(19)
(11) EP 1 005 812 A2

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
07.06.2000  Patentblatt  2000/23

(21) Anmeldenummer: 00102876.0

(22) Anmeldetag:  11.09.1996
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7A47C 9/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH DE DK ES FI FR GB GR IT LI NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV SI

(30) Priorität: 11.09.1995 DE 19533558
24.10.1995 DE 29516794 U

(62) Anmeldenummer der früheren Anmeldung nach Art. 76 EPÜ:
96114568.7 / 0761136

(71) Anmelder:
  • Frese, Walter
    82152 Planegg (DE)
  • Schnitger, Fritz, Dr.
    82110 Germering (DE)

(72) Erfinder:
  • Frese, Walter
    82152 Planegg (DE)

(74) Vertreter: Hertz, Oliver, Dr. 
v. Bezold & Sozien, Akademiestrasse 7
80799 München
80799 München (DE)

 
Bemerkungen:
Diese Anmeldung ist am 11 - 02 - 2000 als Teilanmeldung zu der unter INID-Kode 62 erwähnten Anmeldung eingereicht worden.
 


(54) Aktiv-dynamische Sitzvorrichtung


(57) Ein Gelenk für ein Sitzteil besitzt ein Auflagerteil (11) mit einer nach unten gekrümmten oberen Auflagefläche (11A) und einer nach allen Seiten neigbar auf der Auflagefläche befestigten und mit dem Sitzteil verbundenen Platte (12A) aus einem elastischen Material und einen um das Auflagerteil ringförmig angeordneten Begrenzer (13) für die Platte (12A).




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft eine höhenverstellbare Sitzvorrichtung und ein Gelenk (oder: Sitzteillagerung) für ein allseitig elastisch neigbarer Sitzteil einer Sitzvorrichtung.

[0002] Die Gestaltung herkömmlicher Sitzvorrichtungen, insbesondere Bürostühle, erfolgt heutzutage zumeist unter dem Gesichtspunkt der Ergonomie, d.h. der körpergerechten Gestaltung der Arbeitsplätze. In der Praxis werden Bürostühle daher oftmals derart konzipiert, daß der Körper in einer anatomisch günstigen Lage unterstützt wird und somit Belastungen weitgehend vermieden werden. Die bei den herkömmlichen Sitzmöbeln der Körperform, insbesondere dem Rücken, angepaßten Sitzflächen und Lehnen werden zwar im Gebrauch zumeist als bequem empfunden, sie haben jedoch den Nachteil, daß die Rückenmuskulatur, insbesondere die Muskeln, die Haltefunktionen an der Wirbelsäule haben, kaum beansprucht werden, da der Körper lediglich "passiv sitzt". Dies kann zu einer Degeneration der Rückenmuskulatur und zu Schäden an der Wirbelsäule wie Abnutzung der Bandscheiben, Haltungsschäden etc. führen.

[0003] Bei Sitzmöbeln ist es ergonomisch sinnvoll, ein Sitzteil vorzusehen, das mit einer elastischen Rückstellkraft nach allen Seiten neigbar gelagert ist, so daß aktiv-dynamisches Sitzen gewährleistet ist. Ein solches Sitzteil ermöglicht es dem Sitzenden, bei einer Verkippung aus der aufrechten Sitzposition mit relativ wenig Körperarbeit wieder in die Ausgangsposition zurückzugelangen.

