(19)
(11) EP 0 866 145 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
23.09.1998  Patentblatt  1998/39

(21) Anmeldenummer: 98810193.7

(22) Anmeldetag:  09.03.1998
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C22C 38/24, C22C 38/00, C21D 1/00, C21D 1/26
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 21.03.1997 DE 19712020

(71) Anmelder: ABB RESEARCH LTD.
8050 Zürich (CH)

(72) Erfinder:
  • Ernst, Peter, Dr.
    8174 Stadel (CH)
  • Uggowitzer, Peter, Prof. Dr.
    8913 Ottenbach (CH)
  • Speidel, Markus, Prof. Dr., Dr.h.c.
    5413 Birmenstorf (CH)
  • Göcmen, Alkan
    4614 Hägendorf (CH)

(74) Vertreter: Kaiser, Helmut, Dr. et al
Asea Brown Boveri AG Immaterialgüterrecht (TEI) Haselstrasse 16/699
5401 Baden
5401 Baden (CH)

   


(54) Vollmartensitsche Stahllegierung


(57) Ein vollmartensitischer Vergütungsstahl (AP) besteht im wesentlichen aus: (gemessen in Gew.-%) 8 bis 15% Cr, bis 15% Co, bis 4% Mn, bis 4%Ni, bis 8% Mo, bis 6%W, 0.5 bis 1.5%V, bis 0.15%Nb, bis 0.04%Ti, bis 0.4%Ta, bis 0.02% Zr, bis 0.02% Hf, maximal 50 ppm B, bis 0.1%C und 0.12-0.25%N, wobei der Gehalt an Mn+Ni kleiner als 4% und der Gehalt an Mo+W kleiner als 8% ist, Rest Eisen und übliche erschmelzungsbedingte Verunreinigungen.




Beschreibung

Technisches Gebiet



[0001] Die Erfindung betrifft neue Legierungsspezifikationen aus der Klasse der vollmartensitischen 9-15% Chromstähle. Mittels einer kontrollierten Ausscheidungsführung in der Abschreckphase können ausgezeichnete Eigenschaften und Eigenschaftskombinationen für breite Anwendungen im Kraftwerksbereich eingestellt werden.

Stand der Technik



[0002] Vollmartensitische Vergütungsstähle mit 9-12% Chrom sind weitverbreitete Werkstoffe der Kraftwerkstechnik. Für Hochtemperaturanwendungen interessante Eigenschaften sind ihre geringen Herstellungskosten, ihre geringe thermische Ausdehnung und ihre hohe Wärmeleitfähigkeit.

[0003] Die für die Verwendung wichtigen mechanischen Eigenschaften werden durch einen sogenannten Vergütungsprozess hergestellt. Er erfolgt durch eine Lösungsglühbehandlung, eine Abschreckbehandlung und eine darauf anschliessende Anlassbehandlung in einem mittleren Temperaturbereich. Die resultierende Mikrostruktur zeichnet sich aus durch eine dichte Anordnung von Latten, welche mit Ausscheidungsphasen verwachsen. Diese Mikrostrukturen sind bei erhöhten Temperaturen instabil. Sie erweichen in Abhängigkeit der Zeit, der Beanspruchung und der ihnen aufgezwungen Verformungen. Die bei der Wärmebehandlung ablaufenden Phasenreaktionen begrenzen die erzielbaren Zähigkeiten im Rahmen der geforderten Festigkeiten. Die im Betrieb ablaufenden Phasenreaktionen zusammen mit der Vergröberung der Ausscheidungen rufen eine erhöhte Versprödungsanfälligkeit hervor und senken die von den Bauteilen zu ertragenden Dehnungen.

[0004] Als Folge dieser strukturellen Instabilitäten während der Wärmebehandlung und im Betrieb, werden die gegenwärtigen Legierungen der Klasse vollmartensitischer 9-15% Chromstahl den Anforderungen der modernen Kraftwerkstechnik nicht mehr gerecht. Dies betrifft primär die Kombination aus Festigkeit und Zähigkeit, ferner auch Kombinationen aus Hochtemperaturfestigkeit, Kriechwiderstand, Kriechbruchfestigkeit, Relaxationsfestigkeit, Widerstand gegen Kriechversprödung sowie thermischer Ermüdung. Einer stetigen Eigenschaftsverbesserung dieser Legierungsklasse sind durch die Forderung einer vollständigen Durchvergütbarkeit, insbesondere in dickwandigen Bauteilen, enge metallurgische Grenzen gesetzt.

[0005] Im Rahmen der begrenzten metallurgischen Möglichkeiten, werden weitere Verbesserungen in den Eigenschaften und Eigenschaftskombinationen vordergründig nur dann erreicht, wenn durch die getroffenen Legierungsmassnahmen eine erhöhte Stabilität der in den einzelnen Wärmebehandlungsphasen entstehenden Gefügezustände erreicht wird. Dazu gehört insbesondere ein erhöhter Widerstand gegen Körnvergröberung bei erhöhten Lösunsglühtemperaturen, eine verbesserte Härtbarkeit beim Abschrecken und ein erhöhter Widerstand gegen Erweichung bei der abschliessenden Anlassbehandlung (Anlassbeständigkeit).

[0006] In den in der Technik bekannten und neu - eingeführten Legierungen wird eine optimale Kombination aus Kornvergröberungswiderstand, Härtbarkeit und Anlassbeständigkeit durch eine geeignete (empirische) Abstimmung an Vanadium, Niob, Kohlenstoff und Stickstoff erreicht. Optimale Kombinationen werden erreicht, wenn der Anteil von Kohlenstoff in Atomprozenten höher ist als der von Stickstoff. Der optimale Kohlenstoffgehalt liegt im Bereich 0.1 - 0.2 Gew.-% und der optimale Stickstoffgehalt liegt dabei im Bereich 0.05 - 0.1 Gew.-%. Um eine maximale Anlassbeständigkeit bei hohem Kornvergröberungswiderstand zu erzielen wird Stickstoff in nahezu stöchiometrischen Anteilen zu den Sondernitridbildnern Vanadium oder Niob zulegiert. Der optimale Gehalt an Vanadium liegt folgedessen im Bereich 0.2 - 0.35 Gew.-% und derjenige von Niob im Bereich 0.05 - 0.4 Gew.-%. Der Stand der Technik wird gut repräsentiert durch die älteren Legierungen X22CrMoV121 (X22), X20CrMoV121, X12 CrNiMo2, X19CrMoVNbN111 (X19), und durch die neueren Legierungen X10CrMoVNbN91 (P/T91), X12CrMoWVNbN1011 (Rotorstahl E2), X18CrMoVNbNB91 (Rotorstahl B2) und durch die Legierung X20CrMoVNbNB10 1 (TAF).

