(19)
(11) EP 0 936 125 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
18.08.1999  Patentblatt  1999/33

(21) Anmeldenummer: 99102259.1

(22) Anmeldetag:  05.02.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6B61F 5/38, B61F 3/16, B61C 9/52
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 10.02.1998 DE 19805268

(71) Anmelder: Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
53175 Bonn (DE)

(72) Erfinder:
  • Gretzschel, Moritz
    81375 München (DE)
  • Jaschinski, Alfred, Dr.
    82205 Gilching (DE)

(74) Vertreter: von Kirschbaum, Albrecht, Dipl.-Ing. 
Patentanwalt, Bahnhofplatz 2
82102 Germering
82102 Germering (DE)

   


(54) Verfahren zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens


(57) Zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs, bei dem die Räder jeder Achseinheit drehfest mit jeweils einer Halbwelle verbunden sind, wird zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl eingeleitet. Über eine Regelung werden verschiedene aktive, semi-aktive oder passive Charakteristiken eingestellt.
Wenn die Halbwellen mindestens einer Achseinheit die Wellen von zum Antrieb verwendeten Elektromotoren sind, wird unabhängig vom jeweiligen Antriebs- oder Bremsmoment durch entsprechende Ansteuerung der Antriebsmotore ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder überlagert. Über eine Regelung werden dann unterschiedliche aktive Charakteristiken eingestellt.
Wenn pro Achseinheit deren Halbwellen über ein von einem Servomotor beaufschlagtes Getriebe gekoppelt sind steht unabhängig von der Absolutdrehzahl der Räder einer Achseinheit die Relativdrehzahl dieser Räder in einem festen Verhältnis zur Drehzahl des Servomotors, von dem über das Getriebe ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder eingeleitet wird.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs und eine Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

[0002] Als Achseinheit wird nachfolgend eine Baugruppe bezeichnet, die Zwei einander gegenüberliegende Schienenräder enthält, welche im Gegensatz zur starren Welle des herkömmlichen Radsatzes mechanisch oder elektrodynamisch derart gekoppelt sind, daß ein freier Eingriff in das von Rad zu Rad übertragene Drehmoment und somit eine Beeinflussung der Relativbewegung der Räder zueinander möglich ist.

[0003] Mit bisher gebräuchlichen starren Radsätzen bzw. mit Losrädern kann in die Fahrdynamik von Schienenfahrzeugen über die konstruktive Gestaltung von Rad- bzw. Radsatzaufhängung nur unbefriedigend eingegriffen werden. Eine Beeinflussung eines Fahrzeugslaufs, insbesondere hinsichtlich einer deutlichen Verschleißreduktion und einer entsprechenden Komfortverbesserung auch bei hohen Geschwindigkeiten kann nur durch einen direkten Eingriff in die Radsatzkinematik erfolgen.

[0004] In DE 95 0011 ist vorgeschlagen, die Achse zwischen den Rädern eines Radsatzes aufzuschneiden, und eine einstellbare Reibbremse als Verbindungselement dazwischen einzusetzen. Ferner ist auch das Einsetzen eines Torsionsdämpfers als Verbindungselement vorgeschlagen worden (siehe Benington C.K., The Railway Wheelset and Suspension Unit as a Closed Loop Guidance Control System, Journ. Of Mech. Eng. Science, Vol. 10, Nr. 2, 1968). Bei entsprechend ausgelegter Dämpfung konnte die Fahrstabilität im Geradeauslauf für ein Fahrzeug mit torsionsgedämpften Radsätzen erheblich gesteigert werden, wobei die eingestellte Dämpfung für jeweils einen bestimmten Geschwindigkeitsbereich optimal sein kann.

[0005] Dieses Konzept ist in DE 30 19 573 C2 dadurch weiter entwickelt, daß anstelle eines fest eingestellten Drehdämpfers eine elektrisch ansteuerbare Magnetpulverkupplung benutzt wird, um das Relativmoment zwischen den beiden Rädern eines Radsatzes zu beeinflussen.

