(19)
(11) EP 0 780 171 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
25.06.1997  Patentblatt  1997/26

(21) Anmeldenummer: 96114265.0

(22) Anmeldetag:  06.09.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B21C 51/00, B21C 1/24
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT DE ES FR GB IT NL

(30) Priorität: 20.12.1995 DE 19547518

(71) Anmelder: BENTELER AG
D-33104 Paderborn (DE)

(72) Erfinder:
  • Beer, Gerhard, Dipl.-Ing.
    33104 Paderborn (DE)
  • Bergs, Norbert, Dipl.-Ing.
    33161 Hövelhof (DE)
  • Vaubel, Gert, Dr. rer. nat. habil.
    34414 Warburg-Welda (DE)
  • Barschdorff, Dieter, Prof. Dr.-Ing.
    33100 Paderborn (DE)
  • Kronmüller, Martin, Dipl.-Ing.
    33102 Paderborn (DE)

(74) Vertreter: Bockermann, Rolf, Dipl.-Ing. et al
Bergstrasse 159
44791 Bochum
44791 Bochum (DE)

   


(54) Verfahren zum Ziehen von Rohren mit Überwachung der Schwingungen des Ziehsystems


(57) Beim Ziehen von Rohren unter Verwendung mindestens einer Matrize sowie eines Stopfens werden die durch den Ziehvorgang bedingten Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine sensorisch erfaßt. Die Ziehgeschwindigkeit und/oder die Schmierung der Rohre wird dann in Abhängigkeit von einem rohr- und/oder ziehmaschinen- und/oder stopfencharakteristisch kalibrierbaren Sollwert der Schwingungsamplitude zumindest eines Teils des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine geregelt. Die Schwingungen können mittels einer Körperschallsensorik, durch eine induktive Sensorik, durch mindestens einen Dehnungsmeßstreifen, durch eine piezo-elektrische Sensorik oder durch eine magnetostriktive Sensorik erfaßt werden. Ferner können dem Sollwert der Schwingungsamplitude zumindest eines Teils des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine die Reglerparameter eines Fuzzy-Reglers adaptiert werden.


Beschreibung


[0001] Beim Rohrziehen werden vorgeformte Rohre jeweils durch einen einerseits aus einer Matrize und andererseits aus einem Stopfen gebildeten Ringspalt gezogen. Beim Stopfen kann es sich um einen fliegenden Stopfen oder um einen mit einer Stopfenstange verbundenen Stopfen (Stangenstopfen) handeln.

[0002] Läuft der Ziehvorgang störungsfrei ab, so befindet sich aufgrund der Steifigkeit des Stopfens, insbesondere bei einem Stangenstopfen, die Reibkraft zwischen dem Rohr und dem Stopfen mit der Rückhaltekraft in einem Gleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht durch verfahrens- und/oder werkstoff- und/oder schmierstoffbedingte Einflüsse gestört, so daß sich die Relativgeschwindigkeit zwischen dem Rohr und dem Stopfen periodisch ändert, tritt ab einer bestimmten Ziehgeschwindigkeit der Zustand auf, daß der Stopfen in Resonanzschwingungen versetzt wird. Diese ab einer gewissen Größe für den Bedienungsmann der Ziehmaschine in Form eines "Ratterns" hörbaren Resonanzschwingungen sind dann für den Bedienungsmann ein Warnzeichen dafür, die Ziehgeschwindigkeit zurückzunehmen, um das relative Gleichgewicht der Stopfenreibkraft zwischen dem Rohr und dem Stopfen mit der Rückhaltekraft wieder herzustellen.

[0003] Durch die Verringerung der Ziehgeschwindigkeit kann zwar das Ziehen der nachfolgenden Rohre wieder ratterfrei erfolgen, die mit einem Rattern gezogenen Rohre sind jedoch infolge der dabei entstandenen Rattermarken in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht mehr dem vorgesehenen Verwendungszweck zuführbar, so daß sie verschrottet werden müssen.

[0004] Das Hören des Ratterns durch den Bedienungsmann ist außerdem von dessen persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seiner Reaktionsschnelligkeit, der Einstellung zum Arbeitsplatz und den jeweiligen Umgebungsbedingungen abhängig. Dies bedeutet, daß es bei einer verspäteten Reaktion des Bedienungsmanns nicht nur zum Entstehen von Rattermarken, sondern daß es sogar zu einem Abriß, d.h. einer Zerstörung von Rohren kommen kann. Die Einstellung der Ziehgeschwindigkeit beruht somit durchweg auf der Basis "Hören des Ratterns" und Änderung der Ziehgeschwindigkeit.

