(19)
(11) EP 0 972 580 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
19.01.2000  Patentblatt  2000/03

(21) Anmeldenummer: 99110703.8

(22) Anmeldetag:  02.06.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7B21B 37/58
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 14.07.1998 DE 19831480

(71) Anmelder: SMS SCHLOEMANN-SIEMAG AKTIENGESELLSCHAFT
40237 Düsseldorf (DE)

(72) Erfinder:
  • Peters, Andreas Dr.
    40625 Düsseldorf (DE)
  • Gramer, Andreas
    42655 SOLINGEN (DE)
  • Richter, Hans-Peter
    57520 Friedewald (DE)

(74) Vertreter: Valentin, Ekkehard, Dipl.-Ing. et al
Patentanwälte Hemmerich-Müller-Grosse- Pollmeier-Valentin-Gihske Hammerstrasse 2
57072 Siegen
57072 Siegen (DE)

   


(54) Verfahren zum Voreinstellen von Kaltverformungsanlagen


(57) Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Voreinstellen von Kaltverformungsanlagen, wie Kaltwalzstraßen, Dressiergerüste, Streckbiegerichter, Richtmaschinen und andere. Die Genauigkeit des Presettings üblicher Kaltverformungsanlagen wird dadurch gesteigert, dass die Härte des zu verformenden Materials kurz vor dessen Kaltverformung gemessen und zur Korrektur seiner Verfestigungskurve und der darauf basierenden Voreinstellung der Kaltverformungsanlage verwendet wird.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Voreinstellen von Kaltverformungsanlagen, wie Kaltwalzstraßen, Dressiergerüste, Streckbiegerichter, Richtmaschinen und andere.

[0002] Kaltwalzstraßen werden in Reversier- und Tandembauweise aufgrund einer Stichplanvorausberechnung vor dem Walzbeginn voreingestellt. Dadurch sollen die durch die vorausberechneten Beanspruchungen verursachten Verformungen der Walzgerüste kompensiert und ein Walzprodukt mit den gewünschten Abmessungen hergestellt werden.

[0003] Die Berechnung der Beanspruchungen beruht auf der Verfestigungskurve, die den Zusammenhang zwischen der Verformung (ε) und der Umformfestigkeit

(ε) der unterschiedlichen Werkstoffe als Standardwerte darstellt. Bedingt durch Schwankungen der chemischen Zusammensetzung, den Unterschieden beim Abkühlen nach dem Warmwalzen oder während des Glühprozesses und des allgemeinen Gefügezustands weicht die reale Verfestigungskurve von der Standardverfestigungskurve mehr oder weniger ab. Deshalb stimmt die auf Standardwerte basierende Stichplanauslegung häufig nicht, wodurch sich Formabweichungen und Mehraufwand beim Walzen ergeben.

[0004] Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur optimalen Stichplanauslegung für die jeweilige Walzcharge zu schaffen.

[0005] Die gestellte Aufgabe wird dadurch gelöst, dass die Härte des zu verformenden Materials kurz vor dessen Kaltverformung gemessen und zur Korrektur seiner Verfestigungskurve und der darauf basierenden Voreinstellung der Kaltverformungsanlage verwendet wird. Der Vorteil der Adaption der Verfestigungskurve über eine Härtemessung liegt darin, dass zum einen Abweichungen in der Umformfestigkeit eines Werkstoffs (abhängig unter anderem von der chemischen Zusammensetzung, Unterschieden beim Abkühlen nach dem Warmwalzen oder während des Glühprozesses, Gefügezustand allgemein) ohne Vorinformation direkt vor Walzbeginn in die Stichplanauslegung eingehen können und das zum anderen unterschiedliche Werkstoffe mit ähnlichem Verfestigungsverhalten mit nur einer Verfestigungskurve verwaltet werden können.

[0006] Es ist von Vorteil, dass die Standardverfestigungskurve eines Werkstoffs oder einer Werkstoffgruppe mit dazugehörenden Standardwerten von Härte, Streckgrenze, Zugfestigkeit usw. durch additive oder multiplikative Verknüpfung mit einem Korrekturglied korrigiert wird, das zumindest eine über den gemessenen Härtewert ermittelte Zugfestigkeit enthält. Die Adaption einer vorhandenen Verfestigungskurve durch additive oder multiplikative Verknüpfung mit einem Korrekturglied ist auf einfache Weise zu verwirklichen.

[0007] Eine vorteilhafte Weiterbildung der Erfindung besteht darin, dass die Differenz zwischen der mittels Härtemessung vorausberechneten und der beim Walzen effektiv gemessenen Walzkraft des ersten Gerüstes bzw. des ersten Stiches zur rechnerischen Korrektur der vorausberechneten Walzkraft des jeweils folgenden Walzgerüstes bei Tandemanlagen bzw. des folgenden Stiches bei Reversieranlagen verwendet wird. Da eine weitere Adaption der Verfestigungskurve durch Härtemessung zwischen den Walzgerüsten einer Tandemstraße nicht möglich ist, wird aus der Differenz zwischen vorausberechneter und gemessener Walzkraft eines Walzgerüstes ein nur rechnerisch ermittelter Korrekturwert für die Walzkraft des jeweils folgenden Walzgerüstes ermittelt.

[0008] Bei Reversiergerüsten ist eine Härtemessung vor jedem Stich möglich aber kosten- und zeitaufwendig. Es ist jedoch ausreichend, die Härte nur im Einlauf vom ersten Stich zu messen und Abweichungen der daraus abgeleiteten Walzkraft als Korrekturwert bei dem zweiten Stich zu berücksichtigen. Sollte die dabei gemessene Walzkraft immer noch zu große Abweichungen von der vorausberechneten aufweisen, ist eine weitere Härtemessung vor dem dritten Stich sinnvoll.

