[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur automatischen fahrzeugautonomen Detektion
von Verkehrsstau sowie eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens. Es handelt
sich also um die automatische Ermittlung eines Maßes zur Beurteilung der verkehrsabhängigen
Befahrbarkeit von Straßen .
[0002] Aus der DE 43 21 437 A1 ist ein Verfahren zur automatischen fahrzeugautonomen Detektionvon
Verkehrsinformationen bekannt, d.h. im Fahrzeug eingegebene Fahrtinformationen werden
mit über Radio erfaßten Verkehrsinformationen und mit einer bordeigenen Verkehrsdatenbank
verarbeitet.
[0003] Die Erfassung und Beschreibung der Verkehrslage ist eine wesentliche Aufgabe im Bereich
der Verkehrstelematik, die das Ziel hat, Situationen mit Verkehrsstau nach Möglichkeit
zu entzerren und zu vermeiden durch entsprechende vorausschauende Umlenkung von Verkehrsteilnehmern
auf weniger belastete Straßen. Es ist bekannt, zu diesem Zweck straßenseitig installierte
stationäre Erfassungseinrichtungen (z.B. Baken, Induktionsschleifen o.ä.) zu verwenden.
Dies ist nicht nur mit sehr hohen Kosten für die Schaffung und Erhaltung der erforderlichen
Infrastruktur verbunden, sondern hat auch den Nachteil, daß diese Einrichtungen systembedingt
jeweils nur einen lokal außerordentlich eng begrenzten Einsatzbereich aufweisen. Für
eine flächendeckende Verkehrslageerfassung ist daher die Installation einer riesigen
Anzahl von Erfassungseinrichtungen notwendig.
[0004] In jüngerer Zeit sind auch Ansätze bekannt geworden (DE 195 21 919), eine Verkehrslageerfassung
ohne fest installierte straßenseitige Einrichtungen vorzunehmen, indem aus den Fahrzeugen
einer Stichprobenfahrzeugflotte entsprechende Informationen an geeignete Sammelstellen
(z.B. Verkehrsleitzentrale) übermittelt werden. Es handelt sich dabei quasi um im
Verkehr mitschwimmende Meßstationen ("floating probes"), die relevante Daten (insbesondere
die Fahrzeuggeschwindigkeit) über eine mobile drahtlose Kommunikationseinrichtung
(z.B. ein Funktelefon) an die jeweilige Datensammelstelle zur Weiterverarbeitung und
Auswertung übertragen. Das Ergebnis der Auswertung kann dann einer Vielzahl von Verkehrsteilnehmern
im Sinne von Verkehrshinweisen und Ausweichempfehlungen übermittelt werden, so daß
die Verkehrsteilnehmer verkehrslageabhängig eine möglichst günstige Entscheidung über
die zu wählende Fahrtroute treffen können. Die Ergebnisse können auch Eingang finden
in automatische Routenplanungs- und Zielführungssysteme.
[0005] Ein Problem der "floating probes" liegt darin, daß die fortlaufende Übermittlung
der aktuellen Geschwindigkeit einer Vielzahl von Fahrzeugen eine außerordentlich starke
Belastung für die Übertragungskanäle der Kommunikationseinrichtung darstellt und darüber
hinaus einen bedeutenden Kostenfaktor bei Benutzung eines gebührenpflichtigen Kommunikationssystems
bildet. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß dabei überwiegend Informationen
übermittelt werden, die in Wirklichkeit keine echten neuen Erkenntnisse liefern. Es
wäre daher zweckmäßig, wenn man die Informationsübertragung zumindest weitgehend auf
solche Zeitabschnitte beschränken könnte, in denen sich kritische Verkehrssituationen
bilden, bereits eingestellt haben oder sich wieder auflösen. Man müßte also die Zeitabschnitte
ermitteln können, in denen sich verkehrstechnisch interessante Veränderungen im Straßenverkehr
einstellen. Dies könnte man, wie das ebenfalls bereits bekannt geworden ist, dadurch
ermöglichen, daß die relevanten Verkehrslageinformationen von Personen in den "floating
probes" (sogenannte Staumelder) bedarfsabhängig abgegeben werden. Das erfordert aber
nicht nur eine entsprechende Bereitschaft bei diesem Personenkreis, sonden eröffnet
auch die Möglichkeit für bewußte oder unbewußte Übermittlung fehlerhaft eingeschätzter
Verkehrslagedaten.
