[0001] Die Erfindung betrifft Schuhe für Laufsportarten, bei denen insbesondere optimale
Sprint- oder Sprungleistungen gefordert werden, also insbesondere Schuhe für Kurzstreckenläufer,
Weit- und Hochspringer, aber auch für Baseballspieler, Fußballspieler, insbesondere
Torhüter oder Bobschlittenfahrer. Der erfindungsgemäße Schuh ist in der Lage, die
Abdruckkraft der Zehen wirksam zu unterstützen.
[0002] Der Bewegungsablauf beim Kurzstreckenlauf ist biomechanisch sehr gut analysiert und
in der Literatur dokumentiert (z.B. Wolf Dieter Hess "Sprint - Lauf - Gehen", Sport
Verlag Berlin):
[0003] Der Bewegungsablauf bei Sprintläufen ist gekennzeichnet durch eine sehr kurze vordere
Stützphase, da der Fuß nur wenig vor dem Körperschwerpunkt das Läufers aufgesetzt
wird, im Allgemeinen ohne daß der Fersenbereich des Fußes Bodenkontakt erhält. Kurz
nach Eintritt der hinteren Stützphase erhält auch der Zehenbereich des Fußes Bodenkontakt,
die Abstoßkraft wird aber bis kurz vor Ende der Stützphase primär durch den Innenballen
übertragen. Das Zehengelenk wird während des gesamten Vorgangs zunehmend abgewinkelt,
während Knie- und Sprunggelenk etwa gleichzeitig gestreckt werden. Erst nach fast
vollständiger Streckung des Sprungelenks bei rund 45° Vorlage des Körperschwerpunkts
(vor dem Stützpunkt) setzt die Streckung der Zehengelenke und die Verlagerung des
Hauptabstoßes auf den Zehenbereich ein. Dieser Abstoßimpuls setzt erst wenige Millisekunden
vor Beendigung der Stützphase ein und ist entsprechend kurz.
[0004] Der erfindungsgemäße Schuh bewirkt eine verkürzte Verweildauer auf dem Innenballen
und ein früheres Eintreten der Streckung der Zehengelenke. Gleichzeitig wird die Abstoßkraft
der Zehenmuskulatur unterstützt. Diese Wirkung hat mehrere positive Auswirkungen auf
die Effektiviät des Abstoßes:
[0005] Die Verkürzung der Verweilzeit und der frühere Zehenabstoß erlauben generell eine
höhere Schrittfrequenz.
Die Verlagerung des Abstoßpunktes noch in der Streckungsphase des Sprunggelenks verschafft
der Kraft des Sprunggelenks einen größeren Hebelarm.
Die Vorspannung des Schuhs beim Eintritt der Zehenstreckung verstärkt die Abstoßkraft
der Fußmuskulatur.
[0006] Die genannte Funktion wird erreicht durch eine federelastisch steife Gestaltung des
Schuhs im Vorfußbereich.
[0007] Schuhe der eingangs genannten Gattung verfügen im Vorfußbereich grundsätzlich über
eine relativ hohe Biegesteifigkeit, ohne daß diese Steifigkeit zur Unterstützung des
Zehenabdrucks einsetzbar ist. Derartige Schuhe sind im Allgemeinen mit Greifelementen
ausgestattet, die ein Wegrutschen des Fußes beim kraftvollen Abstoß verhindern. Diese
Greifelemente sind vorwiegend, bei Schuhen, die speziell für den Kurzsteckenlauf und
für die Sprungfunktion ausgelegt sind, ausschließlich im Vorfußbereich angeordnet.
In den Bereichen, in denen Greifelemente angebracht sind, muß die Sohle aus steifem
und stabilem Material bestehen, damit die hohen Kräfte, die auf die Greifelemente
wirken, von dem Schuh aufgenommen werden können. Die Sohlen bestehen daher meist aus
hochfesten technischen Kunststoffen wie Polyamid. Die Sohlen derartiger mit Greifelementen
bestückter Sohlen sind daher im Allgemeinen biegesteifer als die Sohlen anderer Laufschuhe.
[0008] Die Biegesteifigkeit von Laufschuhen ist bislang generell unerwünscht, da zur Biegung
des Schuhs Energie aufgewendet werden muß, die der Vorwärtsbeschleunigung des Läufers
verloren geht. Diese Betrachtung ist für herkömnliche Schuhe durchweg korrekt. Die
in die Biegung des Schuhs investierte Energie wird zum allergrößten Teil im Schuh
dissipiert. Die Kraft, die zur Biegung des Schuhs erforderlich war, steht bei der
Rückstellung als Abstoßkraft nicht mehr zur Verfügung.
