[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Schienenfahrzeug mit vier oder sechs Radsätzen.
Bei derartigen Schienenfahrzeugen ist es allgemein bekannt, die Radsätze zu den Fahrzeugenden
hin in zwei Gruppen mit je zwei oder drei Radsätzen zusammenzufassen; diese Radsatzgruppen
sind jeweils an einem Drehgestellrahmen meist federnd befestigt. Die Drehgestellrahmen
sind jeweils beweglich mit dem Fahrzeugkasten verbunden und üben für den Fahrzeugkasten
die Tragfunktion aus. Des weiteren ist es für ein solches Schienenfahrzeug allgemein
bekannt, alle Radsätze bei Gleisbogenfahrt in radiale oder annähernd radiale Stellung
zu steuern (selbstlenkendes Drehgestell).
[0002] Es ist weiterhin allgemein bekannt, Fahrzeuge mit vier oder mehr Radsätzen ohne tragende
Drehgestelle auszuführen, bei denen die Radsätze starr oder querverschiebbar am Fahrzeugkasten
geführt sind, wobei auch bei einigen Ausführungen einzelne Radsätze am Fahrzeugende
um eine vertikale Achse schwenkbar gelagert sind. Diese Ausführungen haben jedoch
nachteilige Eigenschaften bezüglich der großen Querkräfte im Gleis und/oder des hohen
Verschleißes von Rädern und Schienen vor allem in Bögen.
[0003] Diese allgemein bekannten und bewährten Bauweisen erfordern zudem relativ viele Baukomponenten
und sind deshalb relativ schwer und aufwendig in Herstellung und Instandhaltung.
[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Schienenfahrzeug mit vier oder sechs
in radiale Stellung steuerbaren Radsätzen in gewichtsreduzierter Bauweise anzugeben.
[0005] Diese Aufgabe wird gelöst durch ein Schienenfahrzeug mit vier oder sechs Radsätzen,
welche zu den Fahrzeugenden hin in zwei Gruppen mit je zwei oder drei Radsätzen zusammengefaßt
sind, wobei jeder Radsatz direkt und ohne jeden Zwischenrahmen mit dem selbsttragenden
Fahrzeugkasten verbunden ist und wobei gleichzeitig die bei Gleisbogenfahrt geometrisch
erforderliche Querverschiebung und Längsverschiebung der Radsätze gegenüber dem Fahrzeugkasten
mittels einer Kinematik passiv oder aktiv einstellbar ist, wodurch alle Radsätze bei
Gleisbogenfahrt in radiale oder annähernd radiale Stellung steuerbar sind.
[0006] Die mit der Erfindung erzielbaren Vorteile bestehen insbesondere darin, daß das vorgeschlagene
rahmenlose Schienenfahrzeug mit direkt am selbsttragenden Fahrzeugkasten befestigten
Radsätzen leichter und einfacher ist als ein Schienenfahrzeug mit Drehgestellen herkömmlicher
Bauweise. Das eingesparte Gewicht erlaubt z.B. eine Erhöhung der Antriebsleistung
ohne Erhöhung der Radsatzlasten. Des weiteren ergibt sich eine Reduzierung der Herstellkosten.
[0007] Gegenüber den bekannten Ausführungen ohne Drehgestelle bietet die erfindungsgemäße
Ausführung den Vorteil, daß die Querkräfte im Gleis und/oder der Verschleiß an Rädern
und Schiene wesentlich reduziert sind und annähernd gleich oder sogar geringer sind
wie bei den bekannten Fahrzeugen mit Drehgestellen
[0008] Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen gekennzeichnet.
[0009] Die Erfindung wird nachstehend anhand der in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispiele
erläutert. Es zeigen:
- Fig. 1
- eine Sicht auf ein Schienenfahrzeug bei Gleisbogenfahrt,
- Fig. 2
- eine passive radiale Steuerung der Radsätze,
- Fig. 3, 4
- aktive radiale Steuerungen der Radsätze.
[0010] In der Fig. 1 ist eine Sicht auf ein Schienenfahrzeug bei Gleisbogenfahrt dargestellt.
Es ist ein auf einem Gleisbogen 1 befindlicher, selbsttragender Fahrzeugkasten 2 eines
Schienenfahrzeuges zu erkennen. Die Längsachse des Fahrzeugkastens ist mit LA und
die Querachse des Fahrzeugkastens (senkrecht zur Fahrtrichtung des Fahrzeuges) ist
mit QA bezeichnet. An jedem Fahrzeugkastenende befinden sich drei zu einer Gruppe
zusammengefaßte Radsätze. Im einzelnen sind drei Radsatzachsen 3, 4, 5 der ersten
Gruppe und drei Radsatzachsen 6, 7, 8 der zweiten Gruppe dargestellt. Die beiden Räder
einer Radsatzachse sind mit Ziffern 9, 10 bezeichnet. Weiterhin ist in Fig. 1 dargestellt,
daß die Radsätze im Bogen eine geometrisch bedingte Lageänderung gegenüber ihrer normalen
Stellung 11 erfahren; es ergibt sich eine Querverschiebung 12 (parallel zu QA) und
eine Längsverschiebung 13 (parallel zu LA), wobei die Querverschiebungen 12 und Längsverschiebungen
13 für jeden Radsatz unterschiedliche Werte aufweisen..
