[0001] Die Erfindung betrifft eine neuartige Form von Bewehrungsführung in Stahl- und Spannbetonkonstruktionen,
mit der Zugkräfte über Fugen geleitet werden können.
[0002] Die herkömmliche Methode, Zugkräfte in Stahlbetonkonstruktionen weiterzuleiten, sind
sogenannte Übergreifungsstöße. Bei diesen Bewehrungsstößen werden die kraftübertragenden
Stäbe so eng nebeneinander angeordnet, daß die Kräfte auf kürzestem Weg direkt von
einem Stab in den nächsten geleitet werden. Diese Form von Kraftübertragung kann innerhalb
der Betonbauteile in aller Regel problemlos verwirklicht werden. Sie ist jedoch meist
dann nicht mehr möglich, wenn die Kräfte über Fugen geleitet werden müssen.
[0003] Derartige Fugen treten beispielsweise häufig bei der Verwendung von Fertigteilen
auf. Insbesondere bei plattenartigen Bauteilen kann es sehr nachteilig sein, wenn
die Biegezugkräfte nicht über die Fertigteilfugen geleitet werden können. In dem häufig
ausgeführten Fall der Teilfertigdecken mit Gitterträgern weicht man in der Praxis
diesem Problem folgendermaßen aus: Bei geringen Biegebeanspruchungen werden Übergreifungsstöße
ausbildet, indem die Bewehrungen in den Fertigteilplatten durch Stäbe ergänzt werden,
die im Fugenbereich auf die Fertigteilplatten gelegt werden; bei größeren Biegebeanspruchungen
wird dagegen die gesamte Biegebewehrung auf die Fertigteilplatten gelegt. Diese Bewehrung
muß aber relativ mühsam durch die Gitterträger eingefädelt werden. Außerdem erhält
sie dadurch eine vergleichsweise geringe statische Nutzhöhe.
[0004] Bei Plattenbalken mit Ortbetonergänzung, die im Brückenbau und im Hochbau - hier
unter Bezeichnungen wie π- und Trogplatten - vielfache Anwendung finden, stellt sich
das gleiche Problem. Bei diesen Anwendungen wird bislang die Bewehrung vollständig
auf den Fertigteilen verlegt. Die in den Fertigteilen für den Bauzustand erforderliche
Querbewehrung wird im Endzustand nicht mehr in Anspruch genommen. Es wird daher mehr
Stahl eingelegt, als unbedingt erforderlich wäre; diese Praxis ist unwirtschaftlich.
[0005] Ähnliche Probleme ergeben sich bei Wandplatten, die durch zwei vorgefertigte, mit
Gitterträgern verbundene Elementplatten als zweischalige Teilfertigwände hergestellt
und nach dem Versetzen durch einen Ortbetonkern ergänzt werden. Infolge des meist
recht kleinen Zwischenraums zwischen den Elementplatten gestaltet sich der Einbau
der fugenüberbrückenden Zusatzbewehrung besonders aufwendig. Die Bedingungen für die
Herstellung von Übergreifungsstößen nach den anerkannten Regeln der Technik werden
in diesem Zusammenhang oft unvollständig beachtet. Entsprechend gering ist oft die
Wirkung dieser mühsam eingebauten Bewehrung.
[0006] Hiervon ausgehend ist es die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, für Fertigteile
und andere Stahlbetonkonstruktionen eine Bewehrungsform zu entwickeln, die vollständig
in ein Bauteil eingebaut werden kann und ohne nennenswerte nachträgliche Bewehrungsergänzung
in der Lage ist, Biegezugkräfte über Bauteilfugen zu übertragen bzw. im Fugenbereich
eine zuverlässige Übertragung von Zwangszug- spannungen zu gewährleisten.
