(19)
(11) EP 0 933 441 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
04.08.1999  Patentblatt  1999/31

(21) Anmeldenummer: 98810062.4

(22) Anmeldetag:  29.01.1998
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C22F 1/043, C22F 1/05
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(71) Anmelder: Alusuisse Technology & Management AG
8212 Neuhausen am Rheinfall (CH)

(72) Erfinder:
  • Winkler, Reinhard
    78234 Engen (DE)
  • Höllrigl, Günther
    8200 Schaffhausen (CH)

   


(54) Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen


(57) Bei einem Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles aus einer durch Aussscheidung von Mg2Si aushärtbaren Aluminiumlegierung mit Si- und/oder Mg2Si -Eutektikum durch Druckgiessen wird das Bauteil nach dem Druckgiessen zur Erhöhung der Duktilität auf das gewünschte Mass in einem Temperaturbereich von 320 bis 410°C während einer Zeitdauer von 320 bis 10 min einer Heterogenisierungsglühung unterworfen. Vor der Heterogenisierungsglühung wird das Bauteil zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus im Temperaturbereich der Ausscheidungshärtung von Mg2Si im abfallenden Teil der Härtekurve ausgehärtet. Mit dieser gezielten Heterogenisierungsglühung kann ein optimales Verhältnis von Streckgrenze und Bruchdehnung ohne Durchführung einer Hochglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung eingestellt werden.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles aus einer durch Ausscheidung von Mg2Si aushärtbaren Aluminiumlegierung mit Si- und/oder Mg2Si-Eutektikum durch Druckgiessen. Im Rahmen der Erfindung liegt auch eine Anwendung des Verfahrens sowie die Verwendung eines mit dem Verfahren hergestellten Bauteiles.

[0002] Das Crashverhalten ist im Fahrzeugbau ein zunehmend wichtiger Aspekt. Dies gilt für den Strassenverkehr ebenso wie für den Schienenverkehr.

[0003] Hersteller von Strassen- und Schienenfahrzeugen gehen immer mehr dazu über, spezielle Bauelemente oder sogar ganze Baugruppen des Fahrzeuges so zu dimensionieren, dass diese bei einem Zusammenstoss möglichst viel Energie absorbieren, um damit das Verletzungsrisiko der Passagiere zu verringern.

[0004] Neben der konstruktiven Gestaltung dieser sogenannten crashrelevanten Bauteile sind die mechanischen Eigenschaften der eingesetzten Werkstoffe von ausschlaggebender Bedeutung. Angestrebt wird eine möglichst grosse Absorption von Energie vor dem Bruch.

[0005] Das Druckgiessverfahren ermöglicht bei hohen Stückzahlen die kostengünstige Herstellung dünnwandiger Gussstücke, wie sie als crashrelevante Bauteile im Automobilbau eingesetzt werden Dünnwandige Teile stellen hohe Anforderungen an die Giessbarkeit. Aluminiumlegierungen, welche die an das Fliessverhalten bzw. Formfüllungsvermögen gestellten Anforderungen erfüllen können sind Legierungen mit einem Si- und/oder Mg2Si-Eutektikum.

[0006] Bauteile mit teilweise geringen Wandstärken, wie sie beispielsweise als Strukturbauteile im Automobilbau eingesetzt werden, verriehen sich beim Abschrecken und müssen daher gerichtet werden. Zudem kann die hohe Glühtemperatur infolge einer Restgasporosität zu Blasenbildung an der Oberfläche der Bauteile führen. Zur Herstellung von Strukturbauteilen der genannten Art durch Druckgiessen wurde deshalb nach Möglichkeiten gesucht, die geforderten Festigkeits- und Dehnungswerte auch ohne Durchführung einer Lösungsglühung zu erzielen.

[0007] Für crashrelevante Bauteile im Automobilbau wird der Schwerpunkt auf die Duktilität, also auf das Verformungsvermögen und auf den duktilen Bruch, ausgedrückt durch die Bruchdehnung (A5), gelegt. Die Festigkeit, ausgedrückt durch die 0.2% Streckgrenze (Rp 0.2), kann dabei relativ tiefe Werte annehmen. An einen Werkstoff für die Herstellung crashrelevanter Bauteile werden beispielsweise folgende Bedingungen gestellt:

Streckgrenze Rp0.2 > 120 MPa

Bruchdehnung A5 > 15%



[0008] Aus Gründen der Formstabilität müssen die genannten Minimalwerte ohne Durchführung einer Hochtemperaturglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung erreicht werden können. Diese Bedingung scheint im Zusammenhang mit den geforderten mechanischen Eigenschaften nach dem heutigen Kenntnisstand nicht erfüllbar zu sein.

[0009] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Wärmebehandlung zu finden, mit welcher eine hohe Bruchdehnung bei ausreichender Streckgrenze erreicht werden kann.