[0005] Im Hinblick auf den Sachverhalt, daß meistens eine größere Anzahl gebündelter Rohre nacheinander gezogen wird, wird der Bedienungsmann rein gefühlsmäßig nach dem Auftreten von Rattergeräuschen die dann noch zu ziehenden Rohre des jeweiligen Rohrbündels mit einer deutlich verringerten Ziehgeschwindigkeit ziehen, um das Rattern und die damit verbundenen Folgen zu vermeiden. Diese in Fachkreisen als "Angstzuschlag" bezeichnete Maßnahme führt naturgemäß zu einer deutlichen Minderung an gezogenen Rohren pro Zeiteinheit.

[0006] Das seit langem bekannte Problem des Stopfenratterns ist in zahlreichen Veröffentlichungen beschrieben worden, ohne daß es aber bislang zu wirksamen Problemlösungen kam.

[0007] P. Kelly hat z.B. in der Zeitschrift "Tube International", March 1986, Seiten 39 bis 43 unter "Dampers on fixed plug vibration" versucht, das Schwingungssystem durch Dämpfer am Ende einer Stopfenstange in einen stabileren Zustand zu versetzen. Das Auftreten des Ratterns konnte hierdurch vermindert werden.

[0008] L. Lianshi und L. Xiaoping induzierten definierte Schwingungen in der Umformzone ("Tube International" Band 13 (1994) Heft 58, Seite 43 bis 46 "Tube drawing with ultrasonic vibration by mean of the magnetostrictive transducer"). Diese eingeprägte Schwingung verhinderte ein starkes und zur Schädigung führendes Aufklingen der Schwingungsamplitude eines Stopfens. Die außerordentlich hohen Kosten einer solchen Methode verhinderten indessen das Umsetzen in die Praxis.

[0009] Neuere Modellbildungsansätze stützen sich auf die Finite-Elemente-Methode und analysieren Spannungszustände sowie die in der Fließzone auftretenden Drücke (u.a. Dissertation von Xia-Ping-Liu Mai 1961 an der Technischen Universität Clausthal mit der Arbeit "Untersuchung des Formänderungs- und Spannungszustandes beim Rohrziehen mit der Finite-Elemente-Methode").

[0010] Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß alle bislang bekannten Methoden die Praxis nicht befriedigt haben.

[0011] Der Erfindung liegt ausgehend vom Stand der Technik die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Rohrziehen zu schaffen, bei dem es mit wirtschaftlichem Aufwand möglich ist, das zu Schäden an den Rohren bzw. sogar zu einer Zerstörung der Rohre führende Schwingungsverhalten des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine frühzeitig detektieren zu können, um dann rechtzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten.

[0012] Die Lösung dieser Aufgabe wird in den Merkmalen des Anspruchs 1 gesehen.

[0013] Die Erfindung macht sich hierbei die Erkenntnisse zunutze, die bislang bei der Untersuchung des Problems "Stopfenrattern" gewonnen wurden. Im Prinzip handelt es sich bei dem im Inneren eines gezogenen Rohrs schwingenden Stopfen um einen Reibschwinger, bei dem die Coulombsche Reibungskraft in Abhängigkeit von der Gleitgeschwindigkeit typische Unstetigkeiten aufweist. Der Stopfen haftet zunächst an der Innenwand des Rohrs und wird bei der weiteren Bewegung des Rohrs so lange mitgeführt, bis die Rückhaltekraft des Stopfens die Haftreibung überwiegt. Diese Rückhaltekraft ist beim Stangenstopfen die Federkraft der mit diesem fest verbundenen Stopfenstange, während sie sich beim fliegenden Stopfen aus der Geometrie des Stopfens ergibt. Bei der anschließenden Relativbewegung des Stopfens gegenüber der Innenwand des Rohrs tritt eine Gleitreibung auf und zwar so lange, bis die Rückhaltekraft wieder kleiner wird als die Haftkraft und der Stopfen erneut in Ziehrichtung mitgeführt wird. Es handelt sich um einen nichtlinearen Schwingungsvorgang.

