(19)
(11) EP 0 897 967 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
24.02.1999  Patentblatt  1999/08

(21) Anmeldenummer: 98114660.8

(22) Anmeldetag:  04.08.1998
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C10J 3/57
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 13.08.1997 DE 19735153

(71) Anmelder: LINDE-KCA-Dresden GmbH
01067 Dresden (DE)

(72) Erfinder:
  • Marschner, Siegmar, Dr. Dipl.-Ing.
    01129 Dresden (DE)
  • Halang, Sven, Dipl.-Ing.
    09599 Freiberg (DE)

(74) Vertreter: Kasseckert, Rainer 
Linde Aktiengesellschaft, Zentrale Patentabteilung
82049 Höllriegelskreuth
82049 Höllriegelskreuth (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zur Vergasung von Abfallstoffen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Vergasung von Abfallstoffen. Um auch bei verhältnismäßig geringen Durchsätzen einen wirtschaftlichen Betrieb zu ermöglichen, wird vorgeschlagen, daß die Vergasung in einem Vergaser (1) mit einem flüssigen, rotierenden Schlackebad (2) erfolgt. Das Schlackebad (2) wird vorzugsweise durch tangentiale Einleitung des Vergasungsmittels und/oder zumindest eines Teiles der Abfallstoffe in rotierende Bewegung versetzt. Während Abfallstoffe mit einem Durchmesser von bis zu 5 mm oberhalb des Schlackebades (2) in den Vergaser (1) eingegeben werden, werden größere Abfallstoffe direkt in das Schlackebad eingebracht.




Beschreibung


[0001] Abfälle mit organischen Beimengungen dürfen in Zukunftnicht mehr auf Deponien entsorgt werden. Deshalb erfolgt in zunehmendem Maße eine thermische Entsorgung der Abfälle in Form von Verbrennung (Müllverbrennung) oder Vergasung.

[0002] Für die Müllverbrennung existieren technisch ausgefeilte Verfahren, die bei einem möglichst hohen Wirkungsgrad für die Erzeugung von thermischer und Elektroenergie umweltverträgliche Abprodukte erzeugen. Das erfordert Parameter der Verbrennung, welche die Erzeugung von Schlacken gewährleistet, die einen hohen Widerstand gegenüber einer Auslaugung der enthaltenen Schwermetalle durch Wasser besitzen. Notwendig ist außerdem eine intensive Reinigung der Rauchgase von Stäuben, Stickoxiden sowie Dioxinen/Furanen. Die dabei entstehenden Filterstäube und Prozeßwasser müssen ebenfalls kostenaufwendig zu umweltverträglichen Produkten aufgearbeitet werden. Der technische Aufwand für die umweltverträgliche Verbrennung von Abfallstoffen wird dabei so hoch, daß nur Einheiten mit einem großen Durchsatz an Abfallstoffen wirtschaftlich arbeiten können.
Große Durchsätze bedingen wiederum ein großes Einzugsgebiet, um die erforderlichen Abfallstoffe bereitzustellen. Somit werden die Kosten für den Transport von Abfallstoffen vom Entstehungsort zur Verbrennungsanlage eine nicht zu vernachlässigende Größe der Gesamtkosten.

[0003] Alternativ zur Verbrennung können die Abfallstoffe auch mit Sauerstoff vergast werden. Die Vergasung besitzt gegenüber der Verbrennung eine Reihe von Vorteilen:

a) Die Vergasung arbeitet im Gegensatz zur Verbrennung mit Sauerstoffunterschuß. Die Hauptkomponenten im Vergasungsgas sind deshalb H2, CO und CH4. Der Schwefel setzt sich zu H2S um, welches vergleichsweise einfacher aus dem Vergasungsgas entfernt werden kann als SO2 aus dem Rauchgas der Verbrennung. Das Vergasungsgas ist als Brenngas einsetzbar. Es entsteht kein NOx.

b) Die Vergasung erfolgt in der Regel bei höherer Temperatur als die Verbrennung. Damit wird eine höhere Zerstörungseffizienz von organischen Schadstoffen erreicht, die Dioxin-Furan-Problematik wird sicher beherrscht, und es ist eine mineralische Einbindung von Schwermetallen in die Schlacke zu nicht eluierbaren Verbindungen möglich.

c) Die auf Normzustand bezogene Brenngasmenge aus der Vergasung beträgt nur etwa 1/10 der Rauchgasmenge einer Verbrennung. Bei der Vergasung unter Druck liegt der Volumenstrom des Brenngases sogar unter 1 % des Volumenstromes vom Rauchgas. Dadurch werden die Apparate für die Gasreinigung vergleichsweise klein.



