[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Kühlung walzwarmer Stahlprofile mittels
schockartiger Abkühlung im Anschluß an den Walzprozeß unter Ausbildung einer martensitischen
Randschicht und anschließendem autogenem Anlassen dieser Randschicht mittels Kernwärme
zu einem zäh-widerstandsfähigen Gefüge mit austenitischem Restquerschnitt.
[0002] Einige Stahlsorten, insbesondere die sogenannten Edelstähle, sind aufgrund der in
ihnen enthaltenen Legierungselemente, beispielsweise aus der Gruppe Cr, Mn, Mo, Ni
und anderer geeigneter Elemente sehr umwandlungsträge, d.h. die Umwandlung aus der
Austenitphase nach einer Warmumformung in Ferrit bzw. Perlit vollzieht sich erst nach
langen Haltedauern bei jeweils einem entsprechenden Temperaturintervall zwischen 600
und 750 °C.
[0003] Wenn diese Stähle nicht gezielt langsam, fallweise über mehrere Tage, abgekühlt und
bei der entsprechenden Umwandlungstemperatur gehalten werden, bleibt Austenit bei
der weiteren Abkühlung erhalten und wird bei Erreichen der Martensitstarttemperatur
unmittelbar in Martensit mit hoher Härte umwandeln. Dies tritt im wesentlichen bei
Stählen < 100 mm ⌀ beim Abkühlen nach dem Umformen auf dem Kühlbett an ruhender Luft
ein. Deshalb werden diese Stähle auch als sogenannte Lufthärter bezeichnet.
[0004] Zu dieser Gruppe gehören neben nichtrostenden Vergütungsstählen mit z. B. 13 bis
17 % Cr, Mo, Ni und möglichen Zusätzen anderer Begleitelemente bei Kohlenstoffgehalten
zwischen 0,2 und 0,6 % auch Werkzeugstähle (z. B. 56NiCrMoV7) und spezielle Vergütungsstähle
(z. B. 45CrMoV67) aus dem Bereich der Edelbaustähle, die eine hohe Härtbarkeit besitzen,
weshalb diese Stähle ebenfalls den Lufthärtern hinzugerechnet werden.
[0005] Wenn Stähle derartiger chemischer Zusammensetzung zu schnell abkühlen und dadurch
martensitisch umwandeln, entsteht ein hartes und sprödes Umwandlungsgefüge, welches
die Bildung von Spannungsrissen und das Auftreten von Sprödbrüchen beim späteren Handling
möglich macht. Es ist daher Stand der Technik, Stähle aus der Gruppe der sogenannten
Lufthärter so schnell wie möglich nach dem Umformprozeß speziellen Einrichtungen zuzuführen,
die eine stark verzögerte Abkühlung sicherstellen. Dazu werden bevorzugt Warmhaltehauben,
Warmhaltegruben mit Beheizung und ähnliche Einrichtungen benutzt, um nach der Umformung
anfallende Lose darin in Form von Bunden zu sammeln und nach Auffüllen des Aggregates
eine gezielte Abkühlung ablaufen zu lassen, die sich mitunter über mehrere Tage erstrecken
kann. Dies erfordert einen erheblichen technischen Aufwand, beispielsweise für einen
Schnelltransport über das Kühlbett oder für einen separaten Quertransport vor dem
Kühlbett, Isolierungs- und Wärmeschutzeinrichtungen im Walzwerksbereich, Warmtrennvorrichtungen,
Zusatzrollgänge und insbesondere die Warmhaltevorrichtungen selbst.
[0006] Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde,
diesen mit erheblichen Kosten verbundenen technischen Aufwand zu vermeiden und dabei
zugleich sicherzustellen, daß die lufthärtenden Stähle nach Warmumformung und Abkühlung
auf Raumtemperatur riß- und bruchfrei in einem zur Weiterverarbeitung geeigneten Anlieferungszustand
ihres Gefüges dem weiteren Verwendungszweck zugeführt werden können.
[0007] Dies wird bei einem Verfahren entsprechend dem Oberbegriff von Anspruch 1 mit dessen
Verwendung nach den kennzeichnenden Merkmalen von Anspruch 1 erreicht. Dabei wird
das walzwarme Produkt unmittelbar nach dem Umformprozeß durch eine mit Wasser beaufschlagte
Kühlstrecke gefahren, wobei eine dünne Randzone so gekühlt wird, daß sie martensitisch
umwandelt. Nach dem Austritt aus der Kühlstrecke wird diese martensitische Randschicht
durch Restwärme der Walzader autogen angelassen, so daß eine sehr zähe und hohe Spannungen
aufnehmende Oberflächenschicht entsteht, die verhindert, daß beim weiteren Umwandeln
des noch vorhandenen Austenits in Martensit am Produkt Beschädigungen in Form von
Rissen oder Brüchen auftreten.