[0014] Betrachtet man in diesem Zusammenhang das Rohrziehen bei einer konstanten Ziehgeschwindigkeit und einer konstanten Reibkraft, so würde der Stopfen in einem bestimmten Arbeitspunkt in einer stationären Position verharren. Dabei wäre die Stopfenreibkraft zwischen dem Rohr und dem Stopfen mit der Rückhaltekraft im Gleichgewicht. Die Stopfenreibkraft zwischen dem Rohr und dem Stopfen ergibt sich durch eine Multiplikation des Reibungskoeffizienten mit der Normalkraft, die senkrecht auf die Stopfenoberfläche wirkt. In diesem Zusammenhang läßt sich die Normalkraft aus dem Produkt des jeweils vorherrschenden mittleren Drucks sowie der Kontaktfläche zwischen dem Rohr und dem Stopfen ermitteln. Was den Reibungskoeffizienten betrifft, so handelt es sich hierbei um vergleichsweise komplizierte Einflüsse, die verfahrens-, werkstoff- und schmierstoffbedingt sind.

[0015] Verfahrensbedingte Einflüsse sind die Verteilung und die Größe der Normalspannung auf dem am Stopfen anliegenden Rohrlängenabschnitt sowie die dort auftretenden Relativgeschwindigkeiten und Temperaturen. Werkstoffbedingte Einflüsse sind z.B. die Oberflächenbeschaffenheit, die Härte, die Adhäsionsneigung der Reibpartner sowie die chemische Zusammensetzung und die Gefüge der Werkstoffe. Schmierstoffbedingte Einflüsse sind die Druck- und Temperaturbeständigkeit, die Viskosität und die Scherfestigkeit eines Schmierstoffs sowie das chemische und physikalische Reaktionsvermögen innerhalb der tribologischen Systeme.

[0016] Mithin ergibt sich der Reibungskoeffizient als Funktion, die von der Relativgeschwindigkeit zwischen dem Stopfen und dem Rohr, dem jeweiligen Ort in dem Rohr und der an den Grenzflächen zwischen dem Rohr und dem Stopfen herrschenden Temperatur abhängt.

[0017] Der Normaldruck wiederum ist abhängig von der Formänderungsfestigkeit, deren Haupteinflußgrößen die Struktur und Art des Werkstoffs, der Umformgrad, die Umformtemperatur, die Formänderungsgeschwindigkeit sowie der Spannungszustand des Rohres als Umformparameter sind.

[0018] Aufbauend auf diesen Erkenntnissen schlägt die Erfindung vor, die durch den Ziehvorgang bedingten Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine sensorisch zu erfassen und dann die Ziehgeschwindigkeit und/oder die Schmierung der Rohre bzw. des Stopfens im Rohr in Abhängigkeit von einem erfahrungsbedingten Sollwert der Schwingungsamplitude zumindest eines Teils des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine automatisch zu regeln. Der Sollwert basiert dabei auf den Rohrziehmaschinen - oder Stopfencharakteristiken des gesamten Ziehsystems und kann folglich in Form eines ggf. regelbaren Schwellwerts kalibriert werden.

[0019] Unter Schmierung ist hier insbesondere die Schmierung der Rohrinnenwand im Bereich des Stopfens zu verstehen. Diese kann über eine hohle Stopfenstange oder eine in das Rohr eingefädelte Sonde erfolgen.

[0020] Stellt nun die Sensorik fest, daß die momentanen Schwingungen beim Ziehvorgang unterhalb des Sollwerts liegen, so kann automatisch die Ziehgeschwindigkeit erhöht werden. Gleichzeitig kann auch noch die Schmierung verändert werden. Übersteigen hingegen die momentanen Schwingungen den kalibrierten Sollwert, so wird auf jeden Fall die Ziehgeschwindigkeit gesenkt. Ob es hierbei auch notwendig ist, die Schmierung zu ändern, hängt vom jeweiligen Erkenntnisfall ab.

[0021] Der wesentliche Kern der Erfindung beruht folglich darauf, daß das optimale Ausbringen an gezogenen Rohren bei maximaler Kapazitätsausnutzung der Ziehmaschine nicht mehr von den persönlichen Fähigkeiten des jeweiligen Bedienungsmanns und den herrschenden Umgebungsbedingungen abhängig ist. Durch das frühzeitige Detektieren des Schwingungsverhaltens des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine kann bereits die Entstehungsphase des gefürchteten Ratterns erkannt werden, so daß erst gar keine Rohre mit Rattermarken gezogen werden. Die Qualität der gezogenen Rohre wird somit bei erhöhter Ziehleistung wesentlich verbessert.

