[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl.
[0002] Das Kühlen von gewalztem Profilstahl, zum Beispiel Doppel-T und U-Profil, Winkel
erfolgt üblicherweise auf einem Kühlbett. Infolge der ungleichmäßigen Abkühlung verziehen
sich die Profile. Dieser Verzug wirkt sich nachteilig auf deren Geradheits- und Eigenspannungszustand
aus. Diese beiden genannten Qualitätskriterien gemeinsam genommen, lassen sich mit
dem Qualitätskriterium Planheit beim Bandwalzen vergleichen. Eine reduzierte Geradheit
(Profilkrümmung, Drall und Biegekrümmung) geht häufig mit hohen Eigenspannungen einher.
Gekrümmte Profile müssen nachbearbeitet werden. Eigenspannungen vermindern die Profiltragfähigkeit.
[0003] Die auftretenden Krümmungen werden nach dem Stand der Technik bei niedrigen Profiltemperaturen
durch einen oder mehrere Richtvorgänge auf ein tolerables Maß zurückgeführt. Hierzu
kommen Rollenrichtmaschinen und Richtpressen zum Einsatz.
[0004] Rollenrichtmaschinen, die Profile kontinuierlich richten, bewirken dabei zunächst
eine erneute Krümmung des Profils auf ein definiertes Maß. Dabei werden die vorhandenen
Eigenspannungen durch neue definierte Eigenspannung beseitigt. Prinzipbedingt ist
dies jedoch nicht über den gesamten Profilquerschnitt möglich. Im Bereich der neutralen
Faser verbleibt während des gesamten Richtvorganges ein unbeeinflußter Materialbereich.
Nach der ersten Biegung wird das Produkt einer definierten Wechselbiegung (mehrere
Krümmungswechsel) unterzogen. Dabei werden die Eigenspannungen so verändert, daß das
Profil nach dem Richtvorgang gerade ist. Resteigenspannungen bleiben prinzipbedingt
erhalten. Nachteilig sind die im Profilstahl verbleibenden Eigenspannungen mit den
bereits erwähnten Problemen bei der Tragfähigkeit der Profile. Stark gekrümmte Profile
bereiten außerdem Probleme während des Richtvorganges (z. B. Einfädeln in die Maschine).
[0005] Bei der diskontinuierlich arbeitenden Richtpresse werden nach und nach einzelne unzulässig
stark gekrümmte Abschnitte des Profilstahls durch eine möglichst exakt entgegengesetzte
Biegung kompensiert. Ein Einfluß auf den Eigenspannungszustand kann in der Richtpresse
nicht genommen werden. Nachteilig wirkt sich der diskontinuierliche und unbekannte
Eigenspannungszustand nach dem Richtvorgang auf die Profiltragfähigkeit aus. Dieses
Verfahren stört den Materialfluß in der Profilstahlherstellung und erfordert viel
Zeit.
[0006] Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde,
ein Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl zu schaffen, das ohne den apparativen
Aufwand der vorerwähnten Richtvorrichtungen einen qualitativ hochwertigen, eigenspannungsarmen
Profilstahl liefert.
[0007] Die Richtwirkung des erfindungsmäßigen Verfahrens beruht auf der an sich bekannten
Wirkungsweise des Streckrichtens, wie es beispielsweise in Reckeinrichtungen durchgeführt
wird (aktives Ziehen am Produkt bis in Reckrichtung über den Querschnitt plastische
Verformung auftritt). Die Richtwirkung bei dem erfindungsgemäßen Verfahren wird jedoch
im Unterschied zu den bekannten Verfahren und Vorrichtungen nicht aktiv über ziehende
und/oder gegebenenfalls biegende Werkzeuge erzeugt, sondern durch Umwandlung einer
thermischen Dehnung in eine plastische Dehnung des Profilstahls.
[0008] Im einzelnen wird dies bei einem Verfahren der eingangs erwähnten Art dadurch erreicht,
daß mindestens ein Profilstahl, dessen maximale örtliche Querschnittstemperatur unterhalb
von A
r1 und dessen minimale örtliche Querschnittstemperatur oberhalb einer unteren Grenztemperatur
θ
u liegt, eingespannt und anschließend abgekühlt wird, wobei bereits die untere Grenztemperatur
θ
u aufgrund der Einspannung eine thermische Dehnung in sämtlichen Fasern des Profilstahls
hervorruft, die größer ist als die Dehnung, die für eine Plastifizierung der Fasern
erforderlich wäre, die bei einspannungsfreier, reiner Luftkühlung des Profilstahls
die größten Druckeigenspannungen erfahren würden.
