(19)
(11) EP 0 936 590 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
18.08.1999  Patentblatt  1999/33

(21) Anmeldenummer: 99101272.5

(22) Anmeldetag:  23.01.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6G08G 1/01
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 13.02.1998 DE 19805869

(71) Anmelder: DaimlerChrysler AG
70567 Stuttgart (DE)

(72) Erfinder:
  • Hermann, Dagmar
    70196 Stuttgart (DE)
  • Konhäuser, Peter, Dr.
    70176 Stuttgart (DE)
  • Kronjäger, Winfried
    73732 Esslingen (DE)
  • Rödiger, Malte
    89073 Ulm (DE)

   


(54) Verfahren und Vorrichtung zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Verkehrswegenetz


(57) Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Verkehrswegenetz.
Erfindungsgemäß wird der Verkehrsfluß auf dem Verkehrswegenetz durch einen Verkehrsflußsimulationsrechner anhand zugeführter dynamischer verkehrsflußbezogener Eingangsgrößen simuliert und dadurch die Verkehrslage bestimmt, wobei an der realen Verkehrslage gemessene Verkehrsflußdaten mit entsprechenden, durch die Simulation erhaltenen Verkehrsflußdaten verglichen werden und das Vergleichsergebnis zum Abgleichen der Simulations-Verkehrsflußdaten verwendet wird.
Verwendung z.B. zur Verkehrslenkung und/oder Zielführung von Straßenfahrzeugen.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Verkehrswegenetz, insbesondere zum Zwecke der Verkehrslenkung und Zielführung von Fahrzeugen.

[0002] Aus der WO 89/021242 ist ein System zur optimalen Nutzung eines Straßennetzes bekannt, das an ausgewählten Orten oder Streckenabschnitten über mindestens einen Aufnahmesensor verfügt, der den Verkehrszustand, insbesondere die Verkehrsdichte, und den Straßenzustand erfaßt. Die Verkehrszustandsdaten werden anschließend an eine Leitstelle, welche ein Verkehrsrechner sein kann, übertragen. In der Leitstelle erfolgt die Verarbeitung und Aufbereitung der zugeführten, aktuellen Verkehrszustandsdaten, die anschließend zur direkten Verkehrslenkung verwendet werden, beispielsweise durch direkte Information des Autofahrers; die Verkehrslenkung erfolgt auf der Grundlage eines Soll-Ist-Vergleichs der Verkehrszustandsdaten von ausgewählten Orten oder Streckenabschnitten. Die Soll-Werte entsprechen dabei beispielsweise dem optimalen Verkehrszustand auf dem entsprechenden Streckenabschnitt des Straßennetzes. Zur besseren Erfassung der Verkehrsströme werden die an verschiedenen Orten ermittelten Verkehrszustandsdaten zweier Meßstellen z.B. einer Korrelationsanalyse unterworfen, um daraus zusätzliche Ausagen u.a. über die Verkehrsströme zu erhalten.

[0003] Aus der DE 195 26 148 A1 sind ein Verfahren und ein System zur Prognose von Verkehrsströmen an ausgewählten Orten oder Streckenabschnitten eines Straßennetzes, insbesondere zur Verkehrslenkung und Zielführung von Fahrzeugen bekannt, bei dem ermittelte Verkehrsstromdaten, die Informationen mindestens über die Verkehrsdichte enthalten, einem Verkehrsrechner zugeführt werden, der eine digitale Straßenkarte aufweist. Es ist vorgesehen, daß Fahrzeuge einer Stichprobenfahrzeugflotte jeweils ihre aktuelle Ortsposition ermitteln und die entsprechenden Daten abspeichern, um sie wenigstens teilweise als Fahrtroutendaten an den Verkehrsrechner zu übertragen. Der Verkehrsrechner bestimmt bzw. aktualisiert anhand der aktuell erfaßten Fahrtroutendaten statistische Verkehrsstromdaten. Zusätzlich werden aktuelle Fahraktivitätsdaten in einem vorgegebenen größeren räumlichen Bereich um die ausgewählten Orte oder Streckenabschnitte herum erfaßt und an den Verkehrsrechner übertragen. Die Prognose der Verkehrsströme an den ausgewählten Orten oder Streckenabschnitten eines Staßennetzes erfolgt dann im wesentlichen durch Extrapolation der den Orten oder Streckenabschnitten zugeordneten Verkehrsstromdaten unter Berücksichtigung der statistischen Verkehrsstromdaten. Anhand der prognostizierten Verkehrsströme können anschließend geeignete Maßnahmen der Verkehrsbeeinflussung oder Zielführung von Fahrzeugen erfolgen.