[0007] Mit den Lösungsmerkmalen wird erreicht, daß im Bereich der Fugenränder eine Bewehrung
eingebaut wird, die im Fugenbereich hinreichend weit aus dem Bauteil in den Bereich
des benachbarten Bauteils ragt und soweit aus der Bewehrungsebene herausgebogen wird,
daß der Einbau des benachbarten Bauteils nicht behindert wird. Infolge der Ausbildung
können zwischen den Bewehrungen die Kräfte mit Hilfe von Stabwerksystemen übertragen
werden, wobei zur Kraftübertragung zwischen den gekrümmten Bewehrungsabschnitten Druckstreben
des Betons zu Hilfe genommen werden und die Bewehrungen für die Zugstreben vorzugsweise
als Schlaufen ausgebildet werden.
[0008] Nachstehend werden Bewehrungsausbildungen für verschiedene Anwendungsbeispiele anhand
der Zeichnungen näher erläutert. Hierbei zeigen:
- Figur 1
- einen Querschnitt durch zwei benachbarte Fertigteile für Deckenplatten mit einem Bewehrungsstoß,
- Figur 2
- eine zur Figur 1 gehörende Draufsicht,
- Figur 3
- eine vergrößerte Darstellung des Fugenbereichs der Figur 1,
- Figur 4
- einen Querschnitt durch zwei benachbarte Fertigteile für Deckenplatten mit einer Variante
der Ausbildung eines Bewehrungsstoßes,
- Figur 5
- eine zur Figur 4 gehörende Draufsicht,
- Figur 6
- einen Querschnitt durch Plattenbalken-Fertigteile mit entsprechend angepaßter Ausbildung
eines Bewehrungsstoßes
- Figur 7
- eine vergrößerte Darstellung des Fugenbereichs der Figur 6
- Figur 8
- einen Querschnitt durch zwei benachbarte Fertigteile für Wandplatten mit der Ausbildung
eines Bewehrungsstoßes,
- Figur 9
- einen Querschnitt durch benachbarte Fertigteile für Wandplatten im Bereich einer quer
anschließenden Wand mit der Ausbildung eines Bewehrungsstoßes,
- Figur 10
- einen Querschnitt durch benachbarte Fertigteile für Wandplatten im Bereich eines Kreuzungspunktes
zweier Wände mit der Ausbildung eines Bewehrungsstoßes und
- Figur 11
- einen Querschnitt durch benachbarte Fertigteile für Wandplatten im Bereich einer Wandecke
mit der Ausbildung eines Bewehrungsstoßes.
[0009] Die Figur 1 zeigt beispielhaft zwei Fertigteile 1 und 2, zwischen deren unteren Platten
3 a und 3 b sich die Fuge 4 befindet. Der Fugenbereich ist in der Figur 3 in vergrößertem
Maßstab wiedergegeben. Die Fertigteile 1 und 2 werden nach dem Einbau durch Ortbeton
5 ergänzt. Im Fertigteil 1 sind in Querrichtung die Bewehrungen 6 und 9 eingebaut,
im Fertigteil 2 sind dies die entsprechenden Bewehrungen 7 und 9. Die Bewehrungen
7 und 8 sind so ausgebildet, daß - unabhängig davon, welches der beiden Fertigteile
1 und 2 zuerst verlegt wurde - das benachbarte Fertigteil seitlich eingefahren werden
kann, ohne daß diese Bewehrungen miteinander oder mit den Fertigteilen kollidieren.
Im Beispiel der Figur 1 wird dies im Detail dadurch erreicht, daß die schlaufenförmigen
Bewehrungen 7 und 8 unterschiedlich hoch aus den Fertigteilen herausragen und somit
ineinandergeschoben werden können.