[0009] Voraussetzung für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist, daß der
Profilstahl erst eingespannt wird, wenn er vollständig umgewandelt ist. Infolge der
Abkühlung wird der in ortsfesten Spannmitteln gehaltene Profilstahl aufgrund der Temperaturabnahine
gedehnt (thermische Dehnung). Diese thermische Dehnung wird in eine kombinierte elastisch
- plastische Dehnung des Profilstahls umgewandelt. Der elastische Dehnungsanteil ist
trotz unterschiedlicher plastischer Dehnung über den Querschnitt des Profilstahls
gleichförmig, so daß auch nach Entspannung des Profilstahls keine Verkrümmung zu erwarten
ist. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß aufgrund der insgesamt geringen Dehnungsunterschiede
über den Querschnitt des Profilstahls keine nennenswerten verfestigungsbedingten Fließspannungsunterschiede
zu erwarten sind.
[0010] Die Temperatur des Profilstahls darf beim Einspannen an keiner Stelle A
r1 überschreiten und an keiner Stelle eine untere Grenztemperatur θ
u unterschreiten. Ist nämlich die untere Grenztemperatur θ
u unterschritten, reicht die sich in Folge dieser Temperatur in dem eingespannten Profilstahl
entwickelnde Dehnung nicht aus, um die Fasern zu plastifizieren, die bei normaler
einspannungsfreier Luftabkühlung des Profilstahls die größte Druckeigenspannung
Eσ
D, max erfahren.
[0011] Rechnerisch ergibt sich die untere Grenztemperatur θ
u, bei der das erfindungsgemäße Richtverfahren noch durchführbar ist, gemäß folgender
Formel:

[0012] Dabei bedeuten:
- θu:
- untere Grenztemperatur,
- θEnde Einspannung:
- Temperatur gegen Ende der Einspannung des Profilstahls,
- kf:
- Kaltstreckgrenze des Profilstahls,
- E:
- Elastizitätsmodul E des Profilstahls bei RT,
- α:
- linearer Wärmeausdehnungsqoeffizient des Profilstahls,
- EσD, max :
- Maximalwert der Druckeigenspannung des Profilstahls bei einspannungsfreier Abkühlung
des Profilstahls an der Luft.
[0013] Für θ
Ende Einspannung = 80 °C und k
f = 380 N/mm
2 ergibt sich für Stahl eine untere Grenztemperatur von ca. θ
u ≈ 330 °C.
[0014] Um Beschädigungen an den verwendbaren Bereichen des Profilstahls zu vermeiden, ist
er während des Kühlens an seinen Profilenden eingespannt, die nach dem Abkühlen abgeschopft
werden.
[0015] Im Falle unterschiedlicher Walzlängen des Profilstahles muß zumindest eines der während
des Kühlens ortsfesten Mittel zum Einspannen des Profilstahls verfahrbar sein.
[0016] Um die im Profil verbleibenden Eigenspannungen zu reduzieren, hat es sich als vorteilhaft
herausgestellt, den eingespannten Profilstahl bis auf eine für einen Übergang auf
ein Kühlbett übliche Temperatur von unter 100°C, insbesondere im Bereich von etwa
80°C zu kühlen. Da die in dem Profilstahl verbleibenden Eigenspannungen in dem erfindungsgemäßen
Verfahren in erster Linie von dem Temperaturniveau gegen Ende des eingespannten Kühlvorganges
abhängen, ist bei diesen Temperaturen nicht mit nennenswerten thermischen Inhomogenitäten
und damit Eigenspannungen nach weiterer Abkühlung auf die Umgebungstemperatur zu rechnen.
[0017] Wird der Profilstahl beschleunigt abgekühlt, verkürzt sich die Belegungszeit der
zur Durchführung des Verfahrens erforderlichen Einspannmittel und Kühlvorrichtungen.
Damit läßt sich die Anzahl der durchsatzbedingt notwendigen Einspannmittel und Kühlvorrichtungen
reduzieren. Außerdem läßt sich die Größe des Kühlbettes verringern, da die Gesamtkühlzeit
erheblich verringert ist.
[0018] Vorteilhaft kommen an sich bekannte Spritzdüsen zur beschleunigten Kühlung des Profilstahles
zum Einsatz.
[0019] Das erfindungsgemäße Verfahren wird nachfolgend anhand von Zeichnungen erläutert.
Es zeigen:
- Fig. 1
- eine schematische Darstellung des Verfahrensablautes,
- Fig. 2
- ein Schaubild der Temperaturverläufe ausgewählter Fasern eines erfindungsgemäß eingespannten
Profilstahles HEB 140,
- Fig. 3
- den Profilstahl entsprechend dem Schaubild nach Fig. 2,
- Fig. 4
- ein Schaubild der in dem Querschnitt des Profiles nach Figur 3 verbleibenden Eigenspannungen,
- Fig. 5
- ein Schaubild der Entwicklung der Spannkraft während des Kühlens des Profilstahles
HEB 140.