[0009] Im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten werden die Sohlen dieser Laufschuhe daher meist
so weich wie möglich gestaltet.
[0010] Die erfindungsgemäße Schuhkonstruktion sieht eine gezielt steife Schuhkonstruktion
zumindest im Vorfußbereich vor. Die Konstruktion ist so gestaltet, daß der Schuh weitgehend
federelastische Eigenschaften hat, das heißt, daß die zur Abbiegung des Schuhs investierte
Energie gespeichert und bei der Rückstellung zurückgegeben wird.
[0011] Die Biegesteifigkeit des Schuhs ist höher bemessen als bei konventionellen Laufschuhen
der eingangs erwähnten Gattung, aber nur so hoch, daß die anatomisch natürliche Abwinkelung
der Zehen beim Abstoß weitestgehend erreicht wird. Dies ist aus mehreren Gründen wesentlich
für den Abstoßvorgang:
- der Zehenabdruck durch Zehenstreckung sollte erst bei deutlicher Vorlage des Körperschwerpunktes
eintreten, damit er eine deutliche Vorwärtskomponente aufweist, also eine hohe Beschleunigungskomponente
in Laufrichtung.
- Eine zu frühe Zehenstreckung bei geringem Vorlagewinkel des Unterschenkels resultiert
in einer verstärkten Vertikalbewegung des Körperschwerpunktes, für die ein hoher Energieeinsatz
erforderlich ist, welcher der Vorwärtsbeschleunigung entzogen wird.
[0012] Die nachfolgend dargestellte Beispielrechnung zeigt, daß eine deutlich steifere Konstruktion
möglich ist als bei konventionellen Schuhen, die dennoch einen anatomisch günstigen
Bewegungsablauf mit einer natürlichen Durchbiegung der Zehengelenke ermöglicht.
[0013] Ein Schuh, der in herkömmlicher Art seine Steifigkeit durch das Zusammenwirken der
verschiedenen Bauteile von Sohle und Oberteil erhält, hat im Allgemeinen keine federelastischen
Eigenschaften.
[0014] Bei der Deformation des üblicherweise steifsten Einzelteils, der Laufsohle aus Polyamid
oder einem ähnlichen technischen Werkstoff, wird noch ein großer Teil der Energie
elastisch gespeichert. Üblicherweise wird aber diese Laufsohle flächig mit einer Brandsohle,
häufig auch noch unter Zwischenschaltung einer geschäumten Zwischensohle verklebt.
Dieser Sandwichverbund erhält eine deutlich höhere Steifigkeit als es sich aus der
Summe der Einzelsteifigkeiten ergibt. Bei Deformation dieses Verbundes wird der größte
Teil der Energie durch Reibungsvorgänge in den Materialschichten, sowie durch die
Scherung der Schichten in Wärme umgesetzt. Die stark unterschiedlichen Eigenfrequenzen
der miteinander verklebten Bauteile, die zur resultierenden Steifigkeit des Schuhs
beitragen, bewirken eine hohe Dämpfung und damit eine hohe Energiedissipation bei
der Rückstellung. Dies bedeutet auch automatisch, daß bei der Rückstellung nur ein
geringer Teil der Reaktionsakräfte wirkt, die für die Biegung des Schuhs aufgewendet
werden mußten.
[0015] Die Deformation der weiteren Schaftkomponenten bei der Biegung verstärkt den Anteil
der dissipierten Energie, hat aber bei Laufschuhen für Kurzstreckenläufe und Sprungwettkämpfe,
deren Oberteil so leicht und dünn wie möglich und dadurch automatisch auch wenig steif
ausgeführt wird, einen eher geringen Einfluß auf die Gesamtsteifigkeit und auf die
Energiebilanz.
[0016] Der erfindungsgemäße Laufschuh erhält seine federelastischen Eigenschaften durch
ein Bauteil dominierender Steifigkeit mit federelastischen Eigenschaften. Dieses Bauteil
verhält sich bei Biegung in Schuhlängsrichtung wesentlich steifer als die Laufsohle
herkömmlicher Laufschuhe, während der Einfluß der weiterer Schuhkomponenten auf die
Gesamtsteifigkeit geringer gehalten wird.
[0017] Das zur Biegung dieses steifigkeitsbestimmenden federelastischen Bauteils alleine
erforderliche Biegemoment beträgt im Bereich der Biegezone des Schuhvorderteils bei
allen in der Praxis erreichten Biegewinkeln mehr als 50% des Biegemoments, das jeweils
zur Biegung des vollständigen Schuhs erforderlich ist.
[0018] Da auf weitere Bauteile mit hoher Steifigkeit verzichtet wird, muß das federelastische
steifigkeitsbestimmende Bauteil auch die Kräfte aufnehmen, die auf die Greifelemente
einwirken.
