[0001] Die vorliegende Erfindung betrifft eine Querneigeeinrichtung zwischen Wagenkasten
und Fahrgestell eines Schienenfahrzeuges, bei welcher die Abstützung zwischen Wagenkasten
und Fahrgestell über Neigetraversen mit Stützflächen vorbestimmter Geometrie und Rollen,
deren Drehachsen in Fahrzeuglängsrichtung ausgerichtet sind, erfolgt und ein zwischen
Wagenkasten und Fahrgestell wirkender Stellantrieb vorgesehen ist, um den Wagenkasten
bezüglich des Fahrgestells durch eine Relativbewegung (Seitenbewegung mit rotatorischer
Komponente) zwischen den Neigetraversen und den Rollen um dessen Längsachse gesteuert
zu neigen.
[0002] Derartige Einrichtungen sind bekannt und beispielsweise in DE-OS 15 30 117, EP-A-0
271 592 oder DE-OS 21 45 738 vom Prinzip her beschrieben.
[0003] Teilweise handelt es sich bei den bekannten Einrichtungen um solche, welche der Stabilisierung
der Fahrzeuge dienen und dabei auftretende Querkräfte ausgleichen. Probleme würden
bei all diesen Systemen dann auftreten, wenn die Stellantriebe (hydraulisch, elektromechanisch)
aus irgend einem Grund ausfallen. Die Bewegungen um die Längsachse der Wagenkasten
wären dann sich selbst überlassen, d.h. eine Lagestabilisierung wäre unter bestimmten
Bedingungen, abhängig von der Lage des Schwerpunktes relativ zum Neigepol, nicht ausreichend.
[0004] Die Lagestabilisierung im Falle einer passiven Notzentrierung ohne aktive Rückstellung
des Notantriebes ist unter bestimmten Bedingungen gewährleistet. Die Zentriergüte
ist in erster Linie abhängig von der Schwerpunktlage und dem Ort des Neigepoles. Liegt
der Schwerpunkt oberhalb des Neigepoles, so liefert die bei Durchfahren einer Kurve
einwirkende Querbeschleunigung ein Moment, das den Wagenkasten nach bogenaussen rollen
lässt. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dem gesamten System ein energetisch günstiges
Niveau in der neutralen 0°-Umgebung aufzuprägen.
[0005] Aufgabe der vorliegenden Erfindung war es, diese Situation zu verbessern und bei
Schienenfahrzeugen mit Querneigeeinrichtung bei Ausfall des Stell- bzw. Neigeantriebes,
insbesondere unter Betriebsbedingungen von Hochgeschwindigkeits-Neigezügen, eine ausreichende
passive Lagestabilisierung durch Selbstzentrierung sicherzustellen.
[0006] Diese Aufgabe wurde nun bei einer Querneigeeinrichtung der eingangs definierten Art
erfindungsgemäss durch die Merkmale des kennzeichnenden Teils von Anspruch 1 gelöst.
[0007] Besonders vorteilhafte Ausführungsformen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen
definiert.
[0008] Grundlage der erfindungsgemässen passiven Selbstzentrierung ist der reversible Energieeintrag
während des Neigeprozesses. Dabei ist der Energieeintrag (durch den Stellantrieb)
eine Funktion des eingestellten Neigewinkels und kann auf verschiedene Leistungsprofile
variiert werden.
[0009] Die gefundene Lösung ist verblüffend einfach und mit geringem Aufwand zu realisieren.
[0010] Die Erfindung wird nachstehend anhand von in der Zeichnung dargestellten Ausführungsbeispielen
noch etwas näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1 die erfindungsgemässe Querneigeeinrichtung rein schematisch;
Fig. 2 die schematische Darstellung des Neigeprozesses und
Fig. 3 eine Darstellung der Lagestabilisierung, ausgehend von einem erzwungenen Energieniveau.
[0011] Fig. 1 der Zeichnung zeigt rein schematisch eine Querneigeeinrichtung für einen über
Federsysteme 1, 1' auf einer Neigetraverse 2 angeordneten Wagenkasten 3 eines Schienenfahrzeuges.