[0011] In Fig. 2 ist eine passive radiale Steuerung einer Radsatzachse 8 mit Rädern 9, 10
gezeigt, wie sie bei allen Radsätzen verwendet werden kann. Für die passive radiale
Steuerung wird die im Gleisbogen entstehende Querverschiebung 12 einzelner Radsätze
gegenüber dem Fahrzeugkasten herangezogen. Hierzu sind beispielsweise Zapfen 14, 15
an beiden Enden der Radsatzachsen vorgesehen, die in Führungsnuten 16, 17 gleiten,
welche mit dem Fahrzeugkasten 2 verbunden sind. Die Führungsnuten 16, 17 sind derart
ausgebildet, daß die Zapfen 14, 15 bei einer Bewegung der Radsatzachse quer zum Fahrzeugkasten
2 (Querverschiebung 12) zwangsläufig auch eine definierte Bewegung parallel zur Längsachse
LA (Längsverschiebung 13) erfahren, wodurch eine Drehung der Radsatzachse aus der
normalen Stellung 11 erfolgt und die gewünschte radiale Steuerung erzielt wird.
[0012] Die skizzierte Zapfen-/Führungsnuten-Konfiguration 14/15/16/17 ist lediglich beispielhaft
und kann beispielsweise durch Gestängeanordnungen ersetzt werden, welche die im Gleisbogen
geometrisch entstehende Querverschiebung 12 der Radsätze gegenüber dem Fahrzeugkasten
2 verwenden, um eine Längsverschiebung 13 zu bewirken, wodurch sich die Radialsteuerung
ergibt. Weiterhin kann auch eine gegenseitige Verkoppelung der Steuerungen verschiedener
Radsätze ausgeführt werden, um eine noch bessere radiale Steuerungswirkung zu erzielen.
[0013] Des weiteren kann die Steuerung durch die sich in bekannter Weise im Bogen durch
unterschiedliche Laufkreisdurchmesser entstehenden Längskräfte unterstützt werden.
[0014] In Fig. 3 ist eine aktive radiale Steuerung einer Radsatzachse 8 mit Rädern 9, 10
dargestellt, wie sie bei allen Radsätzen verwendet werden kann. Hierzu sind die Enden
der Radsatzachse mit Gelenken 18a, 18b versehen, in die Kolbenstangen 19a, 19b eingreifen,
welche mittels am Fahrzeugkasten 2 befestigten Steuerzylindern 20a, 20b im wesentlichen
parallel zu Längsachse LA ein- und ausfahrbar sind. Durch eine entsprechende Einbaurichtung
der Steuerzylinder 20a, 20b wird neben der Längsverschiebung 13 gleichzeitig die erforderliche
definierte Querverschiebung 12 der Radsätze erreicht. Hierdurch ergibt sich eine aktiv
bewirkte Drehung der Radsatzachse aus der normalen Stellung 11 in Richtung der radialen
Einstellung.
[0015] In Fig. 4 ist eine alternative aktive radiale Steuerung der Radsatzachse 8 mit Rädern
9, 10 dargestellt, wie sie bei allen Radsätzen verwendet werden kann. Bei diesem Lösungskonzept
ist ein Hebel 21 senkrecht zur Radsatzachse vorgesehen, der an seinem ersten Ende
über einen Drehpunkt 25 mit dem Fahrzeugkasten 2 verbunden ist. Das zweite Ende des
Hebels 21 weist ein Gelenk 22 auf und ist im wesentlichen parallel zur Querachse QA
schwenkbar. Hierzu greift eine Kolbenstange 23 eines am Fahrzeugkasten 2 befestigten
Steuerzylinders 24 am Gelenk 22 an, wodurch sich eine Drehbewegung der Radsatzachse
8 um einen Drehpunkt 25 einstellen läßt. Bei Betätigung des Steuerzylinders werden
die jeweils gewünschten Stellungen des Radsatzes mit Querverschiebung 12 und Längsverschiebung
13 gegenüber der normalen Stellung 11 erreicht. Wie in Fig. 4 gezeigt, kann der Hebel
21 beispielsweise am Gehäuse des Antriebsmotors 26 der Radsatzachse 8 befestigt sein.
[0016] Beide Ausführungsvarianten nach Fig. 3 und 4 sind lediglich beispielhaft und es sind
darüber hinaus weitere aktive radiale Steuerkonzepte einsetzbar, welche die Radialsteuerung
bewirken oder zumindest unterstützen. Die zur aktiven Steuerung erforderlichen Hilfskräfte
können elektrischer, pneumatischer oder hydraulischer Art sein. Die Steuervorgaben
für diese Hilfskräfte - beispielsweise für die Steuerzylinder 20a, 20b, 24 - können
in Abhängigkeit der im Gleisbogen auftretenden und erfaßten Fliehkräfte und/oder in
Abhängigkeit der auftretenden und erfaßten geometrischen Stellung der Radsätze im
Gleisbogen und/oder in Abhängigkeit der bei Gleisbogenfahrt auftretenden und erfaßten
Kräfte an den Radsätzen erfolgen.