[0019] Gemäß einer bevorzugten Ausführung der Erfindung bildet dieses steifigkeitsbestimmende
Bauteil die Laufsohle des Schuhs oder deren wesentlichstes Bestandteil und gemäß einer
zweiten bevorzugten Ausführung bildet dieses steifigkeitsbestimmende Bauteil die Brandsohle
des Schuhs oder deren wesentlichstes Bestandteil.
[0020] Wenn dieses steifigkeitsbestimmende Bauteil Bestandteil der Laufsohle ist, so ist
darauf zu achten, daß alle weiteren Sohlenbauteile, insbesondere Zwischensohle, Brandsohle
und Einlegesohle, sowie gegebenenfalls weitere Komponenten der Laufsohle so weich
wie möglich ausgeführt sind, oder, soweit möglich, nicht verwendet werden.
[0021] Wenn das steifigkeitsbestimmende Bauteil Bestandteil der Brandsohle ist, so ist die
Laufsohle, soweit auf diese nicht verzichtet werden kann, aus dünnem elastomeren Material
auszuführen und mit Ausnehmungen oder Unterbrechungen zu versehen, die sich im wesentlichen
quer zur Schuhlängsachse erstrecken, derart, daß die Laufsohle nicht wesentlich zur
Gesamtsteifigkeit des Schuhs beiträgt. Da die Kräfte der Greifelemente unmittelbar
in die Brandsohle eingeleitet werden, kann die Laufsohle bei dieser Ausführung des
erfindungsgemäßen Laufschuhs weich und flexibel ausgeführt werden.
[0022] Das steifigkeitsbestimmende Bauteil muß sich federelastisch verhalten, das heißt,
es muß sehr genau das Hook'sche Gesetz erfüllen. Da weitere Bauteile des Schuhs wenig
Einfluß auf die Gesamtsteifigkeit haben, erfüllt auch der Schuh insgesamt gut das
Hook'sche Gesetz, was bedeutet, daß die Biegekraft linear mit der Durchbiegung ansteigt.
Nur bei einem derartigen Schuh wirkt eine Rückstellkraft, die ebenso groß ist, wie
die zur Deformation aufgewendete Kraft. Nur bei einem derartigen Schuh wird also die
Zehenabstoßkraft durch die Eigenschaften des Schuhs in optimaler Weise unterstützt.
[0023] Werkstoffe, die das Hook sche Gesetz nahezu vollkommen erfüllen, sind Federstahl
und Faserverbundwerkstoffe. Im Hinblick auf geringsmögliches Gewicht wird vorgeschlagen,
als steifigkeitsbestimmendes Bauteil ein Faserverbundbauteil zu verwenden, dessen
Verstärkungsfasern überwiegend in Richtung der Schuhlängsachse ausgerichtet sind.
[0024] Für eine Energiebetrachtung wird eine Lauf- oder Brandsohle zu Grunde gelegt, die
aus einem Faserverbundkunststoff mit unidirektionaler oder weitgehend unidirektionaler
Faserverstärkung parallel zur Richtung der Schuhlängsachse besteht.
[0025] Es wird eine Dicke des Bauteils von 2 mm angenommen.
Sofern als Verstärkungsfasern Glasfasern zum Einsatz kommen, so sind typischerweise
die folgenden mechanischen Werte erreichbar:
Festigkeit: 500 N/mm2
E - Modul: 25.000 N/mm2
spezifisches Gewicht: 1,7 g/cm3
Wenn man aus diesem Material eine Halbsohle nur für den Schuhvorderteil, wie bei
Laufschuhen für Kurzstreckenläufe üblich, auslegt, so wird diese rund 35 Gramm wiegen.
[0026] Bei einer Auslenkung um 5 cm, entsprechend einer Abwinkelung der Zehengelenke um
rund 60 Grad, dies entspricht nach Auswertung von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen etwa
dem in der Praxis maximal auftretenden Winkel, wird in diesem Faserverbundteil eine
Spannung von 150 bis 200 Newton aufgebaut. Diese Spannungswert liegt höher als 50%
des Wertes für die Bruchgrenze dieses Materials.
[0027] Bei Verwendung eines Schuhs derartiger Steifigkeit wird eine Abwinkelung der Zehengelenke
von 60 Grad vermutlich nicht erreicht. Bei einem Spitzenläufer von 70 kg Gewicht liegt
aber die Ballenabdruckkraft im letzten Viertel der Stützphase, während bereits eine
Zehenabwinkelung um 30 bis 50 Grad erreicht wird, noch über 300 N. Diese Kraft liegt
also auf jeden Fall erheblich über der Spannung des Sohlenbauteils, so daß eine Abwinkelung
in dieser Größenordnung durch diesen Schuh nicht verhindert wird.