Die Neigetraverse 2 ist mit mindestens zwei Stützflächen 4, 4' ausgerüstet. Diese
Stützflächen 4, 4' liegen auf Rollen 5, 5' auf, welche drehbeweglich fest am Fahrgestell
6 montiert sind und deren Drehachsen parallel zur Wagenlängsachse verlaufen. Durch
einen Stellantrieb 7, 7', vorzugsweise einen elektromechanischen Stellantrieb, lässt
sich die Neigung des Wagenkastens 3 bezüglich des Drehgestells 6 auf den jeweils gewünschten
Wert einstellen. Die Stützflächen 4, 4' sind prismatisch und symmetrisch zur Mittelachse
der Neigetraverse 2 angeordnet.
[0012] In Fig. 1 ist die neutrale Neigestellung, d.h. die 0°-Relativneigung, gezeigt.
[0013] Um einen neigewinkelabhängigen Energieeintrag in das System zu erzeugen, ist der
momentane Ort des Neigepols von elementarer Bedeutung. Der orthogonale Abstand des
Neigepols zum resultierenden Vektor (Gewichtskraft und Fliehkraft) liefert den Hebelarm
des Rückstellmomentes. Durch die spezielle Konturformgebung der Stützflächen können
der Ort des Momentanneigepols und somit der wirksame Hebelarm beliebig manipuliert
werden. Das ganze System wird auf den Momentanbetrag des Stellkraftvektors optimiert,
so dass eine auf das jeweils geforderte Leistungsprofil angepasste Stellkraftcharakteristik
entsteht. D.h. dass nicht nur eine passive Zentrierung gewährleistet wird, es ist
ebenso möglich, eine Stellkraftbegrenzung zu realisieren, die weitestgehend unabhängig
vom Fahrzeuggewicht ist.
[0014] Die erwähnte Konturoptimierung desensiviert das System gegenüber:
- innere Reibung
- parasitären Steifigkeiten
- dem Einfluss der Schwerpunktvertikallage bei einwirkender Querbeschleunigung
- Schwerpunktquerexzentrizitäten.
[0015] Die Zeichnung zeigt, wie in der dargestellten Stellung die Rollen 5, 5' in konkaven
Vertiefungen 8, 8' der Stützflächen 4, 4' liegen und durch die alleinige Einwirkung
der Schwerkraft in dieser Position stabilisiert werden. Die Vertiefungen 8, 8' gehen
beidseitig stetig, z.B. konvex, in die geraden Abschnitte der Stützflächen 4, 4' über,
so dass durch Einwirkung der Stellantriebe 7, 7' eine beliebige, der jeweils befahrenen
Strecke angepasste Neigung eingestellt und gehalten werden kann.
[0016] Bei eventuellem Ausfall der Stellantriebe würde durch Rückstellung (Nutzung des reversiblen
Energieeintrages) die Neigetraverse mit den Stützflächen selbsttätig in die neutrale
Neigestellung zurückkehren, in welcher die Rollen 5, 5' in den Vertiefungen 8, 8'
gehalten werden. Damit ist eine sogenannte passive Selbstzentrierung in der neutralen
Neigestellung sichergestellt. Eine solche Selbstzentrierung ist insbesondere bei Ausfall
des Stellantriebes unter Betriebsbedingungen von Hochgeschwindigkeits-Neigezügen von
grossem Vorteil und erhöht die Betriebssicherheit auch im Falle eines Ausfalles des
Stell- bzw. Neigeantriebes.
[0017] Zur Gestaltung der Stützflächen und der darin vorgesehenen Vertiefungen müssen selbstverständlich
die Neigebewegung mit zugehörigen Kraftkomponenten berechnet werden.
[0018] Da der Energieeintrag durch den Stellantrieb eine Funktion des Neigewinkels ist,
kann auf verschiedene Leistungsprofile variiert werden.
[0019] Wesentlich bei der erfindungsgemässen Konstruktion ist die Neigetraverse mit den
speziell ausgebildeten Stützflächen, insbesondere den genannten Vertiefungen zur Stabilisierung
in der neutralen Neigestellung für die damit zusammenwirkenden Rollen.
