(19)
(11) EP 0 947 590 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
06.10.1999  Patentblatt  1999/40

(21) Anmeldenummer: 99104265.6

(22) Anmeldetag:  03.03.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)6C21D 8/02, B21B 1/26, B21B 1/46, C22C 38/02
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 31.03.1998 DE 19814223

(71) Anmelder: SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT
40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Hensger, Karl-Ernst Dr. Ing. habil
    40468 Düsseldorf (DE)
  • Davis, Robert F.
    Wilmetle, IL 60091 (US)

(74) Vertreter: Valentin, Ekkehard, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte, Müller-Grosse- Pollmeier-Valentin-Gihske, Hammerstrasse 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung von mikrolegierten Baustählen


(57) Zur weiteren Festigkeitssteigerung bei der Herstellung von mikrolegierten ferritisch-perlitischen Baustählen in einer CSP-Anlage wird vorgeschlagen, zusätzlich zur thermomechanischen Behandlung mit den Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 eine Mischkristallverfestigung durch einen einzelnen oder kombinierten erhöhten Zusatz der Legierungselemente Silicium, Kupfer, Chrom, Nickel herbeizuführen.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung von mikrolegierten Baustählen durch Walzen in einer CSP-Anlage, wobei der gegossene Brammenstrang, geteilt in Walzlängen, über einen Ausgleichsofen einer mehrgerüstigen CSP-Walzstraße zugeführt und dort kontinuierlich zu Warmbreitband ausgewalzt, in einer Kühlstrecke gekühlt und zu Bunden gehaspelt wird, wobei zur Erzielung optimaler mechanischer Eigenschaften beim Durch lauf der Dünnbramme durch die CSP-Anlage eine kontrollierte Gefügeentwicklung durch thermomechanisches Walzen durchgeführt wird.

[0002] Das Walzen von Warmbreitband in einer CSP-Anlage (CSP = Compact Strip Production), wobei stranggegossenes Vormaterial nach Unterteilung in Walzlängen über einen Ausgleichsofen direkt dem Walzwerk zugeführt wird, ist aus der EP-A-0368048 bekannt, wobei als Walzwerk ein mehrgerüstiges Walzwerk eingesetzt wird, in das die auf eine Temperatur von 1100 °C bis 1130 °C im Ausgleichsofen gebrachten Walzlängen in aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten mit dazwischen liegender Entzunderung fertig gewalzt werden.

[0003] Um eine Verbesserung der Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften sowie der damit verbundenen wesentlichen Erhöhung der Streckgrenzwerte und der Kerbschlagzähigkeit eines Walzproduktes aus Stahl zu erreichen, wird in der EP-A-0413163 vorgeschlagen, das Walzgut thermomechanisch zu behandeln.

[0004] Bei der thermomechanischen Umformung werden im Gegensatz zum normalisierenden Umformen, bei der die Endumformung im Bereich der Normalglühtemperatur mit vollständiger Rekristallisation des Austenits stattfindet, Temperaturbereiche für eine gezielte Umformrate eingehalten, bei denen der Austenit nicht oder nicht wesentlich rekristallisiert.

[0005] Wesensmerkmal der thermomechanischen Behandlung ist die Nutzung der plastischen Deformation nicht nur zur Herstellung einer definierten Produktgeometrie, sondern insbesondere zur Einstellung einer gewünschten Realstruktur und damit zur Gewährleistung definierter Werkstoffeigenschaften, wobei nicht rekristallisierter Austenit zur polymorphen (Gamma)-(Alpha)-Umwandlung kommt (bei der normalisierenden Umformung ist der Austenit bereits rekristallisiert).

[0006] Herkömmliche Brammen unterliegen bei Kalteinsatz vor ihrer Umformung in einem konventionellen Walzwerk den polymorphen Umwandlungen:

während für die CSP-Technologie gilt:

mit einer höheren Übersättigung des Mischkristalls Austenit und einem höheren Ausscheidungspotential für Karbonitride aus dem Austenit.