[0004] Es wurden daher im Stand der Technik Sitzvorrichtungen entwickelt, die ein aktiveres Sitzen ermöglichen. Diesen Sitzvorrichtungen ist gemeinsam, daß der Sitz sich in einer labilen Lage befindet, der Körper also gezwungen wird, aktiv - durch Betätigung der Rückenmuskulatur - das Gleichgewicht zu halten. Besonders hervorzuheben ist hier der sogenannte "Pezzi-Ball", ein mit Luft gefüllter Gymnastikball aus Kunststoff, bei dem die Luftfüllung eine Federung in vertikaler Richtung bewirkt. Trotz seiner insgesamt relativ guten, physiologischen Eigenschaften ist der Pezzi-Ball jedoch in erster Linie ein krankengymnastisches Gerät und keine Sitzvorrichtung. Bei Verwendung als Sitzvorrichtung ist er insbesondere nicht gegen Umkippen gesichert, da der Sitzende eine im Prinzip labile Gleichgewichtslage einnimmt. Im übrigen ist er auch zerstörungsanfällig, da seine Kunststoffhaut, insbesondere unter Belastung und beim Abrollen über spitze Gegenstände relativ leicht beschädigt werden kann und zum Platzen des Balls führt. Sein relativ ausladendes Volumen wirkt sich ebenfalls einschränkend hinsichtlich seiner Anwendung als Sitzvorrichtung aus. Die im Stand der Technik entwickelten aktiv-dynamischen, echten Sitzvorrichtungen weisen hingegen meist nicht-optimale physiologische Eigenschaften auf. Der sogenannte "Tendel" der Firma Thomas Möbel weist ein auf halber Höhe zwischen einem Sitzteil und einem Fußteil angebrachtes Gelenk zum Verkippen des Sitzteils aus der Gleichgewichtslage auf. Diese Sitzvorrichtung hat jedoch den Nachteil, daß sich beim Verkippen die Sitzhöhe ändert und die Sitzfläche nicht mehr in einer horizontalen Ebene liegt, was im Gebrauch zu Verkrümmungen der Wirbelsäule führen kann. Im übrigen befindet sich der Sitzende bei dieser Sitzvorrichtung in einem labilen Gleichgewicht und kommt nach seitlicher Auslenkung nur durch aktive Beinarbeit wieder in die Normallage zurück.

[0005] Die für eine Verkippung des Sitzteils im Stand der Technik vorgesehenen Konstruktionen sind jedoch aus verschiedenen Gründen nicht befriedigend. Die verschiedenen im Stand der Technik bekannten Feder- und Kippgelenke, durch die Sitzteile neigbar ausgeführt sind, haben sich entweder als zu aufwendig oder als ergonomisch nicht optimal herausgestellt.

[0006] Aus der DE-OS 2314717 ist eine Sitzvorrichtung mit zwei Feder-Kippgelenken bekannt, bei der sich der Sitzende jedoch ebenfalls in einem labilen Gleichgewicht befindet und nach seitlicher Auslenkung nur durch aktive Beinarbeit wieder in die Normallage zurückkommt. Ferner ist aus der DE 2944674 ein Arbeitsstuhl bekannt, dessen starre Sitzfläche bei jeder Auslenkung eine physiologisch unerwünschte Verkrümmung der Wirbelsäule erzwingt.

[0007] Es ist daher Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine Sitzvorrichtung anzugeben, die ein aktives Sitzen ermöglicht und gegenüber den im Stand der Technik bekannten Sitzvorrichtungen verbesserte physiologische Eigenschaften aufweist, keine Zwangskräfte auf die Wirbelsäule ausübt und gleichzeitig möglichst vielseitig verwendbar ist, und ein Gelenk für ein Sitzteil anzugeben, das zum einen preisgünstig herstellbar ist, und zum anderen dem Sitzenden die nötige Dynamik bei gleichzeitiger Kippsicherheit und die Anpassung an individuelle Faktoren wie Körpergewicht oder Bequemlichkeit bietet.

[0008] Diese Aufgabe wird durch die Merkmale der Ansprüche 1 bzw. 11 gelöst. vorteilhafte Ausgestaltungen sind in den Unteransprüchen angegeben.

[0009] Die Erfindung hat insbesondere den Vorteil, daß durch sie eine im Vergleich zu dem Gymnastik-Ball "Pezzi" echte Sitzvorrichtung, die mindestens ebenso gute, wenn nicht sogar bessere sitzphysiologische Eigenschaften wie der "Pezzi-Ball" aufweist. Die Sitzvorrichtung gemäß der vorliegenden Erfindung weist wie ein Gymnastik-Ball eine gekrümmte Auflagefläche auf. Diese ist mindestens in einem Teilbereich um einen auf der Auflagefläche gelegenen Auflagepunkt sphärisch geformt. Die Sitzvorrichtung ist mit einem Sitzteil versehen, das in einem Unterstützungspunkt gelagert ist. Der Unterstützungspunkt liegt entweder unterhalb des Krümmungsmittelpunkts der Grundfläche oder ist innerhalb eines Höhenbereichs einstellbar, dessen untere Grenze unterhalb des Krümmungsmittelpunkts liegt und dessen obere Grenze unterhalb des Krümmungsmittelpunkts liegt oder im wesentlichen mit diesem zusammenfällt. Der Sitzende befindet sich somit auch bei größeren Kippwinkeln stets in einer stabilen Gleichgewichtslage. Beim Sitzen auf einem Ball herrscht grundsätzlich eine labile Gleichgewichtslage vor. Lediglich durch die Formveränderung (Abplattung) des luftgefüllten Balles an der Sitzfläche und der Auflagefläche wird im Gebrauch und bei kleinen Kippwinkeln ein quasi-indifferentes Gleichgewicht erzeugt.

