(19)
(11) EP 0 940 647 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
08.09.1999  Patentblatt  1999/36

(21) Anmeldenummer: 99104251.6

(22) Anmeldetag:  03.03.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6F42B 3/08
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 04.03.1998 DE 19809179

(71) Anmelder: DaimlerChrysler Aerospace AG
81663 München (DE)

(72) Erfinder:
  • Kleinschmidt, Ernst, Dr.
    86529 Schrobenhausen (DE)
  • Hassfurter, Rainer
    86529 Schrobenhausen (DE)
  • Deutsch, Hans-Henning
    57586 Weitefeld (DE)

   


(54) Hohlladung


(57) Zur Unschädlichmachung improvisierter Explosiv-Kampfmittel und dergleichen ohne detonative Umsetzung derselben wird eine Hohlladung verwendet, deren Ladungshohlraum (7) als Rinne ausgebildet und mit einem fließfähigem Material gefüllt ist, aus dem im Initiierungsfall ein flächiger Hohlladungsstachel mit einer Schneidkante gebildet wird.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung bezieht sich auf eine Hohlladung, nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

[0002] Eine derartige Hohlladung ist aus EP 0 559 960 B1 bekannt. Sie dient in erster Linie dazu, improvisierte Explosiv-Kampfmittel, sogenannte

Improvised Explosive Devices" ohne Risiko für Anwender und Umfeld unschädlich zu machen. Derartige Kampfmittel, die in erster Linie von Terroristen verwendet werden, sind z. B. Handgranaten, Rohrbomben, mit Explosivstoffen gefüllte Gasflaschen und Feuerlöscher oder Sprengkörper in Koffern oder dergleichen Behältern.

[0003] Die bekannte Hohlladung ist dazu rotationssymmetrisch ausgebildet. Dadurch trifft der Hohlladungsstachel aus dem fließfähigem Material, z. B. Wasser, punktförmig auf die Hülle auf, in die der Sprengstoff eingeschlossen ist, um die Hülle ohne Detonation des Sprengstoffes zu öffnen. Neben dem schnellen Öffnen von Munitionshüllen oder anderen Behältnissen empfindlichen Inhalts, insbesondere bei Entschärfungs- bzw. Entsorgungsaktivitäten, kann eine solche Hohlladung beispielsweise auch zum raschen Aufbrechen von Türen oder anderen Barrieren, beispielsweise bei Einsätzen von Feuerwehren und technischen Sondertruppen eingesetzt werden.

[0004] Die bekannte Hohlladung hat sich zwar im großen und ganzen bewährt. Sie ist jedoch nur mit einem geringen Beschußabstand von 2 bis 3 Metern einsetzbar. Zudem ist sie weitgehend unwirksam, wenn ein kleiner Sprengkörper in einem großen Behälter, beispielsweise einem Koffer eingeschlossen ist.

[0005] Aus der DE 42 07 828 C1 ist eine Hohlladung bekannt geworden, bei der der Ladungshohlraum mit einem fließfähigen Material gefüllt ist, das bei der Initiierung einen Hohlladungsstachel bildet. Die Hohlladung ist mit einer dünnen und leichten Auskleidung versehen, die aufgrund ihrer kegelartigen Form im Fall der Initiierung eine Fokussierung des fließfähigen Mediums zu einem Hohlladundungsstrahl bewirkt. Dies bedeutet, daß der erzeugte Stachel bezüglich der Achse der Ausbreitungsrichtung rotationssymmetrisch geformt ist.

[0006] Aufgabe der Erfindung ist es, eine Hohlladung bekannter Art hinsichtlich der Wirksamkeit und des Beschußabstandes deutlich zu verbessern.

[0007] Dies wird erfindungsgemäß mit der im Anspruch 1 gekennzeichneten Hohlladung erreicht. In den Unteransprüchen 2 bis 11 sind bevorzugte Ausführungsformen der erfindungsgemäßen Hohlladung wiedergegeben.

