[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren sowie ein System zur Regelung einer Kühlstrecke,
insbesondere der Kühlstrecke einer Anlage zum Walzen von Blechen und Bändern aus Stahl.
[0002] Während die Anforderungen an die geometrischen Abmessungen, die Oberflächenbeschaffenheit
und mechanische Eigenschaften von warmgewalzten Bändern ständig steigen, wächst gleichzeitig
der Wunsch nach einer höheren Flexibilität der Produktionsanlagen für eine Vielzahl
von unterschiedlichen Stählen. Es besteht daher der Bedarf nach automatisch arbeitenden
Kühlanlagen, die genaue Temperaturverläufe sowie verschiedene Kühlstrategien, d.h.
Kühlabläufe, bei hoher Flexibilität und gleichzeitiger Produktion von Stählen hoher
Qualität gewährleisten.
[0003] Die zur Realisierung solcher Anforderungen bisher entwickelten Prozeßoptimierungs-
und Regelungsverfahren zur Automatisierung der laminaren Warmbandkühlstrecken beruhen
üblicherweise auf mathematischen Prozeßmodellen.
[0004] Hierbei liegt dem klassischen Konzept die Modellierung des Gesamtsystems in Form
von ideellen Bandpunkten zugrunde. Bei der Modellierung eines Bandpunktes wird berücksichtigt,
daß der Bandpunkt durch Wärmeleitung, Konvektion und Strahlung Energie mit der Umgebung
austauscht. Ferner wird durch Gefügetransformation innere Energie produziert. Zur
Modellierung des Bandpunktes wird in Banddickenrichtung die instationäre eindimensionale
Wärmeleitungsgleichung von FOURIER gelöst. Als geometrische Grenze der Modellierung
dient der Ort des Fertigstraßenpyrometers, also der Eintrittsort des ideel gedachten
Bandpunktes in die Kühlstrecke, sowie der Installationsort des Haspelpyrometers. Zwischen
diesen beiden Orten kann durch örtlich verteilte Stelleingriffe die Solltemperatur
des Bandes eingestellt werden.
[0005] Hierbei sind zwei unterschiedliche Ansätze bekannt geworden: zum einen ist das Prozeßmodell
in einen Regelkreis eingebunden, zum anderen ist es von diesem getrennt. Im zweiten
Fall kommt es vor Einlauf des zu kühlenden Bandes zu einer Voreinstellung der Stellsysteme
der Kühlstrecke (Setup), wobei eine Vorsteuerung und Regelung während des Walzens
nur noch zur Ausregelung verbleibender Störgrößen sowie von ungenauen Setup-Einstellungen
dienen.
[0006] In beiden Fällen werden einzelne Bandabschnitte in Segmente aufgeteilt und beim Transport
durch die Kühlstrecke verfolgt. Diesen Segmenten werden die jeweils gemessenen Prozeß-
und Stellsignale zugeordnet.
[0007] Nachdem ein Segment das Haspelpyrometer erreicht hat, wird im ersten Fall eine Rückrechnung
dieses Segmentes mit Hilfe des Prozeßmodells durchgeführt. Die sich ergebende Differenz
zwischen gemessener und berechneter Haspeltemperatur wird adaptiert und für eine sich
anschließende angepaßte Einstellung der Stellsysteme unter Beachtung des aktuellen
Prozeßzustands (Fertigstraßentemperatur, Bandgeschwindigkeit usw.) berücksichtigt.
Dieser Berechnungsablauf wird während des Walzvorgangs zyklisch wiederholt.
[0008] Die Modelladaption dient bekanntermaßen dazu, die Vorhersagegenauigkeit des Kühlmodells
zu erhöhen. Hierbei wird das Berechnungsergebnis des Modells ständig mit den tatsächlichen,
gemessenen Kühlergebnissen verglichen und eine Fehlerminimierung durchgeführt.
[0009] Dieses klassische Konzept zeigt zum einen den Nachteil, daß aufgrund der Integration
der Bandsegmente eine große Anzahl von Daten ermittelt und verarbeitet werden muß.
Daneben sind die Steilsysteme der Kühlvorrichtung, beispielsweise die örtliche Verteilung
des Kühlwassers und die Anzahl der betätigbaren Kühlbalken, nicht flexibel und schnell
genug regelbar. Es besteht folglich die Gefahr, daß Bandabschnitte bei einer schnellen
Änderung der Bandgeschwindigkeit unterkühlt bzw. überhitzt werden.
[0010] Ausgehend von diesem Stand der Technik ist es Aufgabe der vorliegenden Erfindung,
ein Verfahren sowie ein System zur Regelung einer Kühlstrecke, insbesondere einer
Kühlstrecke von Walzanlagen, zu schaffen, die einen schnellen und automatischen Regelvorgang
gewährleisten und den datenlogistischen Aufwand verringern.
[0011] Diese Aufgabe wird mittels des Verfahrens mit den Merkmalen nach Anspruch 1 sowie
