[0001] Verfahren zur Steuerung einer Streckliege mit Rückkopplung der Muskelaktivität.
Stand der Technik
[0002] Der Einsatz von Streckliegen zur lumbaren Extraction ist eine anerkannte Therapieform
in der Behandlung von diversen akuten Rückenleiden. Eine Streckliege besteht im Prinzip
aus zwei Liegeflächen, wo die zweite auf Rollen gelagert und entlang der Längsachse
der Liege verschoben werden kann. Der Patient wird mit einem Gurt um die Brust auf
der feststehenden Liegefläche fixiert. Ein zweites Gurt auf der beweglichen Liegefläche
wird um die Hüfte des Patients befestigt. Dieser Gurt ist mit einem Seil verbunden,
das am anderen Ende an einer Zugvorrichtung (motorbetriebener Seiltrommel) befestigt
ist. Nach dem Einschalten des Motors, wird das Seil langsam aufgewickelt und übt dadurch
eine Zugkraft auf das Gurt und dadurch auf die Wirbelsäule des Patients aus.
[0003] Um die Zugkraft zu steuern, werden elektronische Steuerungen (
DE OS 28 31 405 und
DE PS 31 34 999) eingesetzt, die die Behandlungsmodi "konstanter Zugkraft", "stetig steigender Zugkraft"
und "intermittierender Zugkraft" unterstützt und je nach Modus die Einstellung von
minimaler und maximaler Zugkraft, Intervalzeit und Gesamtzeit ermöglicht. Der Behandler
stellt diese Parameter gemäß seiner Einschätzung über Alter, Gewicht und Schmerzintensität
des Patients ein, bevor er den Motor einschaltet. Durch diese Einstellungen ist die
Soll-Zugkraft für die Behandlungsdauer vorprogrammiert. Während der Behandlung wird
mit Hilfe eines z.B. im Seil angebrachten Druckwandlers die Ist-Kraft gemessen und
der Motor im Soll-Ist-Vergleichsverfahren geregelt.
[0004] Als Sicherheitsvorkehrung kann die Seiltrommel mit einer mechanischen Notkupplung
versehen werden, die vom Patient ausgelöst werden kann. (
DE OS 27 44 275).
Problem und Lösung
[0005] Der im Patentanspruch 1 angegebenen Erfindung liegt das Problem zugrunde, die Kooperation
des Patients mit der Behandlung zu sichern. In viele Fällen kontrahiert der Patient
reflektorisch oder aus Angst vor der Behandlung sein Rückenmuskulatur und "kämpft"
gegen die Zugvorrichtung, was zu einer lumbaren Kontraktion anstatt die angestrebte
Extraktion führt und letztendlich zu verstärkten Schmerzen und zum Scheitern der Behandlung.
[0006] Dieses Problem wird durch die im Anspruch 1 angeführte automatische negative Rückkopplung
der Muskelaktivität und die damit verbundene Senkung der Zugkraft gelöst, indem die
physikalische Entlastung sowie die spürbare Nachgiebigkeit des Motors dem Patient
zur Beruhigung und Entspannung verhilft. Sobald die Muskelaktivität nachläßt wird
die Behandlung gemäß dem gewählten Behandlungsmodus und den eingestellten Parameter
fortgeführt.
[0007] Die mit dieser Erfindung erzielte Vorteile bestehen darin, daß die lumbare Extraktion
in mehr Fällen und unter weniger Schmerzen gelingen wird; daß weniger Behandlungen
unterbrochen werden müssen und daß die Behandlungsakzeptanz und die Kooperation des
Patients im Allgemein gesteigert werden, wodurch diese preisgünstige und risikoarme
Behandlungsmethode vermehrt eingesetzt werden kann.
[0008] Die in Patentanspruch 2 angegebenen Erfindung stellt eine Alternative oder Ergänzung
zu der im Anspruch 1 genannte Erfindung da. Dieser Erfindung liegt das triviale aber
in Praxis oft auftretende Problem zu Grunde, daß die Behandlung wegen erhöhten Schmerzten
des Patients vorzeitig abgebrochen werden muß.
[0009] Dieses Problem wird durch die im Anspruch 2 aufgeführte Anpassung der Zugkraft nach
unten (negative Rückkopplung) und/oder Anpassung des zeitlichen Ablaufs gelöst, wie
z.B. Bremsen oder Hinauszögern eines Kraftanstiegs oder Verkürzung der Haltezeit der
Maximalkraft bei intermittierende Zugkraft, so daß eine Schmerzlindernde Entlastung
bzw. Pause sich ergibt.
[0010] Die mit dieser Erfindung erzielte Vorteile bestehen neben der bereits oben genannten
Vorteile der ersten Erfindung darin, daß der Patient durch seine Eingaben eine gewisse
Kontrolle über dem Behandlungsverlauf erhielt und dadurch eine bessere Sicherheitsgefühl
empfindet, die schließlich die Motivation und die Kooperation des Patients nochmals
erhöht.