[0028] Das Sohlenbauteil aus der Beispielrechnung hat eine Federkonstante um 4 N/mm. Diese
Feder hat bei einer Durchbiegung von 40 mm eine Energieaufnahme von rund 3 Joule.
Ihre Eigenfrequenz liegt, abhängig von der bewegten Masse, die nur abgeschätzt werden
kann. bei rund 5 bis 50 Hertz. Die Rückstellzeit nach maximaler Auslenkung liegt demnach
bei rund fünf Tausendstel bis fünf Hundertstel Sekunden und damit im einem Intervall,
das die Nutzung der zurückgegebenen Energie innerhalb der Stützphase ermöglicht.
[0029] Die Abschätzung zeigt, daß die Rückstellkraft des Schuhs als Zehenabdruckkraft genutzt
werden kann. Der zusätzliche Kraftimpuls wird am Ende der Stützphase besonders günstig
ungesetzt, da er auf Grund der Körpervorlage eine hohe Beschleunigungskomponente in
Fortbewegungsrichtung bewirkt.
[0030] Auch die gespeicherte Energie kann als Beschleunigungsenergie umgesetzt werden. Die
in dem der Rechnung zu Grunde liegenden Bauteil speicherbare Energie beträgt rund
6 Prozent der Energie, die pro Schritt durch Luftwiderstand verloren geht und ein
bis zwei Prozent der Gesamtenergie, die der Läufer bei jedem Schritt einsetzt. Der
praktisch erreichbare Geschwindigkeitsgewinn ist jedoch größer als 1 bis 2%, da die
gespeicherte Energie im günstigstmöglichen Augenblick zurückgegeben wird, nämlich
bei maximaler Schwerpunktsvorlage, wo eine größtmögliche Komponente der Abstoßkraft
in Fortbewegungsrichtung wirkt.
[0031] Wenn man an Stelle eines glasfaserverstärkten ein kohlenstofffaserverstärktes Kunststoffmaterial
in Betracht zieht, so sind auf Grund eines E-Moduls von rund 50.000 N/mm
2 Federeigenschaften erzielbar wie vorstehend berechnet mit einem Bauteil von nur 1,3
mm Dicke und rund 25 Gramm Gewicht. Bei einer Abwinkelung der Zehengelenke um 45 Grad
ist allerdings die Bruchgrenze eines derartigen Bauteils erreicht, so daß die praktische
Einsetzbarkeit eines solchen hochsteifen Materials fraglich erscheint.
[0032] Außer einem steifigkeitsbestimmenden Bauteil mit über die gesamte Längserstreckung
hinweg konstanter Steifigkeit und konstantem Querschnitt ist auch ein Bauteil vorteilhaft
einsetzbar, dessen Dicke und Steifigkeit in Längsrichtung variiert und das im Bereich
des maximalen Biegemoments entsprechend verstärkt ist.
[0033] Das vorgesehene Faserverbundmaterial mit Ausrichtung der Verstärkungsfasern parallel
zur Schuhlängsachse hat eine hohe Steifigkeit bei Biegung in Richtung der Schuhlängsachse,
jedoch eine vergleichsweise geringe Steifigkeit bei Biegung quer zur Schuhlängsachse.
Es bewirkt außerdem eine geringe Steifigkeit gegen Torsion um die Schuhlängsachse,
so daß die natürliche Torsionsfähigkeit des Fußes weitgehend unbeeinträchtigt bleibt.
[0034] Die Spitzensprengung des Schuhs ist gering zu wählen. Diese Maßnahme ermöglicht zum
einen einen großen Federweg des federelastischen Bauteils, zum anderen die vollständige
Ausnutzung des muskulären Zehenabstoßes bis zur vollständigen Zehenstreckung. Die
Spitzensprengung ist auf ein Mindestmaß zu beschränken, das ausschließt, daß der Zehenbereich
bereits vor Eintritt der Stützphase die Laufbahn berührt. Indem die Greifelemente
im Zehenbereich kürzer gehalten werden als im übrigen Sohlenbereich, ist es aber möglich,
auf eine Spitzensprengung des Leistens gänzlich zu verzichten, so daß die Zehen bei
der Streckung die natürliche Neutralposition des unbekleideten Fußes erreichen.
[0035] Weitere Einzelheiten der Erfindung werden an Hand der Figuren 1 bis 4 detailiert
erläutert.
[0036] Es zeigen:
- Figur 1.1 bis Figur 1.7:
- Prinzipskizze des Bewegungsablaufes von Unterschenkel und Fuß im Verlauf der Stützphase
beim Kurzstreckenlauf.