[0022] Wo letztlich die Schwingungen detektiert werden, d.h unmittelbar oder mittelbar am Stopfen bzw. der diesem zugeordneten Stopfenstange oder an der Matrize bzw. in Form einer parallelen Schwingungsdetektion sowohl am Stopfen als auch an der Matrize bzw. an der Maschine ist von den jeweiligen örtlichen Einsatzbedingungen abhängig, d.h. von dem Charakter der Rohre sowie insbesondere dem Typ der Ziehmaschine einschließlich des eingesetzten Schmiermittels.

[0023] In Weiterbildung des erfindungsgemäßen Grundgedankens können entsprechend Anspruch 2 die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine mittels einer Körperschallsensorik erfaßt werden. Hierbei kann es sich z.B. als zweckmäßig erweisen, die Sensorik am Ende einer Stopfenstange bzw. an der Halterung der Stopfenstange vorzusehen. Die Messung des Körperschalls an der Halterung einer Stopfenstange liefert ein Signal, das sich zur Regelung der Ziehgeschwindigkeit besonders gut eignet. Hierbei können auch Störgeräusche, beispielsweise durch den Antrieb, insbesondere Kettenantrieb, einer Ziehmaschine und die Rohrauffangarme wirksam durch rein mechanische Maßnahmen, wie z.B. durch Gummidämpfer und Justierungen unterdrückt werden. Bei Einsatz eines fliegenden Stopfens kann es hingegen zweckmäßig sein, die Schwingungsmessungen direkt an der Matrize bzw. ihrer Halterung durchzuführen.

[0024] Aus anderen Untersuchungen (Literaturstelle: Barschdorff, D.; Ester, S.; Most, E.; Dorsel, T.: Neue Ansätze in der Herzauskulation durch ein "intelligentes" Stethoskop. In: CorVas, Miranda Communications GmbH 1992, Vol. 6, No. 1 (1992), Jan., pp.23-39) ist bekannt, daß der Signal-Störabstand gestörter Meßsignale bei getrennter Messung des Störanteils durch eine geeignete Sensorik und ein Adaptivfilterverfahren wesentlich verbessert werden kann. Diese Vorgehensweise führt zu einer wesentlich verbesserten Qualität der Meßsignale, die Schwellwertberechnung kann effizienter durchgeführt werden.

[0025] Die Erfindung hat erkannt, daß sich mit der Körperschallsensorik Beschleunigungen am Ort des Sensors, also z.B. am Ende einer Stopfenstange, einwandfrei messen lassen. Allerdings ist ein Rückschluß auf die Amplitude der Stopfenschwingung selbst nur bedingt möglich. Infolgedessen schlägt die Erfindung gemäß den Merkmalen des Anspruchs 3 vor, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch eine induktive Sensorik erfaßt werden. In diesem Zusammenhang kann eine induktive Sensorik sowohl hinter als auch vor einer Matrize angeordnet werden. Dazu wird bei einer Anordnung der Sensorik hinter der Matrize auch dort eine Meßspule vorgesehen und dem Stopfen wird eine hochpermeable Verlängerung zugeordnet. Bei der Anordnung der induktiven Sensorik vor der Matrize wird auch die Meßspule dort vorgesehen und umfangsseitig der Stopfenstange eine hochpermeable Marke angeordnet. Zusätzlich ist es erforderlich, hinter der Matrize eine Spule zur Entmagnetisierung vorzusehen.

[0026] Die Sensorposition hinter der Matrize hat den Vorteil, daß der Meßeffekt größer ist, weil der fertig gezogene Teil des Rohrs eine geringere Wandstärke hat als der Rohling. Eine Entmagnetisierung der Rohre wäre in diesem Fall unpraktikabel. Sie würde nur eine zusätzliche Spule erfordern und ihr Wechselfeld würde direkt in die Meßspule eingekoppelt. Daher ist die Sensorposition vor der Matrize vorteilhaft, weil sie ggf. eine Entmagnetisierung hinter der Matrize ermöglicht. Grund hierfür ist der Sachverhalt, daß eine Entkopplung von Meßspule und Entmagnetisierungsspule durch den großen Stahlblock der Matrize gegeben ist.

[0027] Da sich die magnetischen Eigenschaften des Stahls durch eine Verformung völlig ändern, kann es in bestimmten Einsatzfällen durchaus möglich sein, daß der Stahl den durch den Sensor erzeugten remanenten Magnetismus wieder verliert und sich die Entmagnetisierung erübrigt.