[0010] Eine weitere Voraussetzung, die für diese Montagemöglichkeit erfüllt sein soll, besteht
darin, daß die Schlaufen 7, 8 nicht gleich breit sind. Die in der Figur 2 enthaltene
Draufsicht zeigt, wie dies dergestalt realisiert werden kann, daß die in den Fertigteilen
verlegten Bewehrungen 6 und 9 im gleichen Raster angeordnet werden können und dennoch
mit den Bewehrungen 7 und 8 jeweils Übergreifungsstöße bilden. Die schlaufenförmigen
Bewehrungen 7 durchgreifen hierbei die schlaufenförmigen Bewehrungen 8, bei denen
die Schlaufenbreite größer ist als diejenige der Bewehrungen 7. Das Fertigteil 2 ist
in der Draufsicht in voller Breite dargestellt. Am rechten Rand ist die konventionelle
Bewehrungsform dargestellt für den Fall, daß die Platte an dieser Stelle gelagert
sind. Zur besseren Übersichtlichkeit wurde in den Draufsichten auf die Darstellung
der Längsbewehrungen 10 (s. Schnitte) verzichtet.
[0011] Um die Anschlußbewehrungen 7 und 8 mit einer sinnvollen Form ausbilden zu können,
kann es erforderlich sein, die Fertigteilseitenflächen im oberen Bereich mit Abkantungen
11 zu versehen. Ähnliche Abkantungen sind auch bei konventionellen Fertigteilelementen
erforderlich, um für auf den Platten 3 a und 3 b verlegte Bewehrungen im Fugenbereich
eine ausreichende Betondeckung zu erreichen.
[0012] Die Ausbildung der Bewehrungen 7 und 8 gewährleistet, daß nach der Ortbetonergänzung
Zugkräfte, die innerhalb der Platten 3 a und 3 b in diesen Bewehrungen entstehen,
im Fugenbereich durch entsprechende Druckstreben in die jeweils andere Bewehrung weitergeleitet
wird. Ohne aufwendige Bewehrungsergänzung können somit durch die Ausbildung der Bewehrung
Biegezugkräfte uneingeschränkt über die Fertigteilfuge geleitet werden.
[0013] In den Figuren 4 und 5 ist eine Variante der Ausbildung der fugenüberbrückenden Bewehrung
dargestellt. Bei dieser Variante weisen die schlaufenförmigen Bewehrungen 12 und 13
zueinander identische Form auf, was mehrere logistische Vorteile im Fertigteilwerk
und auf der Baustelle zur Folge hat. Sie werden gemäß der Draufsicht in der Figur
5 zueinander versetzt angeordnet. Dies bedeutet, daß jeweils eine schlaufenförmige
Bewehrung 12 zwischen zwei zueinander benachbarten schlaufenförmigen Bewehrungen 13
verläuft. Dadurch können die Fertigteile beim Einbau besonders einfach und problemlos
zusammengeschoben werden - auch wenn die Bewehrungen in ihrer Höhenlage oder durch
ungewollte Deformationen von der planmäßigen Form abweichen sollten.
[0014] Bei dieser Variante bildet sich im Endzustand zwischen den Bewehrungen 12 und 13
ein räumliches Stabwerksystem. Die Wirkungsweise kann man sich wie bei einem Reißverschluß
(der jedoch nicht geöffnet werden kann) vorstellen. Die ineinandergreifenden Reißverschlußzähne
bildet der Beton, der für diese Beanspruchung durch die Bewehrungen 12 und 13 verstärkt
wird. Auch bei dieser besonders vorteilhaften Variante können die in den Bewehrungen
12 und 13 entstehenden Biegezugkräfte uneingeschränkt über die Fuge 4 geleitet werden.
[0015] Die Figuren 6 und 7 belegen, daß die Ausbildung der Bewehrung mit ihren großen Vorzügen
auch angewendet werden kann, wenn - wie bei den im Brückenbau verwendeten Fertigteilträgern
14 üblich - die Fertigteilplatten wesentlich dicker sein müssen als in den Beispielen
nach den Figuren 1 bis 5. Dieser Unterschied kann problemlos durch eine entsprechend
angepaßte Fugenausbildung 15 ausgeglichen werden. Randseitig weisen die Träger 14
jeweils eine Stufe auf, wobei die Stufen benachbarter Träger sich zu einem offenen
Kanal ergänzen, der in Längsrichtung verläuft. Diese Form der Fugenausbildung bzw.
der dadurch gebildete Kanal kann zusätzlich vorteilhaft für die Anordnung einer Fugenabdeckung
16 genutzt werden.