Darstellung der Erfindung



[0007] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, Legierungsspezifikationen zur Ausbildung vollmartensitischer Strukturen zu identifizieren, in denen eine kontrollierte Auflösung und Neuausscheidung von Sondernitriden oder Sonderkarbonitriden zusammen mit der martensitischen Phasenumwandlung zu den höchsten Eigenschaften und Eigenschaftskombinationen führt, ohne dass die zu erzielenden Eigenschaften und Eigenschaftskombinationen, durch die Grösse der zu vergütenden Bauteile begrenzt sind. Diese sich in der Zusammensetzung und Wärmebehandlung auszeichnenden Spezifikationen finden ihre Anwendung sodann nicht nur im Bereich dünnwandiger Bauteile wie etwa Röhren, Bolzen und Schaufeln, sondern auch für Rotoren, Rotorscheiben, verschiedenste Gehäusekomponenten, Kesselanlagen und vieles mehr.

[0008] Kern der Erfindung sind Spezifikationen von Legierungszusammensetzungen und Wärmebehandlungsparameter, welche es ermöglichen, dass Sondernitride oder Sonderkarbonitride durch eine partielle Auflösung bei sehr hohen Lösungsglühtemperaturen in einem sehr wirksamen Volumen wieder neu ausgeschieden werden können, und dies noch bevor die martensitische Phasenumwandlung erfolgt ist. Da es sich um thermisch sehr stabile Sondernitride oder Sonderkarbonitride handelt, welche einen generell hohen Widerstand gegen Vergröberung aufweisen, ist ein hoher Widerstand gegen Kornvergröberung bei hohen Lösungsglühtemperaturen gewährleistet, und die Neuausscheidung dieser Teilchen kann selbst bei der in der Technik bei dickwandigen Bauteilen vorherrschenden langsamen Abkühlgeschwindigkeiten für eine maximale Verfestigung während der martensitischen Phasenumwandlung genutzt werden. Durch einen solchen Abkühlprozess wird die Erweichungs- und Versprödungsanfälligkeit bei erhöhten Anlasstemperaturen und/oder Anlasszeiten deutlich verringert. Die nach der Anlassbehandlung resultierende Mikrostruktur zeichnet sich aus durch eine sehr gleichmässige und dichte Dispersion von Sondernitriden und oder Sonderkarbonitriden in einem Lattengefüge, welche bereits vor der martensitischen Phasenumwandlung ausgeschieden wurden. Die identifizierten Legierungszusammensetzungen bieten also nicht nur eine optimale Kombination von Kornvergröberungswiderstand, Härtbarkeit und Anlassbeständigkeit, sondern ermöglichen auch eine zielgerechte Beeinflussung der martensitischen Phasenumwandlung durch Ausscheidungsphasen zum Zwecke verbesserter mechanischer Eigenschaften und erhöhter Gefügestabilität im Betrieb.

[0009] Spezifikationen der Zusammensetzung, in denen diese Phasenreaktionen zur Einstellung erhöhter Eigenschaften und Eigenschaftskombinationen genutzt werden können enthalten im wesentlichen 8 bis 15% Cr, bis 15% Co, bis 4% Mn, bis 4%Ni, bis 8% Mo, bis 6%W, 0.5 bis 1.5%V, bis 0.15%Nb, bis 0.04%Ti, bis 0.4%Ta, bis 0.02% Zr, bis 0.02% Hf, bis 0.1%C und 0.12-0.25%N, Rest Eisen und übliche erschmelzungsbedingte Verunreinigungen. Die ihr zugehörigen Wärmebehandlungen, welche eine kontrollierte Einstellung verbesserter Eigenschaftskombinationen ermöglichen zeichnen sich wie folgt aus. Die Lösungsglühbehandlung erfolgt vorzugsweise zwischen 1150 und 1250°C mit Haltezeiten zwischen 0.5 und 15h. Die Abkühlung erfolgt kontrolliert schnell oder langsam und wird nach Bedarf und Anwendung durch eine isotherme Glühung im Temperaturbereich zwischen 900 und 500°C unterbrochen. Abkühlung und isotherme Glühung kann nach Bedarf und Anwendung von einer thermomechanischen Behandlung begleitet sein. Die Anlassbehandlung nach dem Abschrecken erfolgt im Temperaturbereich zwischen 600 und 820°C und kann zwischen 0.5 bis 30h betragen.

[0010] Die Erfindung führt zu einer Reihe von Vorteilen. Die oben formulierten Spezifikationen der Legierungszusammensetzung und der Wärmebehandlung ermöglichen die Einstellbarkeit höchstmöglicher Eigenschaftskombinationen von Festigkeit, Zähigkeit, Hochtemperaturfestigkeit, Relaxationsfestigkeit, Kriechwiderstand, Kriechbruchfestigkeit, Kriechduktilität, Widerstand gegen thermische Ermüdung und so weiter. Die einfache Steuerbarkeit der sich einstellenden Ausscheidungszustände ermöglicht eine ökonomisch effiziente Entwicklung und Verbesserung von Produkten für Hochtemperaturanwendungen. Die im Betrieb erfolgende Gefügealterung erfolgt durch die Gleichmässigkeit und Stabilität der Ausscheidungszustände verzögert und kontrolliert und ermöglicht somit nicht nur verlängerte Standzeiten, sondern erhöht auch die Zuverlässigkeit von Lebensdauerprognosen der Bauteile im Betrieb. Die Gefügeausbildung in dickwandigen Bauteilen, wie zum Beispiel in Rotoren, kann durch die Beeinflussung und Kontrolle der örtlichen Abkühlgeschwindigkeiten den Beanspruchungen gerecht, flexibel und optimal gestaltet werden. Dies erlaubt eine deutlich verbesserte Gesamtlebensdaueroptimierung derartiger Bauteile unter Berücksichtigung der in ihnen auftretenden Wärmespannungen be ungleichförmigen Betriebsbedingungen.