- Figur 2:
- Längsschnitt einer ersten bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Laufschuhs
- Figur 3:
- Längsschnitt einer zweiten bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Laufschuhs.
- Figur 4:
- Längsschnitt einer dritten bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemäßen Laufschuhs.
[0037] Figur 1.1 bis Figur 1.7 sind abgeleitet aus Bewegungsstudien (Hochgeschwindigkeitsaufnahmen)
von Hochleistungssportlern beim Kurzstreckenlauf gemäß Wolf-Dieter Heck "Sprint -
Laufen - Gehen".
[0038] In diesen Figuren sind schematisch die Gelenke und Glieder des Fußes dargestellt.
Die Bezugszeichen bedeuten:
(1) = Großzehe
(2) = Mittelfuß
(3) = Unterschenkel
(I) = Zehengrundgelenk
(II) = Fußgelenk (Sprunggelenk)
[0039] Die Momentaufnahmen 1.1 bis 1.5, sowie 1.7 zeigen den Bewegungsablauf des Fußes im
Verlauf der Stützphase beim Kurzstreckenlauf in Intervallen von zirka zwei Hundertstel
Sekunden bei Verwendung eines herkömmlichen Laufschuhs. Figur 1.6 dagegen zeigt eine
Momentaufnahme, die deutlich weniger als eine Hundertstel Sekunde vor dem Zustand
in Figur 1.7 liegt. Die vollständige Zehenstreckung findet also in weniger als einer
hundertstel Sekunde statt. Bei Verwendung des erfindungsgemäßen Schuhs wird die Zehenabwinkelung
eines unbekleideten Fußes nicht vollständig erreicht, die Zehenstreckung beginnt früher.
[0040] Figur 2 zeigt eine erste bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Sportschuhs
(11) in einer Ausführung als Laufschuh für Kurzstreckenwettkämpfe. Das Schuhoberteil
(12) ist in an sich bekannter Konstruktion aus an sich bekannten Materialien, insbesondere
Leder-, Textil- und Kunstledermaterialien zusammengesetzt, jedoch sind alle Bestandteile
des Schuhoberteils aus Materialien geringstmöglicher Steifigkeit hergestellt.
[0041] Der Schuh (11) wird in der bei Laufschuhen dieser Gattung verbreiteten Mokassinmachart
ohne Brandsohle ausgeführt.
[0042] Auf die Unterseite des Schuhoberteils (12) wird die Laufsohle (13) aufgeklebt.
[0043] Die Laufsohle (13) hat federelastische Eigenschaften, ist das steifigkeitsmäßig bestimmende
Bauteil des Schuhs und ist steifer, als bei Sohlen herkömmlicher Laufschuhe üblich.
Zur Erzielung federelastischer Eigenschaften wird für die Laufsohle faserverstärktes
Kunststoffmaterial eingesetzt, insbesondere ein Faserverbundwerkstoff mit einem hohen
Anteil langer beziehungsweise endloser Fasern, die parallel oder unter geringem Winkel
zur Schuhlängsache ausgerichtet sind.
[0044] Die Laufsohle (13) deckt vorzugsweise nicht den gesamten Fußsohlenbereich ab, sondern
nur den Vorderfußbereich (Ballen) und den Mittelfuß (Gelenk). Es wäre im Sinne dieser
Erfindung nicht funktionell, diese steife federelastische Laufsohle bis zum Absatz
durchzuziehen und würde lediglich eine unnötige Gewichtserhöhung bewirken.
[0045] Im Vorderfußbereich, dem eigentlichen Biegebereich des Schuhs deckt die Laufsohle
(13) vorzugsweise im Wesentlichen die gesamte Breite des Schuhs ab, während sie im
Mittelfußbereich vorzugsweise zum Schuhabsatz hin keilförmig zunehmend schmäler wird.
Durch diese Maßnahme wird ein allmählicher Übergang vom steifen Schuhvorderteil zum
unversteiften Fersenteil erreicht, ohne daß es am Ende der Laufsohle (13) zu einem
spürbaren Steifigkeitssprung kommt.
[0046] Es ist wesentlich, das keilförmige Ende der Laufsohle (13) durch zugsteife Elemente,
insbesondere über Bänder unmittelbar mit der Schnürung des Schuhs zu verbinden, damit
der Mittelteil des Schuhs bei Biegung des Vorderfußes nicht durch die Steifigkeit
der Sohle vom Fuß weggezogen wird. Diese zugsteifen Elemente, insbesondere Bänder
sind in den geschnittenen Darstellungen von Figur 2 bis Figur 4 nicht sichtbar.
