[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Durchführung eines Faser- oder Papierherstellungsprozesses
unter Verwendung einer Mehrzahl aufeinanderfolgender Verfahrensstufen, in denen durch
vorgebbare chemische und physikalische Abläufe definierte Prozeßschritte durchgeführt
und Prozeßoptimierungen in Abhängigkeit von Meßwerten und daraus gebildeten Kenngrößen,
ggf. unter Einsatz von Zustandsmodellen, vorgenommen werden.
[0002] Bei der Herstellung und Aufbereitung von Faserstoffen und auch bei der Papierherstellung
wird üblicherweise eine Mehrzahl von Prozeßstufen hintereinander geschaltet, um am
Ende des Gesamtverfahrens das jeweilige Produkt mit einer gewünschten Qualität zu
erhalten.
[0003] Eine wichtige Verfahrensstufe bei der Herstellung von Papier stellt das Bleichen
von Faserstoffen dar, wobei der jeweilige Stoff, bei dem es sich beispielsweise um
Holzstoff, Refiner-Stoff und/oder Altpapierstoff handeln kann, Bleichvorgängen unterzogen
wird, um die gewünschte Erhöhung des Weißegrades des Stoffes zu erreichen, ohne dabei
die Festigkeit des jeweiligen Stoffs unerwünscht zu beeinträchtigen. Da bei der Faserstoffaufbereitung
bzw. der Papierherstellung den üblicherweise aus mehreren Stufen bestehenden Bleichvorrichtungen
wesentliche Bedeutung hinsichtlich der erzielbaren Qualitäten zukommt, wird in der
Praxis bereits versucht, das Bleichverfahren zu optimieren, und es ist auch bereits
bekannt, derartige Optimierungen bei Kochverfahren im Zusammenhang mit der Herstellung
von Zellstoffen einzusetzen. Bekannt ist es in diesem Zusammenhang insbesondere, Zustandsmodelle
und/oder Prozeßmodelle zu verwenden, und zwar auf der Basis erfaßter mechanischer,
physikalischer und/oder chemischer Eigenschaften des Faserstoffs oder der Faserstoffsuspension.
Anhand solcher Zustands- oder Prozeßmodelle werden Teilprozesse eines Gesamtverfahrens,
wie z.B. die Bleichstufe optimiert.
[0004] Aufgabe der Erfindung ist es, Gesamtprozesse bei der Herstellung und Aufbereitung
von Faserstoffen bzw. bei der Papierherstellung sowohl unter technologischen als auch
unter betriebswirtschaftlichen sowie ökologischen Aspekten zu optimieren.
[0005] Erreicht wird dies ausgehend von dem eingangs angegebenen Verfahren nach der Erfindung
dadurch, daß zumindest die die Zielgrößen des jeweiligen Endprodukts des Verfahrens
relevant beeinflussenden Kenngrößen aller einzelnen Verfahrensstufen on-line erfaßt
und direkt oder indirekt on-line zur Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtverfahrens
verwendet werden, wobei Kenngrößen sowohl in Abhängigkeit von den Ausgangsmaterialien
bzw. Rohstoffen als auch von den in den aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen zugeführten
Chemikalien, Hilfsstoffen und Energien sowie den zu entsorgenden Materialien und Emissionen
gebildet werden.
[0006] Ergänzend zur On-line-Erfassung von Kenngrößen können nach einer Ausführungsvariante
der Erfindung auch Off-line-Bestimmungen durchgeführt werden, so daß anhand der dabei
erhaltenen diskreten Werte anhand von Berechnungsmodellen eine Optimierung der On-line-Werte
im Rahmen eines Autokalibrierungsmoduls durchgeführt werden kann.
[0007] Eine wesentliche Besonderheit des Verfahrens nach der Erfindung ist auch darin zu
sehen, daß nicht nur die Kenngrößenermittlung, sondern auch die Kontrolle und die
Regelung bzw. Optimierung on-line erfolgt, und zwar bevorzugt auf der Basis bekannter
mathematischer oder betriebswirtschaftlicher Algorithmen, auf der Basis von Fuzzy-Logik
u.dgl.
