(19)
(11) EP 0 997 550 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
03.05.2000  Patentblatt  2000/18

(21) Anmeldenummer: 99810313.9

(22) Anmeldetag:  15.04.1999
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7C22F 1/043, C22C 21/04
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 05.10.1998 EP 98810995

(71) Anmelder: Alusuisse Technology & Management AG
8212 Neuhausen am Rheinfall (CH)

(72) Erfinder:
  • Winkler, Reinhard
    78234 Engen (DE)
  • Wüst, Jürgen
    85435 Erding (DE)
  • Währisch, Klaus
    85652 Pliening (DE)

   


(54) Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen


(57) Bei einem Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen wird eine Legierung mit

9.5 bis 11.5 Gew.-% Silizium

0.3 bis 0.6 Gew.-% Mangan

0.15 bis 0.35 Gew.-% Eisen

0.1 bis 0.4 Gew.-% Magnesium

max. 0.1 Gew.-% Titan

90 bis 180 ppm Strontium

wahlweise noch

0.1 bis 0.3 Gew.-% Chrom

0.1 bis 0.3 Gew.-% Nickel

0.1 bis 0.3 Gew.-% Kobalt


und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120 min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt.
Durch die partielle Lösungsglühung ohne schroffes Abschrecken können Bauteile verzugsfrei hergestellt werden.


Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen. Im Rahmen der Erfindung liegt auch eine Anwendung des Verfahrens sowie eine Verwendung eines mit dem Verfahren hergestellten Bauteiles.

[0002] Mit modernen Giessverfahren können heute hoch belastbare Formteile auch aus Aluminiumlegierungen hergestellt werden. Die eingesetzten Aluminiumwerkstoffe müssen allerdings eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung eines Werkstoffs ist die Einhaltung bestimmter mechanischer Kennwerte. So bestimmen etwa Mindestwerte von Streckgrenze und Festigkeit die Tragfähigkeit einer Konstruktion. Im Fahrzeugbau kommt die Anforderung hinzu, dass die bei einem Zusammenstoss deformierten Bauteile vor dem Bruch möglichst viel Energie durch plastische Verformung absorbieren sollen, was eine hohe Duktilität des eingesetzten Werkstoffs erfordert.

[0003] Das Druckgiessverfahren ermöglicht bei hohen Stückzahlen die kostengünstige Herstellung dünnwandiger Gussstücke, wie sie als crashrelevante Bauteile im Automobilbau eingesetzt werden. Dünnwandige Teile stellen hohe Anforderungen an die Giessbarkeit. Aluminiumlegierungen, welche die an das Fliessverhalten bzw. Formfüllungsvermögen gestellten Anforderungen erfüllen können, sind vor allem Legierungen mit einem Si-Eutektikum.

[0004] Eine zum Druckgiessen von im Fahrzeugbau eingesetzten Sicherheitsbauteilen geeignete Legierung auf der Basis Aluminium-Silizium ist aus der EP-B-0687742 bekannt. Die Legierung entspricht dem Typ AlSi9Mg mit erheblich reduziertem Eisengehalt und einer Strontium-Veredelung des AlSi-Eutektikums. Vor Durchführung einer Wärmebehandlung wird die Legierung vollständig lösungsgeglüht und nachfolgend abgeschreckt.

[0005] Bauteile mit teilweise geringen Wandstärken, wie sie beispielsweise als Strukturbauteile im Automobilbau eingesetzt werden, verziehen sich beim schroffen Abschrecken mit Wasser und müssen daher nachträglich aufwendigen Richtoperationen unterzogen werden. Zudem kann die hohe Lösungsglühtemperatur infolge einer Restgasporosität zu Blasenbildung an der Oberfläche der Bauteile führen. Zur Herstellung von Bauteilen der genannten Art durch Druckgiessen wurde deshalb nach Möglichkeiten gesucht, die geforderten Festigkeits- und Dehungswerte auch ohne Durchführung einer Hochtemperaturglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung zu erzielen.

[0006] Für crashrelevante Bauteile im Automobilbau wird der Schwerpunkt auf die Duktilität, also auf das Verformungsvermögen und auf den duktilen Bruch, ausgedrückt durch die Bruchdehnung, gelegt. Die Festigkeit, ausgedrückt durch die Streckgrenze, kann dabei relativ tiefe Werte annehmen. Für Sicherheitsbauteile im Automobilbau sollten die folgenden Minimalwerte erreicht werden:
Dehngrenze (Rp0.2): 120 MPa
Zugfestigkeit (Rm): 180 MPa
Dehnung (A5) 15%


[0007] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Aluminiumlegierung und eine Wärmebehandlung anzugeben, mit welcher eine hohe Bruchdehnung bei ausreichender Streckgrenze auch ohne Durchführung einer Hochtemperaturglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung erreicht werden kann.