[0047] Auf die rückwärtigen Teile der Schuhunterseite ,die bei Sprintläufen im Allgemeinen
mit dem Untergrund nicht in Kontakt kommen, sowie auf die Bereiche seitlich des keilförmigen
Endes der Laufsohle (13) im Mittelfußbereich ist vorzugsweise eine dünne und leichte
Abdeckung (16) aufgeklebt. Diese Abdeckung kommt primär im Stand, beim Gehen und beim
Abstoppen nach dem Ende des Sprintlaufs in Bodenberührung. Gemäß Figur 2 bis Figur
4 ist die Abdeckung (16) ein Formteil aus elatomerem Kunststoffmaterial, in das zur
Schaffung einer gewissen Rutschfestigkeit Profile, Spitzen oder Dorne (161) eingeformt
sind. Es ist aber auch möglich, als Abdeckung (16) einen Zuschnitt aus einem rutschfesten
Gummimaterial oder aus einem als "Haifischhaut" bekannten, mit einem elastischen Harz
getränkten Textilmaterial aufzukleben.
[0048] Der erfindungsgemäße Sportschuh ist in der Ausführung gemäß Figur 2 mit Greifelementen
(17) mit Schraubgewinde (171) ausgestattet, wie es bei Laufschuhen der dargestellten
Gattung üblich ist. In der dargestellten Ausführungsform wird zu diesem Zweck ein
Greifelemente-Träger (131) im Schuhvorderteil laufflächenseitig auf der Laufsohle
(13) montiert, vorzugsweise aufgeklebt. Der Greifelemente-Träger (131) entspricht
einer konventionellen Halbsohle aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, wie sie
in konventionellen Schuhen für Kurzstreckenläufe zum Einsatz kommt, jedoch reduziert
auf die eigentlichen Gewindepositionen, verbunden durch dünne Stege (132) aus Kunststoff.
Vorzugsweise wird der Greifelemente-Träger (131) aus einem elastomerem Kunststoff
geringerer Steifigkeit hergestellt, als bei konventionellen Laufschuh-Halbsohlen üblich.
Durch diese Maßnahme und durch die weitgehende Isolierung der einzelnen Greifelement-Positionen
trägt der Greifelemente-Träger (131) nur unwesentlich zur Gesamtsteifigkeit des Lauf
schuhs (11) bei.
[0049] Es ist bei herkömmlichen Laufschuhen für Kurzstreckenläufe üblich, zwischen den Greifelementen
und der Sohle Unterlegscheiben aus Kunststoff zu montieren, wobei an diese Unterlegscheiben
Spitzen angeformt sind, die als Zusatzgreifelemente die Rutschfestigkeit der Sohle
weiter verbessern. Diese Maßnahme ist auch bei dem erfindungsgemäßen Schuh sinnvoll.
Die Unterlegscheiben selbst sind in Figur 2 nicht dargestellt, jedoch die angeformten
Spitzen (181).
[0050] Der besondere Vorteil der in Figur 2 dargestellten Ausführungsform besteht darin,
daß keine Brandsohle Gewicht und Steifigkeit des Schuhs beeinflußt und daß die Greifelemente
mit industrieüblichen Maßnahmen integriert werden können.
[0051] Eine weitere bevorzugte Ausführungsform für einen Laufschuh (11) für Kurzstreckenläufe,
bei der das Steifigkeitsbestimmende Bauteil ebenfalls als Laufsohle (23) zum Einsatz
kommt, zeigt Figur 3. Bei diesem Schuh (11) wird, wie bei bei Laufschuhen dieser Gattung
ebenfalls gebräuchlich, eine Brandsohle (24) nur im Bereich des Schuhvorderteils eingesetzt,
während der Rückfuß ohne Brandsohle in Mokassinmachart ausgeführt ist.
[0052] Die Brandsohle (24) besteht aus gebräuchlichen Werkstoffen, beispielsweise aus Lederfaser-Material,
ist aber äußerst dünn und weich ausgeführt, um Gewicht und Steifigkeit des Gesamtschuh
geringstmöglich zu beeinflußen.
[0053] Auf die Unterseite des Schuhoberteils (22) wird zunächst eine Zwischensohle (25)
und dann das steifigkeitsbestimmende Bauteil als Laufsohle (23) aufgeklebt. Die Zwischensohle
besteht aus Weichschaummaterial, insbesondere aus geschäumtem Ethylen-Vinyl-Acetat
Oder Polyurethan, wobei eine geringere Dichte und Härte verwendet wird, als bei konentionellen
Laufschuhen dieser Gattung üblich. Diese Maßnahme bewirkt eine weitgehende Entkopplung
der Laufsohle (23) von der Brandsohle (24), so daß geringere Scher- und Reibungskräfte
in dem Sohlenaufbau auftreten und daß eine geringe Versteifung durch das Zusammenwirken
von Brand- und Laufsohle auftritt.