[0020] Grundsätzlich können die Neigetraversen am Wagenkasten und die Rollen am Drehgestell
angeordnet sein, wie beim gezeigten Beispiel, oder umgekehrt, d.h. die Rollen am Wagenkasten
und die Neigetraverse mit den Stützflächen am Drehgestell.
[0021] Ausgehend von einer prismatisch ausgeführten Neigetraverse kommen aufgrund der beliebigen
Konturformgebungen eine Vielzahl an möglichen Kurvencharakteristiken für die Auflagen
in Frage.
[0022] Beim gezeigten Beispiel besitzen die symmetrisch angeordneten Stützflächen 4, 4'
jeder Neigetraverse 2 eine prismenförmige Geometrie (zueinander geneigte Flächen).
Die Stützflächen könnten statt prismenförmig auch jede Art von Kurvenform aufweisen.
[0023] Der vorzugsweise elektromechanische Stellantrieb ist in der Regel zwischen Neigetraverse
und Fahrgestell angeordnet.
[0024] Durch Ein- und Ausfahren des Stellantriebes wird der Neigetraverse und damit dem
Wagenkasten, bedingt durch die Geometrie der Stützflächen, ein Neigewinkel aufgezwungen,
was eine Rotation des Wagenkastens um seine Längsachse ergibt.
[0025] Mit der Energiezufuhr (Stellantrieb) erfolgt eine definierte Erhöhung der potentiellen
Energie durch Manipulation des Rückstellmomentes in Funktion des Neigewinkels. Die
Geometrie der Stützflächen liefert die gewünschte Energieeintragscharakteristik, welche
bei Ausfall des Stellantriebes dafür sorgt, dass der Wagenkasten in die neutrale Neigestellung
(0°-Relativneigung zum Fahrgestell) bewegt wird. Dank den Vertiefungen in den Stützflächen
wird das System ohne aktive Rückstellung in dieser Stellung gehalten (stabilisiert).
[0026] Die Fig. 2 und 3 illustrieren die Vorgänge der Kräfte in Abhängigkeit der Neigungswinkel.
1. Querneigeeinrichtung zwischen Wagenkasten und Fahrgestell eines Schienenfahrzeuges,
bei welcher die Abstützung zwischen Wagenkasten und Fahrgestell über Neigetraversen
mit Stützflächen vorbestimmter Geometrie und Rollen, deren Drehachsen in Fahrzeuglängsrichtung
ausgerichtet sind, erfolgt und ein zwischen Wagenkasten und Fahrgestell wirkender
Stellantrieb vorgesehen ist, um den Wagenkasten bezüglich des Fahrgestells durch eine
Relativbewegung zwischen den Neigetraversen und den Rollen um dessen Längsachse gesteuert
zu neigen, dadurch gekennzeichnet, dass in den Stützflächen der Neigetraverse im Bereich
der Berührungsstelle mit den Rollen bei neutraler Neigestellung, d.h. 0°-Relativneigung,
Vertiefungen vorgesehen sind, welche die Lage der Rollen und damit des Wagenkastens
bezüglich des Fahrgestells in dieser Stellung stabilisieren.
2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass für sämtliche Rollen im
Bereich der genannten Berührungsstellen lagestabilisierende, z.B. konvexe Vertiefungen
vorgesehen sind.
3. Einrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Vertiefungen
beidseitig stetig, z.B. über eine konvexe Kurve, in die übrigen Abschnitte der Stützflächen
übergehen.
4. Einrichtung nach einem der Ansprüche 1-3, dadurch gekennzeichnet, dass die Neigetraversen
auf der Wagenkastenseite angeordnet sind, während die Rollen am Fahrgestell montiert
sind.
5. Einrichtung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass sich der Wagenkasten über
Federsysteme an den Neigetraversen abstützt.
6. Einrichtung nach einem der Ansprüche 1-5, dadurch gekennzeichnet, dass jede Neigetraverse
bezüglich der Wagenkastenlängsachse paarweise symmetrisch angeordnete Stützflächen
aufweist, welche prismenförmig zueinander ausgerichtet sind oder bogenförmig verlaufen.