nach Anspruch 8 gelöst. Vorteilhafte Merkmale sind in den Unteransprüchen offenbart.
[0012] Das vorgeschlagene Verfahren geht von dem Grundgedanken aus, das Gesamtsystem der
Kühlstrecke nicht als eine Summe einzelner Bandpunkte bzw. Segmente zu betrachten,
sondern den Temperaturzustand des Bandes über die Länge der Kühlstrecke, d.h. die
durch den Einfluß der Kühleinwirkung abfallende Temperaturkurve, mittels eines mathematischen
Prozeßmodells kontinuierlich zu berechnen bzw. zu beobachten, diese Temperaturkurve
mit einer Referenz-Temperaturkurve zu vergleichen und die Regelabweichnungen über
die Kühlstreckenlänge individuell auszuregeln. Das Modell, das der Berechnung zugrundeliegt,
wird hierbei vorzugsweise kontinuierlich adaptiert.
[0013] Der erfindungsgemäß vorgeschlagene Regelkreis setzt sich aus den nachfolgenden während
des Kühlprozesses zyklisch ablaufenden Schritten zusammen:
Berechnung des Bandtemperaturverlaufs in der Kühlstrecke in Abhängigkeit der aktuellen
Prozeßparameter sowie des spezifischen Prozeßzustandes des Bandes,
vorzugsweise die Adaption des der Berechnung zugrundeliegenden Modells mittels eines
konkret aufgenommenen Temperatur-Meßwertes Tmeß durch Veränderung der Modellparameter mit dem Ziel der Fehlerminimierung des Modells,
Vorausberechnung eines Referenztemperaturverlaufs mit fehlerminimiertem Modell unter
Zugrundelegen einer vorgegebenen Referenztemperatur Tref;
individuelle Regelung der Prozeßparameter der Kühlstrecke durch Vergleich des Referenztemperaturverlauf
mit dem berechneten Temperaturverlauf.
[0014] Hierbei erfolgt die Berechnung des Bandtemperaturverlaufs wirklichkeitsnah. Auf Basis
des vorzugsweise fehlerminimierten Modells wird der Referenztemperaturverlauf vorausberechnet.
[0015] Bei dem vorgeschlagenen Modell, das dem Verfahren zugrundeliegt, entfällt die Unterteilung
des Bandes in einzelne Segmente, wie es das klassische Modell vorsieht. Daher wird
die Datenmenge übersichtlicher und der datenlogistische Aufwand deutlich geringer.
Zudem erlaubt das vorgeschlagene Verfahren deutlich kürzere Ausregelzeiten, da die
Berücksichtigung langer Datentransportzeiten entfällt.
[0016] Unter dem Begriff Prozeßparameter iS. des Anspruchs 1 werden die aktuellen Einstellungen
der Kühlstrecke verstanden. Dies sind bespielsweise die Anzahl der aktivierten Kühlbalken
und/oder die Menge bzw. die Geschwindigkeit des Kühlwassers sowie die Kühlwassertemperatur.
Die Regelung dieser Stellglieder der Kühlstrecke erfolgt individuell und zwar in Anpassung
an die Referenztemperaturkurve und erlaubt somit eine größere Schnelligkeit und Flexibilität
der einzelnen Stellglieder.
[0017] Unter spezifischem Prozeßzustand werden in diesem Zusammenhang die Eigenschaften
des zu kühlenden Bandes verstanden, wie die Bandgeschwindigkeit, die Banddicke, die
Fertigstraßentemperatur oder die Matererialeigenschaften des Bandes.
[0018] Bei dem konkret gemessenen Temperaturmeßwert T
meß bzw. bei der vorgegebenen Referenztemperatur T
ref handelt es sich vorzugsweise um die Ist- bzw. Solltemperatur des zu kühlenden Gutes
kurz vor Eintritt in die Haspeleinrichtung oder am Ausgang der Kühleinrichtung. Somit
wird mittels des vorgeschlagenen Regelungsverfahren erreicht, Haspeltemperaturen mit
geringen Temperaturtoleranzen einzustellen und Unterschiede in den Geschwindigkeits-
und Endwalz-Temperaturwerten über die Bandlänge weitgehend zu kompensieren.
[0019] Vorzugsweise umfaßt die Kühlstrecke mehrere Kühleinrichtungen. Als besonders bevorzugte
Ausführungsform wird vorgeschlagen, daß obere und untere Stellglieder der Kühleinrichtungen
unabhängig voneinander zur getrennten Kühlung der Bandober- bzw. Bandunterseite geregelt
werden.
[0020] Vorteilhafterweise wird vorgeschlagen, eine Vorausberechnung des zu erwartenden Bandtemperaturverlaufs
in Abhängigkeit des spezifischen Prozeßzustandes des zu kühlenden Gutes vor dessen
Einlauf in die Kühlstrecke vor dem eigentlichen Regelungsprozeß durchzuführen. Mit
Hilfe dieser vorgeschalteten Setup-Berechnung des Bandtemperaturverlaufs wird ein
Arbeitspunkt für den sich anschließenden Regelvorgang geschaffen, der hierdurch schneller
wird.
[0021] Durch die Einbeziehung thermophysikalischer und fluiddynamischer Beziehungen ist