[0010] Das Sitzteil ist neigbar in dem Unterstützungspunkt gelagert, um dem Sitzenden bei jedem Kippwinkel eine aufrechte Sitzposition zu ermöglichen. Dies kann z.B. durch ein an dem Sitzteil angebrachtes Verbindungselement, z.B. eine Gummiplatte, ermöglicht werden, die durch ein geeignetes Auflager unterstützt wird, wodurch das Sitzteil nach allen Seiten neigbar ist.

[0011] Gemäß einer weiteren vorteilhaften Ausführungsform kann aus physiologischen Gründen das Sitzteil zusätzlich in vertikaler Richtung abgefedert sein.

[0012] Die Erfindung wird nachstehend anhand der in den Figuren dargestellten, besonders bevorzugten Ausführungsformen näher erläutert. Es zeigen:
Fig. 1
eine bevorzugte Ausführungsform der erfindungsgemäßen Sitzvorrichtung;
Fig. 2
eine bevorzugte Ausführungsform des oberen Teils einer Sitzvorrichtung nach Fig. 1;
Fig. 3
eine mögliche weitere Ausführungsform des oberen Teils einer Sitzvorrichtung nach Fig. 1; und
Fig. 4
eine bevorzugte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Sitzteilgelenks (nicht maßstabsgetreu).


