[0001] Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bestimmung der Reibung zwischen Strangschale
und Kokille beim Stranggießen mittels oszillierbarer Kokille.
[0002] Die Reibkraft zwischen Kokillenwand und Strangschale wird durch eine Normalkraft
verursacht, welche auf die Strangschale wirkt. Bei konventionellen Kokillen mit planparallelen
Kokillenplatten entsteht die Normalkraft hauptsächlich als Folge des ferrostatischen
Drucks, den die Stahlschmelze im Stranginnern auf die Strangschale ausübt. Ein zusätzlicher
Anteil der Reibkraft wird von der konischen Anstellung der Kokillenschmalseiten verursacht.
[0003] Bei Kokillen mit zum Kokillenaustritt abnehmendem Querschnitt, bspw. Trichterkokillen,
entsteht eine zusätzliche Normalkraft aus der Rückbiegung der Strangschale beim Transport
durch die Kokille.
[0004] Die Höhe der Reibkraft F
R ist entsprechend Gleichung (1) sowohl von der Normalkraft F
n als vom Reibkoeffizienten µ abhängig.

[0005] Der Reibkoeffizient µ wird im wesentlichen von Schmierbedingungen zwischen Strang
und Kokille bestimmt. Diese ergeben sich aus:
- Wahl bzw. Qualität des Schmiermittels, bspw. Gießpulver oder Öl,
- Aufgabemenge des Schmiermittels,
- Zustand des Schmiermittels nach Viskosität, Zusammensetzung und Aufbau,
- Wärmeabfuhr aus den Kokillenplatten,
- Relativgeschwindigkeit zwischen Strangschale und Kokille.
[0006] Die Richtung der Reibkraft ändert sich während der Oszillationsbewegung periodisch
um 180°. In konventionellen Kokillen werden in beiden Richtungen im stationären Zustand
etwa die gleichen Reibwerte erreicht. Wegen des zusätzlichen Einflusses der Strangschalenbiegung
auf die Normalkraft sind dagegen die Reibkräfte in Kokillen mit abnehmendem Querschnitt
während der Phase des Positivstrips deutlich höher als während des Negativstrips.
[0007] Moderne Stranggießverfahren erfordern ein Höchstmaß an Verfügbarkeit von Anlage und
Prozeß, weil unerwartete schmierungsbedingte Änderungen im Gießprozeß sowohl eine
erhebliche Qualitätsminderung des Gießprodukts wie auch Betriebsunterbrechungen zur
Folge haben können. Infolgedessen ist für einen störungsfreien Betrieb eine möglichst
vollständige Anlagenautomatisierung mit permanenter Online-Überwachung aller wesentlichen
Betriebsdaten eine dringende Voraussetzung. Nur hierdurch können auftretende Fehler
in der Entstehungstendenz frühzeitig genug erkannt und durch entsprechende Gegenmaßnahmen
kompensiert werden.
[0008] Hierzu bedarf es insbesondere einer kontinuierlichen Messung der Reibverhältnisse
zwischen Strangschale und Kokille, um daraus Erkenntnisse über den Betriebszustand
bzw. die Funktionsverhältnisse in der Kokille zu gewinnen, um nach Maßgabe dieser
Informationen den Stranggießprozeß zu überwachen und betriebstechnisch zu optimieren.
[0009] Die meßtechnische Erfassung der Reibverhältnisse zwischen Strangschale und Kokille
ist auch deswegen von wesentlicher Bedeutung, weil die Kokillenreibkraft als pulsierende
Störgröße auf den Strang wirkt.
[0010] Ziel der Online-Überwachung sind dabei:
- Verbesserung der Oberflächenqualität des Stranges durch Optimierung der Schmierbedingungen,
- kontinuierliche Überwachung der Strangschmierung und der Oszillationsbedingungen mit
der Möglichkeit einer Reaktion auf systematische Veränderungen,
- rechtzeitige Warnung vor schädlichen Ereignissen, wie bspw. Durchbruch, die sich mit
einer erkennbaren Tendenz zur Veränderung der Kokillenreibung ankündigen.