[0007] Um die Besonderheiten der Gefügeentwicklung beim thermomechanischen Walzen in CSP-Anlagen optimal zu nutzen, wird in der nicht vorveröffentlichten deutschen Patentanmeldung Nr . 19725434.9-24 zur Anpassung an die thermische Vorgeschichte der in der CSP-Walzanlage mit Gussgefüge eingeführten Dünnbrammen vorgeschlagen, die bei der thermomechanischen ersten Umformung einsetzende Rekristallisation des Gussgefüges vollständig ablaufen zu lassen, bevor eine weitere Umformung erfolgt . Durch diese Maßnahme sowie durch Einstellung definierter Temperatur- und Formänderungsbedingungen wird eine kontrollierte Gefügeentwicklung beim Walzgut bei seinem Durchlauf durch die CSP-Anlage erreicht und das thermomechanische Umformen in optimaler Weise auf die spezifischen Verfahrensparameter des CSP-Verfahrens mit seiner spezifischen thermischen Vorgeschichte ausgerichtet.

[0008] Aufgabe der Erfindung ist es, die bei den Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 erreichte Festigkeitsentwicklung durch geeignete Maßnahmen weiter zu steigern, so dass sichergestellt ist, dass die im CSP-Prozess hergestellten mikrolegierten ferritisch-perlitischen Baustähle höchster Festigkeitsklasse mit Streckgrenzen ≥ 480 MPa entsprechen und durch diese Maßnahmen CSP-Anlage, CSP-Verfahren und verarbeiteter Werkstoff noch weiter optimal aufeinander abgestimmt werden.

[0009] Die gestellte Aufgabe wird verfahrensmäßig durch die kennzeichnenden Maßnahmen des Anspruchs 1 dadurch gelöst, dass zur Herstellung von hoch festen mikrolegierten Baustählen mit einer Streckgrenze von ≥ 480 MPa zur Erreichung eines optimalen Eigenschaftkomplexes bezüglich Festigkeit und Zähigkeit der Baustähle die verfügbaren Verfestigungsmechanismen komplex genutzt werden, in dem zusätzlich zum thermomechanischen Walzen mit den Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 eine weitere Gefügebeeinflussung in der Dünnbramme durch eine Anderung der Werkstoffzusammensetzung herbeigeführt wird, durch die

a) eine gezielte Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Siliciumgehalt und/oder

b) eine komplexe Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Gehalt an Kupfer, Chrom, Nickel
erzielt wird.



[0010] Durch die Maßnahme der Erfindung werden somit bekannte metallurgisch nutzbare festigkeitssteigernde Wirkmechanismen miteinander kombiniert und ausgerichtet auf das CSP-Verfahren optimal zur Anwendung gebracht.

[0011] Es sind dies die festigkeitssteigernden Mechanismen Korngrenzenverfestigung und Ausscheidungshärtung, die unter anderem durch das thermomechanische Walzen mitden Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434. 9-24 günstig beeinflusst werden und die im wesentlichen durch die Mikrolegierungselemente (z. B. Titan, Niob, Vanadin und andere) ausgelöst werden.

[0012] Zu diesen festigkeitssteigenden Mechanismen wird nun gemäß der Erfindung zusätzlich in definierter Weise eine Mischkristallverfestigung herbeigeführt.

[0013] Die Mischkristallverfestigung wird in hochfesten ferritisch-perlitischen mikrolegierten Baustählen bevorzugt durch Mangan bewirkt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass zur sicheren Gewährleistung von höchsten Streckgrenzen im Bereich von ≥ 480 MPa in CSP-Anlagen die zusätzliche und gezielte Legierung durch weitere Elemente sinnvoll und für höchste Festigkeitsklassen notwendig ist.