[0006] Um eine Drehzahldifferenz zwischen den Rädern einer Achse vorzugeben, ist in DE 22 59 035 A1 ein Antrieb eines Radsatzes über ein Differentialgetriebe vorgeschlagen, wobei dem Getriebekäfig ein Elektromotor zugeordnet ist. In welcher Weise diese Drehzahldifferenz gewählt wird, ist nicht ausgeführt, ferner ist bei diesem Vorschlag der Motor direkt auf der Radsatzwelle mit dieser mitdrehend gelagert. Hierdurch wird wiederum die ungefederte Masse erhöht und es ergeben sich zusätzliche elektrisch und schwingungstechnische Probleme.

[0007] Aufgabe der Erfindung ist es, unter Vermeidung der Nachteile der vorstehend beschriebenen Lösungsansätze ein Verfahren zur Spurführung bzw. zur passiven, semi-aktiven oder aktiven Beeinflussung der Fahrdynamik von Fahrzeugen zu realisieren. Gemäß der Erfindung ist dies bei einem Verfahren zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 durch die Merkmale in dessen kennzeichnenden Teil erreicht. Die weiteren Ansprüche beziehen sich auf die Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens.

[0008] Gemäß der Erfindung wird bei einem Verfahren zur Spurführung eines Schienenfahrzeugs zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl eingeleitet, und über eine Regelung werden verschiedene aktive, semi-aktive oder passive Charakteristiken eingestellt. Somit zeichnet sich die erfindungsgemäße Lösung dadurch aus, daß ein zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit wirkendes Relativmoment unabhängig von deren momentaner Relativbewegung mit Hilfe von außen zugeführter Energie beliebig beeinflußbar ist.

[0009] Wenn die Halbwellen mindestens einer Achseinheit die Wellen von zum Antrieb verwendeten Elektromotoren sind, wird gemäß einer ersten vorteilhaften Vorrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens abhängig vom jeweiligen Antriebs- oder Bremsmoment durch entsprechende Ansteuerungen der Antriebsmotore ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder überlagert und es werden über eine Regelung unterschiedliche aktive Charakteristiken eingestellt.

[0010] Wenn pro Achseinheit deren Halbwellen über ein von einem Servomotor beaufschlagtes Getriebe gekoppelt sind, steht gemäß einer zweiten vorteilhaften Ausbildung unabhängig von der Absolutdrehzahl der Räder einer Achseinheit die Relativdrehzahl dieser Räder in einem festen Verhältnis zur Drehzahl des Servomotors, von welchem dann über das Getriebe ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder eingeleitet wird. Am Servomotor werden dann verschiedene passive Charakteristiken eingestellt oder es werden über eine Regelung verschiedene in Abhängigkeit von einer Gierbewegung des Fahrzeugs geregelte semi-aktive oder aktive Charakteristiken eingestellt.

[0011] Gemäß einer bevorzugten Ausgestaltung der Erfindung kann der Servomotor mit einem feststehenden Gehäuse außerhalb der Antriebseinheit und damit dann weitgehend getrennt von der Masse der Achseinheit und deren Schwingungen angeordnet sein.

[0012] Im Gegensatz zu herkömmlichen Differentialgetrieben ist gemäß der Erfindung ein Überlagerungsgetriebe vorgesehen, durch welches eine beliebige Relativverdrehung der beiden Räder unabhängig von deren absoluter Drehzahl übertragen wird. Es muß somit nur das für das Eigenlenkverhalten der Achseinheit relevante Relativmoment mit dem Servomotor erzeugt werden. Daher kann das erfindungsgemäße Prinzip beispielsweise auch bei nicht angetriebenen Achseinheiten Anwendung finden.