[0004] Beim Kostenvergleich zwischen Verbrennung und Vergasung sind die Sauerstoffkosten für die Vergasung von Nachteil.
Technisch ausgeführt ist die Vergasung im Festbettdruckvergaser. Dieser Vergaser mit einem Schachtreaktor zeichnet sich durch einen relativ niedrigen Sauerstoffbedarf aus. Er hat aber den Nachteil, daß eine Zumischung von grobstückiger Kohle notwendig ist, um ein Stützgerüst für die Abfallstoffe zu schaffen. Außerdem wird durch die thermodynamisch an sich günstige Gegenstromfahrweise von Abfallstoffen und Vergasungsgas eine Pyrolysezone im Vergaserschacht aufgebaut, so daß das entweichende Gas typische Beimengungen eines Pyrolysegases (Pyrolyseöle, Teere) enthält, welche eine aufwendige Gasreinigung erfordern.

[0005] Die Vergasung von Abfallstoffen im Flugstrom ist als Noell-KRC-Verfahren bekannt. Hier ist die Gasereinigung vergleichsweise einfach, weil das Gas außer Methan keine Kohlenwasserstoffe enthält. Die Flugstromvergasung erfordert jedoch eine Aufmahlung der Abfallstoffe auf Korngröße kleiner 0,5 mm.
Beim Noell-KRC-Verfahren ist deshalb vor dem eigentlichen Flugstromvergaser eine Pyrolysetrommel angeordnet, in welcher die nur grob zerkleinerten Abfälle zu einem Pyrolysegas sowie einem leicht vermahlbaren Pyrolysekoks umgewandelt werden. Das Pyrolysegas sowie der gemahlene Pyrolysekoks werden anschließend im Flugstromvergaser weiter aufgespalten. Diese vorgeschaltete Pyrolysestufe, die anschließende Verdichtung des Pyrolysegases auf den Druck des Flugstromvergasers sowie die Ausrüstungen zur Kühlung, Vermahlung, Zwischenlagerung und Dosierung des Pyrolysekokses sind sehr kostenintensiv.

[0006] Beim Verfahren von Thermoselect wird ebenfalls eine Pyrolysestufe der Vergasung vorangestellt. Die Kosten für die Aufarbeitung der Abfallstoffe für die Vergasung sind dabei sehr gering, weil die Abfallstoffe ohne besondere Vorbehandlungen in den waagerechten Pyrolyseschacht gepreßt werden.
Allerdings kann damit der Vergasungsprozeß nur bei Normaldruck betrieben werden, weil der Pyrolyseschacht keine sichere Abdichtung des Gasraumes gewährleistet.

[0007] Damit werden die Apparate für die Gasreinigung vergleichsweise groß und kostenintensiv. Außerdem erfolgt die Pyrolyse im Pyrolyseschacht sehr unvollständig, so daß unkontrolliert Abfälle mit teilweise sehr großen Abmessungen in den Vergasungsraum fallen und dort auf der Schlacke schwimmen. Damit wird der Betrieb des Vergasers sehr unregelmäßig, was sich entweder auf starke Schwankungen von Menge und Zusammensetzung des Vergasungsgases und/oder durch stark schwankenden Sauerstoffbedarf auswirkt. Die starken Schwankungen des Vergasungsgases erschweren die Nutzung des Gases, der stark schwankende Sauerstoffbedarf ist schwierig auszuregeln.

[0008] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Vergasung von Abfallstoffen zur Verfügung zu stellen, die bereits bei verhältnismäßig niedrigen Durchsätzen einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen.