[0011] Eine vorteilhafte Ergänzung der Erfindungen ist im Patentanspruch 3 angegeben. Die
Anzeige der Muskelaktivität sichert, daß der Patient auf diese oft unbewußte Aktivität
erst aufmerksam gemacht wird. Außerdem dient die umfassende Patienteninformation nach
Patentanspruch 3 nochmals zur Erhöhung der Motivation und der Akzeptanz des Patients.
[0012] Eine weitere Ergänzung der Erfindung ist im Patentanspruch 4 angegeben. In der rechnerbasierten
Steuerung können die erfaßten Zugkraftwerte zusammen mit den erfaßten Werten der Muskelaktivität
und der Schmerzintensität in äkvidistante Zeitabschnitte während des gesamten Behandlungsverlauf
gespeichert werden. Nach Abschluß der Behandlung können diese Daten in tabellarischer
oder grafischer Form (z.B. als Kurvendiagramme) dargestellt oder ausgedruckt werden.
[0013] Diese Erfindung ermöglicht die Dokumentation der Behandlungsverläufe und schafft
somit eine solide Grundlage für die Planung weitere Behandlungen. Ferner können die
angesammelten Daten die Grundlage für Statistiken bilden, die Tendenz oder Zusammenhänge
zwischen Patientenmerkmale, Schmerzempfinden, Zugkraft und weitere Behandlungsparameter
aufklären sollen.
[0014] Der im Patentanspruch 5 angegebenen Erfindung liegt das Problem der Ermittlung einer
optimale Rückkopplungsstrategie für die Erfindungen gemäß Anspruch 1 und 2 zur Grunde.
Mit der Integration eines neuralen Netzes wie im Patentanspruch 5 angegeben ist eine
selbstoptimierende Steuerung geschaffen und das Problem gelöst.
Technische Ausführung
[0015] Ein Ausführungsbeispiel einer digitalen Implementierung der Erfindung ist in Fig.
2 dargestellt und wird im folgenden näher beschrieben. Die hierin enthaltene Rückkopplungsstrategie
soll nur das Prinzip der Rückkopplung anschaulich machen. Je nach Rechnerkapazität
können beliebig komplizierte Strategien in der Steueralgoritme implementiert werden.
[0016] Die Rückkopplung der Muskelaktivität erfolgt mit Hilfe einer Vierkanal-EMG (ElektroMyoGraphie).
Es werden vier Oberfläche-Elektroden, die Spannungen (ca. 1 mV) von Musculus Glutaeus
Maximus und Musculus Erector Spinae messen, werden links und rechts in der Höhe von
L4 angebracht. Die analoge Signalbehandlung erfolgt in einem EMG-Verstärker wo die
Signale gefiltert und verstärkt werden.
[0017] Die Verstärkte Signale werden über A/D-Wandlern im Steuerrechner eingelesen. Im Steuerrechner
werden die digitalisierte Spannungswerte als Maße für die Muskelaktivität in der vier
Regionen vom Steuerprogramm zyklisch (z.B. in 10 msek. Takt) abgefragt. Es können
dann vom Programm die Muskelaktivitäten überwacht werden. Überschreitet eine individuelle
oder die gesamte Aktivität den vom Arzt vorgegebene Schwellwerten (El
imit), berechnet das Programm einen von der Größe der Überschreitung (z.B. proportional)
abhängigen Abschlag (dF
EMG) auf dem theoretischen Sollwert der Zugkraft.
[0018] Als Eingabemedium für die vom Patient gefühlte Schmerzintensität werden zwei Drucktaster
verwendet, die der Patient im linken und rechten Hand währende der Behandlung hält
und mit den Daumen bedient. Hiermit kann er durch Betätigung der rechten (Inkrement)
bzw. linken (Dekrement) Taster die gefühlte Schmerzintensität vor und während der
Behandlung im Rechner inkremential eingeben.
[0019] Die Schmerzinkremente des Patients werden ebenfalls vom Programm und im gleichen
Zyklischen Verfahren abgefragt und aufsummiert. Überschreitet die Schmerzintensität
eine einstellbare Schwellwert (Slimit), dann berechnet das Programm ein von der Größe
der Überschreitung (z.B. proportional) abhängigen Abschlag (dF
Schmerz) auf dem theoretischen Sollwert der Zugkraft.
[0020] Der theoretische Sollwert der Zugkraft (F
theoretisch) wird in jedem Zyklus in Abhängigkeit der gewählten Behandlungsmodus (konstante,
steigende oder intermittierende Kraft) sowie der eingestellten Parameter (Minimal-
und Maximalkraft, Intervalzeit und Gesamtzeit) berechnet. Danach werden die aktuell
berechnete Abschläge abgezogen und es ergibt sich der aktuelle Sollwert der Zugkraft.
Eine konventionelle Reglerschleife steuert die Motorenergie auf Basis des berechneten
Sollwertes und des mit Hilfe eines Kraftwandlers gemessenen Istwertes der Zugkraft.