Kurze Beschreibung der Zeichnung



[0011] Es zeigen:
Fig. 1
eine schematische Darstellung einer Wärmebehandlung, charakterisiert durch eine Austenitalterungsbehandlung (engl. ausageing);
Fig. 2
Einfluss der Lösungsglühtemperatur auf die Korngrösse von erfindungsgemässen Legierungen im Vergleich mit einer bekannten und neu - eingeführten Legierung P/T91;
Fig. 3
Einfluss einer isothermen Austenitalterung auf die Härte des anschliessend abgeschreckten Martensits; Die Temperaturangabe bezieht sich auf diejenige Temperatur bei der die Austenitalterung durchgeführt wurde; Die Zeitachse gibt die Dauer einer jeden durchgeführten Austenitalterung wieder.
Fig. 4
Anlasskurven erfindungsgemässer Legierungen im Vergleich mit der bekannten Legierung X20 CrMoV 12 1;
Fig. 5
Einfluss einer Austenitüberalterung auf die Anlasskurve der erfindungsgemässen Legierung AP1;
Fig. 6
Einfluss einer Austenitalterung auf die Kerbschlagsarbeit und Uebergangstemperatur der Kerbschlagsarbeit der erfindungsgemässen Legierung AP1;
Fig. 7
Einfluss einer Austenitalterung auf die Streckgrenze bei Prüftemperaturen zwischen 23 und 600°C der erfindungsgemässen Legierung AP1;
Fig. 8
Vergleich der Warmstreckgrenzen zwischen der erfindungsgemässen Legierung AP1 und bekannten Legierungen;
Fig. 9
Vergleich von Kerbschlagarbeit und Streckgrenze bei Raumtemperatur zwischen der erfindungsgemässen Legierung AP1 und bekannter Legierungen;
Fig. 10
Einfluss einer Austenitalterung auf die Kerbschlagsarbeit und Uebergangstemperatur der Kerbschlagsarbeit der erfindungsgemässen Legierung AP8;
Fig. 11
Einfluss der chemischen Zusammensetzung (AP1, AP8) und der Temperatur der Austenitüberalterung (700°C, 600°C) auf den Verlauf der Warmstreckgrenze zwischen 23°C und 650°C.

Weg zur Ausführung der Erfindung



[0012] Die zur erfindungsgemässen Verwendung entwickelten Spezifikationen enthalten im wesentlichen 8 bis 15% Cr, bis 15% Co, bis 4% Mn, bis 4%Ni, bis 8% Mo, bis 6%W, 0.5 bis 1.5%V, bis 0.15%Nb, bis 0.04%Ti, bis 0.4%Ta, bis 0.04% Zr, bis 0.04% Hf, bis 0.1 %C und 0.12-0.25%N und können durch Giessen oder auf pulvermetallurgischem Weg hergestellt werden. Spezifikationen dieser Art machen sich in Abhängigkeit der vorgesehen Verwendung gezielte Auflösungs- und Neausscheidungsreaktionen thermodynamisch stabiler Sondernitride und Sonderkarbonitride bei hohen Temperaturen und vor der martensitischen Phasenumwandlung zu Nutze. Hieraus wird die Gesamtstabilität des in der Anlassbehandlung und im Betrieb reifenden Gefüges erhöht und die mechanischen Eigenschaften insgesamt verbessert.

[0013] Bekannte und in der Technik eingeführte vollmartensitische 9-12% Chromstähle sind zumeist kohlenstoffreich und erzielen ihre Wirkung durch ein Anlassgefüge in denen Chromkarbide vom Typ M23(C,N) und M2(C,N) den höchsten Beitrag am gesamten Ausscheidungsvolumen liefern. Diese Ausscheidungsphasen neigen zu rascher Vergröberung und Agglomeration innerhalb des heterogenen martensitischen Grundgefüges, und sind daher nicht nur in ihrer Wirkung auf die Festigkeit sehr begrenzt, sondern wirken gleichzeitig auch zähigkeitsvermindernd. Ihre Volumenbeiträge lassen sich zu Gunsten eines erhöhten Ausscheidungsvolumens an sogenannten Sonderkarbonitiriden verringern, sofern die Spezifikationen an entsprechenden Sonderkarbonitridbildnern, wie zum Beispiel Nb, Ti, Ta, Zr und Hf angereichert werden. Solche Spezifikationen wiederum erbringen bei den hieraus anzuwendenden erhöhten Lösungsglühtemperaturen einen unzureichenden Widerstand gegen Kornvergröberung, welcher sich ebenfalls sehr zähigkeitsvermindernd auswirkt. Darüberhinaus gelingt es mit diesen Massnahmen nicht die Durchhärtung in verbessernder Weise deutlich zu beeinflussen. Sehr langsame Abkühlgeschwindigkeiten haben dabei die Ausscheidung von rasch vergröbernden Chromkarbiden auf den Austenitkorngrenzen und eine teilweise erfolgende Umwandlung in ein ferritisches, perlitisches oder bainitisches Gefüge zur Folge.

[0014] Die obengenannten Schwächen der bekannten und in der Technik eingeführten Spezifikationen werden durch eine kontrollierte Abstimmung hoher Gehalte an Stickstoff und Vanadium, und untergeordenten Beimengungen an weiteren Sonderkarbonitridbildnern wie Nb, Ta, Ti, Zr und Hf wie folgt behoben. Die Löslichkeit von Stickstoff und Vanadium, sofern sie in hohen Gehalten zulegiert werden, ist in einem Temperaturbereich zwischen 1300 und 600°C, in dem Austenit als stabile oder metastabile Matrix vorliegt, stark temperaturabhängig. Dieses Löslichkeitsgefälle ermöglicht die partielle Auflösung und Neuausscheidung eines sehr festigkeitswirksamen hohen Ausscheidungsvolumens von kubischen VN-Sondernitriden. Dieser Ausscheidungstyp entsteht im entsprechenden Temperaturbereich sehr gleichmässig und weist einen hohen Widerstand gegen Vergröberung auf. Durch ein gezieltes Mikrolegieren mit Nb, Ta, Ti, Zr, und Hf lässt sich die Ausscheidungsmenge beeinflussen und die Stabilität der Teilchen gegen Vergröberung verbessern. Als eine Konsequenz davon lassen sich während der Schmiedebehandlung durch Auflösungs- und Neuausscheidungsreaktionen äusserst feinkörnige Strukturen einstellen. Die aus der Schmiedebehandlung resultierenden Strukturen sind durch die stabilisierende Wirkung von Primärnitriden sehr widerstandsfähig gegen Kornvergröberung und erlauben daher eine kontrollierte partielle Neuauflösung von Primärnitriden während der Lösungsglühbehandlung. Im Rahmen einer kontrollierten Abkühlung mit oder ohne einer isothermen Glühung in einem mittleren Temperaturbereich oder einer thermomechanischer Behandlung können sodann gezielt Nitriddispersionen mit einer Teilchgrösse von 3-50nm und Teilchenabständen zwischen 5 und 100nm erzeugt werden. Diese beeinflussen die Morphologie und die Versetzungsdichte des entstehenden Martensits. Die unkontrollierte Ausbildung grober Korngrenzenausscheidungen oder die Bildung von Korngrenzenfilmen werden durch Art und die Entstehungskinetik dieser Sondernitride unterdrückt. Bainitumwandlung wird in derartigen stickstoff-und vandiumreichen Systemen nicht beobachtet. Wird die Ausscheidungsreaktion nach rascher Abkühlung im Martensit während der Anlassbehandlung durchgeführt, so nimmt die Ungleichmässigkeit in der räumlichen Verteilung der Nitride stark zu und die Filmbildungs- und/oder Agglomerationsanfälligkeit auf den inneren Grenzflächen des angelassenen Martensits wird augenfällig. Diese senken die erzielbaren Kombinationen von Festigkeit und Zähigkeit, so auch die erzielbare Kombination aus Kriechbruchfestigkeit und Kriechzähigkeit. Hieraus findet sich in solchen Spezifikationen immer eine bestimmte, verzögerte Abkühlgeschichte und Ausscheidungsführung vor der martensitischen Phasenumwandlung, die letztlich zu besseren Eigenschaftskombinationen führt.