[0054] Die Laufsohle (23) hat federelastische Eigenschaften und ist ausgeführt wie die Laufsohle
(13) gemäß Figur 2 Die Laufsohle (23) wird von einer Umrandung (26) aus einem Material
geringer Steifigkeit umgeben. Diese Umrandung wird entweder nach der Montage der Laufsohle
aufgeklebt oder sie wird aus thermoplastischem Kunststoff auf die Laufsohle (23) aufgespritzt.
Die Umrandung (26) kann gestaltet sein, wie die Abdeckung (16) gemäß Figur 2, jedoch
deckt sie nicht nur den Rückfußbereich der Sohle ab, sondern umrandet auch den Sohlenvorderteil.
Aufgabe der Umrandung ist es, einen Sohlenrand auszubilden, der an das Schuhoberteil
(22) anschließt, da sich Unmittelbar an der Laufsohle (23) aus Faserverbundmaterial
herstelltechnisch nur mit hohem Aufwand ein befriedigender Randabschluß ausbilden
läßt. Außerdem ist in die Umrandung (26) eine Profilierung, insbesondere eine Vielzahl
von Spitzen (262) eingeformt, welche die Rutschfestigkeit des Schuhs insbesondere
beim Kurvenlauf erhöht.
[0055] Auch in dieser Ausführung kommen allgemein gebräuchliche Greifelemente (27) mit Schraubgewinde
(271) zum Einsatz. Im Gegensatz zur Ausführung gemäß Figur 2 wird aber kein Greifelemente-Träger
aus thermoplastischem Kunststoff verwendet.
[0056] Daher werden Gewindeeinsätze (28) in einer Machart, die bei Fußballschuhen gebräuchlich
ist, von der Schuhinnenseite her in Brandsohle (24), Zwischensohle (25) und Laufsohle
(23), die zuvor zu diesem Zweck durchbohrt wurden, eingepreßt. Durch das Einschrauben
der Greifelemente (27) werden die Gewindeeinsätze (28) gegen die Laufsohle (23) gezogen
und in dem weichen Material der Brandsohle (24) und der Zwischensohle (25) versenkt.
Auch in dieser Ausführung werden zwischen der Laufsohle (23) und den Greifelementen
(27) Unterlegscheiben (29) aus Kunststoff mit angeformten Spikes (291) montiert. Die
Gewindeeinsätze (28) stützen sich über ihre Verankerungsspitzen (281) gegen die Laufsohle
(23) ab, wobei diese Verankerungsspitzen (281) partiell in das Material der Laufsohle
(23) eindringen und dadurch für eine Verdrehsicherung sorgen.
[0057] Die Ausführungsform gemäß Figur 3 eignet sich besonders für die Anwendung der Erfindung
bei Schuhen mit Brandsohlen und ist insbesondere bei Kleinserien- und Einzelstückfertigung
vorteilhaft, weil keine Spritzgußformen benötigt werden.
[0058] Figur 4 zeigt eine weitere bevorzugte Ausführungsform der Erfindung.
[0059] Das steifigkeitsbestimmende Bauteil ist in gleicher Weise wie nach Figur 2 und 3
als glasfaserverstärktes Kunststoffteil mit weitgehend unidirektionaler Faserausrichtung
ausgelegt und hat auch im Wesentlichen die selben Eigenschaften. Jedoch wird dieses
steifigkeitsbestimmende Bauteil in dieser Ausführungsform als Brandsohle (34) eingesetzt.
[0060] An Stelle einer herkömmlichen Laufsohle wird nur ein Greifelemente-Träger (331) verwendet.
Es können mehrere getrennte Träger (331) nur dort eingesetzt werden, wo Gewindeeinsätze
(nicht dargestellt) und Greifelemente (37) anzubringen sind, oder es wird ein über
Stege (332) zusammenhängender Träger (331) verwendet. Diese Stege (332) sind im Sinne
eines möglichst geringen Steifigkeitseinflußes so dünn wie spritztechnisch möglich
ausgeführt. Die Stege (332) können auch aus elastomerem Material geringer Steifigkeit
ausgeführt sein. Der gesamte Greifelement-Träger (331) ist in diesem Fall ein Hart/Weich-Verbundbauteil,
derart, daß die Gewindeeinsätze in steifes Material eingebettet sind, welches durch
elastomere Stege (332) unterbrochen ist.
[0061] Im Sinne einer geringen Gesamtsteifigkeit enthält das Trägerbauteil (331) Aussparungen,
in denen die Oberfläche der Brandsohle (34) offen liegt.
