[0001] Die Erfindung bezieht sich auf ein Ernteverfahren für Feldfrüchte.
[0002] Obwohl sich westeuropäische Druckwasserreaktoren erheblich von dem am 26.04.1986
in der Ukraine havarierten

Tschernobyl-Typ

unterscheiden, könnte es auch hier bei einer Kernschmelze zur Freisetzung radioaktiver
Aerosole kommen. Nachteilhaft werden bei einer solchen Freisetzung im Freiland produzierte
Nahrungsmittel kontaminiert und gelangen dann in den Verkehr.
[0003] Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines Verfahrens, welches die Kontamination
von derart belasteten Nahrungsmitteln und Futtermitteln, die in den Verkehr gelangen,
reduziert.
[0004] Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren, gemäß dem nur der zum Zeitpunkt der
Kontamination noch nicht entwickelte Pflanzenteil abgeerntet und zum Nahrungs- oder
Futtermittel weiterverarbeitet wird. Verfahrensgemäß werden folglich nicht direkt
kontaminierte, eßbare Pflanzenteile getrennt von den direkt kontaminierten, (in der
Regel) nicht eßbaren Pflanzenteilen geerntet.
[0005] Das erfindungsgemäße Verfahren vermindert im besondern Maße die radioaktive Belastung
von eßbaren Feldfrüchten, die konventionell im Mähdruschverfahren geerntet werden.
Es ist also insbesondere bei Getreide anwendbar.
[0006] Strontium 90 oder Plutonium verbleiben in den Pflanzenteilen, die direkt kontaminiert
wurden und werden nicht in Früchte oder Korn transloziert. Ursache hiefür ist das
phloem-immobile Verhalten der beiden radioaktiven Substanzen in einer Pflanze.
[0007] Zum Zeitpunkt der Kontamination noch nicht entwickelte Pflanzenteile werden durch
Strontium 90 oder Plutonium zwar nicht unmittelbar kontaminiert. Der übliche Erntevorgang
von Feldfrüchten führt jedoch zu einer sekundären Kontamination des Korns infolge
des Drusches mit direkt kontaminierten Pflanzenteilen wie Stroh. Durch das erfindungsgemäße
Verfahren wird im Unterschied zum praxisüblichen Mähdrusch der gesamten Pflanzen die
sekundäre Kontamination (zumindest weitgehend) verhindert.
[0008] Beim praxisüblichen Tangential-Dreschsystem wird das Erntegut, z. B. Stroh und Ähren
von Weizen nach dem Einzug durch Haspel und Einzugswalze über ein Förderband zur Dreschtrommel
transportiert. Hier werden 80-90 % des Korns abgeschieden. Unvollständig ausgedroschene
Ährenteile werden erneut der Dreschtrommel zugeführt. Das übrige Korn wird auf dem
Schüttler von Stroh getrennt. Die Spreu wird rückseitig ausgeblasen.
[0009] Da bei diesem Verfahren durch rotierende Schlagwerkzeuge ein intensiver Kontakt zwischen
Stroh und Korn hergestellt wird und Ähren und Körner mit dem entstehenden Staub in
Berührung kommen, werden die bisher nicht oder gering kontaminierten Pflanzenteile
sekundär durch äußerlich am Stroh anhaftende Radionuklide kontaminiert.
[0010] Es hat sich gezeigt, daß (bei chronischer Deposition) rund 70 % des Plutonium-Gehaltes
von Weizenkorn auf Sekundärkontamination beim Mähdrusch zurückzuführen ist. Etwa 0,5
% der auf vegetativen Pflanzenteilen deponierten Aerosole gelangten im Mähdrescher
an das Korn. Anhaftender oder aufgewirbelter Boden ist mit < 3 % gegenüber dem Übergang
von direkt kontaminierten vegetativen Pflanzenteilen zu vernachlässigen.
[0011] Eine Kontamination von Pflanzenteilen mit phloem-immobilen radioaktiven Substanzen
wie Strontium oder Plutonium, die zum Zeitpunkt der Kontamination noch nicht entwickelt
waren, wird verhindert, indem diese Teile getrennt von den kontaminierten Teilen z.
B. mittels geeignet eingestellter Schneidtischhöhe eines Mähdreschers abgeerntet werden.
Eine geeignet eingestellte Schneidtischhöhe liegt vor, wenn hierdurch nur die zum
Zeitpunkt der Kontamination noch nicht entwickelten Pflanzenteile abgeschnitten werden.
[0012] Weizen, Hafer, Gerste oder Roggen werden daher zur Lösung der Aufgabe im Fall einer
Kontamination, die vor dem Ährenschieben stattgefunden hat, in Höhe des Fahnenblattes
abgeschnitten und anschließend der Verwertung als Nahrungsmittel zugeführt.
[0013] Auf diese Weise kann bis zu 90 % der andernfalls üblichen unerwünschten