[0009] Diese Aufgabe wird verfahrensseitig erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß die Vergasung einstufig in einem Vergaser mit einem flüssigen, rotierenden Schlackebad erfolgt.

[0010] Dadurch sind kleinere, dezentrale Anlagen möglich, wodurch die durch den Antransport des Abfallstoffes verursachten Kosten gesenkt werden.

[0011] Das erfindungsgemäße Verfahren zeichnet sich durch einen einstufigen Vergasungsprozeß aus, durch den das Einsatzgut in nutzbares Spaltgas und ein uneingeschränkt deponierfähiges Schlackegranulat überführt wird. Eine aufwendige Vorbehandlung des Einsatzgutes ist nicht erforderlich.

[0012] Das Einsatzgut kann mit Korngrößen bis zu 40 mm in den Vergaser eingesetzt werden, so daß nur eine Grobzerkleinerung der Abfallstoffe vorgeschaltet wird. Das Gemisch wird beispielsweise in einer Siebklassierung in die Fraktionen

d = 0..5 mm

d = 5..40 mm

d > 40 mm

aufgetrennt. Der Siebüberlauf wird einer Mühle und danach erneut der Siebmaschine zugeführt.

[0013] Zur Entfernung von Eisenanteilen kann ein Magnetscheider angeordnet werden.

[0014] Das sich in der Vergasungszone befindende flüssige Schlackebad erfüllt mehrere Funktionen. Mineralische Bestandteile und Schwermetalle des Einsatzgutes werden aufgeschmolzen und adsorbiert. Gleichzeitig dient das Schlackebad als Wärmepuffer und Reaktionsvermittler und sorgt dadurch für einen intensiven Wärme- und Stoffaustausch.
Eine wichtige Funktion ist die sichere Zündung und ggf. Rückzündung der Brenner.

[0015] Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung wird überschüssige Schlacke gemeinsam mit dem bei der Vergasung anfallenden Spaltgas durch einen Schlackeablauf ausgetragen, der über das Schlackebad hinausragt und in den die Schlacke durch eine seitliche Abflußöffnung abfließt.

[0016] Vorzugsweise wird das Schlackebad durch tangentiale Einleitung des Vergasungsmittels und/oder zumindest eines Teiles der Abfallstoffe in rotierende Bewegung versetzt. Mit Vorteil wird zumindest ein Teil der Abfallstoffe in mindestens einem Festoffbrenner stückig, mit rückgeführtem Spaltgas als Trägergas dem Vergaser zugeführt werden. Dabei werden zweckmäßigerweise Abfallstoffe mit einem Durchmesser von bis 5 mm oberhalb des Schlackebades in den Vergaser eingeführt und es wird ein Strahl dieser Abfallstoffe gebildet und auf die Oberfläche des Schlackebades gerichtet, während Abfallstoffe mit einem Durchmesser von über 5 mm bis 40 mm direkt in das Schlackebad eingetragen werden.

[0017] Bevorzugt wird mindestens ein Gasbrenner eingesetzt, der mit Sauerstoff sowie während des Anfahrens mit Erdgas und während des Betriebes mit rückgeführtem Spaltgas gespeist wird. Außerdem wird vorteilhafterweise Sauerstoff durch Sauerstofflanzen direkt in das Schlackebad eingespeist.

[0018] Gemäß einer Weiterbildung des Erfindungsgedankens werden in das Schlackebad Sand, Kalk und/oder andere Stoffe zur Beeinflussung des Schlackeschmelzverhaltens und der Schlackeviskosität zugegeben.

[0019] Die ausgetragene Schlacke wird zweckmäßigerweise in ein Wasserbad tropfen gelassen und dort in einen glasartigen, nicht eluierbaren Zustand überführt.

[0020] Bei Inbetriebnahme des Vergasers wird das Schlackebad vorzugsweise durch eine synthetische Schlacke gebildet.

[0021] Eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens besitzt einen Vergasungsraum zur Vergasung der Abfallstoffe.

[0022] Vorrichtungsseitig wird die gestellte Aufgabe dadurch gelöst, daß der Vergasungsraum Einrichtungen zur Ausbildung eines rotierenden Schlackebades aufweist.