[0015] Einzelne hochstickstoffhaltige Legierungszusammensetzungen vom Typ vollmartensitscher 9-12% Chromstahl, welche das inherente Vermögen aufweisen, Vanadiumnitride in der oben geschilderten Weise auszuscheiden, existieren schon zum Teil. Unbekannt sind indessen Spezifikationen, die in den hier als Erfindung aufgeführten Spezifikationen gleich die optimale Kombination der entscheidenden Beeinflussungsmethoden der Gefügeentwicklung aufzeigen. Hierzu gehören insbesondere die Kontrolle über den Widerstand gegen Kornvergröberung bei sehr hohen Lösungsglühtemperaturen, die Möglichkeit zur Festigkeitsteigerung durch die Erzeugung eines erhöhten Ausscheidungsvolumen während sehr langsamen Abkühlgeschichten und die sehr wirksame Steigerung der Anlassbeständigkeit als Folge diese Abkühlprozesse.

[0016] Nachfolgend werden die besonders bevorzugten Mengen für jedes Element und die Gründe für die gewählten Legierungsbereiche in ihrem Zusammenhang mit dem aussergewöhnlichen Wärmebehandlungsverfahren aufgezeigt.

Chrom



[0017] Chrom ist ein die Korrosionsbeständigkeit und die Durchvergütbarkeit förderndes Element. Indessen muss seine ferritstabilisierende Wirkung durch die austenitstabilisierende Wirkung anderer Elemente, wie Co, Mn oder Ni kompensiert werden. Diese senken in nachteiliger Weise für die Entstehung eines vollmartensitischen Vergütungsgefüges sowohl die Martensit-Starttemperatur wie auch die Ferritstabilität bei der Anlassbehandlung oder aber erhöhen wie im Falle von Co die Legierungskosten. Aus diesem Grunde sollte Cr 15 Gew.-% nicht übersteigen. Weniger als 8% Chrom wiederum senken nicht nur die Korrosions und Oxidationsbeständigkeit auf ein untolerierbares Niveau, sondern beeinträchtigen auch die Durchhärtbarkeit in einer Weise, dass eine flexible Ausscheidung von Sondernitriden vor der martensitischen Phasenumwandlung stark beeinträchtigt wird. Ein besonders bevorzugter Bereich ist 10 bis 14% Chrom, insbesondere 11 bis 13% Chrom.

Mangan



[0018] Mangan ist ein die Durchvergütbarkeit sehr stark förderndes Element und ist für eine flexible Ausscheidungsführung von Sondernitriden vor der martensitischen Phasenumwandlung sehr wichtig. 4 Gew.-% sind jedoch für diese Zwecke ausreichend. Darüberhinaus senkt Mn die Martensit-Starttemperatur und die Ferritstabilität bei der Anlassbehandlung, was zu unerwünschten Gefügeausbildungsformen im vollvergüteten Zustand führt. Besonders bevorzugte Bereiche sind bis zu 2.5%, 0.5 bis 2.5% und 0.5 bis 1.5% Mangan.

Nickel



[0019] Nickel ist ebenso wie Mn ein die Durchvergütbarkeit förderndes Element, jedoch ist seine Wirkung diesbezüglich nicht so stark wie die des Mangans. Auf der anderen Seite ist seine Wirkung in bezug auf die Austenitstabilität bei hohen Lösungsglühtemperaturen deutlich stärker als die des Mangans. Weiterhin ist auch seine absenkende Wirkung auf die Martensit-Starttemperatur und die Ferritstabilität beim Anlassen nicht so hoch wie die des Mangans. Eine Substitution von Ni durch Mn richtet sich nach der Flexibilität der durchzuführenden Ausscheidungsreaktionen vor der martensitischen Phasenumwandlung und nach der Höhe der zu fordernden Ac1 Temperatur für eine optimale Gefügeausbildung im vergüteten Zustand. Der Nickel-Gehalt sollte indessen 4 Gew. -% nicht überschreiten, ansonsten die Ac1 auf unzureichend tiefe Werte fällt. Besonders bevorzugte Bereiche sind bis zu 2.5%, 0.3 bis 2.5%, 0.5 bis 2.5%, bis zu 2% und bis zu 1.5% Nickel.

[0020] Da Nickel und Mangan in ähnlicher Weise wirken sind weniger die absoluten Mengenanteile jedes einzelnen Elementes, doch vielmehr die Summe beider Mengenanteile entscheidend. Für eine hinreichend optimale Gefügeausbildung darf die Summe aus Ni + Mn nicht mehr als 4 Gew.-% betragen. Besonders bevorzugte Bereiche liegen bei Mn + Ni nicht mehr als 3.0 Gew.-%, Mn + Ni nicht mehr als 2.5 Gew.-%, Mn + Ni nicht mehr als 2.0 Gew.-% und Mn + Ni = 0.5 Gew.-% bis Mn + Ni = 2.5 Gew.-%.

Kobalt



[0021] Kobalt ist das für die Optimierung einer hohen Austenitstabilität bei hohen Lösungsglühtemperaturen und einer hohen Ac1-Temperatur bedeutenste Element. Sein Mengenanteil richtet sich nach der Menge der für die Festigkeit wichtigen ferritstabilisierenden Elemente Mo, W, V, Nb, Ta, Ti, Zr und Hf. Oberhalb 15 Gew.-% fällt die Ac1-Temperatur auf nicht mehr tolerierbar tiefe Werte für ein vollvergütetes Gefüge ab. Bevorzugte Bereiche liegen bei 5 bis 15 Gew.-%, 3 bis 15 Gew.-%, 1 bis 10 Gew.-%, 3 bis 10 Gew.-%, 1 bis 8 Gew.-%, 3 bis 7 Gew.-% und 1 bis 6 Gew.-%. Ein besonders bevorzugter Bereich ist 5 - 15 Gew.-% Kobalt für Legierungen, die aufgrund hoher Molybdän- und Wolframgehalte über ein sehr hohes Festigkeitspotenital aufweisen, und 1 - 10 Gew.-% Kobalt für Legierungen auf kleinem bis mittleren Festigkeitsniveau.
Kleine Festigkeitsniveaus liegen bei ungefähr 700 bis 850 MPa, mittlere bei 850 bis 1100 MPa und hohe über 1100MPa.