[0013] Die in Figur 1 schematisch dargestellte Sitzvorrichtung 10 enthält ein Fußteil 1, das eine gekrümmte Auflagefläche 1A aufweist, so daß die Sitzvorrichtung 10 im Gleichgewicht in einem Auflagepunkt 1B der Auflagefläche 1A auf einer ebenen Unterlage aufliegt und verkippt werden kann. Die Sitzvorrichtung 10 weist ferner ein Sitzteil 2 auf, welches durch ein Säulenteil 3 in einem Punkt 3A gestützt wird. Das Sitzteil 2 kann in vertikaler Richtung federn. In dem Unterstützungs- oder Auflagepunkt 3A befindet sich ein Gelenk, z.B. ein Kugelgelenk, welches bewirkt, daß das Sitzteil 2 gegenüber dem Säulenteil 3 nach allen Seiten neigbar ist. Anstelle eines Gelenkes kann aber auch ein Auflager auf einer Kalotte, einer Spitze oder Nadel vorgesehen sein, wie noch ausgeführt werden wird. Bei einem als Sitzvorrichtung verwendeten "Pezzi-Ball" sind diese Elemente alle einstückig miteinander verbunden, wobei die Sitzfläche von der Auflagefläche um den Durchmesser des Balls beabstandet ist. Dies hat den Nachteil, daß die Gleichgewichtslage grundsätzlich labil ist. Dies ist zwar dadurch praktisch abgemildert, daß die Kunststoffhaut des luftgefüllten Balles unter Belastung elastisch federt und somit Ober- und Unterseite des Balls beim Sitzen horizontal abgeplattet werden, woraus sich eine quasi-indifferente Gleichgewichtslage bei kleinen Verkippungswinkeln ergibt. Bei größer werdenden Verkippungswinkeln wird die Gleichgewichtslage jedoch zunehmend labil und der Sitzende ist gegen Umkippen nicht mehr ausreichend gesichert. Bei der erfindungsgemäßen Sitzvorrichtung ist dieses Problem von vornherein dadurch entschärft, daß die Auflagefläche 1A zumindest in einem Teilbereich um den Gleichgewichts-Auflagepunkt 1B des Fußteils 1 als Teil einer Kugeloberfläche ausgebildet ist, wobei sich der Krümmungs-Mittelpunkt 1C der Kugeloberfläche oberhalb des Unterstützungs- oder Auflagepunkts 3A des Sitzteils 2 befindet oder im wesentlichen mit diesem zusammenfällt. Dies bewirkt, daß sich der Sitzende beim Verkippen der Sitzvorrichtung stets in einem stabilen Gleichgewichtszustand befindet. Dabei kann die Sitzvorrichtung derart ausgeführt sein, daß sich der Unterstützungspunkt bei einer konstanten Höhe H unterhalb des Krümmungsmittelpunkts der Auflagefläche befindet. Es kann aber auch, wie in Fig. 1 vorgesehen ist, z.B. in dem Säulenteil 3 eine Höhenverstellung 3B, z.B. in Form einer Gasdruckfeder, angeordnet sein, durch die der Unterstützungspunkt 3A und damit das Sitzteil 2 in einem Höhenbereich verstellbar ist. Dieser Höhenbereich weist eine untere Grenze auf, die auf jeden Fall unterhalb des Krümmungsmittelpunkts liegt. Die obere Grenze kann wahlweise entweder unterhalb des Krümmungsmittelpunkts liegen oder im wesentlichen mit diesem zusammenfallen. Bei der zuletzt genannten Höheneinstellung bewegt sich dann der Sitzende bei Verkippung auf konstanter Höhe im indifferenten Gleichgewicht (wie die Nabe eines rollenden Rades), während er sich bei allen anderen Höheneinstellungen stets in einem stabilen Gleichgewicht befindet. Wichtig ist dabei, daß der Sitz jede Bewegung des Sitzenden widerstandsfrei mitmacht, daß also auf die Wirbelsäule keine unerwünschten Zwangskräfte ausgeübt werden und daß für die Rückbewegung in die Normallage nach einer Verkippung keine Beinarbeit aufgewendet werden muß. Dies ist bei der erfindungsgemäßen Sitzvorrichtung der Fall, da bei einer Verkippung ein rückstellendes Moment erzeugt wird, wenn sich der Unterstützungspunkt unterhalb des Krümmungsmittelpunkts befindet. Wenn der Unterstützungspunkt auf eine Höhe H eingestellt wird, die dem Krümmungsradius der Auflagefläche entspricht, so liegt ein indifferentes Gleichgewicht vor. Eine solche Einstellung hat den Vorteil der bei Verkippung gleichbleibenden Sitzhöhe. Gerade bei Anwendungen für Kinder ist aber eher an die stabile Ausführungsform zu denken, bei der mit dem Wachsen des Kindes kontinuierlich die Höhe des unterhalb des Krümmungsmittelpunkts liegenden Unterstützungspunkts nachgestellt wird. Diese Einstellbarkeit der Höhe des Unterstützungspunkts kann beispielsweise durch eine Gasdruckfeder oder ein Schraubgewinde realisiert werden oder durch eine diskontinuierliche Arretierung, bei der Röhren ineinander verschiebbar sind und bei bestimmten Relativpositionen durch Stifte und Löcher arretiert werden können (wie beispielsweise bei Krückstöcken).

[0014] Vorteilhafterweise ist die Sitzfläche allseits neigbar angeordnet, damit sie nicht bei seitlichen Auslenkungen schief wird und dadurch Zwangskräfte auf Wirbelsäule und Halteapparat ausgeübt werden und insbesondere keine unter gesundheitlichen Aspekten unerwünschte seitliche Wirbelsäulenverkrümmung mit entsprechender Fehlbelastung hervorgerufen wird. Die Neigbarkeit der Sitzfläche erlaubt außerdem das sitzphysiologisch erwünschte Abkippen des Beckens nach vorne (wie beim "Kniestuhl") auch in der Nullage. Schließlich verhindert die allseits neigbare und daher horizontal bleibende Sitzfläche, daß man sich bei seitlicher Auslenkung des Stuhls ständig durch Beinarbeit gegen ein Abrutschen von einer schief werdenden Sitzfläche wehren muß.

