[0001] Die Erfindung betrifft ein Hybridmodell zur Modellierung eines Gesamtprozesses in
einem Fahrzeug bestehend aus je zumindest einem physikalischen und einem neuronalen
Teilmodell.
[0002] Es ist bekannt, physikalische Zusammenhänge und Abläufe bei Prozessen modellhaft
zu beschreiben. Mit den Modellen kann einerseits eine Diagnose vorhandener Sensoren
durchgeführt werden. Andererseits können auch nicht meßbare Signale modellhaft erfaßt
bzw. vorhandene Sensorik eingespart werden.
[0003] Beispielsweise kann die Füllung von Zylindern bei Motoren mit variablen Ventiltrieb
über einen Luftmassensensor nur stark verzögert gemessen werden. Sie wird daher sinnvollerweise
aus verschiedenen Eingangsgrößen, die direkt am Einlaß gemessen werden, und unter
Zuhilfenahme eines Modells bestimmt. Dabei ist die Füllung der einzelnen Zylinder
durch mehrere Stellgrößen beeinflußt, die teilweise voneinander abhängig oder auch
unabhängig sind.
[0004] Eine Möglichkeit zur Modellierung sind empirische Verfahren, wie z.B. Kennfelder.
Empirische Verfahren sind jedoch meist ungenau und erfordern einen hohen Abstimmungsaufwand.
Eine weitere Möglichkeit sind physikalische Funktionen, bei denen das Prozeßverhalten
aus der Betrachtung der physikalischen Zusammenhänge abgeleitet wird. Allerdings sind
für mache Prozesse physikalische Funktionen manchmal schwierig zu erstellen. Insbesondere
müssen das Gesamtsystem und die Abhängigkeiten innerhalb des Systems bekannt sein.
Auch nimmt der Aufwand für die Erstellung physikalischer Modelle mit zunehmender Modellkomplexität
überproportional zu. Darüber hinaus sind für verschiedene Konzepte (z.B. Direkteinspritzer,
elektronischer Ventiltrieb, variabler Ventiltrieb, etc.) immer neue Modelle zu erstellen.
[0005] Aus der DE 197 06 750 A1 ist ein Verfahren zur Gemischsteuerung bei einem Verbrennungsmotor
sowie eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens bekannt. Gemäß dem darin
beschriebenen Ausführungsbeispiel wird die in einen Brennraum des Verbrennungsmotors
gelangende Luftmasse aus einer Eingangsgröße bestimmt. Ferner wird die zuzuführende
Kraftstoffmenge in Abhängigkeit von dieser Eingangsgröße ermittelt. Bei der Ermittlung
der Kraftstoffmenge wird ein neuronales Netzwerk verwendet, welches lernfähig ist.
Bei dem vorgestellten Verfahren dient das neuronale Netzwerk zur Beschreibung der
Steuergröße für den Kraftstoffpfad in Abhängigkeit des Motorbetriebszustandes und
der fahrerbeeinflußten Steuergröße für den Luftpfad. Bei der Bildung der Steuergröße
für den Kraftstoffpfad wird bei dieser Ausführungsform ausschließlich auf das neuronale
Netzwerk gesetzt.
[0006] Ein wesentlicher Nachteil von neuronalen Netzen liegt darin, daß sie außerhalb des
Arbeitsbereiches, in dem die Trainingsdaten ermittelt werden, ein unplausibles Extrapolationsverhalten
aufweisen können und dafür in sicherheitskritischen Prozessen, z.B. bei Kraftfahrzeugen,
nur schwer einsetzbar sind.
[0007] Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es, ein Hybridmodell zur Modellierung eines
Gesamtprozesses in einem Fahrzeug anzugeben, mit welchem sich physikalisch schwierig
zu beschreibende Prozesse modellieren lassen, ohne das unplausible Extrapolationsverhalten
in Kauf genommen werden müssen.
[0008] Diese Aufgabe wird durch die im Anspruch 1 genannten Merkmale gelöst.
[0009] Erfindungswesentlich ist, daß der Gesamtprozeß (beispielsweise die Befüllung der
Zylinder) in Teilprozesse aufgeteilt wird, welche von verschiedenen Teilmodellen beschrieben
und dann zu einem Gesamtmodell zusammengeführt werden. Vorliegend wird zumindest ein
Prozeßanteil mit einem physikalischen Modell und ein Prozeßanteil mit einem neuronalen
Model beschrieben. Das neuronale Model übernimmt dabei die Beschreibung eines Prozeßanteils,
welcher physikalisch schwierig zu fassen ist.