[0008] Zur erfindungsgemässen Lösung der Aufgabe führt, dass eine Legierung mit
9.5 bis 11.5 Gew.-% Silizium
0.3 bis 0.6 Gew.-% Mangan
0.15 bis 0.35 Gew.-% Eisen
0.1 bis 0.4 Gew.-% Magnesium
max. 0.1 Gew.-% Titan
90 bis 180 ppm Strontium
wahlweise noch
0.1 bis 0.3 Gew.-% Chrom
0.1 bis 0.3 Gew.-% Nickel
0.1 bis 0.3 Gew.-% Kobalt
und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120 min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt wird.

[0009] Die Legierung entspricht im wesentlichen der aus EP-B-0687742 bekannten Legierung mit gegenüber dieser erhöhtem Eisen- und erniedrigtem Mangangehalt. Diese Variation in der Legierungszusammensetzung hat einen positiven Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften, da die Al12(Mg,Fe)Si2-Phasen deutlich feiner ausgebildet und gleichmässiger verteilt sind, was sich letztlich in einer verbesserten Duktilität niederschlägt. Durch den höheren Eisengehalt kann als Legierungsbasis Aluminium von geringerer Reinheit verwendet werden, wodurch sich die Gestehungskosten für die Legierung reduzieren. Zudem erlaubt der höhere Eisengehalt, den zur Verminderung der Klebeneigung der Legierung in der Druckgiessform verwendeten Manganzusatz herabzusetzen.

[0010] Anstelle der bei AlSi-Druckgusslegierungen üblichen Lösungsglühung bzw. Einformungsglühung des Eutektikums bei Temperaturen um 500°C mit nachfolgender Wasserabschreckung wird erfindungsgemäss die partielle Lösungsglühung bei tieferen Temperaturen eingeführt. Die gewählten Glühbedingungen gewährleisten eine ausreichende Einformung des eutektischen Siliziums. Die Abkühlung kann an ruhender Luft, allenfalls unterstützt durch Ventilatoren, erfolgen. Durch die gegenüber üblichen Lösungsglühtemperaturen erniedrigte Gussglühung kann die Blasenbildung infolge Gasporosität verhindert werden.

[0011] Erfindungsgemäss werden somit Temperaturbereich und Zeitdauer der Lösungsglühung so gewählt, dass einerseits die starke Gussübersättigung von Silizium zur Verbesserung der Duktilität abgebaut wird und andrerseits die Streckgrenze durch eine anschliessende Warmaushärtung auf die geforderten Werte eingestellt werden kann.

[0012] Der Temperaturbereich für die partielle Lösungsglühung liegt bevorzugt zwischen etwa 420 und 460°C. Unter Inkaufnahme eines geringen mechanischen Festigkeitsverlustes kann das Bauteil für gewissen Anwendungen ohne nachfolgende Warmaushärtung eingesetzt werden.

[0013] Zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus kann das Bauteil nach der partiellen Lösungsglühung im Temperaturbereich der Ausscheidungshärtung von Mg2Si zusätzlich warmausgehärtet werden. Diese Warmaushärtung wird bevorzugt in einem Temperaturbereich von etwa 190 bis 240°C, insbesondere etwa 190 bis 220°C, durchgeführt.

[0014] Das bevorzugte Anwendungsgebiet des erfindungsgemässen Verfahrens liegt in der Herstellung grossflächiger und dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische Energie durch plastische Verformung, d.h. crashrelevanter Bauteile, wie sie als Sicherheitsbauteile im Fahrzeugbau und insbesondere im Automobilbau eingesetzt werden. Beispiele für Sicherheitsbauteile sind Space Frame Knoten und Crashelemente.

[0015] Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele.

Beispiele



[0016] Die chemischen Analysen der untersuchten Legierungen sind aus der Tabelle 1 ersichtlich. Die Legierung A ist erfindungsgemäss, die Legierung B ist eine Vergleichslegierung und entspricht einer Legierung gemäss EP-B-0687742.
Tabelle 1
Legierung Zusammensetzung (Gew.-%)
  Si Mn Fe Mg Ti Sr
A 10.45 0.45 0.24 0.28 0.05 0.014
B 10.88 0.58 0.10 0.17 0.05 0.013


[0017] Aus den Legierungen A und B wurde je ein gleiches, schwer zu giessendes Bauteil mit einem Vakuumdruckgiessverfahren hergestellt. Bei dem Bauteil handelt es sich um eine sogenannte "B-Säule" für den Fahrzeugbau, d.h. ein grossflächiges und dünnwandiges Bauteil mit einer Wandstärke von 2 mm.