[0015] Eine zusätzliche Federung des Sitzteils 2 in vertikaler Richtung führt aus medizinischer Sicht zu einer Art "Pumpwirkung" auf die Bandscheiben. Die Federung kann in ihrer Elastizität verstellbar ausgeführt werden, um sie individuellen Anforderungen - etwa dem Körpergewicht - anzupassen. Anstelle einer elastischen Feder kann aber auch ein starres Verbindungselement, z.B. eine starre Stange, vorgesehen sein. Die vertikale Federung kann dann z.B. durch ein elastisches Fußteil bereitgestellt werden.

[0016] In Fig. 2 ist eine praktische Ausführungsform der Sitzvorrichtung nach Fig. 1 und eine mögliche Art der Auflage auf dem Unterstützungspunkt 3A schematisch dargestellt. Es wurden dabei Bezugszeichen in entsprechender Weise gewählt. Bei diesem Ausführungsbeispiel ist das Säulenteil 3 mit einer Kalotte 5 versehen, in deren höchstem Punkt 3A das sitzteil unterstützt wird. Das Sitzteil 2 besitzt eine an seinem unteren Bereich befestigte Hartgummiplatte 4, die in dem Unterstützungspunkt 3A der Kalotte 5 nach allen Seiten neigbar gelagert ist. Die Hartgummiplatte 4 übernimmt damit also die Funktion einer vertikalen Federung des Sitzteils. Alternativ zu der Lagerung auf einer Kalotte kann auch eine Spitzen- oder Nadellagerung vorgesehen sein.

[0017] Gemäß Fig. 3 kann auch noch zusätzlich eine zweite Hartgummischeibe 6 vorgesehen sein, die unterhalb der Hartgummiplatte 4 ringförmig um das Säulenteil 3 herum angeordnet ist, um der im Gebrauch der Sitzvorrichtung von oben belasteten Hartgummiplatte 4 einen federnden Widerstand von unten entgegenzusetzen. Diese zweite Federung kann je nach den individuellen Anforderungen - z.B. Körpergewicht - eingestellt werden, z.B. dadurch daß sie an dem Säulenteil 3 höhenverstellbar ist, wie in der Fig. 2 durch die Schraubgewinde schematisch angedeutet ist. Bei einem Kippvorgang wird das Säulenteil 3 um den Kippwinkel schräggestellt und um denselben Winkel neigt sich in umgekehrter Richtung die Hartgummiplatte 4 mit dem Sitzteil 2 um den Unterstützungspunkt 3A der Kalotte 5. Im Ergebnis behält also das Sitzteil 2 durch seine gegenläufige Verkippung seine relative Lage in bezug auf den Unterstützungspunkt 3A. Die Elastizität der Hartgummiplatte 4 sorgt hier also für die vertikale Federung der Sitzvorrichtung. Die Einstellung der Sitzhöhe kann relativ einfach durch Variation der Dicke der Hartgummiplatte 4 erfolgen.

[0018] Das in der Fig. 1 gezeigte Ausführungsbeispiel zeigt eine Auflagefläche 1A, die in ihrer Gesamtheit als Kugeloberfläche ausgebildet ist. Stattdessen kann aber auch eine Auflagefläche vorgesehen sein, die nur in einem zentralen Teilbereich um den Gleichgewichtsauflagepunkt 1B sphärisch ausgebildet ist, außerhalb dieses Bereichs jedoch eine von der Kugeloberfläche abweichende Form aufweist. Dies kann in vorteilhafter Weise dazu eingesetzt werden, um die erfindungsgemäße Sitzvorrichtung gegen Umkippen zu sichern.

[0019] Ein radial weiter außen liegender Bereich ist zu diesem Zweck derartig geformt, daß bei großen Verkippungswinkeln ein rückstellendes Moment erzeugt wird, indem beispielsweise in diesem Bereich der Krümmungsradius stetig nach außen zunimmt, z.B. wie bei einer Parabel oder Hyperbel. Eine entsprechend gestaltete kippsichere Ausführungsform der vorliegenden Erfindung ist besonders für Kinder oder Behinderte vorteilhaft.