[0013] Aufgrund der besonderen Gestaltung des Überlagerungsgetriebes wirkt sich eine eventuelle Relativbewegung der Schienenräder gegeneinander lediglich in einer Drehbewegung der Motorwelle aus, mit der beispielsweise ein Sonnenrad drehfest verbunden ist; alle anderen Komponenten eines über das Sonnenrad angetriebenen Planetengetriebes sind stets in immer gleichem Drehsinn im Umlauf.

[0014] Daher muß bei Auftreten einer Relativbewegung als mechanischer Widerstand nur der vernachlässigbare Reibwiderstand der Motorwelle selbst überwunden werden, so daß sich die Achseinheit ohne anliegendes Motormoment bzw. bei Ausfall der Elektronik nahezu wie ein Losradsatz verhält.

[0015] Beim Anliegen eines sehr kleinen, zur Steuerung des Laufs ausreichenden, gerichteten Motormoments wird dadurch einer eventuellen Relativbewegung der Räder in der einen Drehrichtung ein gewisser Widerstand entgegengesetzt, in der anderen Drehrichtung jedoch ein geringerer Widerstand, bzw. es wird die Relativbewegung unterstützt. Eine Relativbewegung ergibt sich stets nur als Folge einer unausgeglichenen Momentenbilanz der von den im Radaufstandspunkt angreifenden Reibkräften erzeugten Momente und dem jeweils anliegenden Motormoment.

[0016] Ferner hat unabhängig von einer eventuellen Antriebs- oder Bremsleistung oder der Reibleistung einer Achseinheit der Servomotor nur eine vergleichsweise geringe, zur Lenkung der Achseinheit erforderliche Leistung aufgrund der Momentendifferenz aufzubringen. Durch die Regelung von Relativmoment oder -drehzahl werden die Nachteile sowohl von herkömmlichen starren Radsätzen als auch von Losradsätzen vermieden.

[0017] Das beim starren Radsatz kritische Aufklingen der sinusförmigen Schlingerbewegung oberhalb einer bestimmten Geschwindigkeit kann gemäß der Erfindung vermieden werden, indem durch die Regelung einzelnen, beispielsweise mittels eines Kreiselsensors erfaßten Gierbewegungen unmittelbar gegengesteuert wird.

[0018] Hingegen ist im Gegensatz zum Losradsatz die Fähigkeit zur Zentrierung der Achseinheit im Gleis durch passive oder aktive Übertragung eines Relativdrehmomentes gegeben. Dieses Relativmoment wird lediglich durch elektromagnetische Kräfte bewirkt, so daß der nachteilige Verschleiß mechanischer Reibkupplungen oder auch von Magnetpulverkupplungen vermieden ist. Ferner können ohne eine mechanische Umschaltung während eines Fahrzeugslaufs verschiedene Wirkcharakteristiken universell angewendet werden.

[0019] Vorteilhafte Weiterbildungen der erfindungsgemäßen Verfahren sind Gegenstand von unmittelbar oder mittelbar auf die Ansprüche 1 bis 4 rückbezogenen Ansprüchen.

[0020] Mit Hilfe des erfindungsgemäßen Verfahrens zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs sind die nachstehend geschilderten verschiedenen Betriebsarten möglich.

a) Bei einer ersten möglichen Betriebsart ist der Servomotor mechanisch oder elektrisch - mit dem maximalen Haltemoment des Motors - blockiert, so daß die Drehzahldifferenz zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit zwangsläufig null beträgt und die Achseinheit sich wie ein starrer Radsatz verhält. Abgesehen von einem Bruch der mechanischen Blockierung bzw. einem Überschreiten des maximalen Haltemoments ist somit eine Relativdrehung zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit nicht möglich.