[0008] Bei der erfindungsgemäßen Hohlladung ist der Hohlladungsraum als Rinne ausgebildet. Im Gegensatz zu konventionellen rotationssymmetrisch aufgebauten Hohlladungen, die einen im Querschnitt rotationssymmetrischen Hohlladungsstachel erzeugen, wird hier der Strahl in Richtung der Rinne verbreitert. Die Rinnenform der Hohlladung wirkt hierbei ähnlich wie eine linienförmige Aneinanderreihung mehrerer rotationssymmetrischer Hohlladungen. Somit wird ein flächiger, fächerförmiger Hohlladungsstachel gebildet, dessen Spitze eine Schneidkante bildet, die die Hülle oder das sonstige Behältnis aufschneidet, in das der Sprengstoff eingeschlossen ist. Damit kann z. B. auch ein Sprengkörper in einem größeren Behältnis zuverlässig unschädlich gemacht werden, und zwar ohne detonative Umsetzung des Explosivkampfmittels. Das heißt, der aus dem fließfähigem Material gebildete flächige Strahl öffnet zwar den Behälter, belastet jedoch den Sprengstoff im Behälter nur wenig, so daß das Risiko einer heftigen Reaktion des Sprengstoffs weitgehend ausgeschaltet ist.

[0009] Das fließfähige Material kann beispielsweise Wasser mit und ohne Frostschutzmittel, ein Öl, flüssiges Glas oder eine andere Flüssigkeit sein. Auch können pastöse Stoffe eingesetzt werden. Bevorzugt wird als fließfähiges Material jedoch ein Gel verwendet, insbesondere ein polymerisiertes Silikongel.

[0010] Gegenüber einer Flüssigkeit, wie Wasser, besitzt ein solches Gel keine Dichtigkeitsprobleme und eine lange Lagerzeit sowie einen Temperatureinsatzbereich von ca. -50 bis +200°C. Zudem wird mit einem Gel als fließfähigem Material der Beschußabstand (

Stand off") noch vergrößert. Demgemäß ist mit der erfindungsgemäßen Ladung ein Beschußabstand von bis zu 7 Metern möglich.

[0011] Damit sich bei einem derart großen Beschußabstand ein wirksamer Stachel ohne Gefährdung des Anwenders und der Umgebung ausbilden kann, muß die Masse des Explosivstoffs der Hohlladung möglichst gering gehalten werden. Dies ist durch Minimierung der Masse des fließfähigen Materials möglich. Zu diesem Zweck ist der rinnenförmige Hohlladungsraum nicht vollständig bis zur Höhe der Basis mit fließfähigem Material gefüllt, sondern durch eine Formmaske lediglich eine schichtförmige Belegung der Rinne mit dem fließfähigem Material vorgesehen. Das heißt, die Wandung, die den Ladungshohlraum auf der dem Sprengobjekt zugewandten, also von der Sprengladung abgewandten Seite verschließt, weist eine dem Querschnittsprofil der Rinne entsprechendes Querschnittsprofil auf, beispielsweise durch Ausbildung dieser Wandung parallel zur Innenseite der Rinne.

[0012] Die Sprengladung ist vorzugsweise als Beschichtung auf einem Träger aufgebracht, der einen dem Querschnitt des Ladungshohlraumes entsprechenden Querschnitt aufweist. Vorzugsweise wird als Sprengladung eine Sprengfolie verwendet.

[0013] Wenn der Hohlladungsstachel allein durch den fließfähigen Stoff gebildet wird, können die meisten improvisierten Explosivkampfmittel entschärft werden, also z. B. Rohrbomben, Explosivstoffe in Feuerlöschergehäusen, kleinere Explosivstoffbehälter in Schalenkoffern und dergleichen. Um die Durchschlagsleistung zu erhöhen und damit auch harte Ziele, wie mit Explosivstoff gefüllte Stahlflaschen unschädlich zu machen, hat sich eine Tandemwirkung als vorteilhaft erwiesen, d. h. zusätzlich zu dem fließfähigem Material eine Auskleidung aus einem festen Inertmaterial auf der dem Ladungshohlraum zugewandten Seite der Sprengladung, also zwischen Sprengladung und fließfähigem Material, beispielsweise aus einem Metall, wie Kupfer.