Schließlich ist es noch aus der DE-Siemens Firmenschrift "Automatische Störfallerkennung
auf Autobahnen mit Hilfe der Fuzzy-Logik" (1994,Seite 1-7) bekannt, Wahrscheinlichkeitsaussagen
über Verkehrsströme zu ermitteln.
[0006] Aufgabe der Erfindung ist es daher, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu dessen
Durchführung anzugeben, das eine automatische, also personenunabhängige fahrzeugautonome
Detektion von Verkehrsstau ermöglicht, so daß in Abhängigkeit davon eine gezielte
Übermittlung wirklich bedeutsamer Verkehrsinformationen erfolgen kann.
[0007] Die erfindungsgemäße Lösung dieser Aufgabe weist für das Verfahren die kennzeichnenden
Merkmale des Patentanspruchs 1 auf. Durch die Merkmale der Unteransprüche 2 bis 4
ist dieses Verfahren in vorteilhafter Weise weiter ausgestaltbar. Eine zur Durchführung
dieses Verfahrens geeignete Vorrichtung ist durch die Merkmale des Unteranspruchs
5 gekennzeichnet und läßt sich durch die Merkmale der Unteransprüche 6 bis 7 in zweckmäßiger
Weise weiterbilden.
[0008] Die Erfindung sieht vor, daß die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs einer Stichprobenfahrzeugflotte
jeweils fortlaufend erfaßt und an eine fahrzeuginterne Klassifiziereinrichtung gegeben
wird. Diese Klassifiziereinrichtung hat Zugriff auf Geschwindigkeitsklassen, die in
einer Speichereinrichtung für Vorgabewerte vorzugsweise straßentypabhängig abgelegt
sind. Die Vorgabewerte können fixe Werte oder auch als dynamisch veränderliche Größen
abgespeichert sein. Beispielsweise könnte die Vorgabe beim Anschalten des jeweiligen
Geräts und der folgenden Initialisierung erfolgen. Besonders vorteilhaft ist die Möglichkeit,
die Vorgabewerte von einer Zentrale aus je nach Bedarf zu verändern (z.B. mittels
Mobilfunk).
[0009] Die Klassifiziereinrichtung ordnet jeweils den erfaßten Wert der aktuellen Geschwindigkeit
einer dieser Geschwindigkeitsklassen zu. Im einfachsten Fall erfolgt diese Zuordnung
zu Geschwindigkeitklassen, die durch fest vorgegebene Grenzwerte festgelegt sind.
Vorteilhaft ist jedoch vielfach eine Zuordnung nicht nach starren Grenzen, sondern
über einen Fuzzy-Ansatz, also unter Berücksichtigung eines Unschärfebereichs. Zweckmäßigerweise
werden mindestens drei Geschwindigkeitsklassen vorgesehen. Außerdem sollte die Festlegung
der Grenzen der Geschwindigkeitsklassen in Abhängigkeit vom Straßentyp erfolgen. Während
beispielsweise für städtische Straßen eine mehrfache Aufteilung im unteren Geschwindigkeitsbereich
sinnvoll ist, sollte beispielsweise bei Autobahnen auch der mittlere und obere Geschwindigkeitsbereich
als eigene Klasse berücksichtigt werden. Auf diese Weise ist es möglich, beispielsweise
langsame Fahrten und Standphasen, die durch hohes Verkehrsaufkommen bedingt sind,
zu unterscheiden von einem gleichartigen (normalen) Fahrverhalten vor einer roten
Ampel. Nach Zuordnung der jeweils erfaßten Fahrzeuggeschwindigkeit zu einer der vorgegebenen
Geschwindigkeitsklassen erfolgt als nächster Schritt die Einbeziehung der Klassenzuordnung
in einen zeitlichen Integrationsprozeß. Das Ergebnis dieses Integrationsprozesses
der Abfolge einzelner klassifizierter Fahrzeuggeschwindigkeiten wird zur Bildung eines
kontinuierlichen Maßes für das Ereignis "Stau" (Staumaß) auf eine begrenzte Skala,
insbesondere eine Wahrscheinlichkeitsskala, abgebildet.