[0004] Aus der DE 195 34 589 A1 sind ein Verfahren und ein System zur Routenplanung bekannt, deren Gegenstand die Ermittlung einer auch über einen größeren Zeitraum günstigen Fahrtroute von einer Start- zu einer Zielposition ist. Dazu werden an einzelnen Orten oder Streckenabschnitten ermittelte Verkehrszustandsdaten an einen Verkehrsrechner, der eine digitale Straßenkarte aufweist, übertragen, der daraus in Abhängigkeit von ermittelten und/oder vorgebbaren Eingangsparametern parameterabhängige Verkehrszustandsmuster für mindestens einige der Orte oder Streckenabschnitte des Staßennetzes ableitet und zukünftige Verkehrszustände prognostiziert. Unter Verwendung der digitalen Straßenkarte und Berücksichtigung der prognostizierten Verkehrszustände ermittelt der Verkehrsrechner dann wenigstens eine günstige Fahrtroute von einer Start- zu einer Zielposition.

[0005] Der Erfindung liegt als technisches Problem die Bereitstellung eines Verfahrens und einer Vorrichtung der eingangs genannten Art zugrunde, mit denen sich die Verkehrslage an jedem Ort des zugrundeliegenden Wegenetzes mit verhältnismäßig geringem Aufwand, insbesondere ohne zwingende Notwendigkeit wegenetzseitiger

[0006] Einrichtungen, vergleichsweise zuverlässig bestimmen läßt. Dieses Problem wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 und eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 4 gelöst.

[0007] Gemäß dem Verfahren nach Anspruch 1 wird der Verkehrsfluß auf dem gesamten Verkehrswegenetz durch einen Verkehrsflußsimulationsrechner anhand zugeführter dynamischer verkehrsflußbezogener Eingangsgrößen simuliert und dadurch die Verkehrslage bestimmt, wobei an der realen Verkehrslage gemessene Verkehrsflußdaten mit entsprechenden, durch die Simulation erhaltenen Verkehrsflußdaten verglichen werden und das Vergleichsergebnis zum Abgleichen der Simulation verwendet wird. Aufgrund der erforderlichen hohen Rechenleistung des Verkehrsflußsimulationsrechners wird dieser in der Regel in einer Zentrale angeordnet sein.

[0008] In einem nach Anspruch 2 weitergebildeten Verfahren werden als dynamische Eingangsgrößendaten in den Verkehrsflußsimulationsrechner auch durch Schätzung ermittelte Daten über das zu erwartende Verkehrsaufkommen in Form zeitlich aufgelöster OD(Origin-Destination)-Matrizen verwendet. Solche OD-Matrizen enthalten, wie an sich bekannt, im jeweiligen Matrixelement die z.B. empirisch gewonnene Information darüber, mit welchem Verkehrsfluß im betreffenden Zeitpunkt von einem zugehörigen ersten (Quellen-)Bezirk zu einem zugehörigen zweiten (Ziel-)Bezirk des in Bezirke unterteilten Wegenetzes zu rechnen ist, und eignen sich daher gut als Ausgangsbasis der Verkehrsflußsimulation.

[0009] Bei einem nach Anspruch 3 weitergebildeten Verfahren erfolgt die Simulationsrechnung schneller als Echtzeit, wodurch Kurzzeitprognosen über die in naher Zukunft in einem jeweiligen Bereich des Verkehrswegenetzes zu erwartende Verkehrslage im voraus erstellt werden können.

[0010] Die Vorrichtung nach Anspruch 4 eignet sich zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens.

[0011] Die einzige Figur zeigt ein Funktionsblockdiagramm einer Vorrichtung zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Straßennetz.