[0008] Bevorzugt wird die schockartige Abkühlung mit einer Wärmeübergangszahl von Alpha
> 20, vorzugsweise bis 80 KW/m
2/K durchgeführt.
[0009] Die Erfindung ergibt den großen Vorteil, daß für Stähle aus der Gruppe der Lufthärter
die beim Stand der Technik für das Abkühlen mit äußerst starker Verzögerung üblicherweise
vorzusehenden aufwendigen Einrichtungen entfallen können. Dadurch ergibt sich eine
erhebliche Steigerung der Wirtschaftlichkeit beim Abkühlungsprozeß sowie eine Steigerung
der Produktivität infolge Verkürzung der Abkühlzeiten.
[0010] Eine Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, daß die schockartige Abkühlung unter
Ausbildung der martensitischen Randschicht mit durch eine vorgegebene Starttemperatur
exakt definiertem Abkühlungsbeginn nach der dynamischen Rekristallisation bei einem
durch Vergleichsversuche vorherbestimmbaren Abkühlverlauf bis zu einer definierten
Abkühltemperatur in einer hinter der Walzstraße angeordneten Wasserkühlstrecke vorgenommen
wird.
[0011] Mit Vorteil sieht dabei eine Fortsetzung des Verfahrens vor, daß der Abkühlungsprozeß
des Stahlprofils nach dem Anlassen der martensitischen Randzone zunächst beendet,
das Stahlprofil durch die weiteren Bearbeitungseinrichtungen gefördert, danach abgelagert
und erst bei Abruf zu einem späteren Zeitpunkt durch eine gezielte Wärmebehandlung
in einen kundenseitig vorgegebenen Gefügezustand für die Auslieferung gebracht wird.
[0012] Dies ist insofern von großem Vorteil, weil bei gleicher Stahlsorte je nach Verwendungszweck,
z. B. als Federstahl, als Schneidstahl, als Baustahl etc. bedarfsweise unterschiedliche
Gefügezustände oder Härtegrade, d. h. also Gebrauchseigenschaften verlangt werden.
[0013] Eine weitere Ausgestaltung des Verfahrens sieht vor, daß von der Walzader auftragsspezifisch
vorgegebene Teillängen hergestellt, diese mit einer Temperatur unterhalb möglicher
Karbidausscheidungsphasen zu Bunden gesammelt, mit einer Abkühlungsgeschwindigkeit
< 1K/min weiter abgekühlt und bei der weiteren Umwandlung noch vorhandenen Austenits
eine spannungsarme Umwandlung in selbstangelassenen Martensit vorgenommen wird.
[0014] Der Stahl kann im Anschluß an den Abkühlungsprozeß die für niedrig- und/oder unlegierte
Stähle vorgesehenen Aggregate zur Weiterverarbeitung auf einen definierten Auslieferungszustand
durchlaufen. Das hat den Vorteil, daß eigenständige, kostenträchtige Zusatzeinrichtungen
hierfür nicht mehr erforderlich sind. Dabei kann der auf Raumtemperatur abgekühlte
Stahl anschließend in der Weiterverarbeitung dem üblichen Handling unterworfen werden,
ohne daß es zu Spannungsrissen oder Materialbrüchen kommt.
[0015] Das Verfahren zur Abkühlung walzwarmer Stahlprofile einer als Lufthärter bezeichneten
Stahlsorte mit Legierungselementen aus der Gruppe Cr, Mn, Mo, Ni, V und anderer geeigneter
Elemente eignet sich bevorzugt für dessen Anwendung auf Rundmaterial mit Durchmessern
< 100 mm.
[0016] Das beispielhafte Diagramm zeigt den Verlauf von Temperatur und Kühlzeit für einen
Lufthärter mit Temperaturkurven für die Randzone (1), für den Kernbereich (2) sowie
für die Durchschnittstemperatur (3).
[0017] Das Diagramm entspricht der thermischen Behandlung einer Probe nach der Erfindung
und erfolgte mit einem Rundprofil von 62 mm ⌀ der chemischen Zusammensetzung: c =
0,40 %; Mn = 1,45 %; Cr = 2,0 %; Mo = 0,2 %. Die martensitische Umwandlung der Randzone
wurde im Durchlauf durch eine Wasserkühlstrecke mit Tw = 30 °C und einer Geschwindigkeit
V = 1,13 m/s durchgeführt.
[0018] Die Probe verläßt mit Walztemperatur von etwa 960 °C das letzte Walzgerüst. Bis zum
Eintritt in die Kühlstrecke ist die dynamische Rekristallisation vollständig abgelaufen.