[0009] Von Vorteil ist auch, wenn die Anpassung der Standardverfestigungskurve nach der jeweils gemessenen Härte des Walzgutes und nach ausgewerteten Abweichungen und Korrekturwerten der Walzkraft früherer Walzungen erfolgt. Die statistische Auswertung einer Anzahl von Walzungen bietet die Gewähr einer treffsicheren Korrektur der dem ersten Walzgerüst bzw. ersten Stich folgenden Bearbeitungsschritte.

[0010] Wenn die Härtemessung dynamisch und vorzugsweise an mehreren Stellen des zu verformenden Materials erfolgt, ist die erforderliche Messzeit minimiert und das Messergebnis gemittelt und somit repräsentativ für die jeweilige Charge. Vorzugsweise wird dabei das bekannte EQUOTIP-Messverfahren benutzt.

[0011] Dadurch, dass zusätzlich zur Härte auch die Temperatur und die Oberflächenreibung es zu verformenden Materials gemessen werden, sind weitere wichtige Parameter berücksichtigt, die die Verfestigungskurve beeinflussen.

[0012] Es ist ferner vorteilhaft, dass die Härtemessung vorzugsweise während verfahrensbedingter Stillstandszeiten der Kaltverformungsanlagen erfolgt. Dadurch tritt keinerlei Verzögerung im Produktionsablauf ein. So kann die Härtemessung bei Tandemstraßen vorzugsweise zwischen Abhaspel und Schweilßmaschine während des Schweißens erfolgen und somit die Schweißzeit ausnutzen. Entsprechend erfolgt die Härtemessung bei Reversierstraßen, vorzugsweise in Bereich von deren Dickenmessgeräte während der Eichung derselben und erfordert ebenfalls keine Zusatzzeit.

[0013] Weitere Merkmale der Erfindung ergeben sich aus der folgenden Beschreibung und den Zeichnungen bzw. Diagrammen, in denen Ausführungsbeispiele der Erfindung schematisch dargestellt sind.

[0014] Es zeigen:
Fig. 1
eine Verfestigungskurve mit additiver Korrektur,
Fig. 2
eine Verfestigungskurve mit multiplikativer Korrektur.


[0015] In beiden Figuren 1 und 2 sind die Standardverfestigungskurven mit Verfestigungskraft kf0 als Funktion des Verformungswegs (ε) ausgezogen und die korrigierten Verfestigungskurven kf1 (ε) gestrichelt dargestellt.

[0016] In Figur 1 unterscheiden sich kf0 (ε) und kf1 (ε) durch ein additives Korrekturglied



[0017] Dabei sind:

kf0 (0) = Anfangswert der Standardverfestigungskurve bei ε=0,

H0 = Standardhärtewert

H1 = gemessener Härtewert,

Rm0 = Standardzugfestigkeit.



[0018] Demnach gilt:



[0019] In Figur 2 ist jeder kf (ε)-Wert mit dem Faktor k(H0, H1, Rm0...) multipliziert.

[0020] Demnach gilt:



[0021] Beide Korrekturmodelle geben den Einfluss der gemessenen Härte H1 auf die Verfestigungskraft kf1 (ε) wieder.

[0022] Das erfindungsgemäße Verfahren eignet sich nicht nur für Kaltwalzstraßen, sondern auch für alle Arten von Dressiergerüsten, Streckbiegerichter, Richtmaschinen (Band und Blech), ebenso für Kaltprofilrichtmaschinen und Kaltwalzstraßen für Profile und Draht.


Ansprüche

1. Verfahren zum Voreinstellen von Kaltverformungsanlagen, wie Kaltwalzstraßen, Dressiergerüste, Streckbiegerichter, Richtmaschinen und andere, dadurch gekennzeichnet, dass die Härte des zu verformenden Materials kurz vor dessen Kaltverformung gemessen und zur Korrektur seiner Verfestigungskurve und der daraus basierenden Voreinstellung der Kaltverformungsanlage verwendet wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Standard-Verfestigungskurve eines Werkstoffs oder einer Werkstoffgruppe mit dazugehörenden Standardwerten von Härte, Streckgrenze, Zugfestigkeit usw. durch additive oder multiplikative Verknüpfung mit einem Korrekturglied korrigiert wird, das zumindest eine über den gemessenen Härtewert ermittelte Zugfestigkeit enthält.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Differenz zwischen der mittels Härtemessung vorausberechneten und der beim Walzen effektiv gemessenen Walzkraft des ersten Gerüstes bzw. des ersten Stiches zur rechnerischen Korrektur der vorausberechneten Walzkraft des jeweils folgenden Walzgerüstes bei Tandemanlagen bzw. des folgenden Stiches bei Reversieranlagen verwendet wird.
 
4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Anpassung der Standardverfestigungskurve nach der jeweils gemessenen Härte des Walzgutes und nach ausgewerteten Abweichungen und Korrekturwerten der Walzkraft früherer Walzungen erfolgt.
 
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Härtemessung dynamisch erfolgt, vorzugsweise nach dem EQUOTIP-Messverfahren.
 
6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Härtemessung an mehreren Stellen des zu verformenden Materials erfolgt.
 
7. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass zusätzlich zur Härte auch die Temperatur und die Oberflächenreibung des zu verformenden Materials gemessen werden.
 
8. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass die Härtemessung vorzugsweise während verfahrensbedingter Stillstandszeiten der Kaltverformungsanlage erfolgt.
 
9. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Härtemessung bei Tandemstraßen vorzugsweise zwischen Abhaspel und Schweißmaschine während des Schweißens erfolgt.
 
10. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Härtemessung bei Reversierstraßen, vorzugsweise in Bereich von deren Dickenmessgeräte während der Eichung derselben erfolgt.
 




Zeichnung