(57) Bei einem Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen
aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen wird eine Legierung mit
9.5 bis 11.5 Gew.-% Silizium
0.3 bis 0.6 Gew.-% Mangan
0.15 bis 0.35 Gew.-% Eisen
0.1 bis 0.4 Gew.-% Magnesium
max. 0.1 Gew.-% Titan
90 bis 180 ppm Strontium
wahlweise noch
0.1 bis 0.3 Gew.-% Chrom
0.1 bis 0.3 Gew.-% Nickel
0.1 bis 0.3 Gew.-% Kobalt
und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05
Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend
in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120
min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt.
Durch die partielle Lösungsglühung ohne schroffes Abschrecken können Bauteile verzugsfrei
hergestellt werden.
[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen
aus einer Aluminiumlegierung durch Druckgiessen. Im Rahmen der Erfindung liegt auch
eine Anwendung des Verfahrens sowie eine Verwendung eines mit dem Verfahren hergestellten
Bauteiles.
[0002] Mit modernen Giessverfahren können heute hoch belastbare Formteile auch aus Aluminiumlegierungen
hergestellt werden. Die eingesetzten Aluminiumwerkstoffe müssen allerdings eine Reihe
von Anforderungen erfüllen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Eignung eines Werkstoffs
ist die Einhaltung bestimmter mechanischer Kennwerte. So bestimmen etwa Mindestwerte
von Streckgrenze und Festigkeit die Tragfähigkeit einer Konstruktion. Im Fahrzeugbau
kommt die Anforderung hinzu, dass die bei einem Zusammenstoss deformierten Bauteile
vor dem Bruch möglichst viel Energie durch plastische Verformung absorbieren sollen,
was eine hohe Duktilität des eingesetzten Werkstoffs erfordert.
[0003] Das Druckgiessverfahren ermöglicht bei hohen Stückzahlen die kostengünstige Herstellung
dünnwandiger Gussstücke, wie sie als crashrelevante Bauteile im Automobilbau eingesetzt
werden. Dünnwandige Teile stellen hohe Anforderungen an die Giessbarkeit. Aluminiumlegierungen,
welche die an das Fliessverhalten bzw. Formfüllungsvermögen gestellten Anforderungen
erfüllen können, sind vor allem Legierungen mit einem Si-Eutektikum.
[0004] Eine zum Druckgiessen von im Fahrzeugbau eingesetzten Sicherheitsbauteilen geeignete
Legierung auf der Basis Aluminium-Silizium ist aus der EP-B-0687742 bekannt. Die Legierung
entspricht dem Typ AlSi9Mg mit erheblich reduziertem Eisengehalt und einer Strontium-Veredelung
des AlSi-Eutektikums. Vor Durchführung einer Wärmebehandlung wird die Legierung vollständig
lösungsgeglüht und nachfolgend abgeschreckt.
[0005] Bauteile mit teilweise geringen Wandstärken, wie sie beispielsweise als Strukturbauteile
im Automobilbau eingesetzt werden, verziehen sich beim schroffen Abschrecken mit Wasser
und müssen daher nachträglich aufwendigen Richtoperationen unterzogen werden. Zudem
kann die hohe Lösungsglühtemperatur infolge einer Restgasporosität zu Blasenbildung
an der Oberfläche der Bauteile führen. Zur Herstellung von Bauteilen der genannten
Art durch Druckgiessen wurde deshalb nach Möglichkeiten gesucht, die geforderten Festigkeits-
und Dehungswerte auch ohne Durchführung einer Hochtemperaturglühung mit nachfolgender
Wasserabschreckung zu erzielen.