Molybdän



[0022] Molybdän kann viele für die Gefügeausbildung wichtige Funktionen übernehmen. Chrom und Mangan gleich hat es eine bezogen auf die Durchvergütbarkeit stark fördernde Wirkung. Darüberhinaus kann es in Lösung oder über Ausscheidungsreaktionen wesentlich an einer weiteren Festigkeitssteigerung beitragen. Hohe Molybdängehalte senken indessen durch die rasche Vergröberung der sie bildenden intermetallischen Ausscheidungsphasen die Zähigkeit. Sein idealer Gehalt richtet sich nach den vorgesehen Anwendungen und Einsatztemperaturen der entsprechenden Bauteile. Molybdängehalte oberhalb 8 Gew.-% senken indessen die Zähigkeit und die Martensit-Starttemperatur auf untolerierbare Werte. Bevorzugte Molybdängehalte liegen unter 5 Gew.-%, insbesondere unter 4 und 3 Gew.-%.

Wolfram



[0023] Wolfram wirkt in ähnlicher Weise wie Molybdän und der Molybdängehalt sollte unterhal 6 Gew.-% liegen. Sein Idealgehalt hängt ebenso wie Molybdän von der Anwendung und der Einsatztempertur der entsprechenden Bauteile ab. Bevorzugte Wolframgehalte liegen unter 4 Gew.-%, insbesondere unter 3 Gew.-%.

[0024] Da Molybdän und Wolfram in ähnlicher Weise wirken sind weniger die absoluten Mengenanteile jedes einzelnen Elementes, doch vielmehr die Summe beider Mengenanteile entscheidend. Für eine hinreichend optimale Gefügeausbildung darf die Summe aus Mo + W nicht mehr als 8 Gew.-% betragen. Ein besonders bevorzugter Bereich für hochfeste Legierungen liegt bei Mo + W = 3 bis Mo + W = 8 Gew.-%, insbesondere bei Mo + W = 3 bis Mo + W = 5 Gew.-%. Ein besonders bevorzugter Bereich für Legierungen in der kleineren bis mittleren Festigkeitsklasse liegt bei Mo + W kleiner 4 Gew.-%, insbesondere bei Mo + W kleiner 3 Gew.-% und bei Mo + W = 1 bis Mo + W = 3 Gew.-%.

Vanadium



[0025] Vandium ist das in Bezug auf die Einstellung höchster Eigenschaftskombinationen wie Festigkeit und Zähigkeit, Kriechbruchfestigkeit und Kriechduktilität sowie Strukturstabilität bedeutenste Legierungselement. Es gewährleistet zusammen mit Stickstoff einen hohen Widerstand gegen Kornvergröberung bei hohen Lösungsglühtemperaturen und ein festigkeitsbringendes hohes Ausscheidungsvolumen von VN-Sondernitriden bei tieferen Ausscheidungstemperaturen. Für eine hinreichend hohe Kombination eines hohen Kornvergröberungswiderstandes mit einem festigkeitswirksamen Ausscheidungsvolumen sind indessen mindestens 0.5 Gew.-% notwendig. Erhöhte Gehalte an Vanadium machen erhöhte Lösungsglühtemparturen notwendig. Bei Vandium Gehalten oberhalb 1.5 Gew.-% steigt die aufzubringende Lösungsglühtemperatur für erhöhte Festigkeiten auf technisch nicht mehr zu realisierende Werte an. Ein bevorzugter Bereich ist 0.5 bis 1 Gew.-% Vanadium. Ein besonders bevorzugter Bereich ist 0.5 bis 0.8 Gew.-% Vanadium.

Stickstoff



[0026] Stickstoff ist das zu Vandium gehörende Begleitelement für die Bildung von MN-Sondernitriden. Für eine hinreichend gute Kombination eines hohen Kornvergröberungswiderstandes mit einem festigkeitswirksamen Ausscheidungsvolumen sind mindestens 0.12 Gew.-% notwendig. Dem Vanadium gleich steigt die aufzubringende Lösungsglühtemperatur für verbesserte Eigenschaften bei Stickstoffgehalten oberhalb 0.25 Gew.-% auf technisch nicht mehr zu realisierende Werte an. Ein bevorzugter Bereich ist 0.12 - 0.2 Gew.- % Stickstoff. Ein besonders bevorzugter Bereich ist 0.12 - 0.18 Gew.- % Stickstoff.

Kohlenstoff



[0027] Stickstoff kann bis zu gewissen Mengenanteilen durch Kohlenstoff in den entsprechenden Ausscheidungen substituiert werden. In geringen Mengen kann Kohlenstoff an einem erhöhten Ausscheidungsvolumen von Sonderkarbonitriden beitragen, ohne dass der Kornvergröberungswiderstand abnimmt. Ueberschüssiger Kohlenstoff erhöht die Härte des abgeschreckten Martensits. Indessen fördert es die Bildung zähigkeitsvermindernder Ausscheidungsphasen wie M23C6 und M2(C,N), sowie die Bildung von Bainit bei kleinen Abkühlgeschwindigkeiten. Der Kohlenstoffgehalt sollte daher 0.1 Gew.-% nicht übersteigen. Ein bevorzugter Bereich ist weniger als 0.05 Gew.-% C. Ein besonders bevorzugter Bereich ist weniger als 0.03 Gew.-% C

Niob, Tantal, Titan, Zirkon und Hafnium



[0028] Dies sind alles Legierungselemte, die mit Stickstoff und Kohlenstoff dem Vanadium ähnlich Sonderkarbide vom Typ MX bilden können. In Abwesenheit von Vanadium ist die einstellbare Kombination eines hohen Kornvergröberungswiderstandes mit einem festigkeitswirksamen Ausscheidungsvolumen von MX-Sonderkarbonitriden (M = Nb, Ta, Ti, Zr, Hf; X = C, N) aufgrund der zu hohen Affinität dieser Sondernkarbonitridbildnern zu N und C insignifikant klein. Ihre Wirkung beruht vornehmlich darin, dass sie in kleinen Beimengungen den Kornvergröberungswiderstand beim Lösungsglühen und die Stabilität von primären und auszuscheidenden V(N,C)-Nitriden durch partielle Substitution von V erhöhen. Für eine optimale Wirkung sollten ihre Gehalte in Abhängigkeit ihrer Affinität zu den Elementen C und N kritische Werte nicht übersteigen. Für Nb sind dies 0.15 Gew.-%, für Ta 0.4 Gew.-%, für Ti 0.04 Gew.-% und für die Elemente Hf und Zr je 0.02-Gew.-%. Diese Elemente vermögen alleine oder in Kombination miteinander wirksam an Eigenschaftsverbesserungen beitragen. Die optimale Zusammenstellung hängt von den einzustellenden mechanischen Eigenschaften ab.