[0011] Verfahren zur Bestimmung der Reibkraft zwischen Strang und Kokille sind beim Stand
der Technik bekannt. Sie unterscheiden sich vor allem in der Wahl des Meßortes und
des angewandten Meßverfahrens.
[0012] Das Dokument Concast News 12, 1973, Seiten 6 bis 8, beschreibt in dem Bericht

Determination of frictional forces between strand and mould", Verfasser M. Schmid,
ein Verfahren, bei welchem die Kokille auf zwei Kraftmeßdosen montiert wird. Um ein
Auftreten von zusätzlichen Kräften, bspw. durch thermische Verformung, zu vermeiden,
ist die Führung der Kokille in reibungsarmen Nadellagern erforderlich. Zusätzlich
zu den Kräften werden die Gießgeschwindigkeit, die Kokillenbewegung, die Kokillengeschwindigkeit,
die auftretenden Kräfte sowie die Kokillenbeschleunigung gemessen. Aus diesen Daten
wird die Kokillenreibung berechnet.
[0013] Das Dokument

Fachberichte Hüttenpraxis" Metallweiterverarbeitung, Vol. 20, No. 4, 1982 stellt unter
dem Titel

On the Importance of Mould Friction Control in continuous Casting of Steel" ein Verfahren
zur Reibungsmessung vor, welches auf Beschleunigungsmessungen an der Kokille beruht.
Dafür wird ein Meßkopf, der an der Kokille befestigt wird, sowie eine aufwendige elektronische
Signalverarbeitung benötigt.
[0014] Das Dokument

Vortrag zur Veranstaltung 3. Duisburger Stranggießtage am 7./8. März 1991" berichtet
unter dem Titel

Einsatz fortgeschrittener Verfahren zur Zustandsüberwachung von Kokillenhub- und ―gießmaschine",
Verfasser M. Perkuhn, E. Höffgen, H.J. Strodhoff und P.M. Frank" über ein Verfahren
zur Kraftmessung an der Exzenter-Hubstange, bei welchem als Meßgröße für die Reibkraftmessung
die Kraft in der Hubstange des Exzenters sowie der Motorstrom und die Drehzahl des
Exzenterantriebs, Hubweg sowie Hubfrequenz und Kühlwasserdruck verwendet wird. Aus
einem Modell-Ersatzsystem, das aus Massen, Federn und Dämpfern aufgebaut ist, werden
parallel dazu die Kräfte berechnet, die ohne den Einfluß der Kokillenreibung allein
aus der Oszillationsbewegung zu erwarten wären. Aus einem Vergleich der gemessenen
mit den erwarteten Kräften in der Hubstange läßt sich dann die Kokillenreibung bestimmen.
[0015] Nachteile der zuvor beschriebenen Verfahren sind u.a.:
- ein großer konstruktiver und meßtechnischer Aufwand, der erforderlich ist, um saubere
Meßsignale zu gewinnen;
- erforderliche Umbauten an Kokille und/oder Oszillationseinrichtung sowie Kokillenführung;
- zusätzliche externe Applikation von Meßaufnehmern, die gepflegt, gewartet und regelmäßig
überprüft werden müssen;
- ein erforderlicher Abgleich der Meßwerte mit Schwingungsmodellen bzw. einer Interpretation
mit Hilfe aufwendiger elektronischer Signalverarbeitung.
[0016] Ausgehend vom vorgenannten Stand der Technik liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde,
ein Verfahren der im Oberbegriff von Anspruch 1 genannten Art anzugeben, welches unter
Vermeidung vorgenannter Nachteile und Schwierigkeiten mit vergleichsweise geringem
meßtechnischem Aufwand sowie ohne nennenswerte Umbauten an Kokille oder Oszillationseinrichtung
saubere Meßsignale liefert, keine externen Meßaufnehmer und/oder Schwingungsmodelle
erfordert und fortlaufend online die zur Überwachung eines störungsfreien Betriebszustandes
erforderlichen Betriebsdaten, insbesondere für die Bestimmung der Reibung zwischen
Strangschale und Kokille liefert.