[0016] Auf den Baustellen muß infolge der Ausbildung der Bewehrung keinerlei untere Querbewehrung
zusätzlich verlegt werden. Dies ergibt nicht nur ganz direkt erhebliche wirtschaftliche
und terminliche Vorteile, sondern erlaubt auch, die Fertigteile kopfseitig zu verstärken,
wodurch zusätzlich erhebliche wirtschaftliche und infolge geringerer Bauhöhen auch
gestalterische Vorteile erreicht werden können. Die kopfseitige Verstärkung ist mit
17 bezeichnet.
[0017] In den Figuren 8 bis 11 sind in verschiedenen Grundrißschnitten Teilfertigwände dargestellt,
die durch paarweise über Gitterträger 18 verbundene Elementplatten 19 gebildet werden.
Die Fugen 20 zwischen den Fertigteilelementen werden jeweils durch die Ausbildung
der Elementbewehrung 12 und 13 kraftschlüssig überbrückt. Für diese Wände ist auf
der Baustelle keinerlei Bewehrung mehr zu verlegen. Die Ausbildung der Elementbewehrung
führt auch bei diesen Anwendungsbeispielen durch Bewehrungs- und Zeitersparnis zu
erheblichen wirtschaftlichen Vorteilen. Gleichzeitig wird die Wirkung der Bewehrung
im Fugenbereich durch ihre oberflächennahe Lage gegenüber der bisherigen Praxis entschieden
verbessert. Die verschiedenen Figuren zeigen, daß die Ausbildung der Elementbewehrung
nicht nur bei Fugen innerhalb eines Wandabschnitts, sondern auch im Bereich einseitig
quer anschließender und sich kreuzender Wände sowie auch bei Wandecken gleichermaßen
angewendet werden kann.
1. Verbundbewehrung zwischen mindestens zwei aneinanderstoßenden plattenförmigen Stahlbetonfertigteilen
und Ortbeton, bei welcher vom Ortbeton umhüllte Bewehrungsstäbe an den Plattenrändern
teilweise einander übergreifen und in den Ortbeton verlaufend gebogen sind, wobei
die über den Plattenrand abstehenden Abschnitte der Bewehrungsstäbe unter einem flachen
Winkel aus der Bewehrungsebene gebogen sind und den an den Plattenrand sich anschließenden,
im wesentlichen flachen Oberflächenbereich des benachbarten Fertigteils übergreifen,
dadurch gekennzeichnet, daß die überstehenden Abschnitte der Bewehrungsstäbe als Schlaufen ausgebildet sind
und die Schlaufen in einer gemeinsamen Ebene liegen, die unter einem flachen Winkel
zur Bewehrungsebene verläuft.
2. Verbundbewehrung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen dem im wesentlichen flachen Oberflächenbereich und dem Plattenrand das
Fertigteil abgekantet ist und über die Abkantung die Bewehrungsstäbe des benachbarten
Fertigteils verlaufen.
3. Verbundbewehrung nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Abkantung gestuft ausgebildet ist.
4. Verbundbewehrung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß durch die Schlaufen des einen Fertigteils die Schlaufen des benachbarten Fertigteils
verlaufen.
5. Verbundbewehrung nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlaufenhöhe des einen Fertigteils geringer ist als die Schlaufenhöhe der
Schlaufen des benachbarten Fertigteils, jeweils bezogen auf die im wesentlichen flachen
Oberbereiche.
6. Verbundbewehrung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlaufen des einen Fertigteils jeweils zwischen zwei einander benachbarten
Schlaufen des benachbarten Fertigteils verlaufen.
7. Verbundbewehrung nach einem der Ansprüche 2 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß auf den Abkantungen benachbarter Fertigteile eine die Fuge zwischen diesen Fertigteilen
überbrückende Fugenabdeckung angeordnet ist.