b) Bei einer zweiten möglichen Betriebsart ist der Servomotor mit einem unterhalb des maximalen Haltemoments beliebig einstellbaren Bremsmoment als Bremse geschaltet. Bei dieser passiven Betriebsart können sich die Räder infolge der durch den Längsschlupf im Radaufstandspunkt induzierten Reibkraft relativ zueinander verdrehen, wenn das Moment aus Reibkräften und aktuellem Radradius das eingestellte Moment im Stellmotor überschreitet.
Diese Betriebsart gewährleistet auch oberhalb der Grenzgeschwindigkeit eines starren Radsatzes bereits einen stabilen Fahrzeuglauf im geraden Gleis. Durch elektromagnetische Einstellung der geeignetsten Bremscharakteristik, d.h. des Verlaufs des Bremsmomentes über der Relativdrehzahl, kann der Fahrzeuglauf weiterhin hinsichtlich des Störverhaltens verbessert werden.

c) Bei einer weiteren möglichen Betriebsart ist der Servomotor als Bremse geschaltet und das Bremsmoment wird über eine Regelung für die jeweilige Fahrzeuggeschwindigkeit bzw. aufgrund von außen einwirkenden Störungen eingestellt, um durch entsprechende Relativverdrehung der beiden Räder der Achseinheit einen optimalen und möglichst verschleißarmen Fahrzeuglauf zu erzielen. Bei dieser semiaktiven Betriebsweise können als Sensoren beispielsweise gyroskopische Aufnehmer eingesetzt werden, welche auf die Giergeschwindigkeit des Fahrzeugs ansprechen und eine Regelung veranlassen, diese möglichst klein zu halten.

d) Bei einer vierten möglichen Betriebsart wirkt der Servomotor mit einem von einer Regelung vorgegebenen, gerichteten Relativmoment auf die Räder der Achseinheit, unabhängig von Betrag und Drehsinn einer eventuellen Relativbewegung der Räder gegeneinander.
Eine solche Relativbewegung wird in der einen Drehrichtung unterstützt, in der anderen wird ihr ein Widerstand entgegengesetzt. Damit wird das Fahrzeug innerhalb seines von der Spurweite des Gleises und dem Spurmaß der Achseinheit vorgegebenen Spurspiels beliebig lenkbar.
Störungen des Fahrzeugsverlaufs werden durch Aufbringen eines entsprechend geregelten Relativmoments direkt ausgeregelt. Ferner kann die Achseinheit an beliebiger Stelle innerhalb des Spurspiels positioniert werden.
Insbesondere beim Einlaufen vom geraden Gleis in einen Bogen kann damit ein hartes Anlaufen an den Spurkranz vermieden werden. Innerhalb des Bogens läßt sich durch eine geeignete Ansteuerung des Servomotors ein Lauf der Achseinheit nahe der idealen Rollinie, d.h. bei sehr niedrigem Längs- und Querschlupf und entsprechend geringem Verschleiß erzielen.



[0021] Nachfolgend werden Ausführungsbeispiele der Erfindung anhand der anliegenden Zeichnungen im einzelnen beschrieben. Es zeigen:
Fig.1
eine Prinzipskizze hinsichtlich der Funktion eines einer Achseinheit zugeordneten Überlagerungsgetriebes;
Fig.2
einen Signalflußplan für eine semi-aktive Regelung der Fahrstabilität am Beispiel einer mechanischen Überlagerung, und
Fig.3
einen Signalflußplan für eine aktive Regelung des Fahrzeuglaufs am Beispiel einer elektro-dynamischen Überlagerung.


[0022] Bei der in Fig.1 wiedergegebenen Prinzipskizze erfolgt eine Beeinflussung der Relativverdrehungen von zwei Rädern 1ℓ und 1r einer durch eine strichpunktierte Linie angedeuteten Achse eines nicht näher dargestellten Schienenfahrzeugs über einen Servomotor 2, der auch blockiert bzw. als Bremse betrieben werden kann.

[0023] Der Servomotor 2 treibt mit einem auf seiner Abtriebswelle sitzenden Sonnenrad 3 über Planetenräder 4, von welchen in Fig.1 der Einfachheit halber nur zwei dargestellt sind, ein eine Innenverzahnung aufweisendes Hohlrad 5 an, welches durch schematisch angedeutete Verbindungselemente 11 mit einem Kegelrad 6 verbunden ist. In Fig.1 wird über ein weiteres Kegelrad 7 das linke Rad 1ℓ angetrieben, das drehfest mit einer Halbwelle 10ℓ verbunden ist.