ein genaues Prozeßabbild im Regelzyklus gewährleistet.
[0022] Das erfindungsgemäße System setzt sich aus folgenden Einheiten nach Anspruch 8 zusammen:
eine Einheit zur Berechnung des Bandtemperaturverlaufs (Beobachter) in Abhängigkeit
der aktuell eingestellten Prozeßparameter sowie des spezifischen Prozeßzustandes des
Bandes; eine Einheit zur Vorausberechnung eines Referenz-Temperaturverlaufs in Abhängigkeit
einer vorgegebenen Referenztemperatur (Tref) unter Berücksichtigung der Prozeßparameter und des Prozeßzustandes (Prediktor),
eine Vorrichtung zur Steuerung der Stellglieder der Kühleinrichtungen (1a bis 1i)
der Kühlstrecke.
[0023] Nachfolgend wird das vorgeschlagene Verfahren bzw. System schematisch anhand der
beiliegenden Figuren beschrieben. Hierbei zeigen:
- Figur 1
- eine schematische Funktions-Übersicht über das vorgeschlagene Reglungsverfahren;
- Figur 2 bis 4
- schematische Darstellungen von nacheinander ablaufenden Schritten des vorgeschlagenen
Verfahrens;
- Figur 5
- eine schematische Übersicht der Systemelemente des Temperatur-Reglers;
- Figuren 6,7
- schematische Übersichten des thermodynamischen Ansatzes des Modells.
[0024] Figur 1 zeigt in schematischer Übersicht eine laminare Bandkühlanlage 1, die sich
auf dem Auslaufrollgang einer Warmwalzbreitbandstraße zwischen dem letzten Walzgerüst
2 der Fertigstraße und dem Treiber 3a bzw. Haspel 3b befindet. Die Bandkühlanlage
setzt sich aus mehreren Kühleinrichtungen 1a, 1b, 1c, 1d, 1e, 1f , 1g, 1h sowie 1i
zusammen, die unabhängig voneinander und deren Stellglieder jeweils im Hinblick zur
Bandober- und unterseite getrennt regelbar sind. Zwischen dem letzten Walzgerüst 2
der Fertigstraße und Beginn der Bandkühlanlage 1, gesehen in Transportrichtung des
Bandes 4, ist ein erstes Pyrometer 5 zur Messung der Bandtemperatur vorgesehen. Ein
zweites Pyrometer 6 befindet sich kurz vor dem Teiber 3a bzw. Haspel 3b.
[0025] Ferner sind in Figur 1 schematisch die einzelnen Schritte des erfindungsgemäßen Reglungszyklusses
dargestellt.
[0026] Während des Walzens wird mittels des Kühlmodells ein Bandtemperaturverlauf berechnet
(beobachtet), und die gemessene Haspel-Temperatur T
meß wird mit der entsprechenden berechneten Temperatur T
calc verglichen. Unter der gemessenen Haspel-Temperatur T
meß wird die Bandtemperatur verstanden, die mit Hilfe des Pyrometers 6 gemessen wird.
T
calc ist der entsprechende diskrete Temperaturwert auf der beobachteten Temperaturkurve.
[0027] Es folgt zusätzlich die Adaption des Modells und die Übergabe des berechneten Temperaturverlaufs
an den Temperaturregler.
[0028] Um die Schnelligkeit des Regelprozesses am Bandkopf zu steigern, ist dem Regelprozeß
eine Setup-Berechnung vorgeschaltet. Es wird der Bandtemperaturverlauf in Abhängigkeit
des spezifischen Prozeßzustandes des zu kühlenden Gutes vor dessen Einlauf in die
Kühlstrecke vorausberechnet. Dieser vorausberechnete Bandtemperaturverlauf dient während
des Walzprozesses als Arbeitspunkt für die Temperatur-Regelung.
[0029] Figur 2 stellt den mittels des Modells berechneten, d.h. beobachteten, Verlauf der
Bandtemperatur [°C] über der Bandlänge [m] dar. Dieser erste Schritt des Regelkreises
betrifft die Berechnung des Bandtemperaturverlaufs in der Kühlstrecke zwischen den
Pyrometern 5 und 6 in Abhängigkeit der aktuell eingestellten Prozeßparameter mittels
eines Modells, d.h. die sogenannte "Beobachtung". Die Kühlkurve weist im dargestellten
Beispiel einen relativ starken Abfall im Bereich der ersten vier aktivierten Kühleinrichtungen
1a, 1b, 1c, 1d auf, um dann langsam abzufallen.
[0030] Während des Regelzyklusses wird in einem zweiten Schritt ein konkreter Endtemperaturwert
T
meß an einem definierten Punkt des Bandes nach Durchlaufen der Kühlstrecke gemessen.
Es handelt sich bei dem Endtemperaturwert vorzugsweise um die Temperatur des Bandes,
kurz bevor es in die Haspelvorrichtung 3b einläuft. Sie wird mittels des Haspelpyrometers
6 gemessen.
[0031] Die Bandtemperatur in Höhe des Haspels hängt im wesentlichen von der zu erzeugenden
Materialqualität ab und bewegt sich üblicherweise in einem Bereich von 250 bis 750°C.
[0032] Falls der konkrete Endtemperaturwert T