[0017] Zur Lösung der Aufgabe ist bei einem Verfahren der eingangs genannten Art mit der
Erfindung vorgesehen, daß unter Verwendung geregelter doppelt wirkender Hydraulikzylinder
die Drücke jeweils beider Kammern aller Oszillationszylinder, sowie die diesen Drücken
zuordenbaren Hubpositionen der Kolben mit einer vorgebbaren Meßfrequenz aufgenommen
und aus diesen Daten die zu jedem Zeitpunkt zwischen der Strangschale und den Kokillenwänden
wirkende Reibkraft berechnet wird.
[0018] Das erfindungsgemäße Verfahren zur Bestimmung der Reibung zwischen Strangschale und
Kokille beim Stranggießen läßt sich bei allen Stranggießmaschinen anwenden, die mit
einer hydraulischen Kokillenoszillation ausgestattet sind.
[0019] Mit Vorteil werden zur Reibkraftbestimmung ausschließlich Meßgrößen verwendet, die
zur Steuerung und Regelung der Oszillationsbewegung ohnehin benötigt und mit ausreichender
Genauigkeit aufgenommen werden. Es sind dies die im Hauptanspruch angegebenen Meßdaten,
nämlich:
- die Drücke in beiden Kammern aller Hydraulikzylinder der Oszillation und
- die aktuelle Position der Zylinderkolben.
[0020] Diese Daten werden mit einer vorgegebenen Meßfrequenz aufgenommen. Daraus läßt sich
mit geringem mathematischen Aufwand online und offline die zu jedem Zeitpunkt zwischen
Strangschale und Kokillenwand wirkende Reibkraft berechnen.
[0021] Dazu müssen jedoch die aus den gemessenen Zylinderdrücken ermittelten Zylinderkräfte
um die Hauptstörgrößen: aktuelles Kokillengewicht, sowie Beschleunigungskräfte aus
der Kokillenbewegung korrigiert werden.
[0022] Als Vorteile des Verfahrens nach der Erfindung sind zu nennen:
- Es erfordert keinen konstruktiven bzw. meßtechnischen Aufwand zur Gewinnung der Meßdaten,
weil diese bereits für die Regelung der Oszillationsbewegung benötigt werden und deshalb
mit ausreichender Genauigkeit vorliegen;
- infolgedessen sind auch keine Umbauten an Kokillen und/oder Oszillationseinrichtungen
erforderlich;
- ebensowenig benötigt das erfindungsgemäße Verfahren extern zu applizierende Meßaufnehmer,
wobei dann auch deren Pflege, Wartung und Überprüfung entfällt.
[0023] Eine Ausgestaltung des Verfahrens nach der Erfindung sieht vor, daß die ermittelten
Reibungskräfte der aktuellen Gießgeschwindigkeit zugeordnet und mit dieser laufend
verglichen werden. Damit ist eine Änderung der Gießgeschwindigkeit als Störfaktor
ausreichend kompensiert.
[0024] Eine weitere Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens sieht vor, daß die Beschleunigungskräfte
in Abhängigkeit von der jeweiligen Hubposition im Kaltdurchlauf ohne Reibungskräfte
ermittelt wird, mit entsprechenden Beschleunigungskräften einschließlich der Reibungskräfte
im intakten Gießbetrieb verglichen wird und daraus SOLL-Werte der zulässigen Reibungskräfte
abgeleitet werden.
[0025] Eine weitere Ausgestaltung des Verfahrens nach der Erfindung sieht vor, daß als weitere
Einflußgröße Parameter für die Stahlqualität, Gießtemperatur, Gießgeschwindigkeit
bei der Berechnung der Reibkraft mit berücksichtigt werden.
[0026] Weiterhin ist vorgesehen, daß beim Stranggießen einer Charge die Meßdaten fortlaufend
online beobachtet und registriert und dabei die zu jedem Zeitpunkt wirkende Reibungskraft
online berechnet und bei erkennbaren Änderungen Gegenmaßnahmen eingeleitet bzw. bei
erkennbarer Durchbruchsgefahr der Gießprozeß gestoppt wird.