[0008] Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Erfindung besteht darin, daß zumindest ein Teil
und vorzugsweise alle Ziel- und Kenngrößen mittels eines Rechenwerks auf eine einheitliche
Basis transformiert werden, wobei eine einheitliche Basis insbesondere ein über eine
Kosten- bzw. Wertermittlung bestimmter Preis pro Mengeneinheit sein kann. Durch die
Umrechnung auf eine einheitliche Basis läßt sich dann auch eine sogenannte Engpaßoptimierung
durchführen. Das Engpaßproblem ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Teil des
Produktionsplanungsprozesses. Hierbei werden die Produkte über Preis und Menge definiert.
Auf dieser Basis wird dann eine mathematische Zielfunktion definiert, die in der Regel
auf eine Gewinn- oder Produktionsmaximierung ausgelegt ist. Es ist allerdings auch
denkbar, eine Funktion zu definieren, die z. B. eine verringerte Menge an Reststoffen
(Abfall) zum Ziel hat (

). Diese Funktionen können, müssen aber nicht linear sein. Diese eigentliche Zielfunktion,
die also eine Maximierungsfunktion, eine Minimierungsfunktion oder eine Kombination
aus beiden sein kann, kann durch Nebenbedingungen eingeschränkt werden. Als Nebenbedingungen
können z. B. eine Absatzbedingung (z. B. Absatzobergrenze) oder eine Kapazitätsbedingung
(z. B. Kapazitätsengpaß) formuliert werden, die die Zielfunktion weiter einschränken.
Im Sinne der Erfindung ist es weiterhin, daß sowohl die Zielfunktion, als auch die
Nebenbedingungen, nicht starr formuliert sind, sondern den jeweiligen Bedingungen
und Anforderungen, die sich aus dem laufenden Betrieb ergeben, angepaßt werden (vgl.
Hax, H.: Lineare Planungsrechnung und Simplex-Methode als Instrument betrieblicher
Planung, in: ZfhF 1960, S 576 ff).
[0009] Weitere vorteilhafte Ausführungsformen und Merkmale der Erfindung sind in den Unteransprüchen
angegeben und werden nachfolgend anhand einer Prinzipdarstellung erläutert.
[0010] Die diese Prinzipdarstellung zeigende Fig. 1 verdeutlicht die im Zusammenhang mit
einem Faser-Papierherstellungsprozeß relevanten Eingangs- und Ausgangsgrößen. Im Rahmen
des zu steuernden bzw. zu optimierenden Gesamtverfahrens erfolgt die bereits angesprochene
On-line-Kenngrößenermittlung, wozu mittels bekannter Methoden mechanische, physikalische
und/oder chemische Eigenschaften an ausgewählten Stellen des Gesamtprozesses erfaßt
werden.
[0011] Erfaßt werden auch die dem Gesamtprozeß zugeführten Rohstoffe in Form der Eintragsmengen,
wobei - wie dies auch für die anderen Kenngrößen gilt - eine Transformation dieser
Größen auf eine einheitliche Basis erfolgen kann, z.B. auf die Basis Preis pro Mengeneinheit.
[0012] Dies gilt auch für die während des Gesamtverfahrens im Zuge der Steuerung und Optimierung
zugeführten Chemikalien, Hilfsstoffe, Energien sowie für Frisch- und Ergänzungswasser,
wobei die entsprechenden Dosiermengen ebenfalls auf eine einheitliche Basis, nämlich
insbesondere auf die Basis Preis pro Mengeneinheit transformierbar sind.
[0013] Charakteristisch für die Erfindung ist auch, daß neben den Zielgrößen auch die zu
entsorgenden, im Verlauf des Verfahrens anfallenden Materialien, insbesondere Rejekt,
Schlamm und Wasser sowie Emissionen erfaßt und zur Steuerung und Optimierung des Gesamtprozesses
verwendet werden. Diese Kenngrößen sind ebenfalls auf eine einheitliche Basis zu transformieren,
so daß der pro Mengeneinheit gegebene Preis beispielsweise für Entsorgungskosten und
Abwassergebühren berücksichtigbar ist.
[0014] Die Zielgrößen sind üblicherweise die Produktionsmengen, die aber erfindungsgemäß
wiederum auf eine einheitliche Basis transformiert werden können, so daß als Zielgröße
auch mechanische Eigenschaften und optische Eigenschaften berücksichtigt werden können.
Dies ist beispielsweise dadurch möglich, daß der erzielbare Erlöspreis des fertigen
Faserstoffes und Papiers als Summenparameter aller optischen und mechanischen Eigenschaften
bzw. ausgewählter Eigenschaften angesetzt werden kann.
