[0001] In der Gießereitechnik hat das Vollformgießverfahren (DE-C-11 08 861) inzwischen
eine beträchtliche Bedeutung erlangt. Beim Vollformgießverfahren werden verlorene,
in der Form verbleibende Modelle in einen für gewöhnlich binderfreien Formstoff eingebettet,
der eine einteilige Form bildet. Die Modelle zur Durchführung des Vollformgießverfahrens
bestehen dabei bisher aus aufgeschäumtem, nicht verrottbarem Kunststoff, in der Regel
Polystyrol, und sie werden durch das Eingießen flüssigen Metalls in die Form kontinuierlich
(und unter Luftabschluß) zersetzt. Das flüssige Metall verdrängt dabei das Kunststoff-Schaummodell
und bildet schließlich ein Vollform-Gußstück, das in seiner Gestalt dem nun zerstörten
verlorenen Modell entspricht.
[0002] Das Vollformgießverfahren in seiner beschriebenen Art weist zwar erhebliche Vorteile
gegenüber dem konventionellen Hohlform-Gießverfahren auf, doch bildet sich bei der
unter Luftabschluß stattfindenden Zersetzung der eingesetzten Kunststoff-Schaummodelle
neben Zersetzungsgasen auch Graphit, und dieser findet sich später als Verunreinigungs-Einschluß
im Gußstück wieder, wie sich regelmäßig bei Gefügeuntersuchungen zeigt. Der durch
Zersetzung entstandene Graphit beeinflußt in jedem Fall die Materialeigenschaften
des Gußstücks, und eine solche Beeinflussung ist in der Regel unerwünscht. Dies gilt
insbesondere - aber nicht nur - für Gußstücke, die aus Gußeisen mit Kugelgraphit (GGG),
Gußeisen mit Lamellengraphit (GG) oder anderen Eisen-Legierungen mit spezifischen
Materialeigenschaften hergestellt sind.
[0003] Es war die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, das geschilderte Problem, nämlich
den Einschluß von Zersetzungs-Graphit in Vollform-Gußstücken, zu überwinden oder zumindest
zu entschärfen. Diese Aufgabe wird durch die aus den Patentansprüchen zu entnehmende
technische Lehre gelöst.
[0004] Die Erfindung beruht auf der überraschenden Erkenntnis, daß ein Modell, das als einen
wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare (z.B. biologisch oder durch
Lichteinwirkung abbaubare) Substanz umfaßt und vorzugsweise eine im wesentlichen schaumartige
Struktur besitzt, zu verbesserten und oftmals sogar zu hervorragenden Vollform-Gießergebnissen
führt. Insbesondere weist das Gefüge von Gußstücken, die unter Verwendung solcher
Modelle hergestellt werden, überraschend wenig bzw. gar keine sichtbaren Verunreinigungen
oder Unregelmäßigkeiten auf. Vorzugsweise besitzt die verrottbare Substanz, die bspw.
ein Polyethylen niedriger Dichte (PE-LD) oder ein Biopolymer umfassen kann, einen
Massenanteil von über 80%.
[0005] Als erstaunlicherweise besonders geeignet haben sich Modelle erwiesen, bei denen
die verrottbare Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe
umfaßt, die verrottbare Substanz also auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. Ihr Einsatz
ermöglicht einen weitgehenden Verzicht auf petrochemische Modell-Werkstoffe. Stärke,
Cellulose und ihre Derivate (verrottbare Substanzbildner auf Basis nachwachsender
Rohstoffe) können einzeln, in Kombination miteinander und in Kombination mit anderen
Stoffen zum Einsatz kommen. Sie können zuvor durch an sich bekannte Bearbeitungsverfahren
konditioniert oder modifiziert worden sein. Cellulose kann insbesondere in Form von
Altpapier oder Pappe und vorzugsweise in Mischung mit Stärke eingesetzt werden.
[0006] Je nach Bedarf wird der verrottbaren Substanz zur Herstellung des Modells ein zusätzliches
Schäumungsmittel als Hilfsstoff zugesetzt oder - wie im Fall von durch Wasserdampf
expandierbarer Stärke und ihren Derivaten besonders günstig - die eigene Schäumungsfähigkeit
der verrottbaren Substanzbildner ausgenutzt. In manchen Fällen hat es sich als günstig
erwiesen, wenn das Modell als Hilfsstoff zusätzlich ein Bindemittel, ein Gleitmittel,
einen Weichmacher oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt. Sämtliche genannten Hilfsstoffe
sind dabei vorzugsweise verrottbar.
[0007] Besonders günstig ist es, ein erfindungsgemäßes Modell durch eine Alkoholschlichte
vom umgebenden Formmaterial zu trennen. Die verrottbaren Substanzen, insbesondere
die auf der Basis nachwachsender Rohstoffe, reagieren nämlich empfindlich auf das
in Wasserschlichten enthaltene Wasser, sind jedoch überraschend unempfindlich gegen
den in einer Alkoholschlichte enthaltenen Alkohol.
[0008] Ein besonders wichtiger Aspekt der Erfindung betrifft die Umweltverträglichkeit.
Beim konventionellen Vollformgießen unter Verwendung von Schaumstoff-Modellen auf
Basis nicht-verrottbarer Kunststoffe entstehen als gesundheitsgefährdend eingestufte
gasförmige Zersetzungsprodukte, die nachbehandelt werden müssen. So entstehen beispielsweise
bei der thermischen Zersetzung reinen Polystyrols krebserregendes Benzol und Styrol.