[0020] In weiterhin vorteilhafter Weise kann, wie auch in dem in den Figuren dargestellten, bevorzugten Ausführungsbeispielen ausgeführt, die Sitzfläche 2B eine konvexe Form aufweisen, um unbehinderte Bewegungsfreiheit, insbesondere für die Oberschenkel, zu gewährleisten und damit auch die gesamte Beinmuskulatur beim Sitzen zu aktivieren. In weiterhin vorteilhafter Weise kann der Unterstützungspunkt 3A exzentrisch so weit hinten angeordnet sein, daß beim Sitzen ein Abkippen des Beckens nach vorne erzwungen wird.

[0021] Die Neigbarkeit des Sitzteils 2 durch das Auflager in dem Unterstützungspunkt 3A kann auch als elastische Gelenkfederung mit einer Rückstellkraft ausgeführt sein. In diesem Fall wird aus dem ohne Rückstellkraft indifferenten Gleichgewicht ein insgesamt stabiles Gleichgewicht.

[0022] Säulen- und Fußteil können auch als eine einzige, gestalterische Einheit ausgeführt werden, etwa als Kegel oder Zylinder mit (zumindest teilweise) sphärischer Grundfläche. Im übrigen läßt die Konstruktion Ausführungen in allen Materialien, also in Kunststoff, Metall oder Holz oder deren Kombinationen zu. Dies hat den weiteren Vorteil der erheblich höheren Zerstörungsfestigkeit gegenüber den bekannten luftgefüllten Gymnastik-Bällen aus Kunststoff wie dem "Pezzi-Ball". Ebenso wie bei dem Pezzi-Ball kann aber auch bei der erfindungsgemäßen Sitzvorrichtung das Fußteil elastisch ausgeführt sein, zum Beispiel in Form eines aufpumpbaren, luftgefüllten Hohlkörpers, der eine elastische Membran aufweist.

[0023] Bei einer solchen Ausführungsform würde dann eine vertikale Federung durch das Fußteil erzeugt.

[0024] Die erfindungsgemäße Sitzvorrichtung ist durch ihre guten physiologischen Eigenschaften auch als Arbeits- oder Bürostuhl verwendbar. Sie ist insbesondere durch ihre Höhenverstellbarkeit universal für alle Körpergrößen verwendbar. Durch ihre Kippsicherheit bietet sich die Anwendung durch Kinder oder Behinderte an.

[0025] Gemäß Fig. 4 enthält eine Sitzvorrichtung ein Auflagerteil 11, das an seinem oberen Ende eine gekrümmte Auflagefläche 11A aufweist, also beispielsweise als Kalotte mit einer zentral abgeplatteten Kugeloberfläche ausgebildet ist. Ein Sitzteil ist in seinem unteren Bereich mit einer Platte 12A aus Gummi oder einem anderen elastischen Material fest verbunden, die in einem zentralen Bereich ein Durchgangsloch enthält. Das Durchgangsloch wird durch das Innere einer ringförmigen Metall- oder Kunststoffarmierung 12B gebildet, die im Querschnitt U-förmig ist. Anstelle einer U-Form könnte auch eine L-Form oder eine einfache Buchse gewählt werden. Die Armierung ist mit der elastischen Platte fest verbunden. Das Durchgangsloch dient der definierten Befestigung der elastischen Platte an das Auflagerteil durch eine Schraube 12C. Die Schraube 12C kann durch ein Durchgangsloch in der Deckfläche des Auflagerteils gesteckt und auf der Innenseite der Deckfläche mit einer Schraubenmutter befestigt werden. Die Befestigung kann natürlich auch auf eine andere geeignete Weise erfolgen.

[0026] Um das Auflagerteil ist mit geringem Abstand davon ein ringförmiger, gummibewehrter Begrenzer 13 angebracht. Dieser besteht aus einem ringförmigen Träger 13A und einer darin gebildeten Aussparung zur Aufnahme eines Rings 13B aus Gummi oder einem anderen elastischen Material.

[0027] Unterhalb des Begrenzers ist um das Auflagerteil ein Stellring 14 angebracht, der in der bevorzugten Ausführungsform mit dem Auflagerteil in Schraubverbindung steht und dementsprechend ein Gewinde an seiner Innenseite aufweist, das in ein entsprechendes Gewinde an der Außenseite des Auflagerteils eingreift. Der von dem Stellring gestützte Begrenzer ist somit durch Verdrehen des Stellrings höhenverstellbar.