[0020] Nachfolgend wird anhand von Figur 1 der erfindungsgemäße Verfahrensablauf erläutert:
Der gewalzte Profilstahl 1 wird in an sich bekannter Weise auf ein Kühlbett 2 übergeben
und quer zur Walzrichtung zu Spannmitteln 3a, 3b gefördert, zwischen denen der Profilstahl
1 im Bereich seiner Profilenden 1a, 1b eingespannt wird. Während des Einspannens des
Profilstahls 1 liegt dessen maximale örtliche Querschnittstemperatur unterhalb von
A
r1 und dessen minimale örtliche Querschnittstemperatur oberhalb einer unteren Grenztemperatur
θ
u. Aufgrund der sich an das Einspannen anschließenden weiteren Abkühlung des Profilstahls
1 wird der Profilstahl gedehnt (thermische Dehnung). Diese thermische Dehnung wird
in eine kombinierte elastisch - plastische Dehnung des Profilstahls umgewandelt.
[0021] Ist der Profilstahl 1 auf eine Temperatur von etwa 80°C abgekühlt, wird die Einspannung
aufgehoben und der Profilstahl anschließend abgeschopft.
[0022] Die nutzbare Länge 1 des Profilstahles 1 kühlt dann frei von nennenswerten thermischen
Inhomogenitäten und Eigenspannungen auf Umgebungstemperatur ab. Für einen HEB 140
mit einer Länge von 100 m ergibt sich bei reiner Luftkühlung eine Kühldauer von 64
min., bei einer forcierten Luftkühlung mit einer Reihe von Ventilatoren eine Kühlzeit
von 42 min. und bei einer Wasserkühlung von 10 Sekunden Dauer mit einer gleichmäßig
beaufschlagten Wassermenge von 28 m
3 und einem Vorlaufdruck von etwa 10 bar eine Kühlzeit des Profilstahls HEB 140 auf
die Endtemperatur von 80°C von nur 10 min.
[0023] Figur 2 zeigt die Temperaturverläufe ausgewählter Fasern des Pofilstahls 1 bei Wasserkühlung
mit den vorgenannten Parametern. Die Zuordnung der Faser zu dem Querschnitt des Profilstahls
1 ist Figur 3 zu entnehmen. Figur 2 verdeutlicht eine sehr rasche Abkühlung sämtlicher
Fasern unterhalb von 450°C, die auf das Einsetzen der Wasserkühlung bei T = 555 s
zurückzuführen ist. Die Wasserkühlung endet bei T = 565 s. Die Einspannung des Profilstahles
1 erfolgt wenige Sekunden vor Beginn der Spritzkühlung, nämlich bei T = 550 s und
endet wenige Sekunden nach Beendigung der Spritzkühlung, nämlich bei T = 570 s.
[0024] Aus der Figur 4 gehen die in dem Querschnitt des Profilstahles 1 verbleibenden Spannungen
nach der 10 Sekunden dauernden Wasserkühlung und 20 Sekunden dauernden Einspannung
hervor. Die maximal auftretende Eigenspannung ist mit ca. 20 N/mm
2 (etwa 4,3 % der Kaltfließspannung) im Vergleich zu Ergebnissen bei einspannungsfreier,
reiner Luftabkühlung sehr klein.
[0025] In Figur 5 ist die Entwicklung der Spannkraft während des Kühlens des Profilstahls
1 zu sehen. Die maximal auftretende Spannkraft von weniger als 2.000 kN ist ohne weiteres
technisch beherrschbar.
1. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl,
dadurch gekennzeichnet,
- daß mindestens ein Profilstahl (1), dessen maximale örtliche Querschnittstemperatur
unterhalb von Ar1 und dessen minimale örtliche Querschnittstemperatur oberhalb einer unteren Grenztemperatur
θu liegt, eingespannt und anschließend abgekühlt wird,
- wobei bereits die untere Grenztemperatur θu aufgrund der Einspannung eine thermische Dehnung in sämtlichen Fasern des Profilstahls
(1) hervorruft, die größer ist als die Dehnung, die für eine Plastifizierung der Fasern
erforderlich wäre, die bei einspannungsfreier, reiner Luftkühlung des Profilstahls
die größten Druckeigenspannungen erfahren würden.
2. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Profilstahl (1) während des Kühlens an seinen Profilenden (1a, 1b) eingespannt
ist, die nach dem Abkühlen abgeschopft werden.
3. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die während des Kühlens ortsfesten Mittel (3a, 3b) zum Einspannen des Profilstahls
(1) durch Verfahren zumindest eines der Spannmittel (3a, 3b) an unterschiedliche Längen
des Profilstahls angepaßt werden.
4. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß der eingespannte Profilstahl (1) bis auf eine für einen Übergang auf ein Kühlbett
übliche Abgangstemperatur, insbesondere im Bereich von etwa 80° C gekühlt wird.
5. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Profilstahl (1) beschleunigt abgekühlt wird.
6. Verfahren zum Richten von gewalztem Profilstahl nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Profilstahl (1) mit Flüssigkeit, das insbesondere mit an sich bekannten Spritzdüsen
aufgebracht wird, beschleunigt abgekühlt wird.