meß, d.h. die Haspeltemperatur, von dem entsprechenden Wert auf der berechneten Kurve
abweicht, wie es in Figur 2 gezeigt ist, erfolgt eine Adaption zur Fehlerminimierung
des Modells (vgl. Figur 3). Diese Adaption geschieht durch eine geeignete Veränderung
der Modellparameter, so daß ein adaptierter Kurvenverlauf entsteht, auf dem die gemessene
Haspeltemperatur liegt.
[0033] Auf Grundlage dieses jetzt fehlerminimierten Modells wird ein Referenztemperaturverlauf
berechnet unter Zugrundelegen einer vorgegebenen Referenztemperatur T
ref, üblicherweise einer gewünschten Haspeltemperatur. Diesen Schritt zeigt Figur 4.
[0034] Dieser Verlauf geht von dem gleichen Anfangswert wie der erste berechnete Temperaturverlauf
aus, aber von einem unterschiedlichen Endwert, d.h. dem Referenzwert T
ref.
[0035] Durch Vergleich des berechneten Temperaturverlaufs mit dem Referenztemperaturverlauf
erfolgt eine individuelle Regelung jeder Kühlzone, getrennt für die Bandober- bzw.
Bandunterseite. Diese Regelung geschieht hierbei mittels der Stellglieder der Kühleinrichtungen
der Kühlvorrichtung.
[0036] Figur 5 zeigt schematisch die Einheiten des Systems zur Durchführung des vorgeschlagenen
Verfahrens. Mit Hilfe des Prozeß-Beobachters bzw. Modells wird der Temperaturzustand
des Bandes innerhalb der Kühlstrecke kontinuierlich beobachtet bzw. berechnet. Falls
eine Abweichung zwischen berechneter und gemessener Haspeltemperatur festgestellt
wird, kommt es zu einer Adaption des Modells, d.h. die berechnete Haspeltemperatur
wird mit dem konkreten Meßwert T
meß abgeglichen.
[0037] Des weiteren liegt eine Einheit vor zur Berechnung des Referenz-Temperaturverlaufs,
der sogenannte Prediktor. Diese Berechnung erfolgt zyklisch, um die richtige Prozeßführung
innerhalb der Kühlstrecke zum Erreichen einer vorgegebenen Haspeltemperatur in Abhängigkeit
von zeitabhängigen Prozeßstörungen wie Schwankungen der Bandgeschwindigkeit, Banddicke,
Fertigstraßentemperatur etc. sicherzustellen.
[0038] Darüber hinaus ist ein Prozeß-Monitor-Regler vorgesehen, der das Gesamtsystem mit
herkömmlichen reglungstechnischen Methoden, beispielsweise mit einem I-Regler, abgleicht,
falls trotz Adaption des Modells noch eine Abweichung der erreichten von der vorgegebenen
Haspeltemperatur vorliegt. Der Prozeß-Monitor kompensiert meßtechnisch nicht faßbare
Störungen und Fehlfunktionen des Gesamtsystems und stellt damit eine einwandfreie
Produktqualität durch den Abgleich der Referenz- und der aktuell gemessenen Haspeltemperatur
sicher.
[0039] In Figur 6 wird sichtbar, daß jede Kühlzone per Vergleich mit dem zugehörigen Referenzwert
individuell regelbar ist, wenn der aktuelle Verlauf der Bandtemperatur über der Bandlänge
innerhalb der Kühlstrecke bekannt ist. Das bedeutet, daß für beliebig viele diskrete
Ortskoordinaten innerhalb der Kühlstrecke der Temperatur-Zustand des Bandes zu jedem
Zeitpunkt bekannt sein muß. Der Verlauf der Bandtemperatur ist innerhalb der Kühlstrecke
nicht meßbar, sondern muß modellhaft berechnet bzw. beobachtet werden.
[0040] Das dem vorgeschlagenen Verfahren zugrundeliegende mathematischen Modell zur Berechnung
des Temperaturverlaufs des Bandes in der Kühlstrecke basiert auf folgenden thermodynamischen
und strömungstechnischen Grundlagen.
[0041] Der Walzprozeß wird thermodynamisch als instationärer Fließprozeß in einem offenen
System angenommen. Werden das Fertigstraßenpyrometer, das Haspelpyrometer sowie die
Bandober- und unterseite als thermodynamische Systemgrenzen der Kühlstrecke gewählt,
so strömt am Fertigstraßenpyrometer Masse sowie Energie in Form von Enthalpie in das
System, am Haspelpyrometer Masse sowie Energie in Form von Enthalpie aus dem System
und an der Bandober- und unterseite Energie in Form von Wärme aus dem System. Ferner
wird zugrundegelegt, daß die Kühlstrecke in beliebig viele Teilprozesse unterteilt
werden kann, daß das thermodynamische Gesamtsystem sich aus einer Kette von Teilprozessen
zusammensetzt und daß für jeden Teilprozeß die Energie- und Massenbilanz erfüllt sein
muß.
[0042] Allgemein gilt für die Bilanzierung einer extensiven Größe, wie z.B. der Energie,
der Masse, dem Impuls usw., in einem beliebigen, jedoch raumfesten System die allgemeine
Bilanzgleichung

