(19)
(11) EP 0 844 395 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
27.05.1998  Patentblatt  1998/22

(21) Anmeldenummer: 97119955.9

(22) Anmeldetag:  14.11.1997
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6F04B 43/04, F04B 53/10
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 25.11.1996 DE 19648694

(71) Anmelder: Vermes Mikrotechnik GmbH
99097 Erfurt (DE)

(72) Erfinder:
  • Heun, Peter
    99099 Erfurt (DE)
  • Klingner, Holger
    99096 Erfurt (DE)

(74) Vertreter: Enders, Hans 
Nordstrasse 10
99195 Grossrudestedt
99195 Grossrudestedt (DE)

   


(54) Bidirektionale dynamische Mikropumpe


(57) Bidirektionale dynamische Mikropumpe für kleine Flüssigkeitsmengen, die mit einfachen Mitteln den Fluidstrom in Menge und Richtung variiert.
Die auf einem gemeinsamen (100) orientierten Si-Wafer durch anisotropes Ätzen eingebrachten Strukturen von Pumpkammer und zweier unterschiedlicher Kanäle ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Geometrie dieser Kanäle, die nichtlineare Strömungswiderstände darstellen und zwischen einer laminaren und einer turbulenten Strömung gesteuert werden. Durch Umkehr des Impulses, der vorzugsweise die Form eines Sägezahnes besitzt, wird ein Richtungswechsel der Fluidströmung erreicht.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine bidirektionale dynamische Mikropumpe für kleine Flüssigkeitsmengen, bei der mit einfachen Mitteln der Fluidstrom in Menge und Richtung variierbar ist, die in einen Silizium-Wafer geätzt ist.

[0002] Allgemein bekannt sind bidirektionale Pumpen mit rotatorischen Antrieben, die mit Hilfe von Zahnrad- oder Propelleranordnungen eine gerichtete Beschleunigung des Fluides bewirken. Hierbei erfolgt die Richtungsumkehr durch Umkehrung der Rotationsrichtung. Diese Anordnungen bestehen aus einer Anzahl mechanisch bewegter Elemente, die dem Verschleiß unterliegen und deren Miniaturisierung große Probleme bereitet bzw. begrenzt ist. Außerdem ergeben sich an den Lagerstellen Dichtungsprobleme.

[0003] Weiterhin bekannt sind bidirektionale Pumpen, bei denen ein ungerichteter Volumenstrom erzeugt wird, dem durch geeignete Maßnahmen eine variable Richtung gegeben werden kann. Bei diesen Anordnungen wird der Volumenstrom durch Volumenänderung einer Kammer, in der Regel durch Verwendung von Pumpmembranen; erreicht und die Richtungsbestimmung erfolgt durch aktiv gesteuerte mechanische Ein- und Auslaßventile. Nachteilig ist hierbei, daß außer des Pumpantriebes weitere Antriebe für die Ventile erforderlich sind und sich ein hoher Steuerungsaufwand ergibt.

[0004] Bekannt sind auch Mikropumpen mit gerichteten passiven Ventilen, die eine Vorzugspumprichtung besitzen und bei denen eine Richtungsumkehr durch Ausnutzung von Resonanzerscheinungen möglich ist. Diese bestehen aus einer Anzahl sehr exakt zueinander ausgerichteter Elemente /1/. Die Mengensteuerung in der Umkehrrichtung ist sehr stark eingegrenzt und die mögliche Fördermenge unterscheidet sich von der Vorzugsrichtung. In den Patentschriften DE 42 23 019 und DE 44 22 743 sind dynamische Mikropumpen ohne mechanische Ventile enthalten, die auf Basis gerichteter Strömungswiderstände arbeiten und eine festgelegte Strömungsrichtung aufweisen.
/1/ Prof. Dr. I Ruge, Dr. P. Woias, S. Kluge: Mikro-Membranpumpe (Informations-u. Datenblatt); Fraunhofer Institut Festkörpertechnologie

[0005] Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, mit einer geringen Anzahl von Funktionselementen eine leicht reproduzierbare miniaturisierte Pumpeinrichtung zu schaffen, die mit einfachem Steueraufwand einen in beide Richtungen in weiten Grenzen variablen Fluidstrom erzeugt und sich durch sehr geringe Abmessungen auszeichnet.