[0023] Der Vergasungsraum besitzt vorzugsweise eine im wesentlichen zylindrische Bauform mit einem durch den Boden geführten, konzentrisch angeordneten Schlackenablauf.

[0024] Der Reaktormantel wird zweckmäßigerweise innen durch einen Kühlschirm geschützt, welcher aus gasdicht verschweißten Flossenrohrschlangen besteht, die mit Kühlwasser im Zwangsumlauf durchströmt werden. Produktseitig sind die Rohre bevorzugt bestiftet und mit einer keramischen Stampfmasse belegt. Auf dieser Schicht friert eine Schlackenschicht fest und bildet einen thermisch isolierenden "Schlackepelz", der den Kühlschirm vor den hohen Betriebstemperaturen sowie dem direkten Angriff durch die flüssige Schlacke schützt. Die Dicke der Schlackeschutzschicht hängt von den Betriebsbedingungen (Temperaturen, Schlackezusammensetzung) ab.

[0025] Im folgenden soll die Erfindung anhand eines in den Figuren schematisch dargestellten Ausführungsbeispiels näher erläutert werden:

[0026] Es zeigen

Figur 1 einen Querschnitt durch einen Vergaser mit rotierendem Schlackebad

Figur 2 einen Längsschnitt durch den in Fig. 1 dargestellten Vergaser



[0027] In den Figuren sind dieselben Anlagenteile mit den denselben Bezugsziffern versehen.

[0028] Der Vergaser besteht aus einem Vergasungsraum 1, der von einem Reaktormantel 5 und einem Reaktordeckel 7 gebildet wird. Der Reaktormantel 5 wird durch einen Kühlschirm geschützt, welcher aus gasdicht verschweißten Flossenrohrschlangen besteht, die mit Kühlwasser im Zwangsumlauf durchströmt werden.

[0029] Da der Vergaser nach oben durch den Deckel 7 verschlossen ist, kann das bei der Vergasung anfallende Spaltgas nur gemeinsam mit der überschüssigen Schlacke durch den als Zentralrohr 6 ausgebildeten Schlackeablauf strömen.

[0030] Durch den Gasabzug am Unterteil des Vergasers kommt es zu einer inneren Zirkulation des Spaltgases. Durch die Verwirbelung des Gases wird eine Vergleichmäßigung der Verweilzeit und dadurch eine vollkommenere Gleichgewichtseinstellung erreicht. Mit dem Gas mitgerissene Schlacketröpfchen schlagen sich zum großen Teil an der Vergaserwand nieder und fließen in das Schlackebad 2 ab.

[0031] Zum Einbringen von Einsatzgut und Vergasungsmittel in den Vergasungsraum 1 werden zwei Arten von Brennern vorgesehen, die schräg nach unten, tangential auf die Schlackenbadoberfläche ausgerichtet sind. Durch den übertragenen Impuls wird die Schlacke in eine Rotationsbewegung versetzt, wodurch eine gute Durchmischung des Schlackebades 2 bewirkt wird.
In den Gasbrennern 8 wird in der Anfahrphase Erdgas und während des Betriebs rückgeführtes Spaltgas mit Sauerstoff (bei Bedarf unter Zumischung von Dampf) verbrannt.
In den Feststoffbrennern 9 wird der Feinkornanteil (d < 5 mm) des Einsatzgutes mit Sauerstoff verbrannt, wobei rückgeführtes Spaltgas als Trägergas fungiert. Kleine Partikel werden bereits im Gasraum über dem Schlackebad 2 in einer Flugstromvergasung umgesetzt. Größere Partikel können wegen der längeren nötigen Reaktionszeit auf die Schlacke treffen und in diese eintauchen. Der Grobkornanteil (d = 5..40 mm) des Einsatzgutes wird mittels Dosierschnecke über einen radial angeordneten Stutzen 10 direkt in das Schlackebad 2 gegeben.
Aufgrund des intensiven Wärme- und Stoffübergangs werden die organischen Bestandteile sicher vergast, während die mineralischen Bestandteile aufgeschmolzen und von der Schlacke absorbiert werden.