mit
- ev
- die Dichte der extensiven Größe
- is
- den pro Zeit- und Flächeneinheit durch die Oberfläche transportierten Strom der extensiven
Größe
- Γv
- die pro Zeit- und Volumeneinheit produzierte oder vernichtete Menge der extensiven
Größe
[0043] Die Massenbilanz für einen Teilprozeß stellt sich wie folgt dar. Die Masse des Systems
setzt sich aus der Masse der Gefügeanteile p
i ( mit Σp
i = 1) zusammen mit ρ
i als Dichte und V als Volumen

unter Vernachlässigung von Restanteilen folgt für ein Mischgefüge, bestehend aus
Austenit (γ) und Ferrit (α)

[0044] Für die spezifische Masse, d.h. der Dichte, folgt

[0045] Aufgrund des Transportvorgangs fließt Masse per Massenstrom über die Systemgrenzen.


mit
s als dem Oberflächenvektor und
ż als dem Geschwindigkeitsvektor.
[0046] Die pro Zeiteinheit produzierte oder vernichtete Masse des raumfesten Systems kann
sich nur durch zeitliche Veränderung der Dichte ergeben. Mit 1.3 folgt

[0047] Unter Berücksichtigung, daß der Massenstrom nur in Koordinatenrichtung z
1 (Längsrichtung) fließt, folgt für die Massenbilanz in kartesischen Koordinaten