[0006] Die Lösung dieser Aufgabe besteht in einer miniaturisierten Anordnung von einer Membranpumpe und zwei angeschlossenen Strömungskanälen derart, daß sich infolge der Anregung mit speziellen Impulsen in den Strömungskanälen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Widerstandsverhältnisse ausbilden.

[0007] Die Erfindung wird nachstehend an einem konkreten Ausführungsbeispiel näher erläutert.

[0008] Es zeigen:
Figur 1 -
Schnittdarstellung der Pumpanordnung
Figur 2 -
Darstellung der Kanalgeometrie
Figur 3 -
Widerstandsverlauf eines Strömungswiderstandes in Abhängigkeit von der Flußgeschwindigkeit
Figur 4 -
Volumenströme und Kammervolumen beim Pumpvorgang
Figur 5 -
Volumenströme und Kammervolumen beim Pumpvorgang in Gegenrichtung


[0009] Im beschriebenen Ausführungsbeispiel wird in einen (100) orientierten Si-Wafer 1 durch anisotropes Ätzen eine Struktur eingebracht, die zusammen mit einer durch anodisches Bonden aufgebrachten Glasdeckschicht 2 eine Anordnung von Pumpkammer 4 und Kanälen 7,8 ergibt (Fig. 1).
Die Pumpkammer verwendet als Antriebsmembran ein Piezo-Bimorph-System, das durch Aufbringen einer Piezoplatte oder Piezoschicht 3 auf Glasdeckschicht oder Kammerboden gebildet wird. Zwischen Piezoaktor 3 und Glasdeckschicht 2 befindet sich eine Metallisierung 6 und auf dem Piezoaktor 3 eine weitere Metallisierung 5 zur elektrischen Kontaktierung des Aktors 3 (Fig. 2).
Die Pumpkammer 4 ist rechteckig mit trapezförmigem Querschnitt. Unmittelbar vor und hinter der Pumpkammer befinden sich Kanäle 7,8 mit dreieckigem oder oder trapezförmigem Querschnitt unterschiedlicher Querschnittsfläche, die bezüglich der Strömungsgeschwindigkeit einen nichtlinearen Strömungswiderstand darstellen.

[0010] Die Funktionsweise der bidirektionalen dynamischen Mikropumpe beruht darauf, daß in den Kanälen der Pumpstruktur bis zu einer bestimmten Strömungsgeschwindigkeit laminare Strömungen mit definierten Strömungswiderständen vorherrschen und daß beim Überschreiten dieser Strömungsgeschwindigkeit der Umschlag von laminarer zu turbulenter Strömung erfolgt (Fig. 3). Daraus resultiert eine Erhöhung des Strömungswiderstandes von Rl auf Rt im betroffenen Kanal.

[0011] Erfindungsgemäß wird dieser Effekt genutzt, indem für die Kanäle 7 und 8 unterschiedliche Geometrien gewählt werden (d.h. Kanal 7 besitzt im Verhältnis zum Kanal 8 einen deutlich geringeren Querschnitt und damit eine höhere Strömungsgeschwindigkeit, jedoch einen vergleichbaren laminaren Strömungswiderstand Rl) und der Piezoaktor 3 der Pumpkammer 4 mit einer für die Pumprichtung charakteristischen Im-pulsform beaufschlagt wird. Vereinfacht wird davon ausgegangen, daß die Volumenänderung der Pumpkammer 4 linear zur am Piezoaktor 3 angelegten Spannung ist.