[0032] Mit den Brennern wird nur ein Teil des benötigten Sauerstoffs zugeführt. Der andere Teil gelangt durch tangential angeordnete Sauerstofflanzen 8 direkt in das Schlackebad 2, was mehrere Vorteile bietet.
Durch die Direkteinblasung wird eine intensive Durchmischung des Schlackebades erreicht, da zum einen der Impuls besser übertragen wird und zum anderen die aufsteigende Sauerstoffblasen für zusätzliche Turbulenz sorgen.
Daneben ermöglicht der Sauerstoff eine Vergasung der in die Schlacke eingetragenen organischen Komponenten im Schlackebad, wodurch einerseits die Vergasungsreaktion beschleunigt und andererseits die Anzahl der die Viskosität der Schlacke steigernden Fremdkeime verringert wird.

[0033] Das Schlackebad wird bei Inbetriebnahme der Vorrichtung zweckmäßigerweise zunächst durch eine synthetische Schlacke (CaO + SiO2 + Al2O3) gebildet. Dazu werden Kalk und Sand im Verhältnis von ca. 0,8 bis ca. 1,2 sowie ein geringerer Anteil an Al2O3 (ca. 10 Masse-%) vermischt und in den Reaktor gefüllt. Während des Anfahrens wird die Mischung durch die Verbrennung von in die Brenner eingespeistes Erdgas aufgeschmolzen und auf Betriebstemperatur gebracht.

[0034] Während des Betriebs des Vergasers wird das Schlackebad ständig durch mit dem Abfall eingebrachte mineralische Bestandteile erneuert.
Die Eigenschaften der Schlacke (Schmelzpunkt, Viskosität) werden durch deren Zusammensetzung bestimmt. Hauptbestandteile der Schlacke sind CaO, SiO2 und Al2O3. Andere Schlackekomponenten sind mit dem Abfall eingetragene Metalle und deren Oxide. Zusammen bilden die Schlackekomponenten Eutektika, deren Schmelzpunkte deutlich unterhalb der Schmelzpunkte der Einzelkomponenten liegen (s. Pawlek; Metallhüttenkunde, Walter de Gruyter (1983)).
Ein wichtiger Parameter für den Betrieb des Schlackebadvergasers ist die Viskosität der Schlacke. Die Kieselsäure wird durch SiO4-Tetraeder gebildet, in deren Zentrum ein Si-Atom angeordnet ist, welches von vier O-Atomen umgeben ist. Diese Tetraeder bilden durch gemeinsame Sauerstoffatome Raumgitter, welche auch im flüssigen Zustand als zusammenhängende Komplexe bestehen bleiben. Die eingeschränkte Beweglichkeit dieser großen Gebilde bedingt eine hohe Viskosität. Die Al3+-Kationen sind in der Lage Si4+ zu ersetzen und ihrerseits AlO4-Tetraeder zu bilden, so daß Al2O3 eine ähnliche Wirkung wie SiO2 auf die Viskosität einer Schlacke hat. SiO2 und Al2O3 sind sogenannte Netzwerkbildner (s. Kozakevitch, Urban; Viskosität und Gefüge von flüssigen Schlacken, Metz 1954).
Sogenannte Netzwerkwandler, wie CaO und MgO, sind in der Lage, die Tetraederbindungen der Sauerstoffatome aufzubrechen und führen dadurch zu einer Verringerung der Schlackenviskosität.

[0035] Das System CaO-SiO2 ist im Bereich von CaO/SiO2 = 0,8 bis 1,2 bei Temperaturen oberhalb 1450 °C genügend flüssig. Durch einen radial angeordneten Stutzen 12 oberhalb des Schlackebades 2 können der Schlacke Stoffe, wie Sand und/oder Kalk, zugegeben werden, so daß das Schmelz- und Viskositätsverhalten der Schlacke in gewissen Grenzen beeinflußt werden kann.