[0024] Die in dem Hohlrad 5 angeordneten Planetenräder 4 sind mittels eines Planetenradträgers 8 in einem vorgegebenen Abstand voneinander und zueinander gehalten. Mit dem Planetenradträger 8 ist eine, in der dargestellten Prinzipskizze mit der Abtriebwelle des Servomotors 2 fluchtende Welle 8' vorgesehen, mit der an dem dem Planetenradträger abgewandten Ende ein Kegelrad 9 drehfest verbunden ist. Das Kegelrad 9 steht in kämmendem Eingriff mit einem Kegelrad 12, das wiederum drehfest mit einer Halbwelle 10r des in der Skizze rechten Rades 1r verbunden ist. Somit ergibt sich bei einer Drehung des Planetenradträgers 3 eine Drehbewegung des rechten Rades 1r.

[0025] In dem Sonderfall, daß der Servomotor 2 blockiert ist, ist die Drehzahl des Sonnenrades 3 Null und damit drehen sich die Räder 1r und 1ℓ gleich schnell, d.h., bei blockiertem Servomotor entspricht diese Betriebsart derjenigen eines starren Radsatzes.

[0026] Eine beliebig vorgehbare Relativverdrehung der Räder 1r und 1ℓ ergibt sich somit aus der Drehzahl des Sonnenrads 3, welche wiederum gleich der Drehzahl des Servomotors 2 ist, und ferner aus dem Übersetzungsverhältnis des Planeten-Kegelradgetriebes.

[0027] Mit der in Fig.1 wiedergegebenen Prinzipskizze sowie der vorstehenden kurzen Funktionsbeschreibung ist lediglich das erfindungsgemäße Überlagerungsprinzip nochmals veranschaulicht. Es wird jedoch ausdrücklich betont, daß die Anordnung von Getriebestufen und eines Servomotors für die Anwendung des Prinzips nur eine der möglichen Lösungen und der vielfältigen Eingriffsmöglichkeiten in die Achseinheit-Kinematik darstellt.

[0028] In Fig.2 ist ein Signalflußplan für eine semi-aktive Regelung der Fahrstabilität am Beispiel einer mechanischen Überlagerung wiedergegeben. Zwischen den Rädern 1ℓ und 1r einer Achseinheit ist als Begrenzer für ein zu übertragendes Relativmoment beispielsweise ein Überlagerungsgetriebe 20 vorgesehen, das im Aufbau beispielsweise dem anhand von Fig.1 beschriebenen Getriebe entsprechen kann.

[0029] Dem Überlagerungsgetriebe 20 ist ein beispielsweise dem Servomotor 2 in Fig.1 entsprechender Motor 22 zugeordnet. Beispielsweise an dem Rad 1ℓ werden mittels eines geeigneten in Fig.2 nicht näher dargestellten Sensors eine Seitenauslenkung y des Rades 1ℓ sowie mit ebenfalls nicht näher dargestellten Sensoren sowohl der Gierwinkel ψ als auch die Gier- bzw.

[0030] Winkelgeschwindigkeit ψ̇ abgenommen.
Diese Meßwerte werden zusammen mit der am Motor 22 abgenommenen relativen Drehzahldifferenz nrel an eine Einheit 40 angelegt, in welcher die Amplitude einer Schlingerbewegung gebildet wird. Die gemessene Seitenauslenkung y und die am Motor 22 abgenommene relative Drehzahldifferenz nrel werden an eine Einheit 30 angelegt, in welcher der Betrag der mittleren Seitenabweichung eines mit der dargestellten Achseinheit ausgestatteten Fahrzeugs gebildet wird.