[0010] Nachfolgend wird die Erfindung anhand der Figuren näher erläutert. Es zeigen:
- Fig. 1
- eine grafische Darstellung von Zugehörigkeitsfunktionen zur Zuordnung von Geschwindigkeiten
in drei Geschwindigkeitsklassen und
- Fig. 2
- ein Funktionsschaltbild einer erfindungsgemäßen Vorrichtung.
[0011] In Fig. 1 ist an einem Beispiel dargestellt, wie im Rahmen eines Fuzzy-Ansatzes mittels
dreier Zugehörigkeitsfunktionen µ Fahrzeuggeschwindigkeiten v unterschiedlicher Größe
den drei repräsentativen Geschwindigkeitsklassen "Stau", "gebundener Verkehr oder
"freie Fahrt" zugeordnet werden können. Eine Geschwindigkeit im Bereich von Null bis
zum Grenzwert v
stau führt zu 100 % zu einer Zuordnung in die Geschwindigkeitsklasse "Stau". Für Fahrzeuggeschwindigkeiten
zwischen v
stau und einem zweiten Grenzwert v
gebunden erfolgt die Zuordnung mit linear abnehmender Wahrscheinlichkeit zur Geschwindigkeitsklasse
"Stau" und mit linear zunehmender Wahrscheinlichkeit zur Geschwindigkeitsklasse "gebundener
Verkehr. Jenseits von v
gebunden wird bis zu einer Grenzgeschwindigkeit v
frei mit linear abnehmender Wahrscheinlichkeit eine Zuordnung in die Geschwindigkeitsklasse
"gebundener Verkehr und mit linear zunehmender Wahrscheinlichkeit in die Geschwindigkeitsklasse
"freie Fahrt" vorgenommen. Bei Fahrzeuggeschwindigkeiten über v
frei führt diese Zuordnung zu 100 % zur Geschwindigkeitsklasse "freie Fahrt".
[0012] Das in Fig. 2 dargestellte Funktionsblockbeispiel für eine Vorrichtung zur Durchführung
des erfindungsgemäßen Verfahrens weist die Geschwindigkeitserfassungseinrichtung 1
auf, deren Datenausgang an eine Klassifiziereinrichtung 2 angeschlossen ist, in der
jeweils die fortlaufend gemessenen momentanen Fahrzeuggeschwindigkeiten einer Geschwindigkeitsklasse
zugeordnet werden. Die Vorgabewerte für diese Geschwindigkeitsklassen kann die Klassifiziereinrichtung
2 aus einer vorzugsweise als nicht flüchtiger Speicher ausgebildeten Speichereinrichtung
4 für Geschwindigkeitsklassen entnehmen. Der Datenausgang der Klassifiziereinrichtung
2 ist auf den Dateneingang einer Integrationseinrichtung 3 geschaltet. Das Ergebnis
der Integration gelangt in eine Bewertungseinrichtung 5, die daraus ein für die jeweilige
Verkehrssituation im Bereich des betreffenden Fahrzeugs der Stichprobenfahrzeugflotte
repräsentatives Staumaß liefert, vorzugsweise in Form eines Wahrscheinlichkeitswertes
für das Vorliegen des Ereignisses "Stau". Bei völlig freier Fahrt wird also der Wert
0 % geliefert. Das Vorliegen dieses Staumaßes ermöglicht es der erfindungsgemäßen
Vorrichtung, selbsttätig ohne jedes manuelle Zutun kritische oder kritisch werdende
Verkehrslagen zu erkennen und von sich aus z.B. eine Kommunikationseinrichtung 6 zu
aktivieren, mit deren Hilfe eine situationsbedingte Übertragung wichtiger Verkehrslageinformationen
an eine entsprechende Sammelstelle erfolgen kann. Sobald eine Situation entsteht,
in der eine weitere Informationsübertragung über die Kommunikationseinrichtung 6 keinen
wesentlichen neuen Erkenntniswert mehr liefert, kann die Kommunikationseinrichtung
wieder deaktiviert werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich ein Fahrzeug
für längere Zeit in einem Stau aufhält, also sich das Staumaß praktisch nicht verändert.