[0029] Neben Vanadium ist Niob das bevorzugte Element unter den Sondernitridbildnern. Bevorzugte maximale Niob Gehalte liegen unter 0.1 Gew.-%. Sehr bevorzugte Niob Gehalte liegen bei 0.02 bis 0.1 Gew.-%.

Bor



[0030] Bor ist ein die Durchvergütbarkeit förderndes Element und daher für flexible Ausscheidungsreaktionen im Austenit vor der martensitischen Phasenumwandlung zweckmässig. Darüber hinaus erhöht es den Vergröberungswiderstand von Ausscheidungen im angelassenen Martensit. Da es zu Seigerungen neigt und eine hohe Affinität zum Stickstoff zeigt, muss der Bor Gehalt auf 0.005 Gew.-% begrenzt werden.

Silizium



[0031] Silizium ist ein wichtiges Desoxidationselement und findet sich daher immer in Stahl. Es kann in Lösung zur Festigkeit des Stahles beitragen und gleichzeitig auch die Oxidationsbeständigkeit erhöhen. In grossen Mengenanteilen wirkt es indessen versprödent. Der Gewichtsanteil von Silizium sollte daher 0.3 Gew.-% nicht überschreiten.

[0032] Die erfindungsgemässen Legierungsspezifikationen gewährleisten ein vollmartensitisches Anlassgefüge, welches durch einen erweiterten Vergütungsprozess erzeugt wird. Dieser besteht aus einer Lösungsglühbehandlung, einer kontrolliert raschen oder langsamen Abkühlbehandlung, mit oder ohne einer der martensitischen Phasenumwandlung vorangehenden thermomechanischen Behandlung oder isothermer Glühung, und einer nach dem Abschrecken auf Raumtemperatur anschliessenden Anlassbehandlung.

[0033] Die Lösungsglühbehandlung erfolgt bei Temperaturen zwischen 1150°C und 1250°C mit Haltezeiten zwischen 0.5 und 15h. Der Zweck dieser Lösungsglühbehandlung ist die partielle Auflösung von Sondernitriden und Sonderkarbonitriden. Eine speziell verzögerte Abkühlung oder iostherme Glühung mit oder ohne thermomechanischer Behandlung, d.h. Verformung, in der Abschreckphase erfolgt bei Temperaturen zwischen 900 und 500°C und kann die gesamte Abschreckbehandlung um bis zu 1000h verzögern. Diese beabsichtigt eine kontrollierte Führung von Ausscheidungsprozessen in der austenitischen Grundmatrix und die Beeinflussung der martensitischen Phasenumwandlung durch bereits existierende Ausscheidungsphasen, sowie die verzögerte Gefügealterung während des Anlassens und im Betrieb. Die Anlassbehandlung erfolgt bei Temperaturen zwischen 600 und 820°C und erfolgt in Glühzeiten zwischen 0.5 und 25h. Diese beabsichtigt eine partielle Erholung der durch die martensitische Phasenumwandlung erzeugten inneren Spannungen.

[0034] Der mittlere Korndurchmesser des sich in der Stahllegierung durch die Lösungsglühbehandlung entwickelnden Gefüges wächst nicht über einen Wert von 50µm hinaus. Zusätzlich wird durch die anschliessende Abkühlung bis auf die Martensit-Starttemperatur die kontrollierte Ausscheidungsführung von vanadiumreichen Sondernitriden oder Sonderkarbonitriden beeinflusst, sei es durch eine thermomechanische Behandlung oder sei es durch eine künstlich verzögerte Abkühlung.

Ausführungsbeispiel



[0035] Im folgenden soll im Sinne der vorangehend formulierten Legierungs und Wärmebehandlungsspezifikationen auf Legierungszusammensetzung und Wärmebehandlungen eingegangen werden. Die chemische Zusammensetzung dieser unter AP bezeichneten erfindungsgemässen Legierungen sind in Tabelle 1 wiedergegeben und werden dort mit verschiedenen Vergleichslegierungen verglichen. Die AP - Legierungen grenzen sich vornehmlich in den hohen Stickstoff- und Vanadiumgehalten ab.

[0036] Die AP - Legierungen wurden bei einem Stickstoffpartialdruck von 0.9bar bei Temperaturen zwischen 1500 und 1600°C erschmolzen. Die gegossen Blöcke wurden zwischen 1230 und 1050°C geschmiedet. Die Wärmebehandlungen wurden an geschmiedeten Platten mit einer Dicke von 15mm durchgeführt.

[0037] Bei den Wärmebehandlungen für die mechanischen Prüfungen erfolgte die Lösungsglühung bei 1180°C und dauerte 1h. Im Anschluss dazu wurde jeweils eine ofenkontrollierte Abkühlung mit einer Kühlrate von 120°C/h vorgenommen. Einzelne Wärmebehandlungen zeichnen sich durch eine isotherme Austenitalterung (engl. Ausageing) aus. Dabei wird die Probe nach dem Lösungsglühen auf eine mittlere Temperatur abgekühlt, welche deutlich oberhalb der Martensit - Start Temperatur liegt; sodann auf dieser Temperatur für eine gewisse Zeit gehalten und anschliessend auf Raumtemperatur abgekühlt. Eine solche Wärmebehandlung ist schematisch in Figur 1 wiedergegeben.

[0038] Die einzelnen Wärmebehandlungen werden nachfolgend mit T2, T4 und T5 bezeichnet und weisen folgende Charakteristiken auf:
T2:
Aufheizen von 300 auf 1180°C mit 450°C / h
Lösungsglühen bei 1180°C während 1h
Abkühlung an Luft auf Raumtemperatur innerhalb 2h
Anlassen bei 700°C während 4h mit anschliessender Abkühlung an Luft
T5:
Aufheizen von 300 auf 1180°C mit 450°C / h
Lösungsglühen bei 1180°C während 1h
Abkühlung im Ofen auf 700°C mit 120°C / h
isothermes Glühen bei 700°C während 120h
Abkühlen im Ofen auf Raumtemperatur mit 120°C / h
Anlassen bei 700°C während 4h mit anschliessender Abkühlung an Luft
T6:
Aufheizen von 300 auf 1180°C mit 450°C / h
Lösungsglühen bei 1180°C während 1h
Abkühlung an Luft auf Raumtemperatur innerhalb 2h
Anlassen bei 650°C während 4h mit anschliessender Abkühlung an Luft


[0039] Die Wärmebehandlungen T2 und T6 unterscheiden sich von der Wärmebehandlung T5 durch sehr hohe Abkühlgeschwindigkeiten in der Abschreckphase aus. In der Wärmebehandlung T5 wird zusätzlich eine längere isotherme Glühung vor der martensitischen Phasenumwandlung durchgeführt.