[0036] In dem gleichen Maße wie dem Schlackebad 2 schlackbildende Komponenten zugeführt werden, fließt über den Schlackeablauf 6 überschüssige Schlacke ab. Das Abflußrohr ragt erfindungsgemäß über das Schlackebad 2 hinaus und hat in der gewünschten Höhe eine Abflußöffnung. Dadurch wird im Vergleich zur Ausführung als Schlackeüberlauf mit Tropfkante ein konzentrierter, dickerer Schlackestrahl erzeugt, wodurch eine Strähnenbildung vermieden wird. Der Schlackeablauf 6 ist erfindungsgemäß analog der Tiegelkonstruktion aus druckwassergekühlten, verschweißten Flossenrohren gefertigt. Diese sind beidseitig bestiftet und mit einer keramischen Stampfmasse belegt. Auf der Stampfmasse friert eine Schlackeschicht fest, die das Material vor den hohen Betriebstemperaturen und einem direkten Angriff durch die chemisch aggressive Schlacke schützt.

[0037] Durch den gemeinsamen Abzug von Schlacke und heißem Spaltgas wird die Schlacke durch die hohen Temperaturen des Gases fließfähig gehalten.
Der weitere Austrag erfolgt über den Nachreaktionsraum. Dieser kann z.B. als Hafenofen oder, wie in Fig. 1 dargestellt, als Schmelzzyklon 3 ausgeführt sein. In diesem erfolgt dann eine Läuterung der Schlacke, so daß ein mögliches Schäumen keine Austragsprobleme bereitet. Falls die Temperaturen im Schmelzzyklon 3 für ein freies Fließen der Schlacke nicht ausreichend sind, kann ein mit rückgeführtem Spaltgas und Sauerstoff betriebener Brenner 14 angeordnet werden.

[0038] Bevor das Produktgas den Vergaser verläßt, können in der Vergasungszone nicht umgesetzte kohlenstoffhaltige Partikel in den Nachvergasungszone weiter umgesetzt werden.
Bei einer Ausführung als Zyklon werden mit dem Spaltgas mitgerissene Schlacketröpfchen und Feststoffpartikel an der Wandung abgeschieden, wodurch der Flugstaubaustrag erheblich verringert wird.

[0039] An den Nachreaktionsraum ist ein Wasserbad 4 zur Schlackengranulierung angeflanscht. Das Schlackegranulat ist nicht eluierbar und uneingeschränkt deponierfähig.

[0040] Ein Betrieb des erfindungsgemäßen Vergasers unter erhöhtem Druck ist bei entsprechendem apparativen Aufwand möglich.

[0041] Der erfindungsgemäße Vergaser ist für ein breites Spektrum an Abfallstoffen vorteilhaft einsetzbar.

[0042] Im folgenden werden zwei Anwendungsbeispiele näher beschrieben.

[0043] Die Arbeitstemperatur des Schlackebadvergasers wird mit 1600 °C angesetzt. Die Abfallvergasung wird als autothermer Prozeß geführt, wobei die zur Aufspaltung der Abfallstoffe sowie die Aufschmelzung der mineralischen Bestandteile benötigte Wärmemenge durch eine partielle Oxidation der brennbaren Bestandteile mit Sauerstoff erzeugt wird.

Beispiel 1: Müllvergasung



[0044] In der Tabelle 1 ist die Zusammensetzung eines Standardmülls nach Landesumweltamt NRW angegeben.
Die Vorbehandlung des Mülls beschränkt sich auf eine Grobzerkleinerung des Einsatzgutes auf Korngröße unterhalb 40 mm. Zusätzlich kann eine Eisenabtrennung durch Magnetscheidung erfolgen.
Die Kornfraktion 0...5 mm wird über die Feststoffbrenner, die Kornfraktion 5...40 mm mittels Schneckenförderer über einen Stutzen in den Vergasungsraum eingebracht.
Tabelle 1
Zusammensetzung eines Standardmülls nach Landesumweltamt NRW
Müllkomponenten Masse-% Aschekomponente kg/t Müll
C 27,16 SiO2 110
H 3,45 Al2O3 34
O 18,39 CaO 31
N 0,3 Fe 30
S 0,2 Na2O 15,205
Cl 0,5 Fe2O3 15
Feuchte (H2O) 25 MgO 4,5
Asche 25 Al 4
    K2O 3


[0045] Wie in Tabelle 3 aufgeführt, werden für eine authotherme Vergasung von 1,0 t Müll 357 M3i.N. Sauerstoff (96 Vol-% O2) benötigt.
Das erhaltene Spaltgas hat aufgrund der Feuchte des Einsatzgutes einen hohen Dampfanteil. Daneben weist das Spaltgas eine hohen CO- und H2-Gehalt auf, so daß genügend Energiereserven zur Abdeckung von eventuell höheren Wärmeverlusten vorhanden sind.