Bei der thermischen Zersetzung der erfindungsgemäßen Modelle hingegen entstehen, wenn
diese vollständig aus Stärke, Cellulose und/oder deren Derivaten bestehen, keine nennenswerten
Mengen gesundheitsgefährdender Gase. Werden die genannten Stoffe im Rahmen der Erfindung
gemeinsam mit den bisher als Modellwerkstoff üblichen Kunststoff-Schäumen eingesetzt,
so reduzieren sie ihrem Massenanteil entsprechend die Menge gesundheitsgefährdender
Stoffe im Zersetzungsprodukt.
[0009] Es ist ferner wichtig zu bemerken, daß bei jedem Schäumprozeß zur Herstellung von
Modellen auszusortierende Schaumreste übrigbleiben. Die Reste der bisher eingesetzten
nicht-verrottbaren Kunststoff-Schäume können nur zu minderwertigen Formteilen verarbeitet
werden oder müssen im Hochtemperaturofen als Energiequelle genutzt werden. Modelle
aus vollständig verrottbaren Substanzen können hingegen leicht entsorgt werden. Beispielsweise
werden reine Altpapier-Stärke-Schäume unter Einfluß von Wasser und natürlichen Bakterien
in drei bis vier Monaten vollständig abgebaut und dienen dabei als Nährstoff für Humusbakterien.
[0010] Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Beispielen näher erläutert:
Beispiel 1:
[0011] Ein Modellteil aus dünnwandigem Stärkeschaum wurde mit einer handelsüblichen Alkoholschlichte
überzogen und mit einem konventionellen, nichtverrottbaren Schaumstoffrohr als Gießlauf
versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit Gußeisen mit Lamellengraphit
(GG) abgegossen wurde.
[0012] Es ergab sich ein Gußstück, das eine nur sehr kleine Menge an im Schliffbild mikroskopisch
sichtbaren Verunreinigungen enthielt.
Beispiel 2:
[0013] Ein Modellteil aus grobzelligem Papier-Stärke-Schaum, im wesentlichen bestehend aus
zerfasertem Altpapier und Weizenstärke (Dichte: 10g/l; Mischungsverhältnis ca. 50:50;
Aufschäumung im Extruder durch Wasserdampf), wurde mit einer handelsüblichen Alkohlschlichte
überzogen und mit einem konventionellen, nicht-verrottbaren Schaumstoffrohr als Gießlauf
versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit Gußeisen mit Lamellengraphit
(GG) abgegossen wurde.
[0014] Es ergab sich ein Gußstück ohne im Schliffbild mikroskopisch sichtbare Verunreinigungen.
Beispiel 3:
[0015] Ein Modellteil aus demselben Papier-Stärke-Schaum wie in Beispiel 2 wurde mit einer
handelsüblichen Alkohlschlichte überzogen und mit einem konventionellen, nicht-verrottbaren
Schaumstoffrohr als Gießlauf versehen. Es wurde eine Vollform hergestellt, die mit
Gußeisen mit Kugelgraphit (GGG) abgegossen wurde.
[0016] Es konnten oberflächlich weder auf der Schlichte noch auf dem Gußstück Kohlenstoffablagerungen
festgestellt werden; im Schliffbild des Gußstücks zeigte sich unter dem Mikroskop
eine gute Graphit-Kugelverteilung. Die Kugelgröße nahm vom Rand bis zur Mitte des
Gußstücks zu, die Kugelanzahl verhielt sich gegenläufig. Verunreinigungen oder Unregelmäßigkeiten
wurden nicht gefunden. Die Oberflächenstruktur des Modellteils wurde sehr gut abgebildet.
1. Modell für das Vollformgießen von Gußstücken, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz
umfaßt.
2. Modell nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
3. Modell nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
4. Modell nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen
Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
5. Vollform zur Herstellung von Gießstücken, umfassend ein Modell und ein dieses Modell
umgebendes Formmaterial, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz
umfaßt.
6. Vollform nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
7. Vollform nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
8. Vollform nach einem der Ansprüche 5-7, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen
Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
9. Vollform nach einem der Ansprüche 5-8, dadurch gekennzeichnet, daß sie eine keramische Schlichte, vorzugsweise eine Alkoholschlichte umfaßt.
10. Verwendung eines Modells, das als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig
verrottbare Substanz umfaßt, in einem Vollformgießverfahren.
11. Verwendung einer verrottbaren Substanz als wesentlicher Bestandteil eines Modells
für eine Vollform.
12. Vollformgießverfahren, bei dem flüssiges Metall in eine Vollform gegossen wird, die
ein verlorenes Modell enthält, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell als einen wesentlichen Bestandteil eine vollständig verrottbare Substanz
umfaßt.
13. Vollformgießverfahren nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell eine im wesentlichen schaumartige Struktur besitzt.
14. Vollformgießverfahren nach Anspruch 12 oder 13, dadurch gekennzeichnet, daß die Substanz Stärke, Cellulose und/oder ein Derivat eines dieser Stoffe umfaßt.
15. Vollformgießverfahren nach einem der Ansprüche 12 - 14, dadurch gekennzeichnet, daß das Modell zusätzlich ein Schäumungsmittel, ein Bindemittel, ein Gleitmittel, einen
Weichmacher und/oder einen Elastizitätsverbesserer umfaßt.
16. Vollformgießverfahren nach einem der Ansprüche 12 - 15, dadurch gekennzeichnet, daß die Vollform eine keramische Schlichte, vorzugsweise eine Alkoholschlichte umfaßt.