[0015] Durch die Transformierung von Input- bzw. Output-Kenn- bzw. Zielgrößen auf eine einheitliche
Basis läßt sich das Gesamtverfahren sowohl unter technologischen als auch unter betriebswirtschaftlichen
sowie ökologischen Aspekten optimieren. Dadurch wird es auch möglich, daß die Rohstoffmenge,
die Chemikalienkosten, die Hilfsstoffkosten, die Energiekosten, das Abfallaufkommen
und die Entsorgungskosten minimiert werden können. Ebenfalls ist es möglich, die jeweiligen
Halb- oder Fertigstoffe derart zu produzieren, daß die Schwankungsbreite der technologischen
Kennwerte ganz wesentlich reduziert werden.
[0016] Wenn die Zahl der Einflußgrößen im Gesamtmodell reduziert werden soll, können Teilprozesse,
z.B. in einer Altpapieraufbereitungsanlage die Auflösung, Bleiche, Sortierung, Fluktuation
u.dgl. zuerst in eigenständigen Modulen zusammengefaßt werden, die dann nur eine komprimierte
Zahl von Kenngrößen an den Gesamtprozeß weitergeben.
[0017] Für die Auslegung des Betriebs einer Gesamtanlage ist es auch von wesentlichem Vorteil,
daß unter Verwendung von lernfähigen Modellen die unterschiedlichen Einflüsse der
In- und Outputs hinsichtlich der jeweiligen Zielgrößen untersucht und berücksichtigt
werden können und es auch möglich ist, durch Änderung von Ziel- und Kenngrößen unterschiedliche
Szenarien zu überprüfen.
[0018] Im Falle der Berücksichtigung aller In- und Outputs läßt sich demgemäß nach der Erfindung
eine Qualitätssteuerung und Qualitätsregelung erreichen, welche sowohl die Qualität
als auch die Wirtschaftlichkeit des betreffenden Verfahrens bzw. Produkts positiv
beeinflussen.
1. Verfahren zur Durchführung eines Faser- oder Papierherstellungsprozesses unter Verwendung
einer Mehrzahl aufeinanderfolgender Verfahrensstufen, in denen durch vorgebbare chemische
und physikalische Abläufe definierte Prozeßschritte durchgeführt und Prozeßoptimierungen
in Abhängigkeit von Meßwerten und daraus gebildeten Kenngrößen, ggf. unter Einsatz
von Zustandsmodellen, vorgenommen werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest die die Zielgrößen des jeweiligen Endprodukts des Verfahrens relevant
beeinflussenden Kenngrößen aller einzelnen Verfahrensstufen on-line erfaßt und direkt
oder indirekt on-line zur Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtverfahrens verwendet
werden, wobei Kenngrößen sowohl in Abhängigkeit von den Ausgangsmaterialien bzw. Rohstoffen
als auch von den in den aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen zugeführten Chemikalien,
Hilfsstoffen und Energien sowie den zu entsorgenden Materialien und Emissionen gebildet
werden.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß ergänzend zur On-line-Erfassung von Kenngrößen Off-line-Bestimmungen von Meßwerten
und Kenngrößen vorgenommen und anhand der erhaltenen diskreten Werte mittels Berechnungsmodellen
Optimierungen der jeweils zugehörigen On-line-Werte vorgenommen werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß einzelne Verfahrensstufen oder Teilprozesse zu eigenständig gesteuerten und optimierten
Modulen zusammengefaßt werden und eine komprimierte bzw. reduzierte Anzahl von in
diesen Modulen gebildeten Kenngrößen zur Steuerung und Optimierung des Gesamtverfahrens
verwendet wird.
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest ein Teil der Ziel- und Kenngrößen mittels eines Rechenwerks auf eine
einheitliche Basis transformiert wird.
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß als einheitliche Basis der Preis pro Mengeneinheit gewählt wird.
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest ein Teil der Kenngrößen vor ihrer Verwendung zur Steuerung und Optimierung
des Gesamtverfahrens gewichtet wird.
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß unter Verwendung der auf eine einheitliche Basis transformierten Kenngrößen im
Gesamtverfahren eine Engpaßoptimierung durchgeführt wird.
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Ermittlung der Kenngrößen aus den On-line-Meßwerten unter Verwendung mathematischer
oder betriebswirtschaftlicher Algorithmen erfolgt.
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß als Zielgrößen insbesondere Produktionsmengen, mechanische und/oder optische Eigenschaften
und/oder der Faserstoff- oder Papierpreis vorgegeben werden.