[0028] Entsprechend den Merkmalen des Anspruchs 4 ist es ferner möglich, die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch wenigstens einen Dehnungsmeßstreifen zu erfassen. Eine derartige Sensorik kann sowohl am Ende der Stopfenstange als auch an deren Halterung vorgesehen werden.

[0029] Darüber hinaus liegt es im Rahmen der Erfindung, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine gemäß Anspruch 5 durch eine piezo-elektrische oder entsprechend den Merkmalen des Anspruchs 6 durch eine magnetostriktive Sensorik erfaßt werden können. Mit einer piezo-elektrischen Sensorik können sowohl Zugkräfte als auch dynamische Zugkraftänderungen (Schwingungen) erfaßt und bei der Sollwertberechnung berücksichtigt werden. Magnetostriktive Sensoren sind sehr robust und für den praktischen Einsatz bei der Messung von Zugkräften sowie Zugkraftänderungen gut geeignet.

[0030] Welche Sensorik jeweils zum Einsatz gelangt, hängt überwiegend von den örtlichen Bedingungen im Umfeld des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine ab.

[0031] Vorstellbar ist es ferner, daß die sensorischen Erfassungen gemäß den Varianten der Ansprüche 2 bis 6 gegebenenfalls kombinativ angewandt werden. Insbesondere können jeweils zwei der erwähnten Verfahren gemeinsam benutzt und auf diese Weise die Stopfenauslenkung und/oder die am Stopfen wirksamen Kräfte unabhängig von der Stopfenstangenhalterung (fest, gefedert, gedämpft, frei) ermittelt werden.

[0032] Das Übertragungsverhalten einer Stopfenstange läßt nur bedingt einen Rückschluß auf die Schwingungsamplitude des Stopfens bei Messungen am Stangenende zu. Durch eine kombinierte Kraft- und Schwingweg- oder Schwinggeschwindigkeits- oder Schwingbeschleunigungsmessung kann das Übertragungsverhalten entsprechend Anspruch 7 mit Hilfe digitaler Filter kompensiert werden. Die Erfassung der Stopfenschwingung und/oder der am Stopfen wirksamen Kräfte erfolgt hierbei unabhängig von der Stopfenstangenhalterung, sei sie nun fest, gefedert, gedämpft oder frei und/oder dort zusätzlich eingekoppelter störender Schwingungen der Maschinenperipherie. Die digitalen Filter bilden das Übertragungsverhalten der Stopfenstange nach, das sich experimentell über Identifikationsverfahren oder über ein mathematisches Modell bestimmen läßt.

[0033] Der Vorteil dieser Ausführungsform besteht darin, daß trotz Messungen am Ende der Stopfenstange die Schwingungsamplitude des Stopfens genau berechnet und ein Vergleich mit dem Sollwert eines Reglers exakter durchgeführt werden kann.

[0034] Störsignale aus mindestens einem der bei den diversen Messungen gewonnenen Meßsignale können - sofern notwendig - erfindungsgemäß im Zuge mindestens einer zweiten Messung entsprechend dem Vorschlag des Anspruchs 8 durch eine Adaptivfilterung eliminiert werden. Der Vorteil der Störsignalunterdrückung durch eine Adaptivfilterung besteht darin, daß das Nutzsignal frei von Schwingungsanteilen der Maschinenperipherie ist und damit eine wesentlich genauere Berechnung des Sollwerts für die Reglereinstellung möglich wird.

[0035] Interne Versuche haben gezeigt, daß die Schwingungscharakteristik eines Stopfens von variablen Größen wie Innen- und Außendurchmesser eines Rohrs, Rohrmaterial, Reduzierung des Durchmessers, fliegender Stopfen oder Stangenstopfen, Stopfenstange und Ziehmaschine stark abhängig ist. Somit erscheint ein feststehendes Regelungskonzept mit fest vorgegebenem Sollwert für die Schwingungsamplitude des Stopfens nicht wünschenswert. Die Erfindung schlägt deshalb gemäß Anspruch 9 ein Expertensystem und die Eingabe der vorstehend genannten variablen Größen in Form eines lernenden adaptiven Regelungskonzepts unter Einsatz eines Fuzzy-Reglers vor. Hierbei ist die interne Regelung der Ziehgeschwindigkeit gegeben. Eine übergeordnete Regelung der Schwingungsamplitude des Stopfens erfolgt über den Fuzzy-Regler. Der Vorteil besteht in einer ständigen Kontrolle der Ziehgeschwindigkeit. Ein plötzlicher und somit evtl. maschinenschädigender abrupter Reglereingriff wird vermieden.