[0012] Kernstück der gezeigten Vorrichtung ist ein vorzugsweise in einer Verkehrsleitzentrale angeordneter Verkehrsflußsimulationsrechner 1, in dessen Speichereinheit 2 eine digitale Straßenkarte eines zugrundeliegenden Straßennetzes geladen ist. Dem Verkehrsflußsimulationsrechner 1 werden von Sensoren gemessene Datensätze von Verkehrszustandsgrößen zugeführt, z.B. sogenannte Schleifendaten 3 über den aktuellen Verkehrszustand an den Orten, an denen sich, soweit vorhanden, fahrbahnseitig Meßschleifen zur Fahrzeugerfassung befinden, sogenannte Floating-Car-Daten (FCD) 4 von Fahrzeugen einer Stichprobenfahrzeugflotte, wenn vorhanden, und je nach Anwendungsfall weitere erfaßte Verkehrsflußdaten, insbesondere auch solche in Form herkömmlicher, über einen Verkehrsfunkkanal übertragener Verkehrsstörungsmeldungen. Zusätzlich oder alternativ zu den Schleifendaten 3 können Daten von anderen ortsfesten, verkehrsflußerfassenden Sensoreinrichtungen verwendet werden. Darüber hinaus werden dem Verkehrsflußsimulationsrechner 1 geschätzte Daten für das zu erwartende Verkehrsaufkommen 5 in Form von zeitlich aufgelösten n×n OD-Matrizen zugeführt, denen eine Unterteilung des zugrundeliegenden Straßennetzes in eine Anzahl n einzelner Bezirke zugrunde liegt. Bei einer derartigen, an sich bekannten OD-Matrix gibt das jeweilige Matrixelement ODij(t) die statistisch zu erwartende, zeitabhängige Zahl von Fahrzeugen an, die zum Zeitpunkt t vom Bezirk i (i=1,...,n) zum Bezirk j (j=1,...,n) fahren. Eine solche OD-Matrix kann z.B. empirisch anhand entsprechender Verkehrsflußbeobachtungen in der Vergangenheit oder durch Umfragen bei den beteiligten Verkehrsteilnehmern gewonnen werden.

[0013] Der Verkehrsflußsimulationsrechner 1 simuliert in Echtzeit oder schneller den Verkehrsfluß auf dem gesamten Netz der in der Speichereinheit 2 gespeicherten digitalen Straßenkarte unter Berücksichtigung der zugeführten Eingangsdaten 3, 4, 5 anhand eines geeigneten Verkehrsflußalgorithmus, wie er dem Fachmann geläufig ist und daher hier keiner ausführlichen Erörterung bedarf. Im jeweiligen Rechenschritt geht der Verkehrsflußsimulationsrechner 1 von einem bisherigen, ermittelten Verkehrflußzustand 6 zum Zeitpunkt t aus, wobei er zu Simulationsbeginn den erstmaligen Verkehrsflußzustand aus den zugeführten erfaßten bzw. durch die OD-Matrix bestimmten Verkehrsflußdaten ableitet, d.h. anhand der Schleifendaten 3, FCD-Daten 4 und/oder der geschätzten Daten 5. Aus dem bisherigen Verkehrsflußzustand 6 berechnet dann der Verkehrsflußsimulationsrechner 1 in Echtzeit oder schneller durch den Simulationsalgorithmus den Verkehrsflußzustand 7 für das gesamte Netz zu einem um ein Simulationszeitinkrement Δt späteren Zeitpunkt t+Δt.

[0014] Der neue simulierte Verkehrsflußzustand 7 wird dann mit den vom Verkehrsflußsimulationsrechner 1 zu diesem Zeitpunkt t+Δt abgerufenen Daten über den tatsächlichen Verkehrsflußzustand, wie den aktuellen Schleifendaten 3, FCD-Daten 4 und geschätzten Daten 5 verglichen. Soweit die neuen simulierten Verkehrsflußzustandsdaten 7 nicht mit den tatsächlichen Verkehrsflußdaten übereinstimmen, werden die simulierten Verkehrsflußdaten je nach Art der Information, wie Daten über die Verkehrsdichte und die mittlere Fahrzeuggeschwindigkeit und andere verkehrsflußbestimmende Daten, an den entsprechenden Stellen der realen Situation bevorzugt stufenweise gleitend angepaßt. Der so erstellte, neue simulierte und anhand von Meßdaten punktuell mit der tatsächlichen Verkehrslage abgeglichene Verkehrsflußzustand 7 bildet dann für den nächsten Simulationsrechendurchlauf den bisherigen Verkehrsflußzustand 6 für den Verkehrsflußsimulationsrechner 1, aufgrund dessen er dann einen nächsten neuen Verkehrsflußzustand zu dem um das Inkrement Δt späteren Zeitpunkt t+2Δt in Echtzeit erstellt, usw.