[0062] Der Greifelement-Träger (331) kann insbesondere identisch ausgeführt sein, wie der
Greifelement-Träger (131) gemäß Figur 2.
[0063] In das harte Kunststoffmaterial des Greifelement-Trägers (331) können Kunststoff-Greifelemente
(333) eingeformt sein. Außerdem können wie in den zuvor beschriebenen Ausführungsformen
Unterlegscheiben mit angeformten Spitzen (391) zum Einsatz kommen.
[0064] Das Oberteil (32) des Schuhs (11) ist wie gemäß Figur 2 und Figur 3 im Übrigen grundsätzlich
konventionell ausgeführt. Es ist jedoch so gestaltet, daß keine Schaftbauteile hoher
Steifigkeit so angeordnet sind, daß sie bei Abwinkelung der Zehen unter hohe Spannung
gesetzt werden.
1. Sportschuh (11) für Laufsportarten, in denen besondere Anforderungen an Sprint- oder
Sprungleistungen gestellt werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß in dem Sportschuh (11) ein Bauteil angeordnet ist, das die Steifigkeit des Schuhs
in seiner Längsrichtung bestimmt, derart daß das zur Biegung dieses steifigkeitsbestimmenden
Bauteils in Richtung der Schuhlängsachse im natürlichen Biegebereich des Fußes in
einem Winkelbereich von 0° bis 50° erforderliche Biegemoment mehr als 50% des Biegemomentes
beträgt, das zur Biegung des vollständigen Schuhs (11) um den selben Winkelbetrag
erforderlich ist und daß dieses steifigkeitsbestimmende Bauteil ein Federstahlbauteil
oder ein Hochleistungsfaserverbundbauteil mit einer Verstärkung aus langen, vorzugsweise
über die gesamte Ausdehnung des Bauteils sich erstreckenden hochfesten Multifilamentfasern
und nicht isotropen mechanischen Eigenschaften ist.
2. Sportschuh (11) nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das steifigkeitsbestimmende Bauteil ein Kunststoffteil ist mit einer Verstärkung
aus Glas- oder Kohlenstofffasern, insbesondere ein Hochleistungsfaserverbundbauteil
mit orientiert eingebrachten Verstärkungsfasern, wobei die Länge der Einzelfasern
im Wesentlichen den Abmessungen des Bauteils entspricht.
3. Sportschuh (11) nach Anspruch 1 und 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß das steifigkeitsbestimmende Bauteil ein Hochleistungsfaserverbundbauteil ist,
wobei mehr als die Hälfte der Verstärkungsfasern parallel oder unter kleinem Winkel
zur Schuhlängsachse ausgerichtet ist, so daß das steifigkeitsbestimmende Bauteil in
Richtung der Schuhlängsachse eine höhere Materialsteifigkeit aufweist als in allen
anderen Raumrichtungen.
4. Sportschuh (11) nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß das steifigkeitsbestimmende Bauteil als Brandsohle (34), Zwischensohle oder als
Laufsohle (13,23) des Schuhs (11) ausgebildet oder Bestandteil der Brand- (34), Zwischen-
oder Laufsohle (13,23) des Schuhs (11) ist.
5. Sportschuh (11) nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Federkonstante des steifigkeitsbestimmenden Bauteils bei einer Biegung um
die Querachse des Schuhs 1 N/mm bis 6 N/mm beträgt.
6. Sportschuh (11) nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5 mit einem als Brandsohle
34 eingesetzten steifigkeitsbestimmenden Bauteil,
dadurch gekennzeichnet,
daß an Stelle einer Laufsohle laufflächenseitig ein Greifelemente-Träger (331) für
die Greifelemente (37) angebracht ist, der die Bereiche umfaßt, in denen Greifelemente
(37) angebracht werden.
7. Sportschuh (11) nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5 mit einem als Laufsohle
(13) eingesetzten steifigkeitsbestimmenden Bauteil,
dadurch gekennzeichnet,
daß laufflächenseitig auf der Laufsohle (13) ein Greifelemente-Träger (131) für die
Greifelemente (17) angebracht ist, der die Bereiche umfaßt, in denen Greifelemente
(17) angebracht werden.
8. Sportschuh (11) nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5 mit einem als Laufsohle
(23) eingesetzten
Steifigkeitsbestimmenden Bauteil,
dadurch gekennzeichnet,
daß Gewindeeinsätze (28) für Greifelemente (27) mit Schraubgewinde von der Schuhinnenseite
her durch die vorher perforierte Brand- (24) , Zwischen- (25) und Laufsohle (23) eingepreßt
werden und daß die an den Gewindeeinsätzen (28) angeformten Verankerungsspitzen (281)
in die rückseitige Oberfläche der Laufsohle (23) eingreifen.