[0014] Insbesondere zwei Aspekte stehen dabei im Vordergrund.
  • Die Mischkristallverfestigung wird der Ausscheidungshärtung ergänzend zur Seite gestellt; dadurch können über das CSP-Verfahren für die Werkstoffgruppe ferritisch-perlitische Baustähle höhere Festigkeitsklassen erschlossen werden.
  • Die Mischkristallverfestigung erfolgt so, z. B. durch das Legierungselement Silicium, dass sie von der Warmumformung selbst weitgehend unberührt bleibt; d. h. beispielsweise nicht zur deformationsinduzierten Ausscheidung führt. Dadurch verhält sich ein solcher Stahl in der Straße ruhiger, da er durch die Umformung selbst schwächer verfestigt; er ist deshalb steuerungstechnisch leichter zu handhaben.


[0015] Aus dieser Sicht kommen neben Mangan noch folgende Legierungselemente mit folgenden Gehalten erfindungsgemäß in Frage:

Silicium mit 0,41 bis 0,60 %

Kupfer mit 0,11 bis 0,30 %

Chrom mit 0,20 bis 0,60 %

Nickel mit 0,10 bis 0,60 %



[0016] Der Zusatz von Kupfer in den genannten Mengen bewirktneben der Mischkristallverfestigung bei Überschreitung der Löslichkeitsgrenze im Ferrit, aber nicht im Austenit, während der Umformung eine zusätzliche Ausscheidungshärtung durch ε - Cu. Dabei ist jedoch zu beachten, dass häufig Kupfer gemeinsam mit Nickel zur Anwendung kommen muss, um Lötbruch vorzubeugen. Erfolgt die Stahlherstellung über eine Linie mit einem Elektrolichtbogenofen (EAF) und einem Pfannenofen (LMF), dann hat man häufig bereits zwangsläufig Kupfer vorliegen. Nach bekannten Empfehlungen sollte der Kupfergehalt einen Betrag von 0,1 % dabei nicht überschreiten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass für die Werkstoffgruppe hochfester Baustähle dieser Wert bis auf einen Betrag von 0,3 % Kupfer gesteigert werden kann, um so eine zusätzliche Mischkristallverfestigung zu erreichen.

[0017] Bei der Stahlherstellung über eine Linie mit einem Sauerstoff-Blasofen (BOF) und einem Pfannenofen lässt sich grundsätzlich gleichfalls ein derart hoher Kupfergehalt zulegieren. Dies führt aber zu dem Nachteil, dass Flexibilität insofern eingebüßt wird, dass ein Herunterblasen der einmal Kupfer-legierten Pfanne nicht mehr möglich ist, was z. B. bei Produktionsstörungen oder bei einem alternativen Einsatz einer bereits hergestellten Pfanne wünschenswert wäre.

[0018] Anders ist die Situation durch Zusatz von Chrom, Nickel und Silicium, da diese Elemente alle im Sauerstoff-Blasofen einstellbar sind. Deshalb bietet sich als Alternative zum Kupferzusatz der Zusatz von Nickel allein und/oder Chrom und/oder Silicium an, um die gewünschte Mischkristallverfestigung zu erreichen.

[0019] Nachfolgend wird an einem Beispiel die Mischkristallverfestigung näher erläutert.

[0020] Ein mikrolegierter Baustahl mit der Zusammensetzung in Gewichtsprozent: C < 0,07; Mn = 1,3; Si ≤ 0,35; Cu ≤ 0,05; Ni ≤ 0,05; Cr ≤ 0,05; Mo ≤ 0,05; Nb = 0,02; V = 0,08; N = 180 ppm erreichte bei der thermomechanischen Behandlung mit den Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 folgende Eigenschaften: Streckgrenze 480 MPa, Zugfestigkeit 570 MPa, Dehnung 21 %.

[0021] Durch die zusätzliche Mischkristallverfestigung nach erhöhtem Zusatz von Silicium entsprechend der Analyse: C ≤ 0,07; Mn = 1,3; Si = 0,60; Cu ≤ 0,05; Ni ≤ 0,05; Cr ≤ 0,05; Mo ≤ 0,05; Nb = 0,02; V = 0,08; N = 180 ppm und Behandlung gleichfalls nach den Verfahrensschritten der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 wurden folgende Eigenschaften erreicht: Streckgrenze 565 MPa, Zugfestigkeit 650 MPa, Dehnung 22 %.