[0031] Die Ausgangswerte der beiden Einheiten 30 und 40 werden über ein Summierglied 60 an einen Regler 50 angelegt. Am Ausgang des Reglers 50 liegt der Betrag des maximalen, übertragbaren Relativmoments |Mrel|max an, welches an den dem Überlagerungsgetriebe 20 zugeordneten Motor 22 angelegt wird.

[0032] Fig.3 zeigt einen Signalflußplan für eine aktive Regelung eines Fahrzeuglaufs am Beispiel einer elektro-dynamischen Überlagerung. In Fig.3 sind die Räder 1'ℓ und 1'r drehfest mit nicht näher bezeichneten Wellen eines Antriebsmotors 70ℓ bzw. 70r verbunden. Die Drehzahlen n und nr der beiden Antriebsmotore 70ℓ bzw. 70r werden über ein Summierglied 61 zusammen mit den beispielsweise vom Rad 1'ℓ abgenommenen Größen, nämlich der Seitenauslenkung y, dem Gierwinkel ψ und der Gier- bzw. Winkelgeschwindigkeit ψ̇ an eine Regeleinheit 80 angelegt, in welcher das Relativmoment Mrel gebildet wird.

[0033] Das am Ausgang der Regeleinheit 80 anliegende Relativmoment Mrel/2 wird an einen Eingang von Summiergliedern 62 bzw. 63 angelegt. An den anderen Eingang der Summierglieder 62 und 63 wird ein in einem weiteren Regler 81 gebildetes Gesamt-Antriebsmoment Mtract angelegt. Die Ausgangsgrößen M und Mr der Summierglieder 62 und 63 werden an den Antriebsmotoren 70ℓ und 70r jeweils zugeordnete Steuerungseinheiten 90 bzw. 90' angelegt, die beispielsweise als Wechselrichter ausgeführt sein können. Mit den Ausgangsströmen I und Ir der beiden Steuerungseinheiten 90 und 90' erfolgt eine entsprechende elektro-dynamische Überlagerung in den beiden oder in einem der beiden Antriebsmotoren 70ℓ und 70r der Räder 1'ℓ bzw. 1'r.

[0034] Nachstehend werden verschiedene Regelungsmöglichkeiten zur Stabilisierung eines Fahrzeugslaufs angegeben.

[0035] Eine zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit, beispielsweise den Rädern 1ℓ und 1r übertragendes Relativmoment wird auf einen ganz bestimmten, von der Regelung vorgegebenen Wert beschränkt. Damit läßt sich die Charakteristik dieser Übertragung eines Relativmoments mit derjenigen einer idealisierten Reibkupplung gemäß dem Coulomb'schen Reibgesetz vergleichen. Hierbei sind innerhalb der Achseinheit Relativverdrehungen beispielsweise zum Vermeiden eines Schlingerlaufs möglich.

[0036] Als Rückführgrößen für eine semi-aktive Regelung können hierbei verschiedene Größen bzw. Werte herangezogen werden, und zwar

eine beispielsweise mittels Gyrosensoren gemessene Giergeschwindigkeit;

eine relative Seitenabweichung einer Achseinheit bzw. des gesamten Fahrzeugs zur Gleismitte, wobei eine derartige Seitenabweichung beispielsweise mittels Wegsensoren erfaßbar ist;

eine Relativwinkelgeschwindigkeit innerhalb einer Achseinheit, welche beispielsweise mit Hilfe von Winkelsensoren am Servomotor bzw. an Antriebsmotoren gemessen wird, oder

ein Gierwinkel des Fahrzeugs oder ein Wendewinkel einer Achseinheit, wobei der jeweilige Winkel beispielsweise mit Wegsensoren gemessen wird.



[0037] Diese verschiedenen Größen können sowohl einzeln als auch in einer sinnvollen Kombination verwendet werden. Hierbei wirkt sich ein starker Schlingerlauf im Sinne einer Absenkung des übertragbaren relativen Drehmoments aus, während eine hohe Seitenabweichung bzw. eine hohe relative Winkelgeschwindigkeit zu einer Anhebung des Relativmoments führt.