Pumpvorgang in Richtung Kanal 8 (Fig. 4):



[0012] Der Piezoaktor 3 wird mit einer Impulsflanke angeregt, die für das Zeitintervall Tsenk einen steilen negativen Anstieg besitzt (Fig. 4). Dadurch wird eine schnelle Volumenverringerung

in der Pumpkammer 3 verursacht, aus der eine hohe Fluidströmungsgeschwindigkeit

resultiert. Im Kanal 7 mit dem geringeren Querschnitt führt dieser Fluidstrom hoher Geschwindigkeit zum Übergang zu turbulenter Strömung und demzufolge zu einem erhöhten Strömungswiderstand Rt (Fig. 3). Die Erhöhung dieses Widerstandes betrage x mit x>1, dh.

.
Im Kanal 8 tritt wegen des größeren Querschnittes eine geringere Strömungsgeschwindigkeit auf und der Übergang zu turbulenter Strömung und damit zu einem erhöhten Strömungswiderstand wird nicht erreicht. Das aus der Pumpkammer verdrängte Volumen teilt sich im umgekehrten Verhältnis der Strömungswiderstände auf die Kanäle 7 und 8 auf, d.h. der Anteil im Kanal 7 beträgt

und der Anteil im Kanal b beträgt

.

[0013] Die Rückstellung des Piezoaktors 3 von Vmin auf V0 erfolgt mit einer Impulsflanke, die für das Zeitintervall Thub einen flachen positiven Anstieg besitzt. Dadurch wird eine langsame Volumenerhöhung

in der Pumpkammer 3 verursacht, aus der eine niedrige Fluidströmungsgeschwindigkeit

resultiert. Sowohl in Kanal 7 als auch in Kanal 8 tritt demzufolge eine geringere Strömungsgeschwindigkeit auf und der Übergang zu turbulenter Strömung und damit zu einem erhöhten Strömungswiderstand wird in beiden Kanälen nicht erreicht. Das in die Pumpkammer 3 einströmende Volumen teilt sich gleichmäßig auf die Kanäle 7 und 8 auf, d.h. der Anteil im Kanal 7 beträgt

und der Anteil im Kanal 8 beträgt dementsprechend

.

[0014] Somit ist der Betrag der Fluidströme während der Senk- und Hubbewegung unterschiedlich, d.h. über den gesamten Betrachtungszeitrum hinweg resultiert ein Fluidstrom in Richtung Kanal 8.

Pumpvorgang in Richtung Kanal 7 (Fig. 5):



[0015] Der Pumpvorgang in Richtung Kanal 7 stellt sich dar als Umkehrung des Pumpvorgangs in Richtung Kanal 8.

[0016] Der Piezoaktor 3 wird mit einer Impulsflanke angeregt, die für das Zeitintervall Tsenk einen flachen negativen Anstieg besitzt (Fig. 5). Dadurch wird eine langsame Volumenverringerung

in der Pumpkammer 3 verursacht, aus der eine niedrige Fluidströmungsgeschwindigkeit

resultiert. Sowohl in Kanal 7 als auch in Kanal 8 tritt demzufolge eine geringe Strömungsgeschwindigkeit auf und der Übergang zu turbulenter Strömung und damit zu einem erhöhten Strömungswiderstand wird in beiden Kanälen nicht erreicht. Das aus der Pumpkammer verdrängte Volumen teilt sich gleichmäßig auf die Kanäle 7 und 8 auf, d.h. der Anteil im Kanal 7 beträgt

und der Anteil im Kanal 8 beträgt dementsprechend

.

[0017] Die Rückstellung des Piezoaktors 3 von Vmin auf V0 erfolgt mit einer Impulsflanke, die für das Zeitintervall Thub einen steilen positiven Anstieg besitzt (Fig. 5). Dadurch wird eine schnelle Volumenerhöhung

in der Pumpkammer 3 verursacht, aus der eine hohe Fluidströmungsgeschwindigkeit

resultiert. Im Kanal 7 mit dem geringeren Querschnitt führt dieser Fluidstrom hoher Geschwindigkeit zum Übergang zu turbulenter Strömung und demzufolge zu einem erhöhten Strömungswiderstand Rt (Fig. 3). Die Erhöhung dieses Widerstandes beträgt x mit x>1, dh.