[0006] Für crashrelevante Bauteile im Automobilbau wird der Schwerpunkt auf die Duktilität,
also auf das Verformungsvermögen und auf den duktilen Bruch, ausgedrückt durch die
Bruchdehnung, gelegt. Die Festigkeit, ausgedrückt durch die Streckgrenze, kann dabei
relativ tiefe Werte annehmen. Für Sicherheitsbauteile im Automobilbau sollten die
folgenden Minimalwerte erreicht werden:
Dehngrenze (Rp0.2): |
120 MPa |
Zugfestigkeit (Rm): |
180 MPa |
Dehnung (A5) |
15% |
[0007] Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Aluminiumlegierung und eine
Wärmebehandlung anzugeben, mit welcher eine hohe Bruchdehnung bei ausreichender Streckgrenze
auch ohne Durchführung einer Hochtemperaturglühung mit nachfolgender Wasserabschreckung
erreicht werden kann.
[0008] Zur erfindungsgemässen Lösung der Aufgabe führt, dass eine Legierung mit
9.5 bis 11.5 |
Gew.-% Silizium |
0.3 bis 0.6 |
Gew.-% Mangan |
0.15 bis 0.35 |
Gew.-% Eisen |
0.1 bis 0.4 |
Gew.-% Magnesium |
max. 0.1 |
Gew.-% Titan |
90 bis 180 |
ppm Strontium |
wahlweise noch
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Chrom |
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Nickel |
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Kobalt |
und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05
Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend
in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120
min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt wird.
[0009] Die Legierung entspricht im wesentlichen der aus EP-B-0687742 bekannten Legierung
mit gegenüber dieser erhöhtem Eisen- und erniedrigtem Mangangehalt. Diese Variation
in der Legierungszusammensetzung hat einen positiven Einfluss auf die mechanischen
Eigenschaften, da die Al
12(Mg,Fe)Si
2-Phasen deutlich feiner ausgebildet und gleichmässiger verteilt sind, was sich letztlich
in einer verbesserten Duktilität niederschlägt. Durch den höheren Eisengehalt kann
als Legierungsbasis Aluminium von geringerer Reinheit verwendet werden, wodurch sich
die Gestehungskosten für die Legierung reduzieren. Zudem erlaubt der höhere Eisengehalt,
den zur Verminderung der Klebeneigung der Legierung in der Druckgiessform verwendeten
Manganzusatz herabzusetzen.
[0010] Anstelle der bei AlSi-Druckgusslegierungen üblichen Lösungsglühung bzw. Einformungsglühung
des Eutektikums bei Temperaturen um 500°C mit nachfolgender Wasserabschreckung wird
erfindungsgemäss die partielle Lösungsglühung bei tieferen Temperaturen eingeführt.
Die gewählten Glühbedingungen gewährleisten eine ausreichende Einformung des eutektischen
Siliziums. Die Abkühlung kann an ruhender Luft, allenfalls unterstützt durch Ventilatoren,
erfolgen. Durch die gegenüber üblichen Lösungsglühtemperaturen erniedrigte Gussglühung
kann die Blasenbildung infolge Gasporosität verhindert werden.
[0011] Erfindungsgemäss werden somit Temperaturbereich und Zeitdauer der Lösungsglühung
so gewählt, dass einerseits die starke Gussübersättigung von Silizium zur Verbesserung
der Duktilität abgebaut wird und andrerseits die Streckgrenze durch eine anschliessende
Warmaushärtung auf die geforderten Werte eingestellt werden kann.
[0012] Der Temperaturbereich für die partielle Lösungsglühung liegt bevorzugt zwischen etwa
420 und 460°C. Unter Inkaufnahme eines geringen mechanischen Festigkeitsverlustes
kann das Bauteil für gewissen Anwendungen ohne nachfolgende Warmaushärtung eingesetzt
werden.
[0013] Zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus kann das Bauteil nach der partiellen
Lösungsglühung im Temperaturbereich der Ausscheidungshärtung von Mg2Si zusätzlich
warmausgehärtet werden. Diese Warmaushärtung wird bevorzugt in einem Temperaturbereich
von etwa 190 bis 240°C, insbesondere etwa 190 bis 220°C, durchgeführt.