[0017] Die Querverschiebungen 12 der Radsätze bei Gleisbogenfahrt parallel zur Querachse
QA werden entweder durch entsprechend großes federbeaufschlagtes Axiallagerspiel der
Radsätze oder durch eine Beweglichkeit der Radsatzachsen parallel zur Querachse QA
ermöglicht. Durch entsprechende Wahl der Federsteifigkeiten quer zur Fahrzeuglängsachse
wird eine ausreichende Bewegungsmöglichkeit der Radsätze sichergestellt. In weiterer
Ausgestaltung der Erfindung können die Federsteifigkeiten in Querrichtung bei den
einzelnen Radsätzen unterschiedlich ausgeführt werden, um durch optimale radiale Steuerung
eine Minimierung von Querkräften im Gleis und des Verschleißes von Rädern und Schienen
zu erreichen.
[0018] Bei den vorstehenden Ausführungsbeispielen ist ein sechsachsiges Fahrzeug beschrieben,
die Erfindung ist jedoch in gleicher Art und Weise bei vierachsigen Fahrzeugen verwendbar.
1. Schienenfahrzeug mit vier oder sechs Radsätzen, welche zu den Fahrzeugenden hin in
zwei Gruppen mit je zwei oder drei Radsätzen zusammengefaßt sind, wobei jeder Radsatz
(3 bis 8) direkt und ohne jeden Zwischenrahmen mit dem selbsttragenden Fahrzeugkasten
(2) verbunden ist und wobei gleichzeitig die bei Gleisbogenfahrt geometrisch erforderliche
Querverschiebung (12) und Längsverschiebung (13) der Radsätze gegenüber dem Fahrzeugkasten
mittels einer Kinematik (14, 15, 16, 17 oder 18a, 18b, 19a, 19b, 20a, 20b oder 21,
22, 3, 24, 25) passiv oder aktiv einstellbar ist, wodurch alle Radsätze bei Gleisbogenfahrt
in radiale oder annähernd radiale Stellung steuerbar sind.
2. Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur passiven radialen
Steuerung Zapfen (14, 15) an beiden Enden der Radsatzachsen vorgesehen sind, welche
in mit dem Fahrzeugkasten (2) verbundenen Führungsnuten (16, 17) gleiten, wobei die
Einbaulage der Führungsnuten bezüglich der Längsachse (LA) und Querachse (QA) des
Fahrzeugkastens (2) gleichzeitig die gewünschte Quewerschiebung (12) und Längsverschiebung
(13) gegenüber der normalen Stellung (11) einer Radsatzachse vorgibt (Fig. 2).
3. Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur aktiven radialen
Steuerung Gelenke (18a, 18b) an beiden Enden der Radsatzachsen vorgesehen sind, in
die Kolbenstangen (19a, 19b) eingreifen, welche mittels am Fahrzeugkasten (2) befestigten
Steuerzylindern (20a, 20b) ein- und ausfahrbar sind, wobei die Einbaulage der Steuerzylinder
bezüglich der Längsachse (LA) und Querachse (QA) des Fahrzeugkastens (2) gleichzeitig
die gewünschte Querverschiebung (12) und Längsverschiebung (13) gegenüber der normalen
Stellung (11) einer Radsatzachse vorgibt (Fig. 3).
4. Schienenfahrzeug nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zur aktiven radialen
Steuerung ein mit der Radsatzachse verbundener, senkrecht zu ihr angeordneter Hebel
(21) vorgesehen ist, der an seinem ersten Ende über einen Drehpunkt (25) mit dem Fahrzeugkasten
(2) verbunden ist und der an seinem zweiten Ende ein Gelenk (22) aufweist, in das
die Kolbenstange (23) eines am Fahrzeugkasten befestigten Steuerzylinders (24) eingreift,
wobei sich die gewünschte Querverschiebung (12) und Längsverschiebung (13) gegenüber
der normalen Stellung (11) einer Radsatzachse durch Ein- und Ausfahren der sich im
wesentlichen parallel zur Querachse (QA) des Fahrzeugkastens (2) bewegenden Kolbenstange
(23) einstellt (Fig. 4).
5. Schienenfahrzeug nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß die
Ansteuerung der radialen Stellung durch aktive Hilfskräfte elektrischer, pneumatischer
oder hydraulischer Art bewirkt oder zumindest unterstützt wird.
6. Schienenfahrzeug nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuervorgabe für
die Hilfskraft auf Grund der auf die Radsätze bei Gleisbogenfahrt einwirkenden Längskräfte
erfolgt.
7. Schienenfahrzeug nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuervorgabe für
die Hilfskraft auf Grund der geometrischen Stellung der Radsätze bei Gleisbogenfahrt
erfolgt.
8. Schienenfahrzeug nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Steuervorgabe für
die Hilfskraft auf Grund der auf einen Radsatz bei Gleisbogenfahrt einwirkenden Querkräfte
mittelbar oder unmittelbar erfolgt.