[0010] Zur erfindungsgemässen Lösung der Aufgabe führt, dass das Bauteil nach dem Druckgiessen zur Erhöhung der Duktilität auf das gewünschte Mass in einem Temperaturbereich von 320 bis 410° C während einer Zeitdauer von 320 bis 10 min einer Heterogenisierungsglühung unterworfen wird. Der bevorzugte Temperaturbereich für die Heterogenisierungsglühung liegt etwa zwischen 350 und 380° C.

[0011] Die erfindungsgemässe Heterogenisierungsglühung ist zugleich eine Glühung, bei der die Übersättigung der raschen Erstarrung abgebaut wird. Für die hierzu erforderliche Diffusion von Si ist deshalb eine Glühung in einem Temperaturbereich zwischen etwa 350 und 380° C besonders vorteilhaft. Mit dieser Heterogenisierungsglühung wird erreicht, dass die Al-Matrix vollkommen duktil wird. Das Crashverhalten des Bauteiles wird verbessert, weil sich während des duktilen Bruches grössere Verformungswege ergeben.

[0012] Ein wesentlicher Aspekt des erfindungsgemässen Wärmebehandlungsverfahrens liegt darin, dass auf eine Hochtemperaturglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung verzichtet und das Bauteil verzugsfrei hergestellt werden kann.

[0013] Zur optimalen Einstellung der Werte für die Streckgrenze und die Bruchdehnung wird das Bauteil vor der Heterogenisierungsglühung zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus bevorzugt im Temperaturbereich der Ausscheidungshartung von Mg2Si im abfallenden Teil der Härtekurve ausgehärtet. Diese Voraushärtung bringt ein höheres Festigkeitsniveau als im Gusszustand und stellt somit einen definierten Ausgangszustand her.

[0014] Die verwendeten Temperaturen und Zeiten für diese Voraushärtung liegen im Überhärtungsbereich und haben zum Ziel, eine möglichst homogene Vorentmischung von Mg2Si-Ausscheidungen zu erzeugen. Damit wird erreicht, dass die Heterogenisierungsglühung mit kurzen Diffusionswegen, d.h. mit kürzeren Zeiten ablaufen kann und sich demzufolge ein bezüglich der vergröberten Mg2Si-Teilchen sehr homogenes Gefüge einstellt.

[0015] Bevorzugt wird die Voraushärtung in einem Temperaturbereich von etwa 190 bis 210° C durchgeführt.

[0016] Eine rasche Erstarrung dünnwandiger Gussteile führt zu hoher Si-Übersättigung, welche grösser als die Gleichgewichtslöslichkeit (>1.60% Si) sein kann. Die nach dem Stand der Technik üblicherweise durchgeführte Wärmebehandlung bei 490 bis 530°C mit anschliessender Abschreckbehandlung in Wasser reduziert die Si-Übersättigung auf 0,7 bis 0,8% Si, wobei gleichzeitig die Voraussetzung geschaffen wird, das Werkstück durch Ausscheidungshärtung von Mg2Si auf höhere Festigkeit zu bringen. Der Anstieg der Duktilität, meistens ermittelt als A5-Bruchdehnung durch Zugprüfung, ist durch Abbau der Si-Übersättigung und durch gleichzeitige Abrundung (Einformung) des Si- bzw. Mg2Si-Eutektikums erklärbar.

[0017] Der wesentliche Kern der vorliegenden Erfindung liegt darin, die Überhärtung der Al-Matrix so zu steuern, dass die gewünschte Streckgrenze erreicht wird. Gleichzeitig soll die bei höherer Temperatur ablaufende Diffusion des Si einen raschen Abbau der hohen Guss-Übersättigung von Si ermöglichen.

[0018] Im Rahmen des erfindungsgemässen Verfahrens wurde festgestellt, dass bereits kurzzeitige Glühungen im Temperaturbereich der Mg2Si-Entmischung (Überhärtung) ausreichen, um die Duktilität auf das gewünschte Mass zu erhöhen. Der Konzentrationsausgleich des Si durch Diffusion bei Temperaturen unter etwa 400°C und damit der notwendige Abbau der Gussübersättigung wird vor allem ermöglicht durch die hohe Erstarrungsgeschwindigkeit beim Druckgiessen und die damit verbundene hohe Leerstellendichte.

[0019] Wird die Vergröberung der Aushärtungsphase Mg2Si gezielt gesteuert, indem man die erwähnte Voraushärtung im Temperaturbereich der Ausscheidunghärtung von Mg2Si im abfallenden Teil der Härtekurve der Heterogenisierungsglügung voranstellt, kann ein optimales Verhältnis von Streckgrenze und Bruchdehnung erreicht werden. Erfindungsgemäss wird die Entmischungreaktion des Mg2Si durch Vergröberung der bereits vorhandenen Mg2Si-Teilchen kontrolliert gesteuert.

[0020] Eine bevorzugt eingesetzte Aluminiumlegierung enthält als wesentliche Legierungselemente 2.0 bis 11.0 Gew.-% Si und 0.10 bis 5.5 Gew.-% Mg. Wahlweise kann die Aluminiumlegierung noch 0.1 bis 0.5 Gew.-% Fe sowie 0.1 bis 1.2 Gew.-% Mn enthalten.