[0022] Durch das Verfahren der Erfindung, zusätzlich zu den Verfahrensschritten der thermomechanischen Behandlung eine Mischkristallverfestigung herbeizuführen, lassen sich also deutliche Festigkeitssteigerungen erzielen, wodurch sich völlig neue Anwendungen für die erzeugten Baustähle erschließen.

[0023] In ähnlicher Weise wie im angeführten Beispiel können auch die übrigen erwähnten Legierungselemente Kupfer, Nickel, Chrom als Mischkristallverfestiger eingesetzt werden. Besonders effektiv ist die Festigkeitssteigerung dann, wenn nicht nur mit einem einzelnen der genannten substitionell im Eisen gelösten Elemente legiert wird, sondern ihre komplexe Nutzung in Kombination erfolgt.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung von mikrolegierten Baustählen durch Walzen in einer CSP-Anlage, wobei der gegossene Brammenstrang, geteilt in Walzlängen, über einen Ausgleichsofen einer mehrgerüstigen CSP-Walzstraße zugeführt und dort kontinuierlich zu Warmbreitband ausgewalzt, in einer Kühlstrecke gekühlt und zu Bunden gehaspelt wird, wobei zur Erzielung optimaler mechanischer Eigenschaften beim Durchlauf der Dünnbramme durch die CSP-Anlage eine kontrollierte Gefügeentwicklung durch thermomechanisches Walzen durchgeführt wird mit den in der deutschen Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 beschriebenen Verfahrensschritten, dadurch gekennzeichnet, dass zur Herstellung von hoch festen mikrolegierten Baustählen mit einer Streckgrenze von ≥ 480 MPa zur Erreichung eines optimalen Eigenschaftskomplexes bezüglich Festigkeit und Zähigkeit der Baustähle die verfügbaren Verfestigungsmechanismen komplex genutzt werden, indem zusätzlich zum thermomechanischen Walzen mit den Verfahrensschritten der Patentanmeldung Nr. 19725434.9-24 eine weitere Gefügebeeinflussung in der Dünnbramme durch eine Änderung der Werkstoffzusammensetzung herbeigeführt wird, durch die

a) eine gezielte Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Siliciumgehalt und/oder

b) eine komplexe Mischkristallverfestigung durch einen erhöhten Gehalt an Kupfer, Chrom, Nickel
erzielt wird.


 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die erhöhten Gehalte in den folgenden Bereichen liegen:

Silicium = 0,41 bis 0,60 %

Kupfer = 0,11 bis 0,30 %

Chrom = 0,20 bis 0,60 %

Nickel = 0,10 bis 0,60 %


 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass durch entsprechende Wahl der Art und der Menge der zugesetzten Elemente die Mischkristallverfestigung der Ausscheidungshärtung, die während des Durchlaufs der Dünnbramme durch die CSP-Anlage stattfindet, ergänzend zur Seite gestellt wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Mischkristallverfestigung durch entsprechende Wahl der Art und der Menge der zugesetzten Elemente, z. B. durch das Legierungselement Silicium, so erfolgt, dass sie von der Wärmumformung selbst weitgehend unberührt bleibt und somit nicht zu deformationsinjizierten Ausscheidungen führt.
 
5. Mikrolegierte hochfeste Baustähle nach dem Verfahren der Ansprüche 1, 2, 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass ihre Werkstoffzusammensetzung einschließlich der die Mischkristallverfestigung hergeiführenden Zusätze der Legierungselemente Silicium und/oder Kupfer, Chrom, Nickel so festgelegt ist, dass die in der CSP-Anlage, insbesondere in der Walzstraße zur Verfügung stehende Durchlaufzeit, die aufgrund der kompakten Bauweise und des hohen Durchsatzes der CSP-Walzstraße sehr kurz ist, ausreicht, die gewünschten festigkeitssteigernden Festkörperreaktionen einschließlich der Mischkristallverfestigung während des thermomechanischen Walzens und während der Rekristallisationsphasen ablaufen zu lassen.
 





Recherchenbericht