[0014] Das bevorzugte Anwendungsgebiet des erfindungsgemässen Verfahrens liegt in der Herstellung
grossflächiger und dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische
Energie durch plastische Verformung, d.h. crashrelevanter Bauteile, wie sie als Sicherheitsbauteile
im Fahrzeugbau und insbesondere im Automobilbau eingesetzt werden. Beispiele für Sicherheitsbauteile
sind Space Frame Knoten und Crashelemente.
[0015] Weitere Vorteile, Merkmale und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden
Beschreibung bevorzugter Ausführungsbeispiele.
Beispiele
[0016] Die chemischen Analysen der untersuchten Legierungen sind aus der Tabelle 1 ersichtlich.
Die Legierung A ist erfindungsgemäss, die Legierung B ist eine Vergleichslegierung
und entspricht einer Legierung gemäss EP-B-0687742.
Tabelle 1
Legierung |
Zusammensetzung (Gew.-%) |
|
Si |
Mn |
Fe |
Mg |
Ti |
Sr |
A |
10.45 |
0.45 |
0.24 |
0.28 |
0.05 |
0.014 |
B |
10.88 |
0.58 |
0.10 |
0.17 |
0.05 |
0.013 |
[0017] Aus den Legierungen A und B wurde je ein gleiches, schwer zu giessendes Bauteil mit
einem Vakuumdruckgiessverfahren hergestellt. Bei dem Bauteil handelt es sich um eine
sogenannte "B-Säule" für den Fahrzeugbau, d.h. ein grossflächiges und dünnwandiges
Bauteil mit einer Wandstärke von 2 mm.
Beispiel 1
[0018] Das Bauteil aus der erfindungsgemässen Legierung A wurde nach dem Giessen der folgenden
Wärmebehandlung unterworfen:
Partielle Lösungsglühung |
440°C/60 min |
an Luft |
Abkühlung an ruhender Luft Warmauslagerung |
220°C/110 min |
an Luft |
[0019] Nach dieser Wärmebehandlung wurden Zugproben aus den Gussteilen herausgearbeitet
und an diesen die folgenden mechanischen Eigenschaften ermittelt:
Rm |
200 MPa |
Rp0.2 |
120 MPa |
A5 |
17% |
Beispiel 2
[0020] An einem Bauteil aus der erfindungsgemässen Legierung A wurde der Verzug nach verschiedenen
Wärmebehandlungen gemessen. Der Verzug wurde wie folgt ermittelt: Am Gussteil wurde
im Gusszustand (d.h. vor der Wärmebehandlung) an einer bestimmten Stelle ein Referenzpunkt
(Nullpunkt) definiert. Nach erfolgter Wärmebehandlung wurde sodann der Abstand zum
Referenzpunkt ausgemessen. Dieser Abstand definiert den Verzug als Mass für die aufgrund
der durchgeführten Wärmebehandlung sich einstellende Deformation. Die Ergebnisse dieser
Verzugsmessungen sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2
|
Wärmebehandlung / Abkühlung |
|
Lösungsglühung 493°C/60 min Wasserabschreckung |
part. Lösungsglühung 440°C/60 min Abkühlung an ruhender Luft |
part. Lösungsglühung 440°C/60 min Abkühlung mit Ventilator |
Verzug (mm) |
6.5 |
<0.5 |
<0.5 |
[0021] Der Vorteil der partiellen Lösungsglühung mit Luftabkühlung ist im Vergleich zu der
üblichen vollständigen Lösungsglühung bei höherer Temperatur und Wasserabschreckung
deutlich erkennbar.
Beispiel 3
[0022] Die Bauteile aus der erfindungsgemässen Legierung A und der Vergleichslegierung B
wurden nach dem Giessen wie folgt wärmebehandelt:
Partielle Lösungsglühung |
420°C/20 min |
Abkühlung an ruhender Luft |
|
[0023] Nach dieser Wärmebehandlung wurden an vier verschiedenen Stellen Zugproben aus den
Bauteilen herausgearbeitet und die mechanischen Eigenschaften ermittelt. Die Ergebnisse
sind in Tabelle 3 zusammengestellt.