[0046] Die Asche des Mülls hat einen hohen Gehalt an SiO2 und Al2O3, die zu einer hohen Viskosität der Schlacke führen. Falls dies Betriebsprobleme verursacht, kann durch eine Kalkzugabe über einen Stutzen die Schlackeviskosität gesenkt werden.

Beispiel 2: Vergasung von Alt-PVC



[0047] Eine vorteilhafte Anwendung des erfindungsgemäßen Schlackebadvergasers besteht in der Vergasung von Alt-PVC, da neben der Müllbeseitigung das im PVC enthaltene HCl zurückgewonnen und als HCl-Gas in der Oxichlorierung eingesetzt werden kann, um im Endeffekt erneut PVC herzustellen.
In Tabelle 2 ist die Zusammensetzung eines PVC-haltigen Abfall-Gemisches angegeben.
Tabelle 2
Abfall-Gemisch mit hohem PVC-Gehalt
Komponente Masse-%
Rein-PVC 61
Weichmacher 20
Kreide 8,6
brennbare Abfälle 6,4
nicht brennbare Abfälle 4


[0048] Neben der Siebklassierung mit entsprechender Zerkleinerung des Alt-PVC auf die Korngröße d < 40 mm und dem Magnetscheider zur Eisenabtrennung, sollte zur Vorbehandlung ein zusätzlicher Sichter (Zickzacksichter) vorgesehen werden. In diesem werden die schweren NE-Metalle abgetrennt, die im Schlackenbad überwiegend zu Metallchloriden umgesetzt werden und dadurch die HCl-Ausbeute herabsetzen würden. Im Gegensatz dazu sind die Silikate und Leichtmetalle (Al, Mg) erwünschte Schlackebildner.
Die Möglichkeit des Einsatzes von relativ grobkörnigen Einsatzgut ist bei PVC besonders wirtschaftlich, da dadurch eine Zerkleinerung in einer Schneidmühle ausreichend und eine aufwendige und sehr kostenintensive Tieftemperaturaufmahlung nicht nötig ist.

[0049] Die Fraktion d = 0...5 mm wird über die Feststoffbrenner, die Fraktion d = 5...40 mm mittels Förderschnecke über einen Stutzen in den Vergasungsraum eingebracht.

[0050] Tabelle 3 zeigt, daß zur autothermen Vergasung des Alt-PVC ein Sauerstoffbedarf von 420 m3i.N./t Alt-PVC besteht.

[0051] Man erhält eine nahezu 100 % HCl-Ausbeute. Das HCl wird durch nachfolgende Absorption und Destillation aus dem Spaltgas gewonnen und einer weiteren Verarbeitung zugeführt. Eine Minderung der HCl-Ausbeute kann durch Metallchloridbildung im Schlackebad verursacht werden. Durch die direkte Einleitung von Sauerstoff in das Schlackebad wird ein Sauerstoffüberschuß in der Schlacke verursacht, wodurch die Metallchloridbildung der Schlackekomponenten unterdrückt wird bzw. Metallchlorid unter Cl2-Abspaltung oxidiert werden, sofern die Neigung der Elemente zur Oxidation gegenüber der Chlorierung überwiegt (vgl. freie Reaktionsenthalpie).



[0052] Das HCl-freie Spaltgas ist CO- und H2-reich und kann zur Erzeugung von Elektroenergie und Prozeßdampf genutzt werden.

