(19)
(11) EP 1 035 253 A1

(12) EUROPÄISCHE PATENTANMELDUNG

(43) Veröffentlichungstag:
13.09.2000  Patentblatt  2000/37

(21) Anmeldenummer: 00100843.2

(22) Anmeldetag:  17.01.2000
(51) Internationale Patentklassifikation (IPC)7D21G 9/00
(84) Benannte Vertragsstaaten:
AT BE CH CY DE DK ES FI FR GB GR IE IT LI LU MC NL PT SE
Benannte Erstreckungsstaaten:
AL LT LV MK RO SI

(30) Priorität: 11.03.1999 DE 19910910

(71) Anmelder: Voith Sulzer Papiertechnik Patent GmbH
88191 Ravensburg (DE)

(72) Erfinder:
  • Dr. Volker Gehr
    88255 Beienfurt (DE)
  • Boris Reinholdt
    88289 Waldburg (DE)
  • Thomas Köberl
    88213 Ravensburg (DE)

(74) Vertreter: Manitz, Finsterwald & Partner 
Postfach 22 16 11
80506 München
80506 München (DE)

   


(54) Optimierter Faser- oder Papierherstellungsprozess


(57) Verfahren zur Durchführung eines Faser- oder Papierherstellungsprozesses unter Verwendung einer Mehrzahl aufeinanderfolgender Verfahrensstufen, in denen durch vorgebbare chemische und physikalische Abläufe definierte Prozeßschritte durchgeführt und Prozeßoptimierungen vorgenommen werden, wobei zumindest die die Zielgrößen des jeweiligen Endprodukts des Verfahrens relevant beeinflussenden Kenngrößen aller einzelnen Verfahrensstufen on-line erfaßt und zur Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtverfahrens verwendet werden, und wobei Kenngrößen sowohl in Abhängigkeit von den Ausgangsmaterialien bzw. Rohstoffen als auch von den in den aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen zugeführten Chemikalien, Hilfsstoffen und Energien sowie den zu entsorgenden Materialien und Emissionen gebildet werden.




Beschreibung


[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Durchführung eines Faser- oder Papierherstellungsprozesses unter Verwendung einer Mehrzahl aufeinanderfolgender Verfahrensstufen, in denen durch vorgebbare chemische und physikalische Abläufe definierte Prozeßschritte durchgeführt und Prozeßoptimierungen in Abhängigkeit von Meßwerten und daraus gebildeten Kenngrößen, ggf. unter Einsatz von Zustandsmodellen, vorgenommen werden.

[0002] Bei der Herstellung und Aufbereitung von Faserstoffen und auch bei der Papierherstellung wird üblicherweise eine Mehrzahl von Prozeßstufen hintereinander geschaltet, um am Ende des Gesamtverfahrens das jeweilige Produkt mit einer gewünschten Qualität zu erhalten.

[0003] Eine wichtige Verfahrensstufe bei der Herstellung von Papier stellt das Bleichen von Faserstoffen dar, wobei der jeweilige Stoff, bei dem es sich beispielsweise um Holzstoff, Refiner-Stoff und/oder Altpapierstoff handeln kann, Bleichvorgängen unterzogen wird, um die gewünschte Erhöhung des Weißegrades des Stoffes zu erreichen, ohne dabei die Festigkeit des jeweiligen Stoffs unerwünscht zu beeinträchtigen. Da bei der Faserstoffaufbereitung bzw. der Papierherstellung den üblicherweise aus mehreren Stufen bestehenden Bleichvorrichtungen wesentliche Bedeutung hinsichtlich der erzielbaren Qualitäten zukommt, wird in der Praxis bereits versucht, das Bleichverfahren zu optimieren, und es ist auch bereits bekannt, derartige Optimierungen bei Kochverfahren im Zusammenhang mit der Herstellung von Zellstoffen einzusetzen. Bekannt ist es in diesem Zusammenhang insbesondere, Zustandsmodelle und/oder Prozeßmodelle zu verwenden, und zwar auf der Basis erfaßter mechanischer, physikalischer und/oder chemischer Eigenschaften des Faserstoffs oder der Faserstoffsuspension. Anhand solcher Zustands- oder Prozeßmodelle werden Teilprozesse eines Gesamtverfahrens, wie z.B. die Bleichstufe optimiert.

[0004] Aufgabe der Erfindung ist es, Gesamtprozesse bei der Herstellung und Aufbereitung von Faserstoffen bzw. bei der Papierherstellung sowohl unter technologischen als auch unter betriebswirtschaftlichen sowie ökologischen Aspekten zu optimieren.

[0005] Erreicht wird dies ausgehend von dem eingangs angegebenen Verfahren nach der Erfindung dadurch, daß zumindest die die Zielgrößen des jeweiligen Endprodukts des Verfahrens relevant beeinflussenden Kenngrößen aller einzelnen Verfahrensstufen on-line erfaßt und direkt oder indirekt on-line zur Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtverfahrens verwendet werden, wobei Kenngrößen sowohl in Abhängigkeit von den Ausgangsmaterialien bzw. Rohstoffen als auch von den in den aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen zugeführten Chemikalien, Hilfsstoffen und Energien sowie den zu entsorgenden Materialien und Emissionen gebildet werden.