[0028] Wenn der Begrenzer zylindersymmetrisch zur Achse des Auflagerteils geformt ist, so kann er in kostengünstiger Weise auch mit dem Stellring einstückig ausgeführt sein. In dem in der Figur gezeigten bevorzugten Ausführungsbeispiel sind jedoch der Begrenzer und der Stellring separate Bauteile, so daß sich bei einer Höhenverstellung der Begrenzer nicht mitdreht und somit auch nicht-zylindersymmetrisch zur Achse geformt sein kann. Dies kann in vorteilhafter Weise dazu ausgenutzt werden, in verschiedenen Richtungen der Sitzvor-. richtung eine unterschiedliche Elastizität und Ausschlags-begrenzung bei Verkippung vorzusehen. So kann der elastische Ring in Form und Dicke entlang seinem Umfang unterschiedlich ausgeführt sein, er kann z.B. hinten höher als vorne sein, um hinten eine größere elastische Begrenzung als vorne zu erzielen. Er kann auch entlang eines bestimmten Umfangsabschnitts keilförmig sein. Er kann auch längsoval sein und exzentrisch zum Mittelpunkt des Säulenteils positioniert sein. In gleicher Weise kann auch der Träger 3A nicht-zylindersymmetrisch geformt sein.

[0029] Die Höhenverstellung kann anstelle durch ein Schraubgewinde auch durch eine diskontinuierliche Verstellung unter Verwendung von Bolzen und am Auflagerteil angebrachten Löchern ermöglicht werden.

[0030] Die erfindungsgemäße Sitzteillagerung ermöglicht eine Verkippung mit einer elastischen Rückstellkraft und bietet durch den Begrenzer ausreichende Kippsicherheit und außerdem eine Anpassung an unterschiedliches Körpergewicht und individuelle Bequemlichkeit. Sie ist somit kostengünstig herstellbar und universell bei jeder Art von Sitzvorrichtung einsetzbar.

[0031] Das erfindungsgemäße Gelenk (oder: die Sitzteillagerung) ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß der Stellring 14 ein Gewinde an seiner Innenseie aufweist, der in ein entsprechendes Gewinde an der Außenseite des Auflagerteils eingreift und durch dessen Drehung der Begrenzer höhenverstellbar ist, und/oder daß der Begrenzer und der Stellring separate Bauteile oder zusammenhängend geformt sind.

[0032] Das erfindungsgemäße Gelenk ist ferner insbesondere dadurch gekennzeichnet, daß der Ring 13B und/oder der Träger 13A nicht zylindersymmetrisch sind, insbesondere oval ausgebildet sind oder in einem Teil ihres Umfangs eine vergrößerte Dicke oder Breite aufweist. Außerdem kann das elastische Material der Platte 12 und/oder des Rings 13B aus Gummi sein.


Ansprüche

1. Gelenk für ein Sitzteil, gekennzeichnet durch ein Auflagerteil (11) mit einer nach unten gekrümmten oberen Auflagefläche (11A) und einer nach allen Seiten neigbar auf der Auflagefläche befestigten und mit dem Sitzteil verbundenen Platte (12A) aus einem elastischen Material und einen um das Auflagerteil ringförmig angeordneten Begrenzer (13) für die Platte (12A).
 
2. Gelenk nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Begrenzer einen Ring (13B) aus einem elastischen Material enthält, der an einem ringförmigen Träger (13A) befestigt ist.
 
3. Gelenk nach Anspruch 11 oder 12, gekennzeichnet durch einen unterhalb der Begrenzers um das Auflagerteil angeordneten höhenverstellbaren Stellring (14).
 
4. Gelenk nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die elastische Platte zu ihrer Befestigung an dem Auflagerteil mittels einer Schraube (12C) ein zentrales Durchgangsloch enthält, das durch eine ringförmige Metall- oder Kunststoffarmierung (12B9 begrenzt wird.
 
5. Sitzvorrichtung mit einem Gelenk nach einem der Ansprüche 1 bis 4.
 




Zeichnung