Strontiumernte

vermieden werden.
[0014] Eine Reduzierung der Kontamination von für den Verzehr bestimmten Hülsenfrüchten
wie Ackerbohne und Erbsen kann ebenfalls so herbeigeführt werden. Gleiches gilt für
Raps.
[0015] Das Verfahren erzielt insbesondere dann die erwünschte Wirkung, wenn die Pflanze
zum Zeitpunkt der Kontamination noch nicht voll ausgereift war.
[0016] Die Ernte von Weizen wurde beispielsweise 130 Tage nach einer künstlichen Kontamination
durchgeführt. Korn- und Stroherträge wurden bestimmt. Radionuklidkonzentrationen (
137Cs,
90Sr), Feuchte und Gewichtsanteil der einzelnen Pflanzenfraktionen wurden ermittelt.
[0017] Hierzu wurden zunächst die einzeln geernteten Ähren von im Entwicklungsstadium

Schossen

kontaminiertem Weizen gedroschen und die Radioaktivität im Korn gemessen. Zur Abschätzung
einer möglichen Sekundärkontamination des Korns durch Mähdrusch mit direkt kontaminierten
Stroh wurden die Halme des im Schossen kontaminierten Weizens zusammen mit inaktiven
Ähren nach dem unten beschriebenen Verfahren gedroschen.
[0018] Ein Mähdrusch wurde wie folgt simuliert:
Die beiden Messer einer Küchenmaschine (M
OULINETTE 899, Außendurchmesser 17 cm) wurden durch Überkleben mit Textilband abgestumpft und
die Drehzahl durch einen Tyristor-Regler auf 600 U/min herabgesetzt. Gedroschen wurden
jeweils drei Ähren mit Stroh von drei Halmen und zwar 10 Sekunden sowie 30 Sekunden
lang, um unterschiedliche Intensitäten des Korn-Stroh-Kontaktes zu untersuchen.
[0019] Für die Trennung des Korns von Spreu und Stroh wurde das Dreschgut in einem flachen
Behälter ausgebreitet, um zunächst größere Strohteile mit der Pinzette abzusammeln.
Dann wurde ca. 1 cm über das Gemisch ein Büchnertrichter gehalten, durch den mit einem
(Haushalts-)Staubsaugers Luft gesaugt wurde. Während das Korn am Boden des Behälters
liegen blieb, wurde die leichtere Fraktion des Gemisches (Spelzen, Spindel, Strohteile)
angesaugt und im Trichter zurückgehalten.
[0020] Bei dieser "Windsichtung" wurden Korn und Dreschrest vollständig getrennt und der
Radioaktivitätsbestimmung zugeführt. Kleine, durch den Trichter gesogene Staubpartikel
konnten nicht bilanziert werden.
[0021] Mit dem Wort Translokation soll im folgenden der Eintransport über Leitgewebe (Xylem
und/oder Phloem) ins Korn verstanden werden.
[0022] Die Höhe der sekundären Kontamination beim Mähdrusch wurde mit der Kontamination
durch Translokation verglichen, indem beide Kontaminationspfade addiert und dann der
jeweilige Beitrag zur Gesamtkontamination errechnet wurde. Es gelangte nur 3 % des
Cäsiums sekundär ans Korn.
[0023] Beim Strontium war das Verhältnis der Kontaminationspfade umgekehrt: 90 % des
90Sr wurden erst beim Drusch mit dem gesamten Halm an das Korn gebracht. Diese konnte
von 90 % auf ≤ 15 % (= Meßgrenze) gesenkt werden, indem nur mit dem oberen, nicht
direkt kontaminierten Halmteil gedroschen wurde.
[0024] Durch eine Erhöhung der Dreschdauer wurde ein höherer Anteil der Radioaktivität auf
das Korn übertragen. Bei einer Dreschdauer von 10 Sekunden wurden 0,8 % des Cäsiums
und 2,3 % des Strontiums vom Stroh auf das Korn übertragen. Bei dreifacher Dreschdauer
verdreifachte sich auch der Anteil des übertragenen Cäsiums. Auch der Anteil des übertragenen
Strontiums wurde erhöht, wobei jedoch die Streubreite sehr groß war.