[0027] Und schließlich kann mit dem Verfahren nach der Erfindung vorgesehen sein, daß bei
steigender Tendenz der Reibkraft zwischen Strang und Kokille die Zugabe von Schmiermitteln
überprüft und die Schmiermittelzugabe verändert wird.
[0028] Die wichtigsten Merkmale des mit der Erfindung vorgeschlagenen Verfahrens zur Messung
der Reibkraft zwischen Strang und Kokille sind:
- Das Verfahren läßt sich bei allen Kokillenoszillationen, unabhängig von der Bauart,
anwenden, wenn zur Erzeugung der Oszillationsbewegung geregelte Hydraulikzylinder
verwendet werden;
- zur Bestimmung der Reibkraft werden Meßgrößen verwendet, die zur Regelung der Oszillationsbewegung
ebenfalls erforderlich sind, und deshalb bereits mit ausreichender Geschwindigkeit
vorliegen;
- die Meßdaten werden mit einer geeigneten vorzugebenden Meßfrequenz aufgenommen;
- die Umrechnung der Meßdaten in aktuelle Kokillenreibung erfolgt über einfache mathematische
Zusammenhänge und kann online erfolgen. Dabei wird das aktuelle Kokillengewicht sowie
die Beschleunigungskräfte aus der Kokillenbewegung kompensiert;
- es sind keine zusätzlichen Ein- bzw. Umbauten an Kokille und/oder Oszillationseinrichtung
erforderlich.
1. Verfahren zur Bestimmung der Reibung zwischen Strangschale und Kokille beim Stranggießen
mittels oszillierbarer Kokille,
dadurch gekennzeichnet,
daß unter Verwendung geregelter doppelt wirkender Hydraulikzylinder die Drücke jeweils
beider Kammern aller Oszillationszylinder, sowie die diesen Drücken zugeordneten Hubpositionen
der Kolben mit einer vorgebbaren Meßfrequenz aufgenommen und aus diesen Daten die
zu jedem Zeitpunkt zwischen der Strangschale und den Kokillenwänden wirkende Reibkraft
berechnet wird.
2. Verfahren nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet,
daß die für die Abhängigkeit der Beschleunigungskräfte von der jeweiligen Hubposition
ermittelten Daten um die Störgrößen
- aktuelles Kokillengewicht
- Beschleunigungskräfte aus der Kokillenbewegung
korrigiert werden.
3. Verfahren nach Anspruch 1 oder 2,
dadurch gekennzeichnet,
daß die ermittelten Reibungskräfte der aktuellen Gießgeschwindigkeit zugeordnet und
mit dieser laufend verglichen werden.
4. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet,
daß die Beschleunigungskräfte in Abhängigkeit von der jeweiligen Hubposition im Kaltdurchlauf
ohne Reibungskräfte ermittelt und mit entsprechenden Beschleunigungskräften einschließlich
der Reibungskräfte im Gießbetrieb verglichen und daraus SOLL-Werte der zulässigen
Reibungskräfte abgeleitet werden.
5. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet,
daß als weitere Einflußgrößen Parameter für die
- Stahlqualität
- Gießtemperatur
- Gießgeschwindigkeit
bei der Berechnung der Reibkraft mit berücksichtigt werden.
6. Verfahren nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet,
daß beim Stranggießen einer Charge die Meßdaten fortlaufend online beobachtet und
registriert werden und dabei die zu jedem Zeitpunkt wirkende Reibkraft online berechnet
und bei erkennbaren Änderungen Gegenmaßnahmen eingeleitet werden bzw. bei erkennbarer
Durchbruchsgefahr der Gießprozeß gestoppt wird.
7. Verfahren nach Anspruch 6,
dadurch gekennzeichnet,
daß bei steigender Tendenz der Reibkraft zwischen Strang und Kokille die Zugabe von
Schmiermitteln überprüft und die Schmiermittelzugabe verändert wird.