Beispiel 1



[0018] Das Bauteil aus der erfindungsgemässen Legierung A wurde nach dem Giessen der folgenden Wärmebehandlung unterworfen:
Partielle Lösungsglühung 440°C/60 min an Luft
Abkühlung an ruhender Luft Warmauslagerung 220°C/110 min an Luft


[0019] Nach dieser Wärmebehandlung wurden Zugproben aus den Gussteilen herausgearbeitet und an diesen die folgenden mechanischen Eigenschaften ermittelt:
Rm 200 MPa
Rp0.2 120 MPa
A5 17%

Beispiel 2



[0020] An einem Bauteil aus der erfindungsgemässen Legierung A wurde der Verzug nach verschiedenen Wärmebehandlungen gemessen. Der Verzug wurde wie folgt ermittelt: Am Gussteil wurde im Gusszustand (d.h. vor der Wärmebehandlung) an einer bestimmten Stelle ein Referenzpunkt (Nullpunkt) definiert. Nach erfolgter Wärmebehandlung wurde sodann der Abstand zum Referenzpunkt ausgemessen. Dieser Abstand definiert den Verzug als Mass für die aufgrund der durchgeführten Wärmebehandlung sich einstellende Deformation. Die Ergebnisse dieser Verzugsmessungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2
  Wärmebehandlung / Abkühlung
  Lösungsglühung 493°C/60 min Wasserabschreckung part. Lösungsglühung 440°C/60 min Abkühlung an ruhender Luft part. Lösungsglühung 440°C/60 min Abkühlung mit Ventilator
Verzug (mm) 6.5 <0.5 <0.5


[0021] Der Vorteil der partiellen Lösungsglühung mit Luftabkühlung ist im Vergleich zu der üblichen vollständigen Lösungsglühung bei höherer Temperatur und Wasserabschreckung deutlich erkennbar.

Beispiel 3



[0022] Die Bauteile aus der erfindungsgemässen Legierung A und der Vergleichslegierung B wurden nach dem Giessen wie folgt wärmebehandelt:
Partielle Lösungsglühung 420°C/20 min
Abkühlung an ruhender Luft  


[0023] Nach dieser Wärmebehandlung wurden an vier verschiedenen Stellen Zugproben aus den Bauteilen herausgearbeitet und die mechanischen Eigenschaften ermittelt. Die Ergebnisse sind in Tabelle 3 zusammengestellt.
Tabelle 3
Probenahmestelle Legierung A Legierung B
  Rm
(MPa)
Rp0.2
(MPa)
A5
(%)
Rm
(MPa)
Rp0.2
(MPa)
A5
(%)
1 202.2 101.4 16.5 202.8 100.7 13.0
2 200.5 101.7 19.1 202.3 97.4 11.9
3 199.4 100.2 15.6 198.2 98.6 12.9
4 201.6 102.0 15.4 196.9 99.7 14.2


[0024] Aus Tabelle 3 deutlich erkennbar sind die gegenüber der Vergleichslegierung B verbesserten Bruchdehnungswerte der erfindungsgemässen Legierung A.

[0025] Diese verbesserte Duktilität der erfindungsgemässen Legierung A wird dem positiven Einfluss des höheren Eisengehaltes und demzufolge der feineren Ausbildung und gleichmässigeren Verteilung der Al12(Mn,Fe)Si2-Phasen in der erfindungsgemässen Legierung A gegenüber der Vergleichslegierung B zugeschrieben. Die unterschiedliche Ausbildung und Verteilung der spröden Al12(Mn,Fe)Si2-Phasen konnte metallographisch anhand von Schliffbildern bestätigt werden. Orientierende Versuche haben weiter gezeigt, dass selbst bei Erhöhung des Eisengehaltes auf 0.35 Gew.-% und gleichzeitiger Erniedrigung des Mangangehaltes auf 0.4 Gew.-% noch keine für die Duktilität schädlichen β-AlFeSi-Phasen auftreten. Korrosionsuntersuchungen haben zudem gezeigt, dass die bei kleinen Eisengehalten wegen der groben Ausscheidung der als kathodische Lokalelemente wirksamen Al12(Mn,Fe)Si2-Phasen beobachtete Lochfrasskorrosion durch den erhöhten Eisengehalt verhindert wird.


Ansprüche

1. Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen,
dadurch gekennzeichnet, dass eine Legierung mit
9.5 bis 11.5 Gew.-% Silizium
0.3 bis 0.6 Gew.-% Mangan
0.15 bis 0.35 Gew.-% Eisen
0.1 bis 0.4 Gew.-% Magnesium
max. 0.1 Gew.-% Titan
90 bis 180 ppm Strontium
wahlweise noch
0.1 bis 0.3 Gew.-% Chrom
0.1 bis 0.3 Gew.-% Nickel
0.1 bis 0.3 Gew.-% Kobalt
und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05 Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120 min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt wird.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die partielle Lösungsglühung in einem Temperaturbereich von etwa 420 bis 460°C durchgeführt wird.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil nach der partiellen Lösungsglühung zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus im Temperaturbereich der Ausscheidungs-, härtung von Mg2Si warmausgehärtet wird.
 
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Warmaushärtung in einem Temperaturbereich von etwa 190 bis 240°C, insbesondere etwa 190 bis 220°C, durchgeführt wird.
 
5. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung grossflächiger und dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische Energie durch plastische Verformung.
 
6. Verwendung eines mit dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 hergestellten Bauteiles als Sicherheitsbauteil im Fahrzeugbau.
 





Recherchenbericht