Von besonderem Interesse kann es aber sein, den Zeitpunkt zu erkennen, wann dieses
Fahrzeug den Staubereich wieder verläßt. Da dies ebenfalls mit einer Veränderung des
Staumaßes verbunden ist, kann dies zum Anlaß genommen werden, die Kommunikationseinrichtung
6 automatisch wieder zu aktivieren. Besonders einfach lassen sich diese Funktionen
realisieren, wenn die Klassifiziereinrichtung 2, die Speichereinrichtung 4, die Integrationseinrichtung
3 und die Bewertungseinrichtung 5 in Form eines fahrzeuginternen elektronischen Rechensystems
ausgebildet sind. Um die an die Datensammelstelle übermittelten Informationen sinnvoll
auswerten zu können, müssen diese gegebenenfalls auch Angaben über die zugehörige
geografische Position des jeweils sendenden Fahrzeugs beinhalten. Hierzu kann die
erfindungsgemäße Vorrichtung mit einer (nicht dargestellten) Positionsbestimmungseinrichtung
(z.B. auf der Basis von Navigationssatelliten) ausgerüstet sein.
[0013] Das erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht auf sehr einfache Weise eine völlig automatische
dezentrale, d.h. fahrzeugautonome Bestimmung eines repräsentativen Maßes für die Situation
"Verkehrsstau" mit im Bedarfsfall beliebig verfeinerbaren Zwischenabstufungen bis
zur Situation "freie Fahrt". Das dazu erforderliche fahrzeuginterne Gerät ist sehr
einfach und preiswert aus Standardkomponenten herstellbar. Die Erfindung ermöglicht
es, den Umfang der für eine aussagefähige Verkehrslageerfassung erforderlichen Kommunikationsbedarf
bei einer Stichprobenfahrzeugflotte auf ein Minimum zu beschränken, da eine fahrzeugautonome
automatische Erkennung von Situationen, in denen Verkehrslageinformationen an eine
Datensammelstelle übertragen werden sollten, mit ausreichender Zuverlässigkeit möglich
ist.
1. Verfahren zur automatischen fahrzeugautonomen Detektion von Verkehrsstau, wobei,
- die Geschwindigkeit des Fahrzeugs im Fahrzeug fortlaufend erfaßt wird,
- die erfaßten Geschwindigkeitswerte vorgegebenen Geschwindigkeitsklassen zugeordnet
werden,
- daß die zugeordneten Geschwindigkeitsklassen die Eingangsgröße eines zeitlichen
Integrationsprozesses bilden und
- das Ergebnis dieses Integrationsprozesses zur Bildung eines Staumaßes auf eine begrenzte
Skala, insbesondere eine Wahrscheinlichkeitsskala, abgebildet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet;
daß die Zuordnung zu den Geschwindigkeitsklassen über einen Fuzzy-Ansatz erfolgt.
3. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß mindestens drei Geschwindigkeitsklassen vorgegeben sind.
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Geschwindigkeitsklassen für verschiedene Straßentypen unterschiedliche Grenzen
aufweisen.
5. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 mit einer Einrichtung
zur Erfassung der Fahrzeuggeschwindigkeit (1),
dadurch gekennzeichnet,
- daß eine Speichereinrichtung (4) zur Vorgabe von Geschwindigkeitsklassen vorgesehen
ist,
- daß eine Klassifiziereinrichtung (2) vorgesehen ist, mit der die erfaßten Fahrzeuggeschwindigkeiten
jeweils den gespeicherten Geschwindigkeitsklassen zugeordnet werden,
- daß der Ausgang der Klassifiziereinrichtung (2) auf den Eingang einer Integrationseinrichtung
(3) geschaltet ist und
- daß eine Bewertungseinrichtung (5) vorgesehen ist, deren Eingang mit dem Ausgang
der Integrationseinrichtung (3) verbunden ist und deren Ausgang das Staumaß zur Erkennung
von Verkehrsstau liefert.
6. Vorrichtung nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Speichereinrichtung (4), die Klassifiziereinrichtung (2), die Integriereinrichtung
(3) und die Bewertungseinrichtung (5) Teile eines im Fahrzeug angeordneten elektronischen
Rechensystems sind.
7. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 5 bis 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß durch die Bewertungseinrichtung (5) eine im Fahrzeug angeordnete Kommunikationseinrichtung
(6) in Abhängigkeit von der Veränderung des Staumaßes aktivierbar und deaktivierbar
ist.