[0014] Der als Rinne ausgebildete Ladungshohlraum weist vorzugsweise einen V-förmigen Querschnitt auf. Der Öffnungswinkel des V kann dabei 45 bis 150° betragen, vorzugsweise beträgt er jedoch 100 bis 140°.

[0015] Damit bei hoher Wirksamkeit und großem Beschußabstand kein größerer Sekundärschaden durch die erfindungsgemäße Hohlladung auftritt, beträgt die Gesamtlänge der Hohlladung vorzugsweise höchstens 400 mm, bei einer V-förmigen Rinne die Länge jedes Schenkel des V, also die Breite jeder Seite der Rinne maximal 200 mm, vorzugsweise maximal 100 mm, die Schichtdicke der Sprengladung maximal 10 mm, vorzugsweise maximal 6 mm, die Sprengstoffmenge maximal 700 Gramm, insbesondere maximal 500 Gramm und die Dicke der Belegung aus Inertmaterial maximal 4 mm, insbesondere maximal 2 mm. Damit andererseits die Hohlladung eine hinreichende Wirksamkeit besitzt, sollte ihre Gesamtlänge mindestens 100 mm, die erwähnte Schenkellänge der Rinne mindestens 40 mm, die Dicke der Sprengstoffolie mindestens 1 mm und die Sprengstoffmenge mindestens 10 Gramm betragen. Bei Verwendung einer Auskleidung aus Inertmaterial sollte die Dicke der Auskleidung mindestens 0,1 mm betragen, um eine spürbare Erhöhung der Durchschlagsleistung des Hohlladungsstachels zu erzielen.

[0016] Das Gehäuse der ertindungsgemäßen Hohlladung wird durch die Wandung auf der von der Sprengladung abgewandten Seite des Ladungshohlraumes, dem Träger für die Sprengladung und zwei Platten gebildet, die den Ladungshohlraum an den Stirnseiten zu schließen. Um die Bildung von Metallsplittern zu vermeiden, wird das Gehäuse vorzugsweise komplett aus Kunststoff ausgelegt.

[0017] Nachstehend ist eine Ausführungsform der erfindungsgemäßen Hohlladung anhand der Zeichnung näher erläutert. Darin zeigen:

Figur 1 und 2 jeweils eine perspektivische Ansicht von der dem Sprengobjekt zugewandten bzw. abgewandten Seite der Hohlladung; und

Figur 3 einen teilweisen Längsschnitt und Figur 4 einen Querschnitt entlang der Linie III-III bzw. IV-IV in Figur 1 bzw. 3.



[0018] Danach weist die Hohlladung einen V-förmigen Träger 1 aus Kunststoff auf, der an seiner Innenseite mit einer Sprengstoffolie 2 belegt ist, die mit Detonatoren 3 in Wirkverbindung steht, die jeweils in einem hülsenförmigen Ansatz 4 am Scheitel des V-förmigen Trägers 1 sitzen. Der Öffnungswinkel α des V-förmigen Trägers 1 beträgt 120°. Die Sprengstoffolie 2 ist auf der vom Träger 1 abgewandten Seite mit einer Auskleidung 5, z. B. aus Kupfer, versehen. Die Sprengstoffolie kann z. B. neben einem Kunststoff als Bindemittel Pentaerythrittetranitrat (PETN) enthalten.

[0019] Auf den Träger 1 mit der Sprengstoffolie 2 und der Auskleidung 5 ist eine Formmaske 6 aus Kunststoff aufgesetzt, die einen rinnenförmigen Ladungshohlraum 7 auf der dem Sprengobjekt zugewandten vorderen Seite und an den beiden Längsseiten verschließt.

[0020] Die im Abstand von der Auskleidung 5 bzw. der Sprengstoffolie 2 angeordnete Wand 8 an der Vorderseite der Formmaske 6 ist gleichfalls als V-förmige Rinne ausgebildet. Der V-förmige Ladungshohlraum 7 wird mit einem fließfähigem Material, beispielsweise einem Gel gefüllt. Damit sind der Träger 1, die Sprengstoffolie 2, die Auskleidung 5, der Ladungshohlraum 7 bzw. das darin enthaltene fließfähige Material und die Wandung 8 parallel zueinander angeordnet und jeweils rinnenförmig mit einem V-förmigen Querschnitt mit gleichem Öffnungswinkel α ausgebildet.