[0040] Fig. 1 zeigt schematisch die Zeit-Temperatur Geschichte der Wärmebehandlung T5.

[0041] Es wurden umfangreiche Untersuchungen über die Wirkung der Lösungsglühtemperatur auf die Kornvergröberung, über die Wirkung einer der martensitischen Phasenumwandlung vorangehenden Austenitalterung auf die Martensithärte und auf die Anlassbeständigkeit durchgeführt. Anbei wurden für ausgewählte Legierungen die zu erreichende Festigkeit und Kerbschlagarbeit unter Einbeziehung neuartiger Wärmebehandlungen geprüft.

[0042] Figur 2 zeigt die Korngrössen, die sich aus der Anwendung verschiedener Lösungsglühtemperaturen ergeben. Im Allgemeinen wächst die Körngrösse mit zunehmender Lösungsglühtemperatur. Im Falle konventioneller 9-12% Chromstähle setzt oberhalb einer Lösungsglühtemperatur von 1100°C eine sehr ausgeprägte Kornvergröberung ein. Im Gegensatz dazu setzt bei den erfindungsgemässen Legierungen eine beschleunigte Kornvergröberung erst oberhalb 1200°C ein.

[0043] Figur 3 zeigt für die erfindungsgemässe Legierung AP11 wie sich eine isotherme Glühung nach der Lösungsglühung und vor der martensitischen Phasenumwandlung auf die Härte des abgeschreckten Martensits auswirkt. Die einzelnen Proben wurden jeweils bei verschiedenen Austenitalterungstemperaturen und Austenitalterungszeiten aus dem Ofen entnommen und in Wasser abgeschreckt. Die Härte beim Zeitnullpunkt entspricht der Martensithärte in Abwesenheit einer Austenitalterung, entspricht also dem lösungsgeglühten (1200°C/1 h) und direkt abgeschrecktem Zustand. Während einer Austenitalterung ändert sich die Abschreckhärte in Abhängigkeit der Auslagerungstemperatur und der Auslagerungszeit vor der martensitischen Phasenumwandlung. Der Härteverlauf kann dabei nicht - monoton sein. Grundsätzlich werden bei tiefen Austenitalterungstemperaturen höhere Abschreckhärten erzielt als bei hohen Austenitalterungstemperaturen. Figur 3 zeigt jedoch, dass eine Austenitalterungsbehandlung zum Zwecke neuer Gefügezustände hinreichend so gesteuert werden kann, dass keine grossen Härteverluste zu erwarten sind.

[0044] Figur 4 zeigt die Anlasskurven dreier erfindungsgemässen Legierungen im Vergleich mit der bekannten Legierung X20 CrMoV 12 1. Grundsätzlich werden bei den erfindungsgemässen Legierungen bei Anlasstemperaturen oberhalb 600°C höhere Anlasstemperaturen erzielt, und dies bei gleichem Gehalt an Molybdän in der Legierung (Vergleich AP14 mit TAF in Tabelle 1). Der Einfluss von Molybdän wird erst bei sehr hohen Gehalten signifikant (AP8).

[0045] Figur 5 zeigt den Einfluss einer vorangehenden Austenitüberalterung auf die Anlassbeständigkeit einer erfindungsgemässen Legierung AP11. Austenitüberalterung bezieht sich auf Gefügezustände, welche nach einer Austenitalterung eine kleinere Martensithärte aufweisen als der lösungsgeglühte und direkt abgeschreckte Zustand. Ersichtlich wird jedoch, dass die Unterschiede zu den für die Technik bedeutenden Anlasstemperaturen oberhalb 600°C abnehmen. Es gibt sogar Zustände (austenitgealtert: 600°C/150h), welche bei einer Anlasstemperatur von 650°C eine höhere Härte aufweisen. Die Austenitalterung lässt sich somit für die Einstellung höherer Festigkeiten nutzen.

[0046] Figure 6 zeigt den Einfluss einer Austenitalterung auf die Kerbschlagarbeit und der Uebergangstemperatur der Kerbschlagarbeit für die erfindungsgemässe Legierung AP1. Grundsätzlich sinkt die Uebergangstemperatur der Kerbschlagarbeit mit zunehmender Anlasstemperatur und erlaubt daher die Einstellung höherer Kerbschlagarbeiten. Im Falle der Legierung AP1 wird ersichtlich, dass eine Austenitüberlalterung zu keiner wesentlichen Versprödung führt.

[0047] Figur 7 zeigt den Einfluss einer Austenitalterung auf die Streckgrenze bei Prüftemperaturen zwischen 23°C und 600°C. Grundsätzlich steigen die Streckgrenzen mit sinkender Anlasstemperatur. Dies bedeutet, dass die Erzielung hoher Festigkeiten entsprechend Figur 6 auf Kosten einer deutlich reduzierten Kerbschlagarbeit geht. Hingegen führt eine Austenitüberalterung der erfindungsgemässen Legierung AP1 zu einer deutlichen Steigerung der Streckgrenze bis zu einer Temperatur von ungefähr 550°C ohne dass sie an eine Versprödung geknüpft ist.

[0048] Figur 8 zeigt einen Vergleich der Streckgrenzen zwischen der erfindungsgemässen Legierung AP1 und bekannten (X20CrMoV121, X12 CrNiMo 12) oder in der Technik neu - eingeführten Legierung (X12 CrMoWVNbN11 1 1), wobei es sich bei den angegeben Vergleichswerten um minimale Normwerte handelt. Der Vergleich zeigt, dass bei ähnlichen Anlasstemperaturen für die beispielhafte Legierung AP1 deutlich höhere Streckgrenzen resultieren.

[0049] In Figur 9 wird ein Vergleich gezogen zwischen einer Reihe alt - bekannter und neu-eingeführter Legierungen mit der beispielhaften Legierung AP1. Ersichtlich ist, dass eine unter Berücksichtigung einer optimierten Austenitalterung hergestellte erfindungsgemässe Legierung vom Typ AP1 eine deutlich bessere Kombination von Kerbschlagarbeit und Streckgrenze bei Raumtemperatur ermöglicht, wobei eine wohl - optimierte chemische Zusammensetzung entsprechend der beispielhaften Legierung AP1 die entscheidende Voraussetzung für einen positiven Nutzen einer Austenitalterung darstellt.