[0006] Ergänzend zur On-line-Erfassung von Kenngrößen können nach einer Ausführungsvariante der Erfindung auch Off-line-Bestimmungen durchgeführt werden, so daß anhand der dabei erhaltenen diskreten Werte anhand von Berechnungsmodellen eine Optimierung der On-line-Werte im Rahmen eines Autokalibrierungsmoduls durchgeführt werden kann.

[0007] Eine wesentliche Besonderheit des Verfahrens nach der Erfindung ist auch darin zu sehen, daß nicht nur die Kenngrößenermittlung, sondern auch die Kontrolle und die Regelung bzw. Optimierung on-line erfolgt, und zwar bevorzugt auf der Basis bekannter mathematischer oder betriebswirtschaftlicher Algorithmen, auf der Basis von Fuzzy-Logik u.dgl.

[0008] Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Erfindung besteht darin, daß zumindest ein Teil und vorzugsweise alle Ziel- und Kenngrößen mittels eines Rechenwerks auf eine einheitliche Basis transformiert werden, wobei eine einheitliche Basis insbesondere ein über eine Kosten- bzw. Wertermittlung bestimmter Preis pro Mengeneinheit sein kann. Durch die Umrechnung auf eine einheitliche Basis läßt sich dann auch eine sogenannte Engpaßoptimierung durchführen. Das Engpaßproblem ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Teil des Produktionsplanungsprozesses. Hierbei werden die Produkte über Preis und Menge definiert. Auf dieser Basis wird dann eine mathematische Zielfunktion definiert, die in der Regel auf eine Gewinn- oder Produktionsmaximierung ausgelegt ist. Es ist allerdings auch denkbar, eine Funktion zu definieren, die z. B. eine verringerte Menge an Reststoffen (Abfall) zum Ziel hat (

). Diese Funktionen können, müssen aber nicht linear sein. Diese eigentliche Zielfunktion, die also eine Maximierungsfunktion, eine Minimierungsfunktion oder eine Kombination aus beiden sein kann, kann durch Nebenbedingungen eingeschränkt werden. Als Nebenbedingungen können z. B. eine Absatzbedingung (z. B. Absatzobergrenze) oder eine Kapazitätsbedingung (z. B. Kapazitätsengpaß) formuliert werden, die die Zielfunktion weiter einschränken. Im Sinne der Erfindung ist es weiterhin, daß sowohl die Zielfunktion, als auch die Nebenbedingungen, nicht starr formuliert sind, sondern den jeweiligen Bedingungen und Anforderungen, die sich aus dem laufenden Betrieb ergeben, angepaßt werden (vgl. Hax, H.: Lineare Planungsrechnung und Simplex-Methode als Instrument betrieblicher Planung, in: ZfhF 1960, S 576 ff).

[0009] Weitere vorteilhafte Ausführungsformen und Merkmale der Erfindung sind in den Unteransprüchen angegeben und werden nachfolgend anhand einer Prinzipdarstellung erläutert.

[0010] Die diese Prinzipdarstellung zeigende Fig. 1 verdeutlicht die im Zusammenhang mit einem Faser-Papierherstellungsprozeß relevanten Eingangs- und Ausgangsgrößen. Im Rahmen des zu steuernden bzw. zu optimierenden Gesamtverfahrens erfolgt die bereits angesprochene On-line-Kenngrößenermittlung, wozu mittels bekannter Methoden mechanische, physikalische und/oder chemische Eigenschaften an ausgewählten Stellen des Gesamtprozesses erfaßt werden.

[0011] Erfaßt werden auch die dem Gesamtprozeß zugeführten Rohstoffe in Form der Eintragsmengen, wobei - wie dies auch für die anderen Kenngrößen gilt - eine Transformation dieser Größen auf eine einheitliche Basis erfolgen kann, z.B. auf die Basis Preis pro Mengeneinheit.

[0012] Dies gilt auch für die während des Gesamtverfahrens im Zuge der Steuerung und Optimierung zugeführten Chemikalien, Hilfsstoffe, Energien sowie für Frisch- und Ergänzungswasser, wobei die entsprechenden Dosiermengen ebenfalls auf eine einheitliche Basis, nämlich insbesondere auf die Basis Preis pro Mengeneinheit transformierbar sind.

[0013] Charakteristisch für die Erfindung ist auch, daß neben den Zielgrößen auch die zu entsorgenden, im Verlauf des Verfahrens anfallenden Materialien, insbesondere Rejekt, Schlamm und Wasser sowie Emissionen erfaßt und zur Steuerung und Optimierung des Gesamtprozesses verwendet werden. Diese Kenngrößen sind ebenfalls auf eine einheitliche Basis zu transformieren, so daß der pro Mengeneinheit gegebene Preis beispielsweise für Entsorgungskosten und Abwassergebühren berücksichtigbar ist.