[0036] Mit Hilfe eines Fuzzy-Reglers können bekanntlich mathematisch unzureichend beschreibbare Systeme geregelt werden. Im konkreten Fall wird die Schwingungsamplitude durch linguistische Variable beschrieben (Fuzzyfizierung) und mit Hilfe einer Regelbasis eine verbale Beschreibung der Ziehgeschwindigkeit erstellt. Durch eine Defuzzyfizierung erhält man wieder einen konkreten Zahlenwert, der dann als Sollwert der internen Geschwindigkeitsregelung zugeführt wird.

[0037] Das Expertensystem hat die Aufgabe, eine Sollgröße der Schwingungsamplitude des Stopfens vorzugeben und ggfls. die Regelbasis des Fuzzy-Reglers zu adaptieren. Das Expertensystem stützt sich hierbei auf Kenntnisse bzw. Erfahrungen vorangegangener Messungen sowie auf die Eingabe aktueller Systemgrößen wie den Innen- und Außendurchmesser eines Rohrs, das Rohrmaterial, die Durchmesserreduzierung, die Frage, ob es sich um einen fliegenden oder einen Stangenstopfen handelt, den Typ der Stopfenstange und letztlich den Maschinentyp.

[0038] Damit erlaubt es die Erfindung, entsprechend den Merkmalen des Anspruchs 10 die den Ziehvorgang beeinflussenden Systemparameter, wie insbesondere die Abmessungen der Rohre, das Rohrmaterial, die Durchmesserreduzierung, die Schmiermittelart, die Maschinennutzungsdauer, den Verschleißzustand von Stopfen und Matrize, den Stopfentyp und/oder die Ziehmethode (über eine Kette oder ein Seil) durch ein Expertensystem sowie ein mathematisches Modell zu verknüpfen und daraus den Reglersoliwert abzuleiten. Erst durch die Verknüpfung der den Ziehvorgang beeinflussenden Systemparameter durch ein Expertensystem sowie ein mathematisches Modell wird es möglich, diese Einflüsse beim Festlegen des Reglersollwerts zu berücksichtigen.


Ansprüche

1. Verfahren zum Ziehen von Rohren unter Verwendung mindestens einer Matrize sowie eines Stopfens, bei welchem die durch den Ziehvorgang bedingten Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine sensorisch erfaßt und die Ziehgeschwindigkeit und/oder die Schmierung der Rohre in Abhängigkeit von einem rohr- und/oder ziehmaschinen- und/oder stopfencharakteristisch kalibrierbaren Sollwert der Schwingungsamplitude zumindest eines Teils des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine geregelt werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine mittels einer Körperschallsensorik erfaßt werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch eine induktive Sensorik erfaßt werden.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch wenigstens einen Dehnungsmeßstreifen erfaßt werden.
 
5. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch eine piezoelektrische Sensorik erfaßt werden.
 
6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Zieh-Systems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine durch eine magnetostriktive Sensorik erfaßt werden.
 
7. Verfahren nach mindestens einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß die Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine und/oder die hier wirksamen Kräfte durch eine kombinierte Kraft- und Schwingweg- oder Schwinggeschwindigkeits- oder Schwingbeschleunigungsmessung am Ende einer Stopfenstange unabhängig von der Aufhängung der Stopfenstangenhalterung und dort eingekoppelter störender Schwingungen unter Verwendung digitaler Filter erfaßt werden.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß zusätzlich eine zweite Messung der Schwingungen des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine mit geeigneter Sensorik an der Maschine, an der Matrize, an dem Ziehschlitten oder dem Antrieb durchgeführt wird und Störsignale aus wenigstens einem der bei der ersten Messung gewonnenen Meßsignale durch eine Adaptivfilterung eliminiert werden.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß dem Sollwert der Schwingungsamplitude zumindest eines Teils des Ziehsystems Rohr-Stopfen-Matrize-Maschine die Reglerparameter eines Fuzzy-Reglers adaptiert werden.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß die den Ziehvorgang beeinflussenden Systemparameter, wie insbesondere die Abmessung der Rohre, das Rohrmaterial, die Durchmesserreduzierung, die Schmiermittelart, die Maschinennutzungsdauer, der Verschleißzustand von Stopfen und Matrize, der Stopfentyp und/oder die Ziehmethode durch ein Expertensystem sowie ein mathematisches Modell verknüpft werden und daraus der Reglersoliwert abgeleitet wird.
 





Recherchenbericht