[0053] Die im Alt-PVC enthaltene Kreide wird im Schlackebad in CO2 und CaO aufgespalten, wodurch eine Zugabe von Sand zur Schlacke erforderlich werden kann.
Tabelle 3
Bilanzierung für Spaltgas von Abfallstoffen im Schlackenbadvergaser (t = 1600 °C, Qv = 0)
Abfall Sauerstoffbedarf (96 Vol-% O) Spaltgasmenge Spaltgaszusammensetzung
      HCl H2 H2O CO CO2 N2
  m3 i.N./t m3 i.N./t Vol-%
Müll (NRW) 357 1230 0 13,7 42,6 23,6 17,5 1,3
Alt-PVC 422 1531 14,4 27,1 1,4 55,2 0,7 1,1


[0054] Die beiden angeführten Beispiele mit Abfallstoffen sehr unterschiedlicher Zusammensetzung zeigen, daß aus Sicht des Energiehaushaltes die Vergasung mit Sauerstoff im Schlackebad auf eine große Sortenvielfalt an Abfallstoffen ohne größere Probleme reagieren kann.


Ansprüche

1. Verfahren zur Vergasung von Abfallstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß die Vergasung einstufig in einem Vergaser (1) mit einem flüssigen, rotierenden Schlackebad (2) erfolgt.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß überschüssige Schlacke gemeinsam mit dem bei der Vergasung anfallenden Spaltgas durch einen Schlackeablauf (6) ausgetragen wird, der über das Schlackebad (2) hinausragt und in den die Schlacke durch eine seitliche Abflußöffnung abfließt.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß das Schlackebad (2) durch tangentiale Einleitung des Vergasungsmittels und/oder zumindest eines Teiles der Abfallstoffe in rotierende Bewegung versetzt wird.
 
4. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest ein Teil der Abfallstoffe in mindestens einem Feststoffbrenner (9) stückig, mit rückgeführtem Spaltgas als Trägergas dem Vergaser (1) zugeführt wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, daß Abfallstoffe mit einem Durchmesser von bis zu 5 mm oberhalb des Schlackebades (2) in den Vergaser (1) eingeführt werden und ein Strahl dieser Abfallstoffe gebildet und auf die Oberfläche des Schlackebades (2) gerichtet wird, während Abfallstoffe mit einem Durchmesser von über 5 mm bis 40 mm direkt in das Schlackebad (2) eingetragen werden.
 
6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß mindestens ein Gasbrenner (8) eingesetzt wird, der mit Sauerstoff sowie während des Anfahrens mit Erdgas und während des Betriebs mit rückgeführtem Spaltgas gespeist wird.
 
7. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß Sauerstoff durch Sauerstofflanzen direkt in das Schlackebad (2) eingespeist wird.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß in das Schlackebad (2) Sand, Kalk und/oder andere Stoffe zur Beeinflussung des Schlackeschmelzverhaltens und der Schlackeviskosität zugegeben werden.
 
9. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, daß die ausgetragene Schlacke in ein Wasserbad (4) tropfen gelassen wird und dort in einen glasartigen, nicht eluierbaren Zustand überführt wird.
 
10. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, daß das Schlackebad (2) bei Inbetriebnahme durch eine synthetische Schlacke gebildet wird.
 
11. Vorrichtung zur Vergasung von Abfallstoffen mit einem Vergasungsraum (1), dadurch gekennzeichnet, daß der Vergasungsraum (1) Einrichtungen zur Ausbildung eines rotierenden Schlackebades (2) aufweist.
 
12. Vorrichtung nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, daß der Vergasungsraum (1) eine im wesentliche zylindrische Bauform aufweist mit einem durch den Boden geführten, konzentrisch angeordneten Schlackeablauf (6).
 
13. Vorrichtung nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet, daß der Vergasungsraum (1) und der Schlackeablauf (6) aus verschweißten, druckwasserdurchströmten Flossenrohrschlangen gefertigt sind, die bestiftet und mit einer keramischen Stampfmasse belegt sind.
 
14. Vorrichtung nach einem der Ansprüche 11 bis 13, dadurch gekennzeichnet, daß ein als Schmelzzyklon ausgeführter Nachreaktionsraum (3) vorgesehen ist, in dem mit dem Spaltgas mitgerissene Schlacketröpfchen und Flugstaub abgeschieden werden.
 
15. Vorrichtung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, daß im Schmelzzyklon (3) ein mit rückgeführtem Spaltgas gespeister Zusatzbrenner (14) installiert ist.
 




Zeichnung