[0019] Von der 14. Sekunde an beginnt in der Kühlstrecke die schockartige Abkühlung der
Probe, wobei die Oberflächentemperatur (1) innerhalb von etwa zwei Sekunden von 920
°C auf etwa 200 °C abgekühlt und weiter zwischen der 15. und der 23. Sekunde auf etwa
70 °C erniedrigt wird.
[0020] Die Kerntemperatur (2) sinkt wesentlich langsamer und erreicht in der 35. Sekunde
ca. 870 °C und bis zur 80. Sekunde ca. 640 °C.
[0021] Die Durchschnittstemperatur (3) sinkt von der 14. und bis zur 23. Sekunde von 940
°C auf ca. 640 °C und von da ab annähern stetig bis ca. 620 °C.
[0022] Die Temperatur der Randzone (1) steigt nach Verlassen der Kühlstrecke durch Wärmezufuhr
aus dem Kernquerschnitt in einer Exponentialfunktion steil an und erreicht bis zur
80. Sekunde eine Temperatur von ca. 610 °C. Dabei bildet sich in der Randzone durch
einen Anlaßprozeß eine sehr zähe und widerstandsfähige Oberflächenschicht aus, die
den zunächst noch austenitischen Restquerschnitt wie eine Schutzschicht umgibt und
verhindert, daß beim späteren Umwandeln des Restaustenits in Martensit am Material
Beschädigungen wie Risse oder Brüche auftreten können.
[0023] Das Verfahren ist unkompliziert und erfordert lediglich eine exakt reproduzierbare
und geregelte, beschleunigte Abkühlung von lufthärtenden Legierungsstählen unter Vermeidung
der beim Stand der Technik für Lufthärter bisher erforderlichen aufwendigen Einrichtungen
zum Abkühlen mit starker Verzögerung. Damit erfüllt die Erfindung in optimaler Weise
die eingangs gestellte Aufgabe.
1. Verfahren zur Kühlung walzwarmer Stahlprofile mittels schockartiger Abkühlung im Anschluß
an den Walzprozeß unter Ausbildung einer martensitischen Randschicht und anschließendem
Anlassen dieser Randschicht mittels Kernwärme zu einem zäh-widerstandsfähigen Gefüge
mit austenitischem Restquerschnitt, gekennzeichnet durch dessen Anwendung auf Stahlsorten, die aufgrund ihrer Legierungselemente aus
der Gruppe Cr, Mn, Mo, Ni und anderer geeigneter Elemente beim ungeregelten Abkühlen
an Luft aus der Austenitphase direkt in Martensit umwandeln.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das bei Stählen gemäß Anspruch 1 üblicherweise mit starker Verzögerung geregelte
Abkühlen in hierfür vorgesehenen aufwendigen Einrichtungen entfällt.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die schockartige Abkühlung unter Ausbildung der martensitischen Randschicht
mit durch eine festgelegte Starttemperatur exakt definiertem Abkühlbeginn nach der
dynamischen Rekristallisation bei einem durch Vergleichsversuche vorherbestimmbaren
Abkühlverlauf bis zu einer definierten Abkühltemperatur in einer hinter der Walzstraße
angeordneten Wasserkühlstrecke vorgenommen wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß die schockartige Abkühlung mit einer Wärmeübergangszahl von Alpha > 20, vorzugsweise
bis 80 kW/m2/K durchgeführt wird.
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Abkühlungsprozeß eines Stahlprofils nach dem autogenen Anlassen der martensitischen
Randzone zunächst beendet, das Stahlprofil durch die weiteren Bearbeitungseinrichtungen
gefördert, danach abgelagert und erst bei Abruf durch gezielte Wärmebehandlung in
einen kundenseitig vorgegebenen Gefügezustand gebracht wird.
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß von der Walzader auftragsspezifisch vorgegebene Teillängen hergestellt, diese
mit einer Temperatur unterhalb möglicher Karbidausscheidungsphasen zu Bunden gesammelt,
mit einer Abkühlgeschwindigkeit < 1K/min weiter abgekühlt und bei der weiteren Umwandlung
noch vorhandenen Austenits eine spannungsarme Umwandlung in autogen angelassenen Martensit
vorgenommen wird.
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, daß ein Profil anschließend an den Abkühlungsprozeß die für niedrig- und/oder unlegierte
Stähle vorgesehenen Aggregate zur Weiterverarbeitung auf einen definierten Auslieferungszustand
durchläuft.
8. Verfahren nach den vorhergehenden Ansprüchen zur Abkühlung walzwarmer Stahlprofile
einer Stahlsorte mit Legierungselementen aus der Gruppe Cr, Mn, Mo, Ni und anderer
geeigneter Legierungselemente, die als "Lufthärter" bezeichnet werden, gekennzeichnet durch dessen Anwendung bevorzugt auf Rundmaterial mit Durchmessern < 100 mm.