[0021] Der Patient bekommt auf einem Bildschirm folgende Informationen angezeigt:
- Graphische Darstellung (Säulendiagramm) der Muskelaktivität für alle vier Kanäle
- Darstellung der Schmerzintensität auf einem VAS (Visual Analog Scale) von 0 bis 10,
wo 0 Schmerzfreiheit und 10 Schmerzmaximum entspricht.
- Darstellung der Behandlungsparameter (Patientendaten, Behandlungsmodus, Maximalkraft,
usw.)
- Darstellung des Behandlungsverlaufs (aktuelle Zugkraft (in Kg), aktuelle Zeit, verbleibende
Zeit, usw.)
[0022] Das Programm speichert z.B. alle 100 Takten alle erfaßten und berechneten Werte in
eine hierfür aufgebaute Datenbank.
[0023] Mit Hinblick auf das Trainieren eines neuralen Netzwerk kann der Steuerrechner in
einer Pilotphase mit einem Modem ausgerüstet werden um die Übertragung der Daten zu
einem Zentralrechner zu ermöglichen. Auf diesem Zentralrechner können die Daten dann
als Trainingssätze für ein neurales Netzwerk dienen.
[0024] Das Steuerprogramm selbst soll so modular aufgebaut werden, daß die Datenverarbeitung
der Rückkopplungssignale in der Kernfunktionalität (siehe Fig. 2) mit einem neuralen
Netzwerk ausgetauscht werden kann, sobald auf dem Zentralrechner ein zufriedenstellendes
neurales Netzwerk auftrainiert werden wird.
1. Verfahren zur Steuerung des Motorantriebs einer Streckliege für die lumbare Extraktion,
womit die Zugkraft und der zeitlichen Ablauf in Übereinstimmung mit dem ausgewählten
Behandlungsmodus und der eingestellten Parametern gesteuert werden und
dadurch gekennzeichnet,
daß die Muskelaktivität im Rücken des Patients laufend erfaßt wird und die Erfassung
dazu genutzt wird, den Zugkraft-Sollwert nach voreinstellbaren Kriterien an der Muskelaktivität
dynamisch und automatisch anzupassen, so daß eine augenblickliche vorübergehende Senkung
der Zugkraft bei starker Muskelaktivität erfolgt. (negative Rückkopplung).
2. Verfahren zur Steuerung des Motorantriebs einer Streckliege für die lumbare Extraktion,
womit die Zugkraft und der zeitlichen Ablauf in Übereinstimmung mit dem ausgewählten
Behandlungsmodus und der eingestellten Parametern gesteuert werden und
dadurch gekennzeichnet,
daß die Steuerung eine Eingabegerät umfaßt, worüber der Patient vor und während der
Behandlung seine subjektiv gefühlte Schmerzintensität eingeben kann. Die Eingabe dient
in der Steuerung dazu, den Zugkraft-Sollwert und/oder die Zugzeit nach voreinstellbaren
Kriterien an der Schmerzintensität dynamisch und automatisch anzupassen. Die Anpassung
besteht je nach Behandlungsmodus in a) der Senkung der Zugkraft, b) das Hinauszögern
und/oder c) Bremsen des weiteren Kraftanstiegs oder in d) die Verkürzung der Haltezeit
der Maximalkraft bei intermittierender Zugkraft.
3. Steuerung nach Patentanspruch 1 und 2
dadurch gekennzeichnet,
daß sie eine Schnittstelle zum Patient umfaßt, womit der Patient über seine Muskelaktivität
und eingegebene Schmerzintensität sowie über dem Verlauf der Behandlung laufend informiert
wird. Hierzu zählt die angezielte sowie die aktuelle Zugkraft, die verlaufene sowie
die verbleibene Behandlungszeit.
4. Steuerung nach Patentanspruch 1 und 2
dadurch gekennzeichnet,
daß sie auf einem Rechner basiert, der die gesamte Daten einer Behandlung (Voreinstellungen
sowie laufende Zugkraft und Rückkopplungsdaten) tabellarisch und grafisch darstellen
kann sowie auf Papier für die Behandlungsdokumentation ausdrucken kann. Weiter erfolgt
die datentechnische Archivierung der Daten, mit Hinblick auf dem Heranziehen zur Unterstützung
bei der Behandlungsplanung bei späteren Behandlungen oder für die statistische Auswertung
von Behandlungsverläufe.
5. Steuerung nach Patentanspruch 1, 2 und 4
dadurch gekennzeichnet,
daß sie ein selbstlernende künstliche neurale Netz umfaßt, das die Zugkraft-Sollwerte
auf Basis voreingestellter Patientendaten, Daten aus eventuellen früheren Behandlungen
des Patient und der laufenden Rückkopplungen ermittelt. Das neurale Netz erkennt verschiedene
Muster in den Rückkopplungen und ist in der Lage die Zugkraft frühzeitig und immer
besser anzupassen.