[0048] Die Energiebilanz für einen Teilprozeß stellt sich wie folgt dar. Nach dem ersten
Hauptsatz der Thermodynamik setzt sich die Energie eines Systems aus der Enthalpie
sowie potentieller und kinetischer Energie zusammen. Da für das vorliegende ortsfeste
System keine Änderung bezüglich der kinetischen und potentiellen Energie auftritt,
berechnet sich die Energie E ausschließlich aus der Enthalpie H mit U = innerer Energie

und hieraus unter Vernachlässigung der Volumenänderungsarbeit p*V mit u = spezifische
Energie

[0049] Über die raumfesten Systemgrenzen strömt Energie in Form von Wärme W und Enthalpie
H mit h = spezifische Enthalpie


[0050] Je nach Abkühlgeschwindigkeit und Soll-Haspeltemperatur ist die frei werdende Reaktionsenergie
während der Gefügeumwandlung (γ → α-Umwandlung) zu berücksichtigen.
[0051] Die Enthalpie des Bandes berechnet sich damit zu

[0052] Unter Vernachlässigung von Restanteilen folgt für ein Mischgefüge, bestehend aus
Austenit und Ferrit:

[0053] Die pro Zeit- und Volumeneinheit produzierte oder vernichtete Energie berechnet sich
zu


[0054] Einsetzen der Gleichungen liefert unter Beachtung von

mit cp = Wärmekapazität

mit λ= Wärmeleitfähigkeit für kartesische Koordinaten die gesuchte Energiebilanzgleichung

[0055] In (1.19) wird davon ausgegangen, daß für die Wärmeleitfähigkeit λ(T) keine Richtungsabhängigkeit
vorliegt. Die Wärmeleitung in Breitenrichtung wird vernachlässigt; ferner erfolgt
der Enthalpiefluß ausschließlich in Längsrichtung der Kühlstrecke z
1.
[0056] Wird das Gesamtsystem in Subsysteme unterteilt, ergibt sich aus den Gleichungen (1.8)
und (1.19) ein System von gekoppelten Differentialgleichungen. Das Einsetzen von beispielsweise
Differenzenausdrücken liefert ein Netzwerk zur Berechnung des Temperaturzustandes
über der Längenkoordinate z
1 und Banddickenkoordinate z
2. Die Diskretisierung des Temperatur-Netzes erfolgt dabei in Längs-und Dickenrichtung
mit nicht äquidistanten Abständen von Knoten zu Knoten (Figur 7).
[0057] Neben dem thermomechanischen Ansatz geht ein strömungstechnischer Ansatz in die Modellierung
mit ein. Mit diesem Modell kann die Strömungsgeschwindigkeit des Kühlwassers beim
Austritt aus der Kühleinrichtung berechnet werden. Die Strömungsgeschwindigkeit hat
einen wesentlichen Einfluß auf die Berechnung der Wärmeübergangszahlen für die Bandober-
bzw. Bandunterseite. Sie ergeben sich konkret aufgrund der hydro- und hydrodynamischen
Beziehungen zwischen Tank und den Kühleinrichtungsrohren der Kupplung und damit der
Gesamtentnahme des Kühlwassers aus dem Tank. Insbesondere das Zu- und Abschalten von
Kühleinrichtungen hat einen Einfluß auf die Berechnung der aktuellen Wärmeübergangszahl,
bis sich ein stationärer Strömungszustand eingestellt hat. Unter der Annahme, daß
es sich bei dem Kühlwasser um ein reibungsfreies und inkompressibles Fluid handelt,
gilt für die fluiddynamische Beziehung von zwei Punkten des gleichen Stromfadens die
instationäre Gleichung für inkompressible Fluide nach BERNOULLI:

mit
- ci
- Strömungsgeschwindigkeit an der Stelle i
- s
- Stromfadenkoordinate
- z
- Höhenkoordinate der Stelle i
- pi
- Druck an der Stelle i
- Δρ
- Druckverlust durch Reibung und Einbauten
- ν
- Austrittsort des Kühlwassers aus dem Rohrsystem
- ρ
- Dichte des Fluids
- g
- Konstante.
[0058] Bei der mechanischen Installation handelt es sich um geometrisch einfache Behälterformen
und um eine Kette von Rohrabschnitten unterschiedlicher Durchmesser. Unter der Annahme
unstetiger Rohrübergänge folgt unter Beachtung der Kontinuitätsgleichung:

mit
- n =
- ν-1 Stromfadenabschnitte
- A =
- Querschnittsfläche
aus (2.20) die gesuchte Differentialgleichung zur Beschreibung des instationären
Strömungszustandes zwischen dem Wasserpegel im Hochbehälter und einem beliebigen Punkt
ν im Rohrleitungssystem.