[0014] Die Zielgrößen sind üblicherweise die Produktionsmengen, die aber erfindungsgemäß wiederum auf eine einheitliche Basis transformiert werden können, so daß als Zielgröße auch mechanische Eigenschaften und optische Eigenschaften berücksichtigt werden können. Dies ist beispielsweise dadurch möglich, daß der erzielbare Erlöspreis des fertigen Faserstoffes und Papiers als Summenparameter aller optischen und mechanischen Eigenschaften bzw. ausgewählter Eigenschaften angesetzt werden kann.

[0015] Durch die Transformierung von Input- bzw. Output-Kenn- bzw. Zielgrößen auf eine einheitliche Basis läßt sich das Gesamtverfahren sowohl unter technologischen als auch unter betriebswirtschaftlichen sowie ökologischen Aspekten optimieren. Dadurch wird es auch möglich, daß die Rohstoffmenge, die Chemikalienkosten, die Hilfsstoffkosten, die Energiekosten, das Abfallaufkommen und die Entsorgungskosten minimiert werden können. Ebenfalls ist es möglich, die jeweiligen Halb- oder Fertigstoffe derart zu produzieren, daß die Schwankungsbreite der technologischen Kennwerte ganz wesentlich reduziert werden.

[0016] Wenn die Zahl der Einflußgrößen im Gesamtmodell reduziert werden soll, können Teilprozesse, z.B. in einer Altpapieraufbereitungsanlage die Auflösung, Bleiche, Sortierung, Fluktuation u.dgl. zuerst in eigenständigen Modulen zusammengefaßt werden, die dann nur eine komprimierte Zahl von Kenngrößen an den Gesamtprozeß weitergeben.

[0017] Für die Auslegung des Betriebs einer Gesamtanlage ist es auch von wesentlichem Vorteil, daß unter Verwendung von lernfähigen Modellen die unterschiedlichen Einflüsse der In- und Outputs hinsichtlich der jeweiligen Zielgrößen untersucht und berücksichtigt werden können und es auch möglich ist, durch Änderung von Ziel- und Kenngrößen unterschiedliche Szenarien zu überprüfen.

[0018] Im Falle der Berücksichtigung aller In- und Outputs läßt sich demgemäß nach der Erfindung eine Qualitätssteuerung und Qualitätsregelung erreichen, welche sowohl die Qualität als auch die Wirtschaftlichkeit des betreffenden Verfahrens bzw. Produkts positiv beeinflussen.


Ansprüche

1. Verfahren zur Durchführung eines Faser- oder Papierherstellungsprozesses unter Verwendung einer Mehrzahl aufeinanderfolgender Verfahrensstufen, in denen durch vorgebbare chemische und physikalische Abläufe definierte Prozeßschritte durchgeführt und Prozeßoptimierungen in Abhängigkeit von Meßwerten und daraus gebildeten Kenngrößen, ggf. unter Einsatz von Zustandsmodellen, vorgenommen werden,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest die die Zielgrößen des jeweiligen Endprodukts des Verfahrens relevant beeinflussenden Kenngrößen aller einzelnen Verfahrensstufen on-line erfaßt und direkt oder indirekt on-line zur Steuerung bzw. Optimierung des Gesamtverfahrens verwendet werden, wobei Kenngrößen sowohl in Abhängigkeit von den Ausgangsmaterialien bzw. Rohstoffen als auch von den in den aufeinanderfolgenden Verfahrensstufen zugeführten Chemikalien, Hilfsstoffen und Energien sowie den zu entsorgenden Materialien und Emissionen gebildet werden.
 
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß ergänzend zur On-line-Erfassung von Kenngrößen Off-line-Bestimmungen von Meßwerten und Kenngrößen vorgenommen und anhand der erhaltenen diskreten Werte mittels Berechnungsmodellen Optimierungen der jeweils zugehörigen On-line-Werte vorgenommen werden.
 
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß einzelne Verfahrensstufen oder Teilprozesse zu eigenständig gesteuerten und optimierten Modulen zusammengefaßt werden und eine komprimierte bzw. reduzierte Anzahl von in diesen Modulen gebildeten Kenngrößen zur Steuerung und Optimierung des Gesamtverfahrens verwendet wird.
 
4. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest ein Teil der Ziel- und Kenngrößen mittels eines Rechenwerks auf eine einheitliche Basis transformiert wird.
 
5. Verfahren nach Anspruch 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß als einheitliche Basis der Preis pro Mengeneinheit gewählt wird.
 
6. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß zumindest ein Teil der Kenngrößen vor ihrer Verwendung zur Steuerung und Optimierung des Gesamtverfahrens gewichtet wird.
 
7. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß unter Verwendung der auf eine einheitliche Basis transformierten Kenngrößen im Gesamtverfahren eine Engpaßoptimierung durchgeführt wird.
 
8. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Ermittlung der Kenngrößen aus den On-line-Meßwerten unter Verwendung mathematischer oder betriebswirtschaftlicher Algorithmen erfolgt.
 
9. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß als Zielgrößen insbesondere Produktionsmengen, mechanische und/oder optische Eigenschaften und/oder der Faserstoff- oder Papierpreis vorgegeben werden.
 




Zeichnung







Recherchenbericht