Tabelle 3
Probenahmestelle |
Legierung A |
Legierung B |
|
Rm
(MPa) |
Rp0.2
(MPa) |
A5
(%) |
Rm
(MPa) |
Rp0.2
(MPa) |
A5
(%) |
1 |
202.2 |
101.4 |
16.5 |
202.8 |
100.7 |
13.0 |
2 |
200.5 |
101.7 |
19.1 |
202.3 |
97.4 |
11.9 |
3 |
199.4 |
100.2 |
15.6 |
198.2 |
98.6 |
12.9 |
4 |
201.6 |
102.0 |
15.4 |
196.9 |
99.7 |
14.2 |
[0024] Aus Tabelle 3 deutlich erkennbar sind die gegenüber der Vergleichslegierung B verbesserten
Bruchdehnungswerte der erfindungsgemässen Legierung A.
[0025] Diese verbesserte Duktilität der erfindungsgemässen Legierung A wird dem positiven
Einfluss des höheren Eisengehaltes und demzufolge der feineren Ausbildung und gleichmässigeren
Verteilung der Al
12(Mn,Fe)Si
2-Phasen in der erfindungsgemässen Legierung A gegenüber der Vergleichslegierung B
zugeschrieben. Die unterschiedliche Ausbildung und Verteilung der spröden Al
12(Mn,Fe)Si
2-Phasen konnte metallographisch anhand von Schliffbildern bestätigt werden. Orientierende
Versuche haben weiter gezeigt, dass selbst bei Erhöhung des Eisengehaltes auf 0.35
Gew.-% und gleichzeitiger Erniedrigung des Mangangehaltes auf 0.4 Gew.-% noch keine
für die Duktilität schädlichen β-AlFeSi-Phasen auftreten. Korrosionsuntersuchungen
haben zudem gezeigt, dass die bei kleinen Eisengehalten wegen der groben Ausscheidung
der als kathodische Lokalelemente wirksamen Al
12(Mn,Fe)Si
2-Phasen beobachtete Lochfrasskorrosion durch den erhöhten Eisengehalt verhindert wird.
1. Verfahren zur Herstellung eines Bauteiles mit hohen Duktilitätsanforderungen aus einer
Aluminiumlegierung durch Druckgiessen,
dadurch gekennzeichnet, dass eine Legierung mit
9.5 bis 11.5 |
Gew.-% Silizium |
0.3 bis 0.6 |
Gew.-% Mangan |
0.15 bis 0.35 |
Gew.-% Eisen |
0.1 bis 0.4 |
Gew.-% Magnesium |
max. 0.1 |
Gew.-% Titan |
90 bis 180 |
ppm Strontium |
wahlweise noch
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Chrom |
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Nickel |
0.1 bis 0.3 |
Gew.-% Kobalt |
und als Rest Aluminium mit herstellungsbedingten Verunreinigungen, einzeln max. 0.05
Gew.-%, insgesamt max. 0.2 Gew.-%, zum Bauteil gegossen, das gegossene Bauteil nachfolgend
in einem Temperaturbereich von 400 bis 490°C während einer Zeitdauer von 20 bis 120
min partiell lösungsgeglüht und anschliessend an Luft abgekühlt wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die partielle Lösungsglühung
in einem Temperaturbereich von etwa 420 bis 460°C durchgeführt wird.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil nach der
partiellen Lösungsglühung zur Einstellung des gewünschten Festigkeitsniveaus im Temperaturbereich
der Ausscheidungs-, härtung von Mg2Si warmausgehärtet wird.
4. Verfahren nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Warmaushärtung in einem
Temperaturbereich von etwa 190 bis 240°C, insbesondere etwa 190 bis 220°C, durchgeführt
wird.
5. Anwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 4 zur Herstellung grossflächiger
und dünnwandiger Bauteile mit hohem Aufnahmevermögen für kinetische Energie durch
plastische Verformung.
6. Verwendung eines mit dem Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4 hergestellten
Bauteiles als Sicherheitsbauteil im Fahrzeugbau.