[0010] Als konkrete Anwendung läßt sich die Modellierung der Luftmassenfüllung bei Verbrennungsmotoren,
beispielsweise mit variablem Ventiltrieb, angeben. Bei dieser Anwendung könnte die
Basisfüllung über ein physikalisches Modell bestimmt werden. Der Einfluß der Nokkenwellenspreitzung
hingegen könnte über das neuronale Netzwerk beschrieben werden. Gerade bei der Beschreibung
des Einflusses der Nockenwellenspreitzung ist ein physikalisches Modell nur mit hohem
Aufwand zu erstellen.
[0011] Die Modellierung des Basismodells mit einer physikalischen Prozeßbeschreibung hat
den Vorteil, daß der Anteil des neuronalen Teilmodells am Gesamtmodell gezielt beschränkt
werden kann. Auf diese Weise wird gewährleistet, daß das Gesamtmodell kein unplausibles
Extrapolationsverhalten zeigt.
[0012] Bei einer Anwendung des Hybridmodells auf die Beschreibung der Befüllung von Zylindern
bei einem Verbrennungsmotor kann die Basisfüllung mit dem physikalischen Modell in
Abhängigkeit von Fahrbetriebsbedingungen, wie der Drehzahl, einem Zylinder-Hub und/oder
der Druckdifferenz in einem Zylinder beschrieben werden.
[0013] Die Zusammenführung der verschiedenen Teilmodelle kann beispielsweise additiv und/oder
multiplikativ gewählt werden. Natürlich ist auch die Verwendung anderer logischer
oder arithmetischer Verknüpfungen bei einer Zusammenführung der Ergebnisse der Teilmodelle
möglich.
[0014] Natürlich kann die Belernung des neuronalen Teilmodelles (neuronales Netzwerk) gezielt
durch Vorgabe von Lernwerten vor der konkreten Anwendung erstellt werden. Optional
ist aber auch eine kontinuierliche Adaption der Netzparameter während des Betriebs
des Fahrzeugs möglich. So können beispielsweise Serientoleranzen erfaßt und miteinbezogen
werden.
[0015] Als Vorteile des Hybridmodelles gegenüber einem rein physikalischen Vollmodell ist
eine deutliche Reduzierung des Modellierungsaufwandes anzugeben. Durch die Vermeidung
eines neuronalen Vollmodells kann ein (unplausibels) Extrapolationsverhalten ausgeschlossen
werden.
[0016] Überdies können die aufgestellten Hybridmodelle auch bei anderen Konzepten wiederverwendet
werden, indem zum Beispiel die Eingangsgrößen des neuronalen Netzwerkes neu belernt
werden. Vorliegend lassen sich sowohl die Steuerzeiten bei einem elektronischen Ventiltrieb
und die Spreizung bei einem Motor mit variablem Ventiltrieb mit dem vorgestellten
Hybridmodell modellieren.
[0017] Physikalische Modelle bedienen sich teilweise verschiedener Kennfelder oder Kennlinien,
die in der Regel einen großen Speicherbedarf erfordern. Insbesondere bei komplizierten
Prozessen ist für die physikalische Modellierung eine große Anzahl von Kennfeldern
und Kennlinien erforderlich. Bei der vorliegenden Verwendung eines physikalisch-neuronalen
Hybridmodelles wird insgesamt weniger Speicherplatz benötigt, da mit den neuronalen
Netzen aufwendige Kennfelder und Kennlinen vermieden werden können. Vielmehr benötigen
die geringeren Netzparameter bei neuronalen Netzwerken einen geringeren Speicherbedarf.
[0018] Die vorliegende Erfindung wird anhand eines speziellen Ausführungsbeispiels und mit
Bezug auf die einzige nachfolgende Zeichnung näher erläutert.