(s.o.). Im Kanal 8 tritt wegen des größeren Querschnittes eine geringere Strömungsgeschwindigkeit auf und der Übergang zu turbulenter Strömung und damit zu einem erhöhten Strömungswiderstand wird nicht erreicht Das in die Pumpkammer einströmende Volumen teilt sich im umgekehrten Verhältnis der Strömungswiderstände auf die Kanäle 7 und 8 auf, d.h. der Anteil im Kanal 7 beträgt

und der Anteil im Kanal 8 beträgt

.

[0018] Somit ist der Betrag der Fluidströme wärend der Senk- und Hubbewegung unterschiedlich, d.h. über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg resultiert ein Fluidstrom in Richtung Kanal 7.

[0019] Die Fördermenge ergibt sich aus der Differenz von Hub- und Senkstrom und kann durch Variation der Ansteueramplitude und der Impulsfolgefrequenz sehr flexibel in beide Pumprichtungen gesteuert werden.
Der Wirkungsgrad der beschriebenen Anordnung (d.b. das Verhältnis von Fördermenge zu Volumenverdrängung) steigt mit dem erreichten Verhältnis von Rt zu Rl, also mit dem Betrag des Wertes x.

[0020] Ein Optimum der Fördermenge bei bekanntem Widerstandsverhältnis x (turbulent/laminar) kann erreicht werden, wenn der laminare Strömungswiderstand der Kanäle 7 und 8 nicht wie oben beschrieben gleich ist, sondern wenn das laminare Widerstandsverhältnis des Kanals 8 (bei dem kein Strömungsumschlag und somit keineWiderstandserhöhung verursacht wird) zum Kanal 7 den Betrag der Wurzel aus der Widerstandsänderung im Kanal 7 annimmt, d.h.

mit

und

.
(Hierbei sind:
* R8l - der laminare Widerstand des Kanals 8,
* R7l - der laminare Widerstand des Kanals 7,
* R7t - der turbulente Widerstand des Kanals 7.)



Ansprüche

1. Bidirektionale dynamische Mikropumpe für kleine und kleinste Flüssigkeitsmengen mit Pumpkammer und zwei unterschiedlichen Kanälen dadurch gekennzeichnet, daß die Kanäle (7 und 8) unterschiedliche Querschnittsform oder -fläche oder unterschiedliche Länge oder eine Kombination daraus aufweisen, nichtlineare ungerichtete Stömungswiderstände unterschiedlicher Charakteristik darstellen und deren variable Fluidströme zwischen laminarer und turbulenter Strömung mit geeigneten an den Aktor (3) angelegten Impulsen mit unsymmetrischer Flankensteilheit richtungsabhängig gesteuert werden.
 
2. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß die Struktur durch anisotropes Ätzen in einen Si-Wafer (1) eingebracht, mit einer Abdeckung verschlossen und mit einem Piezoaktor (3) versehen ist.
 
3. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 dadurch gekennzeichnet, daß dieser Impuls während mindestens eines Zeitraumes einer Periode eine Flankensteilheit aufweist, die in diesem Zeitraum in einem der Kanäle eine turbulente Strömung hervorruft.
 
4. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 bis 3 dadurch gekennzeichnet, daß als einfachste Form des Impulses ein Sägezahn mit einer steilen und einer flachen Flanke geeignet ist.
 
5. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 bis 4 dadurch gekennzeichnet, daß durch Vertauschen der Steilheit der Anstiegs- und Abfallflanke des Impulses eine Richtungsumkehr hervorgerufen wird.
 
6. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 bis 5 dadurch gekennzeichnet, daß der Arbeitsbereich bezüglich Frequenz und Amplitude des Ansteuersignals für beide Pumprichtungen gleich ist.
 
7. Bidirektionale dynamische Mikropumpe nach Anspruch 1 bis 7 dadurch gekennzeichnet, daß die Steilheit der Anstiegsflanke des Ansteuersignals das den Wirkungsgrad festlegende Verhältnis zwischen turbulentem und laminarem Strömungswiderstand bestimmt.
 




Zeichnung