mit


[0059] Gleichung 2.22 beschreibt den instationären Strömungszustand eines einzelnen Kühlbalkens.
Für die Modellierung des gesamten Stellsystems muß diese nichtlineare Differentialgleichung
zweiter Ordnung für jeden Kühlbalken aufgestellt werden. Die Kopplung der n
K Differentialgleichungen erfolgt über die Kontinuitätsgleichung, da für den Wasserpegel
des Hochbehälters

mit
- Ap
- Rohrquerschnitt der Pumpe
- Vp
- durch Pumpen geförderter Volumenstrom
erfüllt sein muß.
1. Verfahren zur Regelung einer Kühlstrecke, insbesondere der Kühlstrecke einer Walzstraße
für Bleche und Bänder aus Stahl,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Regelkreis die folgenden zyklisch ablaufenden Schritte umfaßt:
Berechnung des Bandtemperaturverlaufs in der Kühlstrecke in Abhängigkeit der aktuell
eingestellten Prozeßparameter sowie des spezifischen Prozeßzustandes des Bandes,
Vorausberechnung eines Referenztemperaturverlaufs unter Vorgabe einer Referenztemperatur
(Tref);
individuelle Regelung der Prozeßparameter der Kühlstrecke durch Vergleich des berechneten
Temperaturverlaufs mit dem Referenztemperaturverlauf.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß das der Berechnung des Bandtemperaturverlaufs zugrundeliegende Modell mittels
eines konkret aufgenommenen Temperaturmeßwertes (Tmeß) adaptiert wird.
3. Verfahren nach Anspruch 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß der konkret aufgenommene Temperaturmeßwert (Tmeß) die Temperatur des zu kühlenden Gutes kurz vor Eintritt in die Haspeleinrichtung
(3b) ist.
4. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Prozeßparameter der Kühlstrecke über Stellglieder von mehreren Kühleinrichtungen
(1a, 1b, 1c, 1d bis 1i) einstellbar sind.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß obere und untere Stellglieder der Kühleinrichtungen unabhängig voneinander zur
getrennten Beeinflussung der Bandober- bzw. Bandunterseite geregelt werden.
6. Verfahren nach Anspruch 4 oder 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Stellglieder der Kühleinrichtungen die Anzahl der betätigten Kühlbalken und/oder
die Menge- bzw. die Geschwindigkeit des Kühlwassers umfassen.
7. Verfahren nach Anspuch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß der zu erwartende Bandtemperaturverlauf in Abhängigkeit des spezifischen Prozeßzustandes
des zu kühlenden Gutes vor dessen Einlauf in die Kühlstrecke vor dem eigentlichen
Regelungsprozeß vorausberechnet und die entsprechenden Prozeßparameter der Kühlstrecke
eingestellt werden.
8. System zur Durchführung des Verfahrens nach den vorherigen Ansprüchen,
dadurch gekennzeichnet,
daß es umfaßt:
eine Einheit zur Berechnung des Bandtemperaturverlaufs in Abhängigkeit der aktuell
eingestellten Prozeßparameter sowie des spezifischen Prozeßzustandes des Bandes,
eine Einheit zur Vorausberechnung eines Referenz-Temperaturverlaufs in Abhängigkeit
einer vorgegebenen Referenztemperatur (Tref),
eine Vorrichtung zur Steuerung der Stellglieder der Kühleinrichtungen (1a bis 1i)
der Kühlstrecke.
9. System nach Anspruch 8,
dadurch gekennzeichnet,
daß es ein Meßgerät (6) zur Ermittlung eines konkreten Temperaturwertes (Tmeß) des Bandes (4) sowie eine Einheit zur Adaption des der Berechnung zugrundeliegenden
Modells umfaßt.
10. System nach Anspruch 9,
dadurch gekennzeichnet,
daß ein Prozeß-Monitor-Regler vorgesehen ist, der ein trotz Adaption fehlerbehaftetes
Gesamtsystems abgleicht.