[0050] Figur 10 zeigt den Einfluss einer Austenitalterung auf die Kerbschlagarbeit und Uebergangstemperatur der Kerbschlagarbeit für eine erfindungsgemässe Legierung AP8. Diese ist durch einen hohen Gehalt an Molybdän gekennzeichnet (Tabelle 1). Damit lässt sich eine ausserordentlich hohe Anlassbeständigkeit selbst oberhalb einer Anlasstemperatur von 600°C erzielen (Figur 4). Andererseits ist dies mit dem Nachteil ausgeprägter Versprödung verknüpft. Eine Erhöhung der Anlasstemperatur von 710 auf 740°C erweist sich hier als wenig wirksam. Hingegen lässt sich für diese Legierung die Uebergangstemperatur der Kerbschlagarbeit durch eine vorangehende Austenitüberalterung selbst unter Beibehaltung einer Anlasstemperatur von 710°C beträchtlich senken.

[0051] Figur 11 zeigt für dieselbe Legierung AP8 den Einfluss einer Austenitüberalterung auf die Streckgrenze zwischen 23°C und 650°C. Wohl wird durch die Austenitüberalterung im Gegensatz zur Legierung AP1 keine Steigerung der Streckgrenze bei Raumtemperatur erzielt, hingegen wird durch eine Austenitüberalterung bei tieferen Austenitalterungstemperaturen eine beträchtliche Steigerung der Warmstreckgrenze bei Temperaturen oberhalb 500°C erzielt. Diese Vergleiche belegen, dass es durch eine optimale chemische Zusammensetzung - gekennzeichnet durch hohe Gehalte an Stickstoff und Vanadium - zusammen mit einer Optimierung der Austenitalterungsbedingungen möglich ist, bessere Kombinationen in den mechanischen Eigenschaften zu gewinnen.




Ansprüche

1. Vollmartensitischer Vergütungsstahl,
im wesentlichen bestehend aus: (gemessen in Gew.-%) 8 bis 15% Cr, bis 15% Co, bis 4% Mn, bis 4%Ni, bis 8% Mo, bis 6%W, 0.5 bis 1.5%V, bis 0.15%Nb, bis 0.04%Ti, bis 0.4%Ta, bis 0.02% Zr, bis 0.02% Hf, maximal 50 ppm B, bis 0.1%C und 0.12-0.25%N, wobei der Gehalt an Mn+Ni kleiner als 4% und der Gehalt an Mo+W kleiner als 8% ist, Rest Eisen und übliche erschmelzungsbedingte Verunreinigungen.
 
2. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass 0.5 bis 1% V und 0.12 - 0.2 %N, nicht mehr als 0.1%Nb vorliegt und / oder 0.001 bis 0.04%Ti, und / oder 0.001 bis 0.4%Ta, und / oder 0.001 bis 0.02%Zr, und / oder 0.001 bis 0.02%Hf vorliegen.
 
3. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
dass 0.5 bis 0.8% V und 0.12 - 0.18 %N, der Gehalt an Niob zwischen 0.02 und 0.1% liegt und 0.001 bis 0.04%Ti, und / oder 0.001 bis 0.4%Ta, und / oder 0.001 bis 0.02%Zr, und / oder 0.001 bis 0.02%Hf vorliegen.
 
4. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
dass 5 - 15% Co vorliegt.
 
5. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 2 und 4,
dadurch gekennzeichnet,
dass 10 - 14% Cr, nicht mehr als 2.5% Mn und nicht mehr als 2.5% Ni vorliegen, wobei die Summe Ni + Mn nicht mehr als 2.5% beträgt, nicht mehr als 5% Mo und nicht mehr als 4% W vorliegen und die Summe aus Mo + W zwischen 3 und 6% liegt.
 
6. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 3 und 5,
dadurch gekennzeichnet,
dass 11 - 13% Cr, dass nicht mehr als 1.5% Mn und nicht mehr als 1.5% Ni vorliegen, wobei die Summe Ni + Mn nicht mehr als 2% beträgt und die Summe aus Mo + W zwischen 3 und 5% liegt.
 
7. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet,
dass 1 - 10% Co vorliegt.
 
8. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 2 und 7,
dadurch gekennzeichnet,
dass 10 - 14% Cr und 1 - 8% Co, dass nicht mehr als 2% Mn und nicht mehr als 2% Ni vorliegt, wobei die Summe Ni + Mn nicht mehr als 2.5% beträgt, nicht mehr als 3% Mo und nicht mehr als 3%W vorliegen und die Summe aus Mo + W nicht mehr als 3% beträgt.
 
9. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 3 und 8,
dadurch gekennzeichnet,
dass 11 - 13% Cr und 1 - 6% Co, dass nicht mehr als 1.5% Mn und nicht mehr als 1.5% Ni vorliegt, wobei die Summe Ni + Mn nicht mehr als 2% beträgt.
 
10. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet,
dass 3 - 15% Co vorliegt.
 
11. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 2 und 10,
dadurch gekennzeichnet,
dass 10 - 14% Cr und 3 - 10% Co, dass nicht mehr als 2.5% Mn und nicht mehr als 2.5% Ni vorliegt, wobei die Summe Ni + Mn nicht mehr als 3% beträgt, nicht mehr als 4% Mo und 4%W vorliegen und die Summe aus Mo + W nicht mehr als 4% beträgt.
 
12. Vollmartensitischer Vergütungsstahl nach Anspruch 3 und 11,
dadurch gekennzeichnet,
dass 11 - 13% Cr und 3-7% Co, dass nicht mehr als 3% Mo und nicht mehr als 3% W vorliegen und die Summe aus Mo + W nicht mehr als 3% beträgt.
 
13. Verwendung der durchvergütbaren Stahllegierung entsprechend den Ansprüchen 1 - 12 für lasttragende Anwendungen.
 
14. Wärmebehandlungsverfahren für die durchvergütbaren Stahllegierungen entsprechend den Ansprüchen 1 - 12
dadurch gekennzeichnet,
dass die Legierung bei Temperaturen zwischen 1150°C und 1250°C mit Haltezeiten zwischen 0.5 und 15 h lösungsgeglüht wird, dass die Legierung auf Raumtemperatur abgekühlt und anschliessend bei Temperaturen zwischen 600°C und 820°C während 0.5 bis 25 h angelassen wird.
 
15. Wärmebehandlungsverfahren nach Anspruch 14,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Legierung nach dem Lösungsglühen unterhalb einer Temperatur von 900°C mit Abkühlgeschwindigkeiten kleiner als 120°C / h abgekühlt wird.
 
16. Wärmebehandlungsverfahren nach Anspruch 14 oder 15, dadurch gekennzeichnet,
dass die Legierung in direktem Anschluss an die Lösungsglühbehandlung unterhalb einer Temperatur von 900°C einer oder mehreren isothermen Glühungen bei einer oder bei verschiedenen Temperaturen zwischen 5 und 500h unterworfen wird.
 
17. Wärmebehandlungsverfahren nach Anspruch 14, 15 oder 16, dadurch gekennzeichnet,
dass die Wärmebehandlung nach dem Lösungsglühen mit einer Verformung verknüpft ist.
 




Zeichnung