[0015] Durch die beschriebene Verkehrsflußsimulation werden auf dem ganzen Verkehrswegenetz, also auch an Stellen bzw. Bereichen des Netzes, für die keine gemessenen oder geschätzten Daten vorliegen, vergleichsweise zuverlässige Verkehrslageschätzungen möglich, die dazu genutzt werden können, den beteiligten Verkehrsteilnehmern zuverlässige Verkehrslageinformationen zur Verfügung zu stellen. Wenn die Simulationsrechnung schneller als Echtzeit erfolgt, können die Verkehrslageschätzungen Kurzzeitprognosen über die in kurzer Zeit in einem jeweiligen Bereich zu erwartende Verkehrslage enthalten. Außer der oben beschriebenen, einfachen Ersetzung simulierter Daten durch abweichende Daten über den tatsächlichen Verkehrsfluß kann im Rahmen des Datenabgleichvorgangs vorgesehen sein, auch den Satz von geschätzten Daten 5, d.h. die Matrixelemente der OD-Matrix, anzupassen, und zwar wiederum bevorzugt in stufenförmig gleitender Weise, z.B. dann, wenn sich für bestimmte Stellen des Straßennetzes ergibt, daß die simulierten und die tatsächlichen Verkehrsflußdaten dauerhaft von den vorgegebenen geschätzten Daten 5 abweichen. Dabei kann es jeweils ausreichend sein, nicht jeden neu berechneten Verkehrsflußzustand 7 mit den Schleifendaten 3, den FCD-Daten 4 und den geschätzten Daten 5 zu vergleichen, sondern einen solchen Abgleich nur jeweils nach einer gewissen Anzahl von Rechenzyklen bzw. in gewissen Zeitabständen durchzuführen.

[0016] Es versteht sich, daß das Verfahren und die Vorrichtung der Erfindung nicht nur, wie beschrieben, für Straßenfahrzeuge verwendbar sind, sondern für alle Arten von sich auf einem zugehörigen Wegenetz bewegenden Fahrzeugen, z.B. auch für Schienenfahrzeuge.


Ansprüche

1. Verfahren zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Verkehrswegenetz,
dadurch gekennzeichnet, daß
der Verkehrsfluß auf dem Verkehrswegenetz durch einen Verkehrsflußsimulationsrechner anhand zugeführter dynamischer verkehrsflußbezogener Eingangsgrößen simuliert und dadurch die Verkehrslage bestimmt wird, wobei an der realen Verkehrslage gemessene Verkehrsflußdaten mit entsprechenden, durch die Simulation erhaltenen Verkehrsflußdaten verglichen werden und das Vergleichsergebnis zum Abgleichen der Simulations-Verkehrsflußdaten verwendet wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß
als dynamische Eingangsgrößendaten auch durch Schätzung ermittelte Daten über das zu erwartende Verkehrsaufkommen in Form zeitlich aufgelöster OD-Matrizen verwendet werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet, daß
die Verkehrsflußsimulation schneller als in Echtzeit erfolgt.
 
4. Vorrichtung zur Bestimmung der Verkehrslage auf einem Verkehrswegenetz mit

- Verkehrsflußdatenerfassungsmitteln (3, 4, 5) zur Erfassung von gemessenen und/oder geschätzten Verkehrsflußdaten der realen Verkehrslage und

- einem die erfaßten Verkehrsflußdaten weiterverarbeitenden Rechner (1),
dadurch gekennzeichnet, daß

- der Rechner als Verkehrsflußsimulationsrechner (1) ausgelegt ist, der den Verkehrsfluß auf dem Verkehrswegenetz durch Simulation anhand zugeführter dynamischer verkehrsflußbezogener Eingangsgrößen und daraus die Verkehrslage bestimmt, wobei er die von den Verkehrsflußdatenerfassungsmitteln (3, 4, 5) erfaßten gemessenen oder geschätzten Verkehrsflußdaten der realen Verkehrslage mit entsprechenden, durch die Simulation erhaltenen Verkehrsflußdaten vergleicht und das Vergleichsergebnis zum Abgleichen der Simulations-Verkehrsflußdaten verwendet.


 




Zeichnung