlichte umfaßt.
     





    Recherchenbericht