[0019] Die einzige Zeichnung zeigt ein einfaches schematisches Blockdiagramm, bei dem ein
Gesamtmodell zur Modellierung der Luftmassenfüllung bei einem Verbrennungsmotor mit
variabler Ventilsteuerung mit einem physikalischen Modell für die Basisbefüllung und
einem neuronalen Netz-Modell für den Spreitzungseinfluß beschrieben ist. Die Basisfüllung
wird physikalisch und in Abhängigkeit von der Drehzahl N, dem Zylinder-Hub (Hub) und
der Druckdifferenz D_P sowie der Ansaugtemperatur T_Ans beschrieben. Diese Parameter
werden dem physikalischen Modell als Eingangsgrößen zugeführt und bestimmen entsprechend
einem darin abgelegten Kennfeld sowie einiger thermodynamischer Grundgleichungen die
Ausgangsgröße des physikalischen Modells.
[0020] Der Einfluß der Nockenwellenspreizung wird mittels des neuronalen Netzmodells beschrieben,
da hier ein physikalisches Modell nur schwer zu erstellen ist. Als Eingangsgrößen
für das neuronale Netzmodell dienen neben dem Zylinder-Hub (Hub) die Spreizungen der
Einlaß- und der Auslaßventile (E_Spr, A_Spr). Durch das Belernen der Kopplungen des
neuronalen Netzes kann am Ausgang des neuronalen Modells der Einfluß der Nockenwellenspreitzung
auf die Zylinderbefüllung ermittelt und ausgegeben werden. Dieser Einfluß wird multiplikativ
mit dem Ausgang aus dem physikalischen Modell gekoppelt, was zu der dann insgesamt
ermittelten Luftmasse ML_Mod führt. Dabei ist der Anteil des neuronalen Teilmodells
am Gesamtmodell beschränkt. Die Beschränkung erfolgt vorliegend in Abhängigkeit vom
Ausgangswert des physikalischen Teilmodells.
[0021] Damit wird gewährleistet, daß das Gesamtmodell kein unplausibles Extrapolationsverhalten
zeigt. Versuche haben ergeben, daß sich die mittleren Fehler bei einer Realisierung
der Modellierung der Frischluft-Zylinderbefüllung bei Verbrennungsmotoren mit variablen
Ventilsteuerungen mit dem physikalisch-neuronalen Hybridmodell deutlich reduzieren
lassen.
[0022] Natürlich kann ein Hybridmodell auch zur Beschreibung anderer Gesamtprozesse wie
eines elektronischen Ventiltriebes, turboaufgeladener Motoren, Direkteinspritzermotoren
oder einer Gleichlaufregelung verwendet werden, wobei jeweils Teilprozesse eigene
zumeist abgeschlossene Vorgänge beschreiben und zumindest ein Teilprozeß mit einem
neuronalen Netzwerk dargestellt wird.
1. Hybridmodell zur Modellierung eines Gesamtprozeßes in einem Fahrzeug bestehend aus
zumindest einem physikalischen und einem neuronalen Teilmodell,
dadurch gekennzeichnet,
daß ein Prozeßanteil aus dem Gesamtprozeß ausschließlich mit dem physikalischen Modell
simuliert wird und
ein weiterer Prozeßanteil aus dem Gesamtprozeß ausschließlich mit dem neuronalen Modell
simuliert wird und
der Gesamtprozeß durch eine Zusammenführung der jeweils separat simulierten Prozesse
beschriebenen wird.
2. Hybridmodell nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß ein Basismodell physikalisch simuliert wird.
3. Hybridmodell nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß eine Modellierung der Luftmassenfüllung bei Verbrennungsmotoren mit variabler
Ventilsteuerung durchgeführt wird.
4. Hybridmodell nach Anspruch 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Basisfüllung mit dem physikalischen Modell und in Abhängigkeit von der Drehzahl,
von einem Zylinder-Hub und/oder der Druckdifferenz und/oder der Ansaugtemperatur in
einem Zylinder beschrieben wird.
5. Hybridmodell nach Anspruch 3 oder 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Einfluß der Nockenwellenspreizung mit dem neuronalen Modell simuliert wird.
6. Hybridmodell nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß bei der Zusammenführung beider Teilmodelle eine aditive oder eine multiplikative
Kopplung gewählt wird.
7. Hybridmodell nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß der Einfluß des neuronalen Modells auf das Gesamtmodell beschränkt ist.
8. Hybridmodell nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß eine Belernung des neuronalen Modells vor dem Betrieb des Fahrzeugs erfolgt.
9. Hybridmodell nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
daß eine Belernung des neuronalen Modells adaptiv während des Betriebes des Fahrzeugs
erfolgt.