[0021] An den Stirnseiten ist der rinnenförmige Ladungshohlraum 7 durch Platten 10, 11 aus Kunststoff verschlossen, wobei die eine Platte 10 mit zwei verschließbaren Einfüllöffnungen 12 für das fließfähige Material versehen ist.

[0022] Um die Länge des flächenförmigen Hohlladungsstachels zu vergrößern, können mehrere Hohlladungen nebeneinander angeordnet sein, wobei die Platten 10, 11 an den benachbarten Stirnseiten zweier nebeneinander angeordneter Hohlladungen in eine satte, flächige Anlage zur Detonationsübertragung von einer Hohlladung zur anderen bringbar sind.

[0023] Um eine optimale Hohlladungsstachelausbildung zu erreichen, sind entlang dem Scheitel des Trägers 1 mit gleichem Abstand mehrere simultan zündbare Detonatoren 3 angeordnet, beispielsweise elektrische Kurzzeit-Detonatoren.

[0024] Die einzelnen Teile der Hohlladung, also der Träger 1, die Sprengstoffolie 2, die Auskleidung 5, die Formmaske 6 und die Platten 10, 11 können zur Befestigung aneinander verklebt sein.


Ansprüche

1. Hohlladung, deren Ladungshohlraum mit einem fließfähigem Material gefüllt ist, das im Initiierungsfall den Hohlladungsstachel bildet, dadurch gekennzeichnet, daß der Ladungshohlraum (7) zur Bildung eines flächigen Hohlladungsstachel als Rinne ausgebildet ist.
 
2. Hohlladung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Wandung (8), die den Ladungshohlraum (7) auf der von der Sprengladung (2) abgewandten Seite verschließt, entsprechend dem Ladungshohlraum (7) rinnenförmig ausgebildet ist.
 
3. Hohlladung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Sprengladung (2) ein flüssiges, pastöses oder gelartiges Material als fließfähiges Inertmaterial enthält.
 
4. Hohlladung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Sprengladung (2) als Beschichtung auf einem Träger (1) aufgebracht ist, der entsprechend dem Ladungshohlraum (7) rinnenförmig ausgebildet ist.
 
5. Hohlladung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der als Rinne ausgebildete Ladungshohlraum (7) einen V-förmigen Querschnitt aufweist.
 
6. Hohlladung nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Öffnungswinkel (α) der V-förmigen Rinne 100 bis 140° beträgt.
 
7. Hohlladung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß der Ladungshohlraum (7) an seinen Stirnseiten derart ausgebildet ist, daß die benachbarten Stirnseiten zweier nebeneinander angeordneter Hohlladungen zur Detonationsübertragung in Anlage bringbar sind.
 
8. Hohlladung nach den Ansprüche 2, 4 oder 7, dadurch gekennzeichnet, daß die Wandung (8) auf der von der Sprengladung (2) abgewandten Seite des Ladungshohlraums (7) und/oder der Träger (1) und/oder die Stirnseiten des Ladungshohlraumes (7) aus Kunststoff bestehen.
 
9. Hohlladung nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, daß die Wandung (8) auf der von der Sprengladung (2) abgewandten Seite des Ladungshohlraums (7), der Träger (1) und die Stirnseiten des Ladungsraumes (7) das das fließfähige Material aufnehmende Gehäuse bilden.
 
10. Hohlladung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß entlang dem rinnenförmigen Ladungshohlraum (7) mehrere Detonatoren (3) verteilt angeordnet sind.
 
11. Hohlladung nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das fließfähige Material durch ein Silikongel gebildet wird.
 
12. Verwendung der Hohlladung nach einem der vorherstehenden Ansprüche zur Unschädlichmachung improvisierter Explosiv-Kampfmittel ohne detonative Umsetzung derselben.
 




Zeichnung