[0021] Die Aluminiumlegierung kann weitere Elemente einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, sowie Aluminium als Rest nebst herstellungsbedingten Verunreinigungen enthalten.

[0022] Zweckmässigerweise erfolgt die Heterogenisierungsglühung kontinuierlich in einem Durchlaufofen, vorzugsweise im Durchgang durch eine Heizzone mit steuerbarem Wärmeübergang.

[0023] Die erfindungsgemäss bevorzugte Kombination von Voraushärtung und Heterogenisierungglühung führt m einer gezielten Heterogenisierung, welche zusammenfassend folgende Vorteile beinhaltet:
  • Das Werkstoffverhalten zeichnet sich durch einen duktilen Bruch aus und führt zu guten Crasheigenschaften des Bauteiles.
  • Der Abbau der Si-Übersättigung erfolgt bei Temperaturen unterhalb von etwa 400° C.
  • Es ist keine Abschreckbehandlung erforderlich, so dass Bauteile ohne Verzug hergestellt werden können. Das erfindungsgemässe Verfahren erlaubt auch eine Abkühlung von Bauteilen im Ofen.
  • Die gegenläufigen Werkstoffkennwerte wie Rp0.2 und A5 sind gezielt einstellbar, bevorzugt im Bereich tiefer Streckgrenzen (Rp0.2:115 bis 140 MPa).
  • Eine infolge kürzerer Diffusionswege mögliche kürzere Glühdauer bei der Heterogenisierungsglühung ermöglicht eine kontinuierliche Glühung in einem Durchlaufofen.


[0024] Das bevorzugte Anwendungsgebiet des erfindungsgemässen Verfahrens liegt in der Herstellung dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische Energie durch plastische Verformung, d.h. crashrelevanter Bauteile, wie sie als Sicherheitsteile im Fahrzeugbau und insbesondere im Automobilbau eingesetzt werden.

[0025] Die vorteilhafte Wirkung der erfindungsgemässen Wärmebehandlung ergibt sich aus den nachfolgend zusammengestellten Versuchsergebnissen beispielhafter Legierungen.

[0026] Fig. 1 zeigt schematisch die Bedingungen für die Voraushärtung im Temperaturbereich der Ausscheidungshärtung von Mg2Si im abfallenden Teil der Härtkurve für drei verschiedene Glühtemperaturen.

Beispiele



[0027] Die untersuchten Legierungen sind in Tabelle 1 zusammengestellt.
Tabelle 1
Legierung Zusammensetzung (Gew.-%)
  Si Fe Mn Mg Ti
1 2.5 0.1 0.68 5.4 0.14
2 10.4 0.1 0.57 0.11 0.04


[0028] Aus den Legierungen 1 und 2 wurden Bauteile im Druckgiessverfahren hergestellt und nachfolgend verschiedenen Wärmebehandlungen unterzogen. Anschliessend wurden aus den Gussteilen Probestäbe für Zugversuche herausgearbeitet und an diesen die mechanischen Eigenschaften ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst.

[0029] Die Versuche zeigen deutlich die Vorteilhaftigkeit der erfindungsgemässen Wärmebehandlung zur Erzielung eines optimalen Verhältnisses von Bruchdehnung und Streckgrenze am gegossenen Bauteil.




Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles aus einer durch Aussscheidung von Mg2Si aushärtbaren Aluminiumlegierung mit Si- und/oder Mg2Si-Eutektikum durch Druckgiessen,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Bauteil nach dem Druckgiessen zur Erhöhung der Duktilität auf das gewünschte Mass in einem Temperaturbereich von 320 bis 410°C während einer Zeitdauer von 320 bis 10 min einer Heterogenisierungsglühung unterworfen wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Heterogenisierungsglühung in einem Temperaturbereich zwischen etwa 350°C und 380°C durchgeführt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil vor der Heterogenisierungsglühung zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus im Temperaturbereich der Ausscheidungshärtung von Mg2Si im abfallenden Teil der Härtekurve ausgehärtet wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3 , dadurch gekennzeichnet, dass die Aushärtung in einem Temperaturbereich von etwa 190 bis 210°C durchgeführt wird.
 
5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Aluminiumlegierung als wesentliche Legierungselemente 2.0 bis 11.0 Gew.-% Si und 0.10 bis 5.5 Gew.-% Mg enthält.
 
6. Verfahren nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Aluminiumlegierung noch 0.1 bis 0.5 Gew.-% Fe und 0.2 bis 1.2 Gew.-% Mn enthält.
 
7. Verfahren nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet, dass die Aluminiumlegierung weitere Elemente einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, sowie Aluminium als Rest nebst herstellungsbedingten Verunreinigungen enthält.
 
8. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Heterogenisierungsglühung kontinuierlich in einem Durchlaufofen durchgeführt wird.
 
9. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 8 zur Herstellung dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische Energie durch plastische Verformung.
 
10. Verwendung eines mit dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 8 hergestellten Bauteiles als Sicherheitsteil im Fahrzeugbau.
 




Zeichnung







Recherchenbericht