[0038] Mit dem erfindungsgemäßen Verfahren können auch kurzzeitig auftretende Störungen ausgeregelt werden. Hierbei kann einer derartigen Störung durch ein gezieltes, aktives Aufbringen eines Relativmomentes zwischen den beiden Rädern einer Achseinheit, beispielsweise den Rädern 1ℓ und 1r in der Prinzipskizze, gegengelenkt werden. Hierbei können wiederum zur Rückführung in die Regelung die vorstehend angeführten verschiedenen Sensoren eingesetzt werden.

[0039] Unter kurzzeitig auftretenden Störungen wird auch ein Bogeneinlauf verstanden. Durch Aufbringen eines richtig gerichteten Relativmoments wird durch ein aktives Einlenken einer Achseinheit in einen Bogen ein hartes Anlaufen am Spurkranz vermieden. Hierbei kann durch einen sogenannten Preview-Sensor, welche vorausschauend eine Abweichung des Gleises vom geraden Kurses registriert, ein sanftes Einlenken in den Bogen erreicht werden.

[0040] Um hierbei einen optimalen Bogenlauf zu erreichen, ist das Relativmoment innerhalb einer Achseinheit so zu bemessen, daß die Summe aus Quer- und Längsschlupf bzw. eine kombinierte Größe aus beiden Schlupfwerten im Sinne einer Normgröße minimal gehalten wird. Hierbei wird der Querschlupf in erster Linie durch den Wendewinkel (Gierwinkel) der Achseinheit beeinflußt, welcher beispielsweise über Wegsensoren ermittelt werden kann. Der Längsschlupf läßt sich über die Drehzahlen der Räder einer Achseinheit, beispielsweise der Räder 1ℓ und 1r in der Prinzipskizze, sowie aus der Fahrgeschwindigkeit bestimmen.

[0041] Durch eine Minimierung des Schlupfes im Sinne der vorstehend angeführten Normgröße folgt eine Achseinheit nahezu der idealen Rollinie im Bogen. Hierbei können das vorstehend geschilderte Regelungskonzept mit dem zum Ausregeln von kurzzeitig auftretenden Störungen beschriebenen Konzept kombiniert werden oder auch in einem einzigen Regelungskonzept zusammengefaßt werden.

[0042] Festzuhalten ist insbesondere auch, daß die vorstehend skizzierten Regelungskonzepte sowohl für angetriebene als auch für nicht angetriebene Achseinheiten anwendbar sind. Bei angetriebenen Fahrzeugen mit Einzelradantrieb werden die beiden Motoren einer Achseinheit so angesteuert, daß sich das Antriebsmoment und der Relativmoment überlagern. Bei nicht angetriebenen Achseinheiten wird das Relativmoment mittels eines Überlagerungsgetriebes mechanisch in eine Achseinheit eingeleitet.


Ansprüche

1. Verfahren zur Spurführung von Achseinheiten eines Schienenfahrzeugs, dessen Räder je Achseinheit drehfest mit jeweils einer Halbwelle verbunden sind, dadurch gekennzeichnet,

daß zwischen den beiden Rädern jeder Achseinheit ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl eingeleitet wird und

über eine Regelung verschiedene aktive, semi-aktive oder passive Charakteristiken eingestellt werden.


 
2. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, wobei die Halbwellen mindestens einer Achseinheit die Wellen von zum Antrieb verwendeten Elektromotoren sind, dadurch gekennzeichnet, daß

unabhängig vom jeweiligen Antriebs- oder Bremsmoment durch entsprechende Ansteuerung der Antriebsmotore (70ℓ bzw. 70r) ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder (1'ℓ bzw. 1'r) überlagert wird und

über eine Regelung unterschiedliche aktive Charakteristiken eingestellt werden.


 
3. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, wobei die Halbwellen pro Achseinheit über ein von einem Servomotor beaufschlagtes Getriebe gekoppelt sind, dadurch gekennzeichnet, daß

unabhängig von der Absolutdrehzahl der Räder (1ℓ bzw. 1r) einer Achseinheit die Relativdrehzahl dieser Räder (1ℓbzw. 1r) in einem festen Verhältnis zur Drehzahl des Servomotors (2) steht und

von dem Servomotor (2) über das Getriebe (Teile 3 bis 9, 11 und 12) ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder eingeleitet wird und am Servomotor (2) verschiedene passive Charakteristiken eingestellt werden.


 
4. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, wobei die Halbwellen pro Achseinheit über ein von einem Servomotor beaufschlagtes Getriebe gekoppelt sind, dadurch gekennzeichnet, daß

unabhängig von der Absolutdrehzahl der Räder (1ℓ bzw. 1r) einer Achseinheit die Relativdrehzahl dieser Räder (1ℓ bzw. 1r) in einem festen Verhältnis zur Drehzahl des Servomotors (2) steht und

von dem Servomotor (2) über das Getriebe (Teile 3 bis 9, 11 und 12) ein Relativmoment zur Beeinflussung der Relativdrehzahl der Räder (1ℓ bzw. 1r) eingeleitet wird und

über eine Regelung verschiedene in Abhängigkeit von einer Gierbewegung des Fahrzeugs geregelte semi-aktive oder aktive Charakteristiken eingestellt werden.


 
5. Vorrichtung nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß der Servomotor (2) mit einem feststehenden Gehäuse außerhalb der Antriebseinheit angeordnet ist.
 
6. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß für eine semi-aktive oder aktive Regelung von sowohl angetriebenen als auch nicht angetriebenen Fahrzeugwellen eine mittels entsprechenden Sensoren gemessene Giergeschwindigkeit als Eingangsgröße zur Regelung herangezogen wird.
 
7. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß für eine semi-aktive oder aktive Regelung von sowohl angetriebenen als auch nicht angetriebenen Fahrzeugwellen eine mittels entsprechenden Sensoren gemessene, relative Seitenabweichung eines Radsatzes oder eines Fahrzeuges zur Gleismitte als Eingangsgröße zur Regelung herangezogen wird.
 
8. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß für eine semi-aktive oder aktive Regelung von sowohl angetriebenen als auch nicht angetriebenen Fahrzeugwellen eine mittels entsprechenden Sensoren am Servomotor oder an Antriebsmotoren gemessene relative Winkelgeschwindigkeit innerhalb einer Achseinheit als Eingangsgröße zur Regelung herangezogen wird.
 
9. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß für eine semi-aktive oder aktive Regelung von sowohl angetriebenen als auch nicht angetriebenen Fahrzeugwellen ein mittels entsprechenden Sensoren gemessener Gierwinkel eines Fahrzeugs oder ein Wendewinkel des jeweiligen Radsatzes als Eingangsgröße zur Regelung herangezogen wird.
 
10. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß zum Ausregeln einer Störung eines Fahrzeugseitenlaufs ein Relativmoment zwischen den beiden Rädern eines Radsatzes durch eine aktive Regelung gezielt aufgebracht wird.
 
11. Vorrichtung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß das Fahrzeug durch aktives Einbringen eines Relativmoments im Spurkanal so positioniert wird, daß ein Anlaufen der Spurkränze am Schienenprofil vermieden wird.
 
12. Vorrichtung nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, daß bei einer mittels eines vorausschauenden Preview-Sensors festgestellten Abweichung eines Gleises vom geraden Kurs ein durch aktives Regeln eingeleitetes Einlenken eines Radsatzes in einen Bogen durch Aufbringen eines entsprechend gerichteten Relativmoments bewirkt wird.
 
13. Vorrichtung nach Anspruch 2 oder 4, dadurch gekennzeichnet, daß zum Erreichen eines optimalen Bogenlaufs das Relativmoment innerhalb eines Radsatzes so geregelt wird, daß eine Größe, kombiniert aus Längs- und